Zehn
Aiden schlief schnell wieder ein, trotz der ungewohnten zweiten Person in seinem Bett. Er konnte nur vermuten, dass Matt es ihm nachgetan hatte. Denn als er ein paar Stunden später erneut wach wurde, schlief Matt tief und fest, und Aiden war diesmal derjenige, der das Kuscheln besorgte. Er hatte sich im Schlaf um Matt herum zusammengerollt, und während er allmählich aufwachte, merkte er langsam, dass er einen warmen Körper in den Armen hielt, und nahm Matts männlichen Geruch wahr. Er atmete tief ein, und in seiner Brust machte sich ein Gefühl der Leichtigkeit und Freude breit, das nichts mit sexueller Erregung zu tun hatte, aber sein Herz trotzdem schneller schlagen ließ. Es war einfach das schöne Gefühl, jemand anderem so nahe zu sein, ein Gefühl der Verbundenheit.
Reine Chemie, natürlich , sagte er sich. Er hatte kürzlich irgendwo einen Artikel darüber gelesen, wie Körperkontakt Endorphine freisetzte, die dafür sorgten, dass man sich wohlfühlte. Zweifellos war es das, was hier gerade vor sich ging. Es war nur eine Reaktion seines Körpers auf Matts Nähe, und daher gab es keinen Grund, es nicht zu genießen. Erneut atmete er ein, schnüffelte an der Haut von Matts Schultern, und Matt gab ein Brummen von sich, schob sich nach hinten und drückte seinen Hintern in Aidens Leistenbeuge.
Aidens Penis zeigte Interesse, und plötzlich ging es hier doch um sexuelle Erregung. Er schob eine Hand nach unten zu Matts Hüfte und begann zu streicheln. Matts Haut war hier seidig und beinahe haarlos. Aiden tastete sich ein bisschen weiter voran, bis er das zarte Kitzeln der Haare auf Matts Bauch an den Fingerspitzen fühlte.
Matt gab einen leisen, beifälligen Laut von sich und rieb seinen Hintern an Aidens Erektion.
„Bist du wach?“ Aiden lächelte an Matts Schulter.
„Jetzt ja.“
Aiden schob seine Hand weiter nach unten zwischen Matts Beine und fand eine harte Beule unter dem Stoff seiner Boxershorts. „Ich merk‘s.“
Matt lachte leise und drehte sich um. Er schubste Aiden auf den Rücken, legte sich auf ihn und drückte ihm die Beine mit dem Knie auseinander, so dass ihre Hüften sich ineinander fügten.
Aiden packte Matt am Hintern, schob die Finger unter den Stoff und spornte ihn an, sich zu bewegen. Sie schubberten sich durch die Unterwäsche hindurch aneinander wie zwei notgeile Teenager. Matt vergrub das Gesicht an Aidens Schulter, und sein Atem war heiß. Ihre Bartstoppeln kratzten, und Aiden drehte den Kopf, um mit den Lippen an Matts Hals zu kommen. Er zog eine Spur von feuchten Küssen daran entlang bis zum Unterkiefer, bis ganz nahe an seine Lippen heran, aber Matt hielt den Kopf abgewandt.
„Zu viele Klamotten, verdammt“, murmelte er gedämpft an Aidens Haut.
„Dann zieh‘ sie aus.“
Sie halfen sich in einem Wirrwarr aus Stoff, fahrigen Händen und strampelnden Füßen gegenseitig aus den Unterhosen und pressten sich aneinander, Haut auf Haut, Schwanz an Schwanz. Aiden stöhnte auf und stieß die Hüften nach oben, doch da Matt auf ihm lag, konnte er die Bewegung nicht kontrollieren. Er schubste ihn wieder auf die Seite, und sie zwängten die Hände zwischen ihre Körper, drückten die Stirnen aneinander und streichelten sich gegenseitig. . Matt keuchte; sein Atem strich über Aidens Mund wie eine zärtliche Berührung. Aiden wollte ihn unbedingt küssen, aber er fürchtete, Matt würde sich zurückziehen und dann wäre das, was sie hier taten, ruiniert. Daher hielt er sich zurück und biss sich auf die Lippen, als das wohlige Gefühl in ihm wuchs.
