1. Oktober war er in die Herberge gekommen. Ich fiel gerade wütend mit Zähnen und Klauen über den Sandsack her. Ohne Trainer Truddy, der noch immer im Krankenhaus war, trainierte ich nach Anleitung des Buches, das mir Ñora Dabbelju geschenkt hatte. Morgens ging ich joggen, ohne Musik, denn den iPod hatte ich Naomi überlassen, damit sie hören konnte, was immer sie wollte.
mit meinem neuen Trainer, Mister Bald, waren schwierig. Am Morgen des»Wenn du weiter so auf den Sack eindrischst, Junge, ruinierst du dir mit der Zeit Handgelenke und Ellbogen«, sagte Trainer Bald, als er in die Turnhalle trat, gefolgt von Mister Abacuc. Er trug seine Baskenmütze und eine schwarze Jogginghose aus Baumwolle.
»Mister Bald!« Ich war überrascht. »Ich hatte nicht mehr mit Ihnen gerechnet.«
»Ich hatte auch meine Zweifel, aber hier bin ich, Junge.«
»Und Ihr Bruder?«
»Dem habe ich den Familienbetrieb samt Boxern überlassen, die übrigens noch immer einen Dumpfschädel haben, dich Planierraupe aber überleben werden.«
»Das ist ein guter Anfang, jawoll«, Mister Abacuc lächelt. »Was halten Sie von ihm, Mister Sixto?«
»Nennen Sie mich bitte Bald«, korrigiert er.
»Was halten Sie von ihm, Trainer Bald? Hat er Zukunft?«
»Uff, und was für eine, so was hab ich mein Lebtag nicht gesehen, aber nicht dem Jungen sagen, sonst hält er sich für Gott weiß wer und wird am Ende alles vermasseln.«
»Hast du den Trainer gehört, Liborio?«
»Nie habe ich mich für mehr gehalten, als ich bin.«
»Ja, er scheint eine Diamantfaust zu haben«, der Trainer zieht die Trainingshandschuhe an. »Wollen wir mal deinen Schlag prüfen, Junge.«
Er stellt sich auf die Dielen, schiebt den linken Fuß vor, hebt die Handschuhe zur Grundstellung.
»Schlag mit aller Kraft drauf, als wäre es der erste und letzte Schlag, mit dem du die Weltmeisterschaft gewinnen kannst, Junge.«
Ich prüfe die Distanz. Berechne das Timing und sende mein Projektil ab. Bevor mein Schlag den Handschuh erreicht, zieht Trainer Bald ihn zurück, und mein Arm saust daran vorbei und reißt mich mit, während der Trainer sich mein Schwanken zunutze macht und mir mit demselben Handschuh, den er zurückgezogen hat, eine Kopfnuss versetzt.
»He!«, sage ich verärgert. »Ziehen Sie doch das Ding nicht weg, sonst kann ich es nicht schlagen, und hauen sie mir nicht auf den Kopf …«
Mister Abacuc lacht.
»Was hast du eben gelernt, Junge?«, fragt mich der Trainer.
»Dass Sie eine fiese Ratte sind?«
»Ha!« Mister Abacuc lacht laut auf.
»Nein, Junge, du hast gelernt, dass Geschick über Kraft geht. Los, schlag noch mal zu, als ginge es um dein Leben.«
»Und machen Sie wieder einen Rückzieher?«
»Das weiß ich nicht. Boxen ist ein Glücksspiel.«
Er hält mir den Handschuh vor die Nase, und da es heißt, dumm, wer nicht aus seinen Fehlern lernt, berechne ich die Distanz, lasse meine Faust aber nicht zum Handschuh schnellen, sondern werfe den anderen Arm in die Richtung, in die ihn der Trainer vermutlich bewegen wird und ihn auch tatsächlich bewegt. Ich täusche mit der Linken an, der Trainer bewegt den Handschuh nach rechts, ich lasse mein rechtes Projektil los, und es donnert mitten in die Handfläche im Trainingshandschuh. Der Schlag dröhnt dumpf auf dem Vinyl. Plock! Trainer Bald zieht sofort den Handschuh aus und reibt sich die Hand.
Sie ist gerötet.
»Siehst du, Junge?«, sagt er mir mit tauber Hand. »Du hast gerade gelernt, eine List anzuwenden.« Dann dreht er sich zu Mister Abacuc. »Mister Abacuc, hätten Sie vielleicht etwas Eis für mich?«
»Schöne Musik?«, frage ich Naomi.
»Sieh mal«, sagt sie. Und sie zeigt mir ein Youtube-Video, in dem ein Musiklehrer die erste Klavierstunde gibt. »Glaubst du, ich kann Klavier spielen lernen?«
»Wenn ich, der ich ein größerer Esel bin als du, gerade eine Birne schlagen lerne, kannst du erst recht lernen, ein paar Tasten zu schlagen.«
»Ohne Fleiß kein Preis«, hatte mir Trainer Bald mit verbundener Hand am nächsten Tag gesagt. »So viel Talent du auch haben magst, Junge, wenn du es nicht trainierst, wirst du nie etwas erreichen. Also werden wir deine Ausbildung in fünf parallele Stränge einteilen: physisches, technisches, taktisches, psychologisches und theoretisches Trainig. Jeder einzelne davon unterteilt sich wiederum in vier: Richtung, Umfang, Stärke und Erholung, all das, um drei fundamentale Dinge zu erreichen: sportliche Form, optimale Leistung und schließlich, Junge, das beste Ergebnis. Verstehst du?«
»Aha«, sage ich, während ich mit baumelnden Eiern kopfunter hänge wie eine Vampirfledermaus und mich mit dem hundertfünfzigsten der Bauchaufzüge abmühe, die er mir aufgetragen hat, damit ich, seinen Worten nach, einen karierten Wanst bekomme.
»Alles mit Ordnung und Disziplin. Anders geht es nicht, Junge.«
Señora Merche rupfte nun noch mehr Hühner.
»Du isst, als würdest du schuften, Makake«, hatte sie mir eines Tages gesagt, als ich das Essen mit einem einzigen Löffelschlag verschlungen hatte. Mister Abacuc hatte mir auf Anraten von Trainer Bald Pillen gegeben, die meine Spulwürmer töten sollten. Deshalb hätte ich Flecken auf der Haut, sagte er. Er gab mir auch ein Fläschchen mit Vitamintabletten, damit ich die Nährstoffe im Essen besser verarbeitete und weniger davon verschwendete, wenn ich aufs Klo ginge. Davon wirst du großen Hunger bekommen, sagte Trainer Bald. Und das Gefühl haben, dass nichts dich satt macht. Trink viel Wasser.
So sah mein Zeitplan aus: Aufstehen um 4:45. Hühner füttern. Draußen zwei Stunden joggen. Zurückkommen, seilspringen, aufwärmen: Sit-ups, Kniebeugen und Liegestütze in allen nur möglichen Varianten. Dann frühstücken und in der Herberge helfen: Kleider und Taschen aufräumen, Kisten verschieben, Fipse und Fipsinnen wie eine Herde Lämmchen zum Frühstück und zu Miss Webeers Unterricht treiben, das Dach fegen, kaputte Sachen reparieren. Wenn nach dem Frühstück Trainer Bald um elf kam, mit dem technischen Unterricht beginnen. Er zeigte mir, wie ich den Sandsack schlagen musste.
