ZEHNTES KAPITEL

DIE WELT VON MORGEN

»Ich bin in die Zukunft getaucht,
soweit sie das menschliche Auge erkennt,
und sah das Bild der künftigen Welt und all ihrer Wunder.«

Alfred, Lord TennysonTennyson, Alfred Lord, 1842

Illustration des Mars-Helikopters Ingenuity
und des Rovers Perseverance, die beide am 18. Februar 2021 auf dem Mars gelandet sind. Ingenuity war das erste Fluggerät, das erfolgreich einen kontrollierten Motorflug auf dem Roten Planeten durchführte.

Was früher weit weg war, ist jetzt ganz nahe; was langsam war, ist jetzt schnell, und das Unmögliche ist jetzt die Norm. Daran sollten wir denken. Die Zukunft darf nicht beschränkt werden, nicht einmal – außer in der Praxis – durch die Naturwissenschaften.

Es gibt grundsätzlich zwei unterschiedliche Perspektiven. Da ist die von Leonardo da Vincida Vinci, Leonardo: »Ich habe immer geglaubt, dass es mein Schicksal ist, einen Apparat zu bauen, mit dem der Mensch fliegen kann.« Und die des berühmten kanadisch-amerikanischen Astronomen und Mathematikers Simon NewcombNewcomb, Simon, der 1902 erklärte: »Das Fliegen von Apparaten, die schwerer als Luft sind, ist unzweckmäßig und unbedeutend, wenn nicht ganz einfach unmöglich.« Trotzdem erhob sich Orville WrightWright, Orville ein Jahr später mit der Kitty Hawk in die Lüfte und flog in die Zukunft, von der Leonardo geträumt hatte.

Wir schreiben heute, was morgen Weltraumgeschichte sein wird. Wir haben großartige Pioniere gesehen und ihre erstaunlichen Leistungen. Das, was sie getan haben, war schwer, und die Hinder­nisse, die uns in den nächsten zwei Jahrzehnten begegnen, werden ebenfalls gewaltig sein. Aber wenn wir sie nicht überwinden, werden wir die Herausforderungen nicht angehen können, die danach folgen. Die Menschheit ist nicht so weit gekommen, um jetzt plötzlich stehen zu bleiben.

Es geht dabei nicht bloß um »die edle Zukunft der Menschheit«. Da draußen ist Geld zu verdienen, und manche Leute sind schon ganz scharf drauf. Die kommerziellen Chancen sind zahlreich. Wenn ein Raumflug für gewöhnliche Leute zur Norm wird, sind die Weltraumhotels auch bald da. Sie möchten, dass Ihre Asche im Weltraum verstreut wird? Dafür gibt’s vielleicht nächstes Jahr schon den »Galactic Funeral Service«. Eine Firma, die keine Angst davor hat, sich unbeliebt zu machen, kleistert bestimmt bald den Nachthimmel mit ihrer blöden Reklame voll. Und wenn Ihr Herz dabei nicht höherschlägt, hilft vielleicht ein Kunstherz von Techshot’s BioFabrication Facility aus einem 3-D-Drucker in einer Raumstation, wo die Probleme der Schwerkraft, deren Druck das Wachstum von Gewebe und Zellen einschränkt, umgangen werden können.

Der erste Schritt in diese Zukunft besteht darin, dass wir zum MondMond zurückkehren. Die unmittelbaren Probleme, denen wir dort begegnen werden, sind dieselben, die wir lange Zeit auch auf der Erde erlebt haben: Woher nehmen wir Nahrung, Wasser und Schutz? Dazu kommt noch das Problem mit der Luft. Die Atemluft muss künstlich erzeugt werden. Dazu brauchen wir – 385 000 Kilometer von zu Hause entfernt – massenhaft Energie.

Die Pioniere erkunden bereits das Terrain. Die Apollo-Missionen von früher sind aus den verschiedensten Gründen am Mondäquator gelandet, unter anderem weil man von dort aus leichter zur Erde zurückkommt, praktisch ohne eigenen Antrieb: Wenn man erst mal abgehoben hat, lässt man sich einmal rund um den MondMond schleudern, dann holt die Erdanziehung einen nach Hause.

Die Gegend am Äquator ist wahrscheinlich auch sehr energiereich, weil die Sonneneinstrahlung so hoch ist und eine Menge Helium-3 hinterlassen hat, das man als Energiequelle nutzen kann (siehe Kapitel 3).

Trotzdem wird am Äquator in nächster Zeit wohl nicht mehr so viel los sein. Wenn man ein Plätzchen zum Wohnen sucht, sind »sonnendurchflutete Zimmer« am Mondäquator, wie Immobi­lienmakler sagen würden, sicher nicht die erste Wahl. Denn auf zwei volle Wochen Sonne folgen hier unweigerlich zwei Wochen tiefschwarze Nacht. Das liegt daran, dass eine Umdrehung des Mondes einen ganzen Monat auf der Erde in Anspruch nimmt. Ein Tag auf dem MondMond dauert zwar 14 Erdentage, aber eine Mondnacht eben genauso viel. Das ist nicht jedermanns Sache. Wenn Sie von Ihrer Hütte auf dem Mondäquator nach oben sehen, braucht die Sonne 29,5 Erdentage, um einmal über den Himmel zu kriechen, zu verschwinden und wieder an dieselbe Stelle zu kommen, wo sie zuerst war. Das heißt unter anderem, dass Sie auch bei einem kleinen Mondurlaub 14 Tage lang Ihre Batterien nicht am Solarpaneel aufladen können – und ohne Batterien können Sie da oben sowieso alles vergessen.

