6. KAPITEL
SKYLAR
Kopfschmerzen, ungepflegtes Haar oder müde Augen gab es bei mir nicht, selbst wenn ich einen Kater hatte. Was nicht der Fall war. Dabei hätte ich nur zu gern dem Alkohol die Schuld für die vergangene Nacht zugeschoben. Während ich meinen Rollkoffer hinter mir über den Hafenkai zog, musste ich ein Lächeln unterdrücken. Nein, ich hätte in dieser Nacht nicht betrunken sein wollen. Jede Sekunde hatte sich in mein Gedächtnis eingebrannt, genauso, wie es sein sollte. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich den ganzen Sommer lang an Landon denken würde.
Himmel, dieser Mann wusste im Bett wahrhaftig, was er tat. Ich hatte drei Orgasmen gehabt. Drei. Ich hatte nicht gewusst, dass so was überhaupt möglich war. Und mit Sicherheit war mir das noch nie zuvor passiert. Landon berührte mich, und – peng!  – ich bekam einen Höhepunkt nach dem anderen. Aber es war nicht nur die körperliche Lust, die er mir verschafft hatte. Er hatte die Kontrolle über meinen Körper übernommen, und aus irgendeinem Grund hatte ich es zugelassen – obwohl ich es eigentlich besser wissen sollte. Wenn er mich anblickte, hatte ich das Gefühl, dass ich ihm bedenkenlos vertrauen konnte. Was einerseits befreiend, andererseits aber beängstigend war. Nie zuvor hatte ich einen Mann dermaßen begehrt. Ich war sorgfältig jedem Kerl aus dem Weg gegangen, der irgendeine Form von Macht über mich erlangen könnte.
»Hey Skylar«, rief eine vertraute Stimme hinter mir.
Ich blieb stehen, hörte auf zu grinsen und drehte mich zu August um, die mit großen Schritten über den Kai auf mich zukam. »Du bist früh dran«, sagte ich.
»Ja, ich bin neugierig wegen gestern Abend. Wie ist es gelaufen?«, fragte sie. »Er sieht aus wie einer, der sich mit dem Körper einer Frau auskennt.«
Natürlich war Landon erfahren. Mir graute vor dem Gedanken, mit wie vielen Frauen er bereits zusammen gewesen war, auch wenn mir das im Grunde egal sein konnte. Ich wollte mir nur nicht vorstellen müssen, dass eine Nacht wie diese normal für ihn war. Denn für mich war sie nicht normal gewesen, ganz im Gegenteil. »Ich schätze«, sagte ich und deutete auf die fünfzig Meter lange Superjacht vor uns, auf deren Rumpf in schwungvoller blauer Schrift das Wort Sapphire geschrieben stand, »das da ist unsere.«
»Der Name ist so kitschig«, sagte August.
»Offenbar das Lieblingsspielzeug des Eigentümers. Die Inneneinrichtung ist jedenfalls hübsch. Hast du die Fotos gesehen?«, fragte ich und hoffte, dass die Bilder nicht uralt waren oder von einem anderen Schiff stammten oder so.
»Nein, online waren keine zu finden.«
Von Jachten privater Eigentümer gab es nur selten Bilder im Netz zu sehen. Wenn man reich genug war, um eine Superjacht zu besitzen, posaunte man das besser nicht überall herum. »Ich habe die Bilder angefordert.« Auf keinen Fall würde ich einen Job annehmen, ohne zu wissen, worauf ich mich einließ. Der Aufenthalt auf einer Jacht war nur für die Gäste glamourös. Die Unterkünfte für die Crew waren niemals edel und komfortabel, aber es gab gute und weniger gute, und ich wollte gern vorher wissen, wie der Ort aussah, der für einen Sommer mein Zuhause sein würde.
»Natürlich hast du das.«
Wir streiften die Schuhe ab und trugen unser Gepäck zum Bug des Schiffes. »Ich bin um zwölf mit dem Captain verabredet. Komm, sehen wir uns die Räumlichkeiten an.« Ich blickte auf die Uhr: Wir hatten eine Stunde Zeit. Der Rest der Crew würde erst nach meiner Besprechung mit dem Kapitän eintrudeln, und bis dahin wollte ich die Kabinen verteilt haben. Uns blieben zwei Tage, bis der Eigentümer eintreffen würde – mehr als genug Zeit, um alles tipptopp in Ordnung zu bringen.
»Du hast mir noch gar nicht von deiner Nacht mit Landon erzählt. Wie war’s?«, fragte August.