»Wenn du ihn so schlägst, lernst du nur einen einzigen Schlag. Aber sieh mal, der Schlag auf der Seite des Vorderbeins heißt Jab. Kennst du den?«
»Den hat mir Trainer Truddy beigebracht.«
»Gut, damit hältst du deinen Gegner auf Distanz, wenn er kleiner ist als du. Du hast ihn gebraucht, als du Dulls Jara im Umkleideraum k. o. geschlagen hast. Es ist kein besonders kräftiger Schlag, obwohl du eine Ausnahme zu sein scheinst. Der Jab wird immer mit der Führhand geschlagen. Wenn ich mein linkes Bein vorstelle, sagt man linker Jab, beim rechten heißt es rechter Jab. Gut, Junge, wenn du mit der anderen, mit der Schlaghand schlägst, dann nennt sich das Gerade. Pass auf. Hast du gesehen? Die Gerade kann aufwärts geführt werden, zum Gesicht, oder abwärts, zum Magen. Im Gesicht erzielst du ein K. o., wenn der Schlag gut platziert ist. Beim Magen wird der Gegner erst nach ein paar Sekunden zusammenbrechen. So, der Schlag, den du wie eine Parabel führst, von oberhalb oder unterhalb der Schulter, heißt Haken oder Schwinger. Er kann auf den Kopf oder auf die Rippen zielen. Pass auf, wie ich den Sack schlage. Ein Haken auf den Kopf kann ein K.-o.-Schlag sein. Nach unten, auf Leber oder Nieren, setzt er die Beine des Gegners außer Gefecht. Das ist gut, wenn du seinen Widerstand brechen willst. Du schlägst ihn genau hierhin, wo die Leber ist, und nach drei, vier tüchtigen Schlägen wird er sich zusammenziehen wie eine Auster, die man mit Salz bestreut. Und du wirst sehen, die Beine des Gegners schwanken, und früher oder später bricht er zusammen. Ein weiterer Schlag nennt sich Uppercut. Der wird von unten nach oben ausgeführt, und wenn du ihn direkt aufs Kinn richtest, schlägst du sicher jeden k. o., den du vor dir hast. Pass auf, von unten nach oben, so. Versuch dabei den ganzen Körper nach vorn zu werfen und dann nach oben, damit dein ganzes Gewicht in diese Richtung geht. Verstanden?«
»Ja, Trainer.«
»Dann auf zum Boxen.«
Anschließend kam das Mittagessen, gegen zwei, bei dem ich wahllos alles verschlang. Selbst der Haufen Steine in der Küche, auf den die Töpfe gestellt wurden, sah mir nach Hühnchen aus. Anschließend ruhte ich ein wenig in der Bibliothek aus, ging das Buch von Ñora Dabbelju durch, das, wie mir der Trainer gesagt hatte, fürs Erste zur theoretischen Vorbereitung taugte. Darin stand, wie man sich die Hände bandagierte, ohne danach wie eine Mumie auszusehen. Oder wie man sich die Boxstiefel mit einem doppelten Kreuzknoten schnürte. Oder wie man die Faust richtig schloss, damit man sich nicht die Handknochen brach. Oder wie man mit seinem Schatten als unsichtbarem Gegner boxte. Dem Buch nach hatte es in grauer Vorzeit einen Boxer namens Ars de Ilse gegeben, der so schnell boxen konnte, dass sein eigener Schatten in der Sonnenglut langsamer war als er.
Dann unterbrach mich fast immer Naomi und schleifte mich zum Klavier auf der Turnhallenbühne, damit ich ihr hinaufhalf. Ich hob sie hoch und setzte sie auf das Bänkchen.
»Fällst du auch nicht runter?«
»Ich tue mein Bestes«, sagte sie mir beim ersten Mal. »Früher bin ich nämlich oft gefallen. Siehst du die Narbe hier? Ich bin von der Tribüne gefallen, auf die man mich gesetzt hatte, weil ich allein dort sitzen wollte, ohne Hilfe. Und da bin ich nach vorn gekippt und habe mich nicht mal abgefangen.«
Beim Herunterholen hängte sie sich an meinen Hals wie eine Medaille, und ich setzte sie in den Stuhl. Dann rief mich immer Mister Abacuc, damit ich ihm half, die täglichen Vorräte einzuräumen, die er hier und da auftrieb. Manchmal fuhr ich auch mit ihm im Pick-up die Sachen holen, die mildtätige Menschen uns gnädig für unseren Fortbestand überließen.
Abends nach dem Essen fielen mir die Augen von allein zu. Dann fing, meinem Gefühl nach, das psychologische Training an, wenn ich von Aireen träumte.
Als mich Ñora Dabbelju zum ersten Mal anrief, dachte ich gerade an Aireen, während ich ein paar Kisten aus der Küche holte, nach draußen schleppte und stapelte, später würde ich sie auf dem Wagen festbinden, damit wir sie auf dem Wertstoffhof für ein paar Dollars verkaufen konnten, denn Señora Merche benötigte Schokolade für ihre Mole poblano.
»Da ist deine Tante für dich dran, du Affe«, sagte Señora Merche mit Pistolenaugen.
»Kleiner«, grüßte sie fröhlich am anderen Ende. »Wie geht’s! Hat dir dein Dreckszeug gefallen?«
»Sehr«, sagte ich begeistert. »Ich benutze es bloß nicht.«
»Warum nicht?« Sie wurde unsicher.
»Weil man mich auf der Straße überfallen würde, wenn ich es anziehe.«
»Echt?«
»Nein, ich benutze es. Und es hat mir schon gute Dienste geleistet.«
»Spinner«, und sie lachte laut auf.
Dann redeten wir darüber, wie unsere Angelegenheiten so liefen. Sie erzählte mir, wie es um die Einwanderungspolitik stand. Dass die Regierung jeden Illegalen einlochen wolle. Dass die Rechten schädlicher für das Leben seien als das giftigste Gift auf Erden. Dass sie wieder für die Sun News arbeite, eine Reportage über die Gruppe Minutemen, es sei gut gelaufen, denn sie habe über hundert Drohmails von ihnen bekommen. Sie lese abends viel, vor allem Liebesromane, die kitschigen mit viel Sex, denn sie müsse den Kopf freibekommen von dem täglichen Müll.
»Und wie geht es dir, Kleiner?«
»Geht schon«, sagte ich. »Am 17. ist mein erstes Turnier. Nichts Großes, sagt Trainer Bald, aber er will mich auf die Probe stellen, mit ein paar hochkarätigeren Typen als die bisherigen, die waren wohl grüne Grützköpfe. Das Turnier eröffnet die neue Boxsaison.«
»Ich mache Werbung für dich!«, rief sie sofort begeistert, ohne zu fragen, wer zum Teufel Trainer Bald war und wer zur Hölle die grünen Grützköpfe.