Matt kam als erster; er stöhnte auf und ballerte seine Ladung über Aidens Hand und Bauch. Als Aiden fühlte, wie Matt in seiner Hand zuckte, und sein Sperma roch, war er schon kurz davor. Doch als Matts Lippen flüchtig seine Wangen streiften, gab es für ihn kein Halten mehr. Bei dieser wunderbaren Berührung – absichtlich oder nicht – entlud sich die Hitze in Aidens Eiern mit einer Wucht, die seinen ganzen Körper erfasste und ihn erschütterte. „Fuck“, japste er. „Fuck.“
Sie lagen ineinander verschlungen da, während das Sperma auf ihrer Haut erkaltete, und atmeten langsam. Aidens Verstand war von der Intensität seines Orgasmus wie ausgelöscht, und er fühlte sich schutzlos und offen, entblößt auf eine Art, die nichts mit seiner Nacktheit zu tun hatte. Matt legte eine klebrige Hand auf Aidens Hüfte und drückte kurz, dann rollte er sich auf den Rücken und starrte mit weit offenen Augen an die Decke.
„Na ja.“ Aidens Stimme kam als heiseres Krächzen heraus. Er räusperte sich und versuchte es nochmal. „Also, so kann man einen Kater auch kurieren. Wie fühlst du dich jetzt?“
„Fast wieder wie ein Mensch.“
„Wir wollten später eigentlich laufen gehen, schon vergessen?“
Matt stöhnte auf und warf sich den Arm über das Gesicht. „Ja. Mist. Ich seh‘ besser zu, dass ich nach Hause komme. Ich muss was essen und rehydrieren, aber bis heute Nachmittag bin ich bestimmt wieder okay und kann laufen. Aber vielleicht nicht ganz so weit, wie wir geplant hatten?“
„Kein Problem.“
Matt setzte sich auf und schnappte sich ein paar Papiertaschentücher, um seine klebrigen Hände abzuwischen, dann wühlte er unter der Bettdecke nach seiner abgelegten Boxershorts. Er wollte Matt schon zum Frühstück einladen, aber ber dann fiel ihm wieder ein, dass er nur Cornflakes da hatte. Und ein paar Eier, die wahrscheinlich ihr Haltbarkeitsdatum schon überschritten hatten.
„Findest du allein raus?“, fragte er.
„Klar.“ Matt hielt kurz inne; er stand mitten in einem Sonnenstrahl, der durch einen Vorhangspalt fiel und sein Haar schimmern ließ wie einen goldenen Heiligenschein. Er blickte mit einem sanften Lächeln auf den Lippen auf Aiden hinab. Aiden erinnerte sich an ihr Gespräch von gestern Abend und staunte, wie sehr Matt sich seit ihrem ersten Treffen verändert hatte. All die scharfen Kanten seiner schnippischen Abwehrhaltung hatten sich geglättet, und der Mann unter der Fassade war jemand, den Aiden dort nie zu finden erwartet hätte. „Was?“ Matt runzelte die Stirn, und Aiden merkte, dass er ihn angestarrt hatte.
„Nichts. Tut mir leid. Ich war gerade meilenweit weg.“
„Okay. Also, ich geh dann mal. Ich schreibe dir nachher eine SMS wegen Laufen gehen, ja?“
„Geht klar.“
Aiden sah ihm nach, und als die Wohnungstür hinter Matt ins Schloss fiel, schloss er die Augen. Doch er hatte immer noch das Bild von Matt in diesem Flecken Sonnenlicht im Kopf, so deutlich, als stünde Matt immer noch vor ihm. Aiden stöhnte frustriert auf und ärgerte sich über sich selbst, weil er zu viel wollte, weil er jetzt mehr wollte, nachdem er jahrelang mit Gelegenheitssex zufrieden gewesen war. Er schnappte sich das Kissen, nahm es in die Arme und drückte das Gesicht hinein. Es roch nach Matt. Er rollte sich auf den Rücken und fluchte, als er einen feuchten Fleck unter seiner Pobacke spürte. „Himmel, Arsch und Zwirn.“
Er stand auf, zog das Bett ab, stopfte die Bettwäsche in die Waschmaschine und knallte die Tür unnötig heftig zu.
Etwas später saß er in der Küche und aß Cornflakes. Die Waschmaschine brummte und plätscherte, und er starrte auf die Bettwäsche, die sich hinter der Glastür drehte – ganz ähnlich wie seine Gedanken. Er hatte geduscht und alle Spuren von Matt von seiner Haut abgewaschen. Wenn es nur genauso einfach wäre, Matt aus seinem Kopf zu verbannen.