Sie musste nur seinen Namen nennen, und schon hämmerte mir das Herz in der Brust. Ich musste diese Nacht unbedingt vergessen und mich auf den heutigen Tag konzentrieren, aber ich konnte das Lächeln nicht unterdrücken, das sich erneut auf meinem Gesicht ausbreitete. »Er ist sehr charmant, und … er kennt sich aus.«
»Ich wusste, dass du ihn mögen würdest.«
»Ich habe nicht gesagt, dass ich ihn mag .« Mit August im Schlepptau betrat ich den Hauptsalon des Schiffs. Er war genauso, wie er auf den Bildern aussah, alles wirkte auf schlichte Weise glamourös: dunkles Holz, gedämpftes Licht, alles sehr modern. Es sah aus wie ein Stadthaus in New York.
»Es ist hübsch«, sagte August und ließ den Raum auf sich wirken, während sie sich einmal um die eigene Achse drehte. »Ist das echtes Blattgold?« Sie nahm den unteren, mit leuchtend goldenen Vierecken verzierten Teil der Bar auf der anderen Seite des Raums in Augenschein.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand, der dermaßen viel Geld hat wie dieser Typ, unechtes Blattgold verarbeiten lässt«, sagte ich.
»Er ist doch Texaner, oder? Das hier ist eigentlich eher Ostküstenstil«, sagte August.
»Ja, stimmt. Vielleicht stammt seine Frau aus einer alten Bostoner Familie oder so.«
August musterte mich scharf.
»Was ist?«
»Ich dachte, du weißt Bescheid. Walt Williams ist geschieden. Er ist dreiundvierzig, und den Bildern nach zu urteilen, die ich gesehen habe, sieht er nicht übel aus. Und er ist definitiv zu haben.«
»Nein, ich hatte keine Ahnung.« Mit dem Kapitän hatte ich bereits gearbeitet, und da ich zumindest eine Chance auf einen längerfristigen Job haben wollte, hatte ich beschlossen, auf einer Privatjacht anzuheuern. Die Innenausstattung war hübsch und die Bezahlung gut, aber über den Hintergrund des Eigentümers wusste ich lediglich, dass er kein Russe war. Auf deren Schiffen passierten nämlich alle möglichen Dinge, mit denen ich nichts zu tun haben wollte.
»Ich dachte, du hättest vielleicht ein Auge auf ihn geworfen.«
»Glaubst du ernsthaft, wir gehen hier auf die Jagd nach einem Ehemann?« Auf jeder Charterjacht gab es eine eindeutige Grenze zwischen Gästen und Crew. Sich auf einen Gast einzulassen, konnte in diesem Business das Ende der Karriere bedeuten. Bei einer Freundin von mir, die derzeit mit einem großartigen Mann aus England verheiratet war, hatte es funktioniert, aber meistens endete es damit, dass die Stewardess gefeuert wurde, weil sie einen Gast auf die falsche Art angesehen hatte. Auf einer privaten Jacht lagen die Dinge allerdings anders. Was der Eigentümer wollte, das bekam er auch, darum war es verzeihlich, wenn August glaubte, wir wären vielleicht auch aus diesem Grund hier.
»Ich habe geglaubt, dass du einen Ehemann suchst, ja.«
»Ich hatte ja keine Ahnung.« Wenn ich mir ernsthaft einen Mann mit Geld hätte angeln wollen, hätte ich mir Walt bestimmt genauer angesehen.
»Sein Großvater hat offenbar eine Menge Geld im Ölgeschäft gemacht, und er selbst beschäftigt sich jetzt mit alternativem Treibstoff oder so. Er war im Forbes .« August blickte in die Schränke hinter der Theke, angeblich, um den Stauraum zu überprüfen.
Dass August besser vorbereitet war als ich, kam nur selten vor, und es traf mich völlig unvorbereitet. Ich hätte meine Hausaufgaben machen sollen – ob der Eigentümer nun als Ehemann infrage kam oder nicht. Ich hätte mich nach Walts Vorlieben erkundigen und mir seine Vorgeschichte ansehen sollen, um herauszufinden, wie ich seinen Aufenthalt an Bord zu etwas ganz Besonderem machen konnte. Ich würde mit dem Kapitän sprechen. Vielleicht hatte der ein paar Ideen. »Dann werden wir ihn wohl beeindrucken müssen.« Ich fuhr mit einer Fingerspitze über die Fensterbank und versuchte mir vorzustellen, wie viel hier noch geputzt werden musste.
»Du meinst, du musst ihn beeindrucken.«
»Nein, ich meine wir . Die andere Mitarbeiterin der internen Crew ist noch Anfängerin und zum ersten Mal auf einer Jacht. Wir werden sie verstecken müssen, bis wir sie vernünftig angelernt haben.« Ich fing bereits an zu planen, denn ich wollte dafür sorgen, dass das Trinkgeld so hoch wie nur möglich ausfiel.