»Wozu?«
»Denk dran, Kleiner: Unsichtbaren Heiligen stiftet man keine Kerze. Ich rufe dich morgen an.«
»Und, wie kommst du voran, Naomi?«
»Pass auf«, sagte sie, vor dem Klavier festgebunden, denn einmal wäre sie beinahe hintenübergekippt, und wäre ich nicht da gewesen und hätte sie schnell aufgefangen, sie hätte sich den Kopf auf den Dielen aufgeschlagen. Also hatte ich gegen ihren Widerstand beschlossen, sie mit Seilen zu vertäuen, als wäre sie ein Turm, damit sie in keine Richtung mehr schwankte. »Ich habe inzwischen gelernt, dass die Taste links von diesen zwei schwarzen ein Do ist. Hast du gewusst, dass die Musik Namen hat?«
»Nein, habe ich nicht gewusst.«
»Ja, die ganze Musik besteht aus diesen Namen: do, re, mi, fa, sol, la, si.«
»Im Ernst?«
»Ist das nicht unglaublich?!«
Am 16. ging ich zu Aireen, um ihr eine Karte für das Turnier zu geben, für das mich Trainer Bald eingeschrieben hatte, und sie noch einmal um Vergebung zu bitten, wie ich es schon so oft versucht hatte. Niemand war da, also schob ich die Karte unter der Tür durch, mit einem Zettel, der besagte: »Ich hoffe, du kannst kommen.« Dann setzte ich mich draußen hin. Die Stelle, wo die Book gewesen war, veränderte sich ständig. Die schmiedeeisernen Fenster im oberen Stock waren nun ein einziges großes Fenster mit Holzrahmen. Die Fassade war mit beigefarbenem Granit verkleidet, und ein paar Männer brachten gerade LED-Lampen unter dem Vordach an. Das Innere war weiß gestrichen, und weitere Männer installierten mehrere Theken aus Holz und Glas. Erde oder Schutt lag nicht mehr da. Ganz hinten sah ich das Ende einer neuen Treppe, größer und mit grünem Rokokogeländer. Der Boden der Book war nun aus Holz, nicht mehr aus Fliesen wie früher.
Warum ist niemand da?, fragte ich mich, denn ich wusste, dass Aireens Großvater nicht gern ausging oder draußen etwas unternahm. Ein roter Bus kam vorbei. Ohne nachzudenken, rannte ich zur Haltestelle und war mit einem Satz drinnen.
»Jungchen«, der Frau des Chiefs glänzten die Augen. »Wo hast du gesteckt? Landauf, landab haben wir dich gesucht. Eine Heidenangst hatten wir! Wie gut, dass du wieder da bist!« Sie umarmte mich fest, führte mich in den Garten, wo der Chief gerade ein Buch las. Er trug Pantoffeln, neben ihm ein Glas Sodawasser. Ihre Kinder saßen auf der Wiese und spielten mit Bausteinen. »Liebling, sieh mal, wer gekommen ist.«
Der Chief ließ das Buch sinken und sah mich an.
»Na so was, wen haben wir denn da. Wo hast du gesteckt, du kleiner Scheißer?«
»War ziemlich beschäftigt.«
»Na so was. Ein beschäftigter Bastard. Und bei all der Beschäftigung, was führt dich da zu uns?«
»Ich wollte Sie um einen Gefallen bitten, Chief.«
»Geld leih ich dir keins, du Pestplage.«
»Das ist es nicht.«
»Was dann?«
»Ich will Ihnen eine Kiste Bücher abkaufen.«
»Na so was, wozu denn? Machst du dein eigenes Geschäft auf?«
»Nein, Chief, die sollen verschenkt werden.«
»Ich sehe, du hast dich neu ausstaffiert, mit Markenklamotten. Bist du etwa unter die Narcos gegangen, mistiger Wichser?«
»Nein, Chief. Ich arbeite in einer Herberge für obdachlose Kinder.«
»Seht euch den Scheißer an. Und ich wollte dir eine Stelle in meinem neuen Laden anbieten.«
»Das Lokal der Book ist immer noch Ihres?«
»Darauf kannst du wetten. Ich baue bloß um.«
»Wie denn, Chief? Die Schulden standen Ihnen doch bis zum Hals. Nicht mal mehr die Stromrechnung konnten Sie bezahlen.«
»Das Glück wandelt sich, du braunarschiger Kaiman. Die Versicherung hat bezahlt, weil die ganze fokkin Buchhandlung hopsgegangen ist. Und jetzt will ich mich verbreitern, damit ich nicht mehr so viel Zeit dort verbringen muss. Was meinst du, Scheißer? Arbeitest du wieder bei mir?«
»Was für eine Versicherung?«
»Die ich Gott sei Dank ein paar Wochen vor der Zerstörung abgeschlossen hatte. War das nicht ein Glück, dravidischer Bastard?«
»Wer hat sie zerstört?«
»Ah, das werden wir nie erfahren, vorwitziger Wichser. Was spielt das für eine Rolle, wo es ein Akt göttlicher Gerechtigkeit war? Mir ist das einerlei.«
»Und was kommt jetzt rein? Denn die Book sieht inzwischen ganz anders aus.«
»Ein Coffeeshop wie Starbucks, aber edler. Ich lasse nur die vornehmsten Kunden zu. Und ich brauche jemanden, der fegt und putzt. Diesmal bekommst du eine echte Uniform. Was sagst du?«
»Sie hatten doch nie was übrig für Kaffee, für Platten, lärmige Musik oder …«
»Die Menschen ändern sich, symphonische Filzlaus.«
»Nein, Chief, manche ändern sich nie.«
Der Kampf vom 17. Oktober war ziemlich schnell vorüber. Nur Mister Abacuc, Naomi, der Trainer und ich fuhren zum Dorvac Forum. Dort sollte ich Ñora Dabbelju treffen, die gerade in der Sun eine Reportage über einen unbekannten Braunpelz veröffentlicht hatte, der die Latino-Gemeinde der Vereinigten Staaten stolz auf ihre Herkunft, ihre Sprache, ihre Hautfarbe machen sollte. Sie streute mir so viele Rosen, dass ich mich in der Reportage nicht wiedererkannte. Ich gab sie Naomi, die sie unbedingt lesen wollte.
»Ich bin schon jetzt stolz auf dich«, sagte sie, als sie zu Ende gelesen hatte.
Die Umkleide hatte nichts mit dem Luxus des Ford Foundation Center zu tun. Größer war sie, aber überfüllt. Wie eine Miniturnhalle, in die wir wie Truthühner gepfercht wurden. Mister Abacuc hatte sich inzwischen in die erste Reihe gesetzt, damit er Naomi mit dem Rollstuhl mitnehmen konnte. Trainer Bald führte mich durch die dunklen Gänge. Wir hatten nur eine kleine Tasche bei uns.
»Mehr braucht man nicht«, sagte er. »Deshalb haben wir uns über euch lustig gemacht, als du damals mit Mister Truddy hereingekommen bist. Als hättet ihr euren ganzen Hausrat dabei.«
»Vermissen Sie Ihren Bruder?«, fragte ich.
»Manchmal, aber jetzt, da wir uns getrennt haben, verstehen wir uns besser.«
»Waren Sie einmal verheiratet, Trainer Bald?«
»Nein, Junge, ich habe nie geheiratet. Ich hatte viele Frauen, versteht sich, in meinen Jugendjahren. Du weißt schon, ich hatte eine vielversprechende Zukunft, und wenn du auf der Siegerstraße bist, hast du viele Freunde und Freundinnen; aber sobald die ersten Rückschläge kommen, meiden dich alle wie die Pest.«
Ich trat wegen meiner Unterernährung in der Klasse Juniorfliegengewicht an, die leichteste der Minderjährigen, gegen einen dunklen Typ, der gerade mal einen Schnurrbartschatten unter der Nase hatte und stinksauer zu sein schien, denn er wanderte auf und ab wie ein Tiger im Käfig, hin und her.