Später am Tag war Aiden rastlos.
Wäre er nicht mit Matt zum Laufen verabredet gewesen, wäre er schon längst rausgegangen und hätte versucht, diese merkwürdig hibbelige Stimmung beim Laufen loszuwerden. Nach dem Mittagessen setzte er sich vor seinen Laptop und versuchte, ein bisschen im Internet zu surfen. Er checkte sein Facebook und machte ein paar Züge in Online-Scrabble-Partien, die er am Laufen hatte, aber er konnte sich nicht richtig konzentrieren. Erst als sein Handy die Ankunft einer SMS vermeldete und sein Herz vor Freude einen Satz machte, wurde ihm klar, worauf er gewartet hatte.
„Himmel nochmal, Aiden“, sagte er laut und streng. „Sei doch nicht so ein erbärmlicher Trottel.“
Als er auf sein Handy schaute und sah, dass es nur Liv war, nährte das bedrückende Gefühl der Enttäuschung nur seinen Verdacht, dass er hier allmählich zu tief in etwas hineingeriet.
Sie wollte seine Kleidergröße wissen, weil sie für das ganze Team T-Shirts mit aufgedrucktem Team-Namen auf dem Rücken bestellen wollte, die sie beim Rennen tragen konnten. Er tippte gerade eine Antwort, da summte das Handy erneut und vibrierte in seiner Hand, sodass er erschrocken zusammenzuckte.
Als er sah, dass es diesmal Matt war, lächelte er das Display dümmlich an, hörte aber gleich wieder auf damit und gab sich im Geist eine Ohrfeige, als er es bemerkte.
Bin in 1/2 Std da
Nachdem Aiden beiden geantwortet hatte, ging er sich umziehen. Er schlüpfte in seine Laufklamotten und begann, Dehnübungen zu machen.
Bei Matts Ankunft versuchte Aiden, die prickelnde Erregung zu ignorieren, die ihn durchfuhr, als Matt ihn mit seinen blauen Augen ansah. Matt lehnte schwer am Türrahmen und wirkte nicht so energiegeladen wie sonst.
Aiden schluckte mühsam und versuchte, ganz locker zu klingen. „Geht’s dir gut, Kumpel?“ Kumpel? Warum zum Teufel nenne ich Matt plötzlich ‘Kumpel‘? So redete er ihn normalerweise nicht an, jedenfalls nicht in letzter Zeit. Doch Matt schien es nicht zu bemerken. „Bist du sicher, dass du fit genug bist?“
„Ja, alles okay. Kann ich nur vielleicht einen Schluck Wasser haben? Ich glaube, ich bin immer noch ein bisschen dehydriert.“
Nachdem Matt ein Glas Wasser getrunken hatte, liefen sie los. Das Tempo war langsamer, als Aiden es gewohnt war. Er musste zugeben, dass ihn Matts Leiden ein bisschen amüsierte. Es war eine nette Abwechslung, auch einmal der Stärkere zu sein.
Beim Laufen warf er Matt immer wieder verstohlene Seitenblicke zu, um nachzusehen, ob es ihm gut ging. Jedenfalls versuchte er sich das einzureden, obwohl er wusste, dass mehr dahintersteckte. Nach der gemeinsam verbrachten Nacht fühlte er sich unwohl mit Matt. Etwas hatte sich verändert, wenigstens für ihn, auch wenn ihm das nicht gefiel. Mit dem vorherigen Stand der Dinge war er zufrieden gewesen, und er wollte wieder imstande sein, Matts Gesellschaft ohne lästige Gefühle zu genießen.
Es musste möglich sein, beschloss er. Er brauchte nur darauf zu achten, dass sie von jetzt an bessere Grenzen setzten. Die verdammten gefühlsduseligen Kuschelhormone brachten ihn völlig durcheinander. Wenn sie sich auf reine Triebbefriedigung beschränkten und die Intimität außen vor ließen, wäre das behoben. Und zwischen ihnen wäre wieder alles normal.
Ein paarmal ertappte er Matt dabei, wie dieser ihn ebenfalls ansah. Doch Matts Gesicht ließ nicht erkennen, was er dachte. Sie schauten beide rasch wieder weg, wenn sich ihre Blicke trafen. Es war peinlich und verunsichernd, und Aiden war frustriert, dass sie es dazu hatten kommen lassen.