»Du könntest den Dienstplan so einrichten, dass du möglichst viel Zeit mit ihm persönlich verbringst«, sagte August.
Ich nickte, empfand aber weniger Begeisterung, als ich selbst erwartet hätte. »Ja, wahrscheinlich.« Hoffentlich versteifte sich August nicht darauf, dass Walt ein potenzieller Heiratskandidat für mich war. »Eigentlich ist es unprofessionell, mit Gästen zu flirten, selbst wenn es sich um den Eigentümer handelt. Das Trinkgeld sollte immer Priorität haben.«
Auf Augusts Gesicht breitete sich ein mitleidiges Lächeln aus, und sie nahm mich in die Arme. »Du wirst in diesem Sommer etwas Großartiges erleben, das weiß ich einfach.«
August meinte es gut, aber tatsächlich war sie diejenige, die einen Mann brauchte, um einen schönen Sommer zu verbringen, nicht ich.
»Ich meine … überleg doch mal, wie es angefangen hat. Eine Nacht mit Landon. Erzählst du mir, wie viele Orgasmen du gestern Abend hattest, oder muss ich zehn Tage warten, bis ich dich endlich betrunken machen kann?«
»Es waren drei, obwohl ich ehrlich gesagt nicht gezählt habe.«
»Wow. Beeindruckend.«
»Ja, das war er.« Landon war selbstbewusst und siegessicher und keineswegs der ziellose Herumtreiber, als der er sich ausgegeben hatte. »Ich habe noch nie …« Ich zögerte, es laut auszusprechen, aber August und ich vertrauten einander fast alles an. »Ich habe so etwas noch nie erlebt.«
Ich blickte zu ihr auf, und sie lächelte. »Es war wirklich schön, euch beide zusammen zu sehen. Harvey sagt, Landon ist ein feiner Kerl.«
»Ja, deswegen ist es gut, dass ich ihn nie wiedersehen werde. Der Mann ist die reinste Versuchung.« Bei der Erinnerung daran, wie er mich angesehen hatte, als wäre ich etwas ausgesprochen Wertvolles, bekam ich eine Gänsehaut. Und die Selbstsicherheit, mit der er meinen Körper in Besitz genommen hatte? Der bloße Gedanke ließ mich erschauern.
»Er und Harvey werden bestimmt bald wieder zusammen ausgehen. Vielleicht können wir dafür sorgen, dass wir dazustoßen …«
»August, nein! Du weißt, dass Landon nicht der Mann ist, den ich will.«
Sie rollte mit den Augen, dann seufzte sie. »Klar, weil er so unglaublich heiß und großartig im Bett ist.«
Wie sollte ich August – oder auch nur mir selbst –erklären, dass die Nacht mit ihm nicht nur deshalb unvergesslich war, weil er so gut im Bett war? Vielleicht lag es daran, dass er mein Vergnügen über sein eigenes gestellt hatte. Oder daran, dass er mir eine Art Last von den Schultern genommen hatte, indem er die Führung übernahm.
Kopfschüttelnd sagte ich: »Mit einem Mann wie Landon habe ich keine Zukunft, aber genau darauf muss ich mich konzentrieren.« Landon sprach von Leidenschaft und Liebe, aber ich war in einem Haus voll sogenannter Liebe und Leidenschaft aufgewachsen. Ich hatte gesehen, zu wie viel Kummer und Elend das führte.
»Ich kann es nicht ändern, Skylar: Ich will einfach, dass du glücklich bist.«
»Aber das bin ich doch.«
»Ein Mann wie Landon könnte deinem Glück noch ein paar Höhepunkte hinzufügen.«
Seit dem ersten Tag im Heim hatte ich keinen Zweifel daran gekannt, was mich glücklich machen würde. Und das war kein Mann, sondern Kohle, kaltes, hartes Bargeld. Eigenes Geld bedeutete, dass ich mich niemals auf einen Mann verlassen musste, der es nicht wert war – einen Mann, der sich als Monster erweisen würde und nicht als der Vater oder Ehemann, der er zu sein vorgab. »Landon kennt nicht mal meinen Nachnamen. Wahrscheinlich kennt er auch die Nachnamen der letzten zehn Frauen nicht, mit denen er im Bett war. Für mich geht das absolut in Ordnung.« Ich war erleichtert, dass es im Jachtgeschäft so einfach war, jemanden hinter sich zu lassen – die physische Trennung würde mich von den Erinnerungen an die Nacht zuvor befreien. Er kannte meine Nummer nicht und ich seine ebenso wenig. Gott sei Dank. Hätte ich sie gehabt, wäre ich vielleicht in Versuchung geraten, sie zu benutzen, und das hätte vermutlich zu einer Katastrophe geführt.