»Sieh dich vor dem Jungen vor«, sagte Trainer Bald. »Er trainiert schon, seit er neun ist. Das ist der Sohn von Ruder Soch. Kennst du den?«
»Nein.«
»Ein ehemaliger Profiboxer, der überall Werbung für seinen Sohn macht, weil er ihn als Champion sehen will. Er hat ihm jede Menge Kniffe beigebracht, also Vorsicht, Junge. Ich habe ihn schon boxen sehen.«
»Kennt er mich?«
»Wie soll er dich kennen, wenn das dein erster Kampf in dieser Amateurklasse ist?«
»Also bin ich im Vorteil, nicht wahr, Trainer?«
Unser Kampf war der zweite des Abends.
Kaum hatte die Glocke geläutet, da wollte der Kerl mir eine Faust ins Gesicht rammen, aber schnell wich ich mit einem Hüftschwung nach unten aus und versetzte ihm dann mit dem ganzen Gewicht meines Körpers einen Uppercut. Ich hatte ihn kaum an der Kinnspitze erwischt, das schwöre ich, da krümmte sich der Junge zum S und hängte sich in die Seile, als wäre er ein Lappen auf dem Wäscheständer, und da blieb er noch, nachdem der Ringrichter ihn ausgezählt hatte. Drei Leute mussten ihn mit vereinten Kräften abhängen und ins Krankenhaus bringen, um den einen oder anderen Zahn erleichtert.
»Sehr gut, Junge«, sagte der Trainer, während Naomi mir wieder mit Papierfähnchen zuwedelte, eine Perücke aus Zeitungspapier auf dem Kopf, mit der sie stolz die gesamte Cheerleading-Truppe vertrat, die nicht hatte mitkommen können. »Der erste Kampf, in weniger als zwanzig Sekunden in der ersten Runde gewonnen.«
Sie gaben mir eine Medaille für die Teilnahme und eine Urkunde, die Naomi in unserer Bibliothek aufhängte, die inzwischen zwanzig Bücher aufwies, denn ich hatte dem Chief zwölf Bücher im Wert von hundertzwanzig Dollar abgekauft.
In der Umkleide packte der Trainer unsere Ausrüstung wieder ein.
»Dein nächster Kampf ist am 9. November, Junge.«
»Geht es nicht früher?«, fragte ich, denn ich wollte, dass alles schneller lief.
»Nichts überstürzen, Junge, wir fangen gerade erst an.«
Am Ausgang warten Naomi, Mister Abacuc und Señora Dabbelju auf mich. Sie trug einen Rock und hohe Pumps, dazu eine Lederjacke.
»Glückwunsch, Champion.« Die Ñora Dabbelju wirft sich in meine Arme und gibt mir einen Kuss auf die Wange, dann dreht sie sich um. »Sieh nur, wen ich heute wiedergetroffen habe.«
»Tatsächlich«, sagt Mister Ababcuc.
»Er war es, der dir geholfen hat, als dich diese Mickerficker, wie du sie nennst, am Wickel hatten.«
»Die Señorita ist so nett und spendet uns noch mehr Bücher«, ruft Naomi jauchzend.
»Und nicht nur Bücher, Mädchen«, sagt Ñora Dabbelju. »Ich schreibe auch eine Reportage über die Arbeit in der Herberge. Vielleicht liest sie jemand Wichtiges, und alles wird besser.«
»Sehr liebenswürdig, Señorita Wendoline«, sagt Mister Abacuc.
»Im Gegenteil, jetzt sehe ich, wie viele auf derselben Seite kämpfen, wir kennen uns bloß nicht, und so können wir uns nicht helfen.«
»Jawoll«, bestätigt Mister Abacuc.
»Komm«, sage ich zu Ñora Dabbelju, »ich stelle dir Trainer Bald vor.«
Der Trainer nimmt die Baskenmütze ab und reicht ihr die Hand.
»Ah, jetzt verstehe ich, warum du ihn Trainer Bald nennst.« Sie mustert seinen bald kahlen Kopf und ergreift seine Hand. »Sehr erfreut, Trainer Zottel.«
Trainer Bald und Ñora Dabbelju gingen seit Anfang November zusammen aus, und ich merkte es nicht, zählte aber schließlich doch eins und eins zusammen.
»Das taktische Training besteht darin, die Zukunft schon im Voraus zu lesen«, sagte Trainer Bald, als ich gerade von einer Reihe imaginärer Deckungen und Gegenangriffe ausruhte, denn vor einigen Tagen hatte mir der Trainer einen Sparringspartner angebracht, den er sich im Boxklub seines Bruders Sergi ausgeliehen hatte, und anstatt ihm zu sagen, er solle sanft zuschlagen, »damit der Boxer nicht zu Schaden kommt«, sagte er zu mir, »um Himmels willen, schick ihn mir nicht ins Krankenhaus«. Aber ich schwöre, ich hatte kaum mit einer Geraden seinen Magen gestreift, da krümmte sich der Kleine in der Taille, als hätte er Durchfall, und er musste ihn seinem Bruder mit dem hastigen Versprechen zurückschicken, keinen Sparringspartner mehr für mich zu holen, weil ich sie zerfledderte. Also legte Trainer Bald selbst Schutzmaske, Baseball-Brustpanzer und Handschuhe an, um mich zu zwingen, allen nur möglichen Schlägen auszuweichen.
Am Ende des Trainings, wir tranken gerade Wasser, fragte er mich:
»Und diese witzige Frau, woher kommt die?«
»Die lebt am anderen Ende der Stadt.«
»Aha«, und damit war die Sache beendet.
Als Ñora Dabbelju anrief, um zu sagen, ich solle den Artikel in der Sun über den Kampf im Dorvac Forum lesen, fragte sie:
»Und der ist wirklich ein echter Trainer, der Glatzkopf? Aussehen tut er eher wie ein abgehalfterter Hobbit.«
»Na ja, er kennt sich ganz schön aus im Boxen. Ich weiß nicht, ob man fürs Boxen ein Diplom braucht. Ist das nötig?«
»Ach, ich weiß nicht, Papi. Aber morgen komme ich mit einem Fotografen in die Herberge, für meine Reportage.«
»Um wie viel Uhr?«
»Ich weiß nicht, mal sehen, wann der Fotograf Zeit hat.«
»Gut, ich gebe Mister Abacuc Bescheid.«
»Okay«, sagte sie am Ende. »Und vergiss nicht, den Artikel zu lesen, ich hoffe, er gefällt dir.«
Ich ging zu Naomi und bat sie, mir auf dem iPod die Website der Sun und Wendolines Text herauszusuchen: »Die Geburt eines Latino-Helden«, von Wendoline Wood.