Sie liefen schweigend, ohne wie sonst miteinander zu plaudern oder freundschaftlich zu wetteifern. Jetzt, wo Aiden fitter war, scherzten sie normalerweise unterwegs miteinander. Mal drückte der eine aufs Tempo, mal legte der andere extra einen Schritt zu, wenn es steil bergauf ging, und sie neckten sich gegenseitig, wenn einer von ihnen Schwächen zeigte. Aber heute taten sie nichts von alledem.
Ihre Route führte sie hinunter zum Fluss, wo der Weg nach einer Woche mit viel Regen wieder schlammig war. Sie wurden langsamer, um auf dem schlüpfrigen, unebenen Untergrund zu navigieren. An einer Stelle verlor Aiden fast den Halt, rutschte aus und versuchte mit rudernden Armen, sein Gleichgewicht wiederzufinden. Trotzdem wäre er im Schlamm auf den Hintern gefallen, wenn Matt ihn nicht am Arm gepackt und aufrecht gehalten hätte.
„Schön vorsichtig.“ Matt klang amüsiert.
„Danke.“
„Es war schon verlockend, dich hinfallen zu lassen, das muss ich zugeben.“
„Aber du weißt doch, dass ich dich nur mit runtergezogen hätte.“
„Ja, und mir ist heute nicht nach Schlammcatchen. Ich bin viel zu angeschlagen.“
Sie grinsten sich an, und Matts Hand lag immer noch um Aidens Oberarm, warm und stark. Anscheinend bemerkte er es plötzlich und ließ Aidens Arm los.
Sie liefen wieder los und bahnten sich halb joggend, halb gehend vorsichtig einen Weg durch den zähen Matsch.
Als sie wieder auf höher gelegenes Gelände kamen, wurde es einfacher, und sie legten ein bisschen Geschwindigkeit zu. Sie schwiegen immer noch, aber das Schweigen wirkte jetzt nicht mehr ganz so angespannt.
„Geht’s dir gut?“, fragte Matt, als sie aus dem Park auf die Straße abbogen und sich wieder auf den Rückweg zu Aidens Wohnung machten. „Du warst so still heute.“
„Ja.“ Aiden hielt seine Aufmerksamkeit auf den Bürgersteig gerichtet und konzentrierte sich ganz auf den Rhythmus seiner Schritte. „Ja. Ich bin nur ein bisschen müde, glaube ich. Lange Nacht, schon vergessen?“ Er wurde rot, als er sich daran erinnerte, wie sie dort in der Dunkelheit gelegen hatten.
Matt antwortete nicht.
Bei ihrer Ankunft vor seiner Wohnung war Aiden hin- und hergerissen. Er wollte Matt hereinbitten. Das tat er sonst auch immer, wenn sie am Sonntagnachmittag vom Laufen kamen, und Aiden wollte mehr Zeit mit Matt. Aber das war das Problem. Er wollte Matt zu sehr, mehr als ihm lieb war, und auf eine Art und Weise, die er allmählich nicht mehr verstand und die ihn nervös machte.
Daher holte Aiden, während Matt zögerte und offensichtlich damit rechnete, hereingebeten zu werden – wie an fast jedem Sonntag im vergangenen Monat – seine Schlüssel heraus und räusperte sich verlegen.
„Also, äh… ja. Ich bin ziemlich kaputt nach gestern Nacht. Also dann, bis morgen, okay?“
„Oh, ja. Klar.“ Matt nickte. „Geht mir genauso. Wenn ich erst mal sitze, rühre ich mich für den Rest des Tages nicht mehr vom Fleck.“ Er fuhr sich mit einer Hand durch die Haare, ohne Aiden richtig in die Augen zu sehen. „Morgen zur gewohnten Zeit?“
„Ja, ist mir recht.“
Sie verabschiedeten sich voneinander und Matt joggte davon, langsamer als sonst. Aiden ging ins Haus und machte die Tür hinter sich zu. Er lehnte sich für einen Moment dagegen und seufzte tief.
Warum war das so schwierig? Mit Pete schaffte er es seit Jahren, alles ganz zwanglos zu halten, und das ohne Probleme. Was hatte Matt nur an sich, das ihm so unter die Haut ging?