»Mag sein, aber du könntest doch einfach einen Sommerflirt genießen, bis dein perfekter Ehemann endlich auftaucht. Du hast es verdient, dich ein bisschen zu amüsieren.«
»Lieb von dir, dass du dich um mein Amüsement sorgst. Aber mir geht’s gut. Die letzte Nacht hat mir völlig gereicht. Meine Spaßbatterie ist aufgeladen.« August würde vielleicht argumentieren, dass mir eine lockere Affäre guttun würde, aber ein Mann wie Landon war gefährlich für mich. Ein Mann, der mich dazu brachte, hinterher noch an ihn zu denken? Der mich so ansah, wie er mich angesehen hatte? Das Risiko war viel zu hoch. »Können wir bitte das Thema wechseln?«
August zuckte die Achseln und sagte: »Von mir aus.«
»Danke.« Ich musste mir Landon aus dem Kopf schlagen und mich auf den Job konzentrieren. Ich atmete tief durch und ging mit meiner Kollegin im Schlepptau den schmalen Gang entlang. Wir mussten uns die Kabinen sofort ansehen, damit wir sie verteilen konnten, ohne dass Streit ausbrach.
»Wir wohnen doch zusammen, oder?«, fragte August.
»Na klar. Immerhin wissen wir, womit wir uns gegenseitig verrückt machen. Besser ein Übel, das man schon kennt, stimmt’s?« Ich lächelte sie über die Schulter hinweg an.
»Super. Dann kann ich mir deine Bräunungscreme ausleihen, ohne dass du es merkst.«
Ich lachte und erblickte ein Geländer. »Da ist die Treppe«, verkündete ich und machte mich auf den Weg nach unten .
Die Kabinen für die Besatzung befanden sich ganz unten im Schiff. Außer dem Kapitän hatte niemand ein Fenster oder Platz für persönliche Dinge, abgesehen von der Koje. Die meisten Leute stiegen ins Jachtgeschäft ein, um Geld zu verdienen und zu reisen. Mir ging es ausschließlich um die Kohle, aber die Enge ging mir in letzter Zeit immer öfter auf die Nerven.
Von einem schmalen hellen Flur gingen sieben Türen ab.
»Das Licht hier ist einfach grauenhaft«, sagte August.
»Kannst du bitte überprüfen, ob das alles Schlafkabinen sind? Ich sehe steuerbord nach.« Mit einem Kopfnicken deutete ich auf die Türen auf der Backbordseite des Decks. »Eins.« Ich ließ die Tür hinter uns zufallen. »Zwei, drei, vier.«
»Ja«, sagte August. »Alle drei genau die gleichen engen, leicht muffigen Crewkabinen.«
»Perfekt. Ich kann es kaum erwarten, endlich auszupacken. Immerhin sind alle Kabinen gleich, dann regt sich wenigstens keiner auf, weil er nicht die beste hat. Apropos, lass uns die Kabine achtern an Backbord nehmen, dann sind wir weiter weg von der Treppe.«
Wir ließen unser Handgepäck auf die Kojen fallen. Ich holte einen Post-it-Block und einen dicken Filzstift heraus und begann, anhand der Besatzungsliste, die man mir geschickt hatte, die Kabinen zuzuteilen. Ich platzierte die Maschinisten nebeneinander und den Maat in eine Kabine mit dem dritten Maschinisten. Der Bootsmann und der Koch waren die Einzigen, die ihren Positionen auf der Liste namentlich zugeordnet waren. Die untergeordneten Deckarbeiter wohnten zusammen, und das jüngste Mitglied der internen Crew belegte eine Kabine zusammen mit dem leitenden Deckarbeiter.
»Weißt du, warum für diesen Eigentümer eine völlig neue Besatzung zusammengestellt wurde?«, fragte August .
»Der Captain meinte, das war die Bedingung dafür, dass er an Bord kommt. Er wollte sich sein Team selbst aussuchen.«
»Was vermutlich bedeutet, dass wir alle die gleichen Startchancen haben«, sagte August.
»Ja, meiner Ansicht nach ist das gut so. Alle sind frisch und unverbraucht.« Ich hatte nur in wenigen Saisons mit einem bereits bestehenden Team gearbeitet, und das war immer ziemlich mies gelaufen.