Als Ñora Dabbelju eintraf, exerzierten der Trainer und ich gerade ein paar Bruchrechnungen und Gleichungen am Doppelendball, einer Kugel, die mit elastischen Bändern an Decke und Boden befestigt ist und bei jedem Schlag in die nächstbeste Richtung schnellt. Der Trainer hatte gesagt:
»Aus dem Bauch heraus, Junge, nicht mit dem Kopf. Lass den Bauch entscheiden, wohin das verrückte Ding sich wendet, und verpass ihm einen Jab und dann einen Cross. Jab und Cross. Dann gib ihm einen Haken und schließ mit einem Uppercut. So verbessern wir Schnelligkeit bei Angriff und Deckung. Etwas in deinen Genen haben die Götter mit einem Zauberstab berührt.«
»So hab ich’s gern, Papi«, rief Ñora Dabbelju, als sie mit großen Schritten in die Turnhalle kam. »Mach ein Foto von ihm beim Training.«
Der Fotograf kommt näher und nimmt den Trainer und mich ins Visier.
»Nein, Mann, bloß den Kleinen. Der andere verschandelt das Foto, es soll doch auf die Titelseite.«
Trainer Bald tritt zur Seite, damit der Fotograf mich allein aufnehmen kann.
»Sind Sie immer so ordinär und unhöflich?«, fragt Trainer Bald.
Ñora Dabbelju dreht sich verächtlich zu ihm um.
»Nein, Trainer, manchmal bin ich noch schlimmer«, dann wendet sie sich an mich. »Papi, tu so, als würdest du das Trumm da schlagen, und spann alle Muskeln an, damit die Adern an Armen und Hals schön hervortreten. Na los, auch wenn du den Atem anhalten musst.«
Ich ersticke fast. Der Fotograf macht noch ein paar Aufnahmen. Dann dirigiert er mich auf die Tribüne und setzt mich zurecht, als wäre ich Model für ein Magazin. Er schiebt die Handschuhe in den Vordergrund und arrangiert mein verschwitztes Haar, spritzt mir Wasser auf die Brust und macht ein weiteres Foto.
»Sie sehen krank aus«, sagt Trainer Bald zu Ñora Dabbelju.
»Warum?« Zum ersten Mal wird die Ñora unsicher und zupft an ihrem Perückenhaar.
»Sie könnten ein Bett gebrauchen, das sieht man deutlich.«
»Ein Bett?«
»Ja, wo man Sie richtig gut vögelt.«
»Trottel.« Sie wird wütend.
»Hexe.«
»Hast du schon die Reportage gelesen, die Señorita Wendoline geschrieben hat?«
»Nein, Naomi. Ist sie schon raus?«
»Ja, vorhin hat sie Mister Abacuc Bescheid gesagt. Und er hat es mir gerade erzählt.«
»Und was steht drin?«
»Tolle Sachen. Dass unser Haus Hoffnung gibt. Dass wir Vertrauen und Herz haben. Mister Shine wird in den Himmel gelobt. Da steht sogar etwas drinnen, was Miss Webeer gesagt hat. Pass auf: ›Wir sind eine große Familie, mein Mann muss sich zwar noch zu Hause erholen, aber wir versuchen, aus dieser Welt eine bessere zu machen.‹ Auch die Señora Merche kommt vor, wir alle. Pass auf: ›… und in ihrem Rollstuhl sitzt Naomi, das Mädchen, das einmal Anwältin werden möchte und zusammen mit Liborio die Bibliothek Libertad y Naturaleza gegründet hat und auf Spenden hofft, damit alle Kinder lesen können und ein besseres, erfolgreicheres Leben haben.‹ Du kommst auch vor, mit Foto. Pass auf: ›… ebenso von dort stammt, wie im letzten Artikel berichtet, unser unbekannter Held, der durch Anstrengung und Fleiß hat zeigen können, dass überall, unter welchen Umständen oder an welchem Ort auch immer, Helden geboren werden.‹«
»Über mich sagt sie nichts?«, fragte Trainer Bald, als ich ihm die Reportage zeigte.
»Nein, Trainer. Kein einziges Wort.«
»Ich hasse diese Hexe.«
»Na ja, so schlimm ist sie auch wieder nicht.«
»Schlimm nicht. Bloss ein parfümiertes Stinktier.«
Am nächsten Tag kam Naomi herein, als ich gerade das Zimmer der kleinsten Fipse aufräumte und ein Bord für Plüschtiere anschraubte, das heruntergefallen war, weil die Knirpse sich für Tarzan gehalten und darangehängt hatten, die Bilanz: eine Beule und ein Kratzer.
»Komm, schnell!«, sagt Naomi mit glänzendem Gesicht.
Ich denke schon, es sei ein Unfall passiert, und laufe zum Eingang, aber nein, draußen werden aus einem Lieferwagen zwei große Kisten ausgeladen.
»Ist etwas Schlimmes passiert, Mister Abacuc?«
»Im Gegenteil, Liborio. Sie haben uns Bücher geschickt.«
»Besser, sie hätten ein paar Säcke Zucker gebracht«, beschwert sich Señora Merche.
»Hört euch den Begleitbrief an: ›Weil man dem Gedächtnis manchmal zeigen sollte, dass es nicht vollkommen ist. Mrs. Dorothy Marshall. PS: Ich habe die Reportage in der Sun News gelesen. Sie hat mir gefallen.‹« Die Fipse, Naomi und ich hüpfen vor Freude.
»Waaahooo«, alle sind wir aus dem Häuschen, und obwohl die kleinsten Fipse noch gar nicht lesen können, stimmen sie in unsere Freude ein.
»Nicht zu fassen«, sagt Miss Webeer.
»Bringen wir sie rein«, sagt Mister Abacuc.
Ich gehe zu einer der Kisten, und alle helfen mir beim Schieben, denn sie ist furchtbar schwer.
Wir erreichen die Bibliothek, und Naomi kann sich nicht länger beherrschen und macht sie auf.
Nicht nur Bücher sind darin — zum Ausmalen, zum Lesenlernen, zum richtigen Lesen, eine Enzyklopädie —, sondern auch Kinderspiele, ein Holzpuzzle, Etuis mit Buntstiften, Tinten- und Filzstifte, Wasserfarben, Etuis mit Pinseln, weiße Zeichenblöcke, Lineale und Radiergummis.
»Machen wir die andere auf«, schreit Naomi, und alle Fipse und Fipsinnen kreischen.
Wir gehen hinaus und schleifen die zweite Kiste herein wie den letzten Stein für den höchsten Turm von Babel.
Naomi macht sie auf. Uns allen steht der Mund offen: Mister Abacuc, Señora Merche, Miss Webeer, Naomi, den größeren Fipsen und, warum nicht, auch den kleineren.
In der Kiste befinden sich vier verschlossene Pakete, die ein Apfel ziert und auf denen in großen Lettern steht: iMac.
»Was ist das?«, fragt Señora Merche erschrocken.
»Keine Ahnung«, antwortet Mister Abacuc. »Aber es sieht wunderschön aus.«
»Das sind Computer«, sagt Naomi, und die Spucke läuft ihr aus dem Mund.
»Heiliger Christus, endlich fängt auch bei uns das Jahrhundert an«, schließt Miss Webeer, während sie Naomi dabei hilft, eins der Geräte auszupacken.
Die Bibliothek ist phantastisch geworden, titanisch durch und durch. Wir waren Miss Webeers Hinweis gefolgt und hatten das Zimmer komplett umgepolt. Links brachte ich eine Regalreihe an, damit die Bücher beim Hereinkommen gleich zur Hand waren. Insgesamt verbuchte Naomi fünfhunderteinundzwanzig Bücher, die zwanzig Gründungsbände eingeschlossen. Ich half ihr bei der Entscheidung, wie sie zu ordnen waren. »Na«, scherzte ich, »wer ist denn hier der Experte, he?«
Die Spiele und die Mal- und Bastelsachen räumten wir auf die rechte Seite. Unter den Wandborden baute ich aus Brettern, die vom Hühnerstall übrig geblieben waren, Schreibpulte für die Fipse. Die Bänkchen dazu machte ich aus Balken, die noch von der Dachreparatur stammten, und schraubte sie fest, damit sie wie Vögel auf einem Draht aus Holz sitzen konnten.
Im hinteren Teil richtete ich Tische her, die Miss Webeer für die Installation der Computer brauchte. Ich zimmerte ein paar Bretter mit einem Möbelstück zusammen, dem zwei Beine fehlten, und stellte es auf den Kopf, schraubte einen Querbalken an und befestigte alles an der Wand, mit Stahlwinkeln, die zu einem anderen Möbelstück gehörten, das ich für die Computertische ausgeweidet hatte.
»Aber die Computer müsst ihr installieren«, sagte ich zu Naomi. »Von Technologie verstehe ich nichts.«
Ich schloss ein Verlängerungskabel an, und sie packten Bildschirme und Tastaturen aus.
»Und die Kabel?«
»Ach, Liborio, das funktioniert doch heute kabellos.«
»Na, die einzige dieser Kisten, die mir einmal unter die Finger gekommen ist, war die beim Chief im Büro, und die hatte überall Kabel, und der Bildschirm war grün und hat nur die Liste der Bücher gezeigt, die wir in der Buchhandlung verkauft haben.«
»Die reinste Steinzeit!« Sie lacht offen heraus in ihrer ganzen Zahnlückigkeit.
Nach ein paar Stunden ist die Bibliothek nicht wiederzuerkennen. Mister Abacuc hatte die Stehlampe aus seinem Büro als protokollarisch festgehaltene Spende an die größte und einzige Bibliothek übergeben, die die Casa del Puente del Sol je gesehen hatte.
»Jetzt müssen wir sie eröffnen«, sagt Naomi.
»Sie hat recht«, pflichtet ihr Señora Merche bei. Sie hatte geholfen, die Tischchen für die Fipse abzuschleifen, »obwohl das keinerlei Sinn hat«, sagte sie, »denn sie werden am Ende schlimmer zerkratzt sein als vorher.«
Mister Abacuc holt eine Schnur aus dem Büro und spannt sie von der Klinke bis zu einem Nagel.
»Jetzt ziehen wir alle daran und weihen unsere schöne Bibliothek ein.«
»Wartet … wartet«, schreit Naomi inmitten des Tumults. »Wir müssen ein Foto mit dem iPod machen.«
Sie stellt sich ganz vorn auf, um ein Selfie von uns aufzunehmen. Alle stehen wir mit dem Rücken zur Kamera, die Schnur in Händen. Sie sagt:
»Los jetzt, eins, zwei und … drei.«
Sie knipst das Selfie, in vorderster Front, lächelnd, glücklich. Und wir zerreißen hinter ihr die Schnur und blicken über die Schulter zur Kamera.
Naomi und ich haben eine Abmachung getroffen. Ich sage ihr, mit welchen Büchern sie am besten anfängt, und sie bringt mir bei, die Computertasten zu drücken.
»Ach, Liborio, du drückst einfach hier, dann gehst du da hin und öffnest ein Fenster, damit du hierhin kommst. Verstanden?«
»Und dann?«
»Gibst du deine Daten ein und wählst ein Password.«
»Ein was?«
»Ein Kennwort, Pampel.«
»Bist du sicher, dass das in Ordnung ist?«
»Puh. Du siehst wohl nicht fern. Jeder ist jetzt auf Facebook und Twitter. Das macht man heute so.«
»Heute sollte man Bücher lesen und das hier den Robotern überlassen.«
»Auch das kann man, pass auf, bei dem Link hier kannst du zwei Millionen Bücher runterladen. Welches willst du?«
»Aber das ist nicht das Gleiche wie ein Buch aus Papier, das ich ins Bett mitnehmen kann, ohne es an eine Steckdose anschließen zu müssen.«
»Ja, ist ja gut, werd nicht sauer. Mit welchem Buch fange ich an?«
»Für den Anfang lies Bilderbücher, sonst schläfst du sofort ein.«
»Hör mal, ich bin kein kleines Kind mehr.«
»Ist gut, lies eben den Don Quijote, wenn du willst, deine Entscheidung.«
»Hör mal, Liborio«, sagte mir Naomi zwei Tage, nachdem sie sich den Don Quijote von der Mancha gegriffen hatte. »Was bedeutet Tartsche, Morion, Paladin, Fehde, Blessur, Aventiure, Phiole, Zelter, Barchent?«
»Das verrate ich dir, wenn du mir sagst, denn keine Silbe versteh ich davon, was googeln, twittern, stalken, loaden, linken, instagrammen, whatsappen bedeutet.«
In der letzten Oktoberwoche, als ich vom Joggen aus dem Wells Park zurückkam und noch einen Zettel unter Aireens Tür hindurchschieben wollte, sah ich Trainer Balds Auto vorüberfahren. Er raste vorbei, als wäre der Teufel hinter ihm her.
»Sagen Sie, Trainer, heute Morgen habe ich Sie auf der Siebten Richtung Autobahnkreuz fahren sehen. Sie sind ganz schön dahingerast.«
»Nicht dahin, sondern her: Ich bin aus den Bergen gekommen. Ich habe mich bei der Hexe beschwert.«
»Über was?«
»Hast du nicht gesehen, was sie über mich geschrieben hat?«
»Nein.«
»Sieh selbst …« Er zog eine gefaltete Zeitung aus der Tasche und reichte sie mir.
Eine Stelle hatte er schwarz umkringelt.
»… während die einen ehrlicher Arbeit nachgehen und zeigen, dass die Gattung Mensch noch nicht ganz verloren ist, wie man an der Herberge Casa Puente del Sol sehen kann, gibt es Schmarotzer, die nichts Besseres zu tun haben, als den Edelmut guter Menschen auszunutzen …«
»Siehst du?«, sagte er wütend, und die Adern auf seiner Glatze schwollen an.
»Aber Trainer, da ist doch nicht von Ihnen die Rede. Da steht bloß Schmarotzer.«
»Ebendas hat mir die Hexe gesagt, als ich mich beschwert habe.«
»Und warum glauben Sie, dass Sie damit gemeint sind?«
»Weil ich mich vor ein paar Tagen bei ihrem Drecksblatt beschwert habe …«
»Worüber haben Sie sich beschwert?«
»Dass sie in ihrer ersten Reportage nichts über mich geschrieben hat.«
»Ach, Trainer.«
Ende Oktober sah ich, dass sich die Buchhandlung in etwas anderes verwandelt hatte.
Ein großes Schild an der Fassade verkündete »Word’s Coffee«. Der Drahtzaun war weg, und man hatte ein paar Blumenkästen aufgestellt. Der Gehweg vor dem Laden hatte nun Kopfsteinpflaster, über dem Eingang befand sich ein geschwungenes Dach mit je einer Laterne an der Seite. Die Holztüren waren breit, mit geschliffenen Scheiben. Die großen Fenster daneben waren mit dunklem Plastikfilm bezogen, damit man nicht ins Innere sehen konnte. Eine gewaltige Halloween-Dekoration verkündete, dass in der Nacht des 31. Oktober die Einweihung stattfinden würde, mit großem Trara.