»Der Beginn eines wundervollen Sommers.«
Normalerweise war ich am Anfang der Saison voller Schwung und Begeisterung, aber die Nacht zuvor hatte alles auf den Kopf gestellt, und ich fühlte mich ein bisschen neben der Spur. Vielleicht lag es daran, dass ich immer noch leicht wackelig auf den Beinen war.
»Ich hoffe es«, sagte ich. »Komm, gehen wir die Bordküche suchen.«
»Es wird bestimmt super. Ich meine, sieh doch nur, wie es angefangen hat: Ich mit Harvey, und du hast eine Nacht mit Landon verbracht.«
Ich warf August einen warnenden Blick zu. »Darüber reden wir nicht mehr. Schon vergessen?«
»Spielverderberin«, murmelte sie hinter mir.
»Natürlich bin ich eine Spielverderberin. Ich bin die leitende Stewardess, das ist mein Job«, sagte ich und grinste.
Als wir den oberen Treppenansatz erreichten, zog eine Tür mit der Aufschrift »Bordküche« meine Aufmerksamkeit auf sich. »Perfekt«, sagte ich und schob mich durch die zweiflüglige Tür.
»Captain!«, rief ich, als ich den väterlich wirkenden Desmond Brookes am Tisch sitzen und die USA Today lesen sah.
»Skylar. Welche Augenweide!« Wenn er seine Kapitänsuniform gegen einen rot-weißen Anzug getauscht hätte, hätte er ausgesehen wie der Weihnachtsmann, davon war ich überzeugt.
Zur Begrüßung nahm er mich in den Arm.
»Wie geht es Mrs Brookes?«
»Hervorragend, wie immer.«
Ich lächelte. Der Captain und seine Frau waren ein vorbildliches Ehepaar, und wenn er über Mrs Brookes sprach, hing ich förmlich an seinen Lippen. »Gut zu wissen, dass es das perfekte Paar tatsächlich gibt.«
August, die hinter mir stand, räusperte sich. Ich hatte fast vergessen, dass sie dort war. »Das ist meine gute Freundin August. Zweite Stewardess. August, das hier ist der beste Kapitän der Welt.«
»Nun«, sagte er und reichte August die Hand, »zumindest, solange ich mich nicht über Sie ärgern muss.«
Ich schob mich in die Sitzbank dem Captain gegenüber. »Na, dann erzählen Sie mal. Wie ist der Eigentümer denn so? Ein Partylöwe oder eher ein Bücherwurm? Und wie ist die Crew? Kennen Sie schon alle?«
August war hinter der Wand verschwunden, und es klang, als kämpfte sie mit der Kaffeemaschine, als ein Knall vor der Bordküche und eine quietschende Tür verrieten, dass vorzeitig jemand von der Crew eingetroffen war.
»Äh … Skylar?«, rief August.
»Für mich bitte einen Café Americano«, antwortete ich. »Und einen großen schwarzen Kaffee für Captain Brookes.«
»Klar. Aber erst …« Sie tauchte wieder auf und blickte mich über die Schulter an. »Du weißt schon, das, worüber wir nicht reden wollten …«
Warum kam sie in Anwesenheit des Kapitäns auf Landon zu sprechen? Das sah August überhaupt nicht ähnlich – sie verhielt sich mir gegenüber sonst immer sehr beschützend. » Darüber reden wir später. Ich habe ein paar Dinge mit dem Captain zu besprechen.«
August trat von einem Fuß auf den anderen. »Verstehe. Ich dachte nur, du möchtest vielleicht wissen, dass bereits einige Crewmitglieder eingetroffen sind.«
Mein Magen begann zu rebellieren. Was war nur los mit ihr?
»Captain Brookes?«, fragte eine rauchige, männliche und sehr britische Stimme.
Ich brauchte ein paar Sekunden, bis ich meinen Blick auf die Gestalt richten konnte, die sich an August vorbeizuschieben versuchte, obwohl die ihr offenbar den Weg versperren wollte.
Captain Brookes stand auf und streckte die Hand genau in dem Augenblick aus, in dem Landon in Sicht kam.
Mir stockte der Atem, und das Herz hämmerte mir gegen den Brustkorb, als ich in sein vertrautes Gesicht blickte.
»Landon James, Ihr neuer Deckarbeiter«, sagte er und ergriff die Hand des Kapitäns.
Das konnte doch nicht wahr sein. Mein kleiner Abstecher, mein One-Night-Stand, der Mann, der mir in der Nacht zuvor drei Orgasmen verschafft und in die Seele geblickt hatte, konnte doch nicht auf diesem Schiff arbeiten. Das war einfach unmöglich.