»Und was werden wir tun?«, fragte Naomi Mister Abacuc.
»Das Gleiche wie immer, Mädchen.«
»Was ist das Gleiche wie immer?«, fragte ich.
»Einen Altar für die Toten aufstellen.«
Da kam mir der Gedanke, sie getrennt einzuladen.
»Zu was, Kleiner?«
»Zu einer Halloweenparty.«
»Kommt da auch die Vogelscheuche Bald?«
»Nein, der geht mit seiner Frau aus.«
»Er ist verheiratet?«
»Ja.«
»Mister Abacuc fragt, ob Sie zur Halloweenparty kommen.«
»Wo findet die statt?«
»Hier, Trainer.«
»Ist die Kakaduhexe auch eingeladen?«
»Was für ein Kakadu?«
»Vergiss es. Mal sehen, ob ich kommen kann.«
Und wieder ging ich zu Aireens Wohnung. Ich klopfte kräftig, und nichts. Ich wollte sie zur Halloweenparty in der Herberge einladen, musste sie sehen. Seit Tagen träumte ich von ihr. Erträumte sie mir überall, wie sie mir in der Bibliothek zulächelte, wie sie in der Turnhalle auf der Tribüne saß, wie sie mich in der Buchhandlung bediente und ich ihr einen Krug Wasser nach dem anderen abkaufte. Ich träumte sie mir in den Saal der Ford, in wunderschönen Kleidern, die sich in Flügel verwandelten; träumte sie mir in den Wells Park, wie sie im Brunnen schwamm, im Regenguss, ein Riesenschiff kam auf sie zu, und ich versuchte, das Schiff zu bremsen, und genau in dem Moment, als es mit ihr zusammenstoßen sollte, zack!, wachte ich schweißdurchnässt auf. Die Uhr zeigte 3:40. Ich fand keinen Schlaf mehr, also stand ich auf und schrieb ihr eine Einladung für das Fest vom 31. Oktober.
Die Halloweenvorbereitungen begannen erst am 31. Mister Abacuc hatte Seidenpapier mitgebracht, damit wir Totenköpfchen basteln konnten.
»In Mexiko legt man den Toten Speisen auf den Altar, sie sollen kommen und so viel essen, wie sie nur können.«
»Ich weiß, das hat Pater Terán in der Kirche auch gemacht.«
»Wer ist Pater Terán?«, fragte Naomi.
»Ein echt schräger Typ«, antwortete ich nur.
»Hier legen wir das mit Halloween zusammen, weil der Tod nicht ganz so ernst sein soll«, sagte Naomi. »Stimmt’s, Mister Shine?«
»So ist es, Naomi. Der Tod soll nicht ganz so ernst sein.«
Ich stellte ein paar der leeren Kisten auf, in denen die Bücher gekommen waren, und wir bedeckten sie mit einem weißen Tischtuch, das Señora Merche hervorgeholt hatte. Darauf legten wir Seidenpapier in vielen Farben: Dunkelviolett, Rosa, Weiß, Grün, Blau, Gelb, Rot, und dann Obst, mit dem Señora Merche nur widerwillig herausrückte.
»Auf das Obst werden sich die Fliegen stürzen«, sagte sie, »aber wenn’s für die Toten ist, na ja, denen werden ein paar Würmer mehr oder weniger nichts ausmachen; aber die Lebenden, die sollten gut auf ihren Bauch aufpassen.« Und sie verzog das Gesicht zu einem Lachen.
Wir stellten Kerzen in jede Ecke.
»Hat das mit Gott zu tun, Mister Abacuc?«
»Der Tod ist eher Sache der Menschen und der Würmer als sonst etwas.«
»Und warum bauen Sie dann all das hier auf? Kommen die Gespenster zum Essen?«
»Keiner Religion anzugehören heißt nicht, dass man die Feste nicht feiert, wie sie fallen. Denk dran, das dümmste Fest ist weitaus besser als der größte Krieg. Außerdem habe ich ein Faible für Zuckertotenköpfe.«
»Dann feiern Sie also auch Weihnachten, obwohl Sie nicht an Gott glauben?«
»Auch das, Junge.«
Um fünf Uhr nachmittags war alles für Halloween vorbereitet. Der Altar strahlte in vollem Glanz, die Kerzen beleuchteten die Tagetes. Nur wir waren noch hintendran mit unseren Kostümen. Ich hatte gesagt, wir sollten für unser Totenköpfchen sammeln gehen, aber Naomi sah mich nur mit großen Augen an.
»Was soll das heißen, für unser Totenköpfchen sammeln?«
»Na, die Leute auf der Straße sollen Münzen reinwerfen, und so kratzt du was zusammen, was du dann ausgeben kannst.«
»Von welchem Planeten kommst du, Liborio?«
»Drüben in meinem Dorf haben wir das so gemacht. Ich habe eine Schuhschachtel genommen, ihr zwei Löcher als Augen und einen Schlitz als Mund gemacht, eine brennende Kerze hineingestellt, und bin jeden Totentag auf die Straße gegangen und habe Pesos eingesammelt.«
»Hier nennt sich das ›trick or treat‹, aber wir ziehen grüppchenweise aus und gut verkleidet, klopfen an die Haustüren, singen Lieder, und man gibt uns Süßigkeiten, keine Münzen. Obwohl ich nicht weiß, ob wir jetzt, wo Trainer Truddy nicht da ist, hinausdürfen.«
»Wie langweilig! Bloß Süßigkeiten? Münzen sind besser.«
Um sechs Uhr abends hatte ich meine Hörner fertig, denn mir war die Idee gekommen, mich als Teufel zu verkleiden, und deshalb bastelte ich ein paar Hörnchen aus Zeitungspapier und band sie mir mit einem Gummiband wie einen Hut auf den Kopf.
»Haha«, lachte Naomi. »Mit den Dingern bist du eher Ziegenbock als Teufel.«
»Selber Ziege!« Ich stieß sie mit den Hörnern an.
Die Fipse hatte man mit Bettlaken, Bandagen und Schminke verkleidet, mit allem, was zur Hand war: Gespenster, Mumien, Kobolde, Kürbisse. Bei zwei Fipsen wussten wir nicht, was sie waren, aber wenn man ihnen näher kam, machten sie: »Groaaar!«
Señora Merche hatte sich als Hexenköchin mit Zauberkessel verkleidet, der in Wirklichkeit ihr Reistopf war. Mister Abacuc hatte sich in Frack und Melone geworfen, dazu Lackschuhe und ein Stock aus schwarz glänzendem Holz.
»Und als was haben Sie sich verkleidet, Mister Abacuc? Als James Bond?«
»Von wegen James Bond, ich bin der Lumpige, Chucho el Roto.«
»Aber müssten Sie dann nicht zerlumpt gehen? Mit löchrigen Schuhen, die Hosen an den Knien zerrissen und so?«
»Die Lumpigen im Mexiko von Porfirio Díaz waren die Herausgeputzten, Eleganten, die Aristokraten. Chucho el Roto war ein Bandit, der die Reichen bestohlen und die Armen beschenkt hat, und für diese Großtaten musste er sich als Reicher ausgeben.«
»Wie Robin Hood?«, rief Naomi dazwischen.
»Klar, wie Robin Hood, bloß hat es unseren hier wirklich gegeben, und man hat ihn ins schlimmste Gefängnis der Welt geworfen: San Juan de Ulúa.«
»So was wie Alacatraz?«
»Noch schlimmer. Aber er ist entkommen, und niemand weiß, wo er gestorben ist, wenn er denn gestorben ist.«
»Wie?«, fragte Naomi, umringt von Fipsen.
»Als sie seinen Sarg geöffnet haben, na, was haben sie da gefunden?« Er legte eine dramatische Pause ein, hob die Hände zum Himmel und rief: »Nichts als Steine!« Er machte einen Satz und erschreckte die Fipse, die dort herumwuselten. Sie flüchteten ängstlich in Señora Merches Arme.
»Und als was verkleidest du dich, Naomi?«, fragte Mister Abacuc.
»Na, als was schon? Als Prinzessin.«
Um punkt sieben öffneten Mister Abacuc und ich das Tor der Herberge. Dort hatten wir orangefarbene und schwarze Plastikbänder angebracht, aus Kartons einen Kürbis ausgeschnitten und ihn mit Papier in Orange bespannt. Ich hatte Kerzen zerstückelt, ihr Licht wies den Weg zur Turnhalle. Naomi war als Prinzessin verkleidet. Sie trug einen Hut mit Federn aus Zeitungspapier, darunter einen Zopf mit bunten Bändern und ein weißes Kleid.
»Was bist du denn für eine Prinzessin? Eine von Disney?«, fragte Señora Merche.
»Nein, ich bin die Prinzessin Catrina.«
»Was soll das für eine sein? Aus welchem Film ist die?«
»Aus gar keinem, sie ist die einzige echte Prinzessin.«
»Aber die besteht doch nur aus Knochen«, sagte ich, weil mir ein Fotoband in den Sinn kam, in dem ich einmal geblättert hatte und in dem auch eine Catrina abgebildet gewesen war.
»Mir egal, sie ist so furchtbar elegant«, sagte Naomi und nahm Mister Abacucs Arm, damit er sie im Rollstuhl mit sich zog. Wie zwei echte Monarchen machten sie sich zur Tür auf.
Eine Minute später stellten sich Mister Abacucs erste Gäste ein, seine Freunde, ältere Herrschaften, die früh ins Bett gehen mussten und deshalb so pünktlich waren. Ebenfalls traf Señora Merches Schwester mit drei ihrer Kinder ein. Sie war als Rabe verkleidet und zog ihre Rabenküken hinter sich her.
Gegen Viertel nach sieben fuhr der Fairmont vor, den Miss Webeer steuerte, mit Trainer Truddy auf dem Beifahrersitz. Alle Fipse, Naomi und ich liefen ihnen entgegen. Wir umringten den Wagen und riefen: »Trick or treat. Trick or treat. Trick or treat.« Trainer Truddy kurbelte das Fenster herunter und verteilte Süßigkeiten an jeden Fips, jede Fipsin. Dann beugte er sich nach vorn und kam plötzlich mit zerfurchter Dämonennase wieder hoch. Die Fipse kreischten und liefen erschrocken davon, wuselten in alle Richtungen. Er stieg aus. Als ich ihm dabei helfen wollte, sagte er:
»Das geht allein, Junge, vielen Dank. So alt bin ich nicht, wie ich aussehe.«
Miss Webeer war als Krankenschwester verkleidet. Sie trug eine weiße Haube, um den Hals ein Stethoskop, ihre Lippen waren blutrot, und mit einer Spielzeugspritze säte sie Angst und Schrecken unter den Fipsen.
»Na komm schon, du kleiner Teufel, jetzt gibt es eine schöne Spritze.«
Entsetzt rannten sie weg, versuchten ihre winzigen Hintern zu schützen.
Da trafen gleichzeitig Trainer Bald und Ñora Dabbelju ein. Vermutlich erkannten sie einander nicht gleich, denn sie bahnten sich ihren Weg durch den Pulk von Fipsen, die wie wild vor der verrückten Krankenschwester flohen. Außerdem trug Trainer Bald eine lange Perücke und ließ über einer Lederjacke und ebenfalls ledernen Hosen Ketten klirren, an den Füßen hohe Stiefel, das Gesicht weiß geschminkt: ein Rockstar der Hölle. Ñora Dabbelju dagegen stellte eine rosa Perücke zur Schau, künstliche Wimpern, pechschwarzen Lidschatten, schwarz geschminkte Lippen. Sie trug ein ultrakurzes Lederkleid und Strumpfhalter, die selbst dann hervorsahen, wenn sie aufrecht stand. Dazu ein Paar Stiefel mit endlosen Absätzen.
»Papito«, sagte Ñora Dabbelju zu mir. »Willst du mir eins mit der Peitsche überziehen?« Und sie lachte los wie eine Irre.
Señora Merche sandte mir Teufelsblicke zu.
»Also … ich …«
»Mach dir nicht ins Hemd, Papito«, sagte sie. »Das war ein Scherz. Jetzt schuldest du mir was Süßes.«
»Also … ich … gut … was denn?«
»Ich hätte gern was Typisches, was Traditionelles aus deiner Heimat.«
»Was?«
»Ich will einen Liebesknochen«, und sie prustete los wie ein wahnsinniges Rind. Dann hüpfte sie ins Innere.
»Wer war die Puppe da bei dir?«, fragte mich Trainer Bald, als in der Turnhalle schon die Musik zu spielen begann.
Wir hatten einen der Computer dort aufgestellt, und aus ihm kam die Musik. Ich hatte um Calle 13 gebeten, und Naomi, die wohl oder übel den DJ machte, weil niemand sonst sich mit dem Tastengedrücke auskannte, erfüllte mir den Wunsch. Es war das erste Lied des Abends.
»Tanzen wir!«, rief ich euphorisch, und meine Hörner zwirnten die Luft um mich herum.
Ich fing an, mich mitten auf der improvisierten Tanzfläche wie ein Wahnsinniger zu verrenken. Die Fipse folgten mir, dann griff sich Naomi Mister Abacuc, der im Gänsemarsch Señora Merche hinter sich herzog, ihre Schwester und deren Kinder. Trainer Truddy kam von selbst hinzu und zog seine Frau mit sich. Da griff ich mir Trainer Bald und Ñora Dabbelju. Alle tanzten wir. Die Fipse schwirrten zwischen unseren Beinen herum, sie schrien, machten einen Heidenlärm, flippten aus. Naomi drehte und drehte sich in ihrem Rollstuhl. Ich war froh, glücklich. Die Ñora und der Trainer erkannten einander nicht und verstanden sich hervorragend. Miss Webeer lächelte, an die Brust von Trainer Truddy gelehnt. Señora Merche nahm einem Fips eine Süßigkeit weg und drohte ihm mit Löwengebrüll. Mister Abacuc tanzte mit einer Horde Fipse den Indio-Tanz der Alten. Naomi wirbelte wie ein Kreisel mit ihrem Rollstuhl. Ja, ich war glücklich, froh, aber wenn es niemand bemerkte, blickte ich ab und an Richtung Tür, um zu sehen, ob sie nicht zufällig aufging.