Außerdem pendeln die Temperaturen am MondMondäquator zwischen +127° Celsius während des Mondtags und –179° Celsius während der Mondnacht. Oder um es wissenschaftlich zu sagen: Mal friert man sich die Eier ab, und mal wird man in der Pfanne gebrutzelt. Nur ganz nebenbei: Die englische Redensart Freezing the balls off a brass monkey hat angeblich nichts mit den Genitalien von Hominiden zu tun. Sie beruht auf dem Mythos, dass
die Royal Navy ihre Kanonenkugeln früher pyramidenförmig auf einer Messingplatte gestapelt hat, die als »monkey« bezeichnet wurde. Wenn es abrupt kälter wurde, zog sich die Messingplatte zusammen, und die Kugeln fielen herunter. Diese Geschichte ist allerdings nicht wahr. Man würde wohl schwerlich Kanonenkugeln auf hoher See zu einer Pyramide aufstapeln, wo sie jedesmal über das Deck rollen, wenn eine Welle das Schiff trifft. Andererseits ist der Gedanke, dass Metall sich zusammenzieht oder ausdehnt, nicht ganz unwichtig auf dem MondMond (und überall sonst da oben im Weltall): Man möchte ja nicht, dass sich die Metallträger, die Sauerstoff­behälter oder Ihr Wohnmodul ständig zusammenziehen und dann wieder ausdehnen.

Das war einer der Gründe, weshalb die ersten Maschinen und Menschen stets in der Morgendämmerung auf dem Mond landeten. Zu Beginn des zweiwöchigen Mondtages waren die Temperaturen noch auszuhalten. Die Ausrüstung war immer abgestimmt auf Hitze oder auf Kälte, die gewaltigen Temperaturunterschiede konnte man damit vermeiden.

Eine andere Möglichkeit, dem Problem auszuweichen, besteht darin, dass man an den Polen des MondesMond landet. Sie sind nicht nur insgesamt kälter, sondern in der anhaltenden Dämmerung von den Temperaturen her auch viel ausgeglichener. Man kann also davon ausgehen, dass die nächsten Landungen in der Nähe der Pole erfolgen und dass dort auch die erste dauerhafte Besiedlung stattfindet.

Grundstücke im Südpol-Aitken-Becken sind besonders beliebt bei den Wissenschaftlern und ihrem Gefolge. Hier steigt die Sonne am Mondtag nur wenig über den Horizont, andererseits verschwindet ihr Licht auch in der Mondnacht nie völlig. Manche Krater innerhalb des Beckens liegen deshalb seit Milliarden Jahren im Schatten, und es ist denkbar, dass sich in ihren tiefsten Tiefen Wasser und Eis befinden. Daraus wiederum wollen die Wissenschaftler dann, wie erwähnt, mithilfe des hoffentlich ebenfalls vorhandenen Heliums-3 durch Elektrolyse Sauerstoff und Wasserstoff gewinnen, Raketentreibstoff und Energie für MondMondstationen.

Südlich des sechsten Mondbreitengrades hat die NASANASA bereits verschiedene Gegenden ausgemacht, die für die erste Mondstation infrage kommen. Jede Region ist 15 x 15 Kilometer groß und enthält mehrere mögliche Landeplätze. Die Sonne steht nicht hoch am Himmel, aber mit genügend Sonnenpaneelen könnten die ersten Siedler ausreichend Energie ernten, um einen Anfang zu machen.

Angesichts der Tatsache, dass der Bedarf an Sauerstoff für Säugetiere überall im Kosmos eine sehr hohe Priorität hat, kann man von Glück sagen, dass es auch dafür eine passable Lösung gibt. Die MondMondoberfläche besteht nämlich vor allem aus Regolith. Der ständige Meteoritenbeschuss seit etlichen hundert Millionen Jahren hat auf dem Mond Spuren hinterlassen, die man mit dem bloßen Auge und noch besser mit einem Teleskop erkennen kann: Die Oberfläche ist von zahllosen großen und kleinen Kratern bedeckt. Was man nicht sehen kann, ist die Wirkung der Millionen von Mikrometeoriten, die aus der Mondoberfläche eine Art Sandmeer gemacht haben. Die Körnchen sind allerdings (mangels Wind und Wellen) viel scharfkantiger als der Sand auf der Erde. Dieser Regolith ist auf der ganzen Oberfläche vorhanden, sodass man nicht weit gehen muss, um welchen zu finden.

Wenn man Regolith in einen sehr heißen Backofen füllt, Wasserstoff und ein bisschen Wissenschaft beimengt, entsteht Wasserdampf, den man wiederum in Sauerstoff und Wasserstoff spaltet, und schon … kann man richtig tief durchatmen.

Beim Ausatmen bläst man am besten in eine Tüte; denn der ­recycelte Atem ist, wie auch der Schweiß und Urin von Astronauten, eine prima Quelle für Sauerstoff, Wasserstoff und so weiter. Die Technik wird bereits seit Jahren auf der ISSISS erprobt. Wie der Astronaut Douglas H. WheelockWheelock, Douglas H. der New York Times schon so treffend sagte: »Auf der ISS ist der Kaffee von gestern der Kaffee von morgen.«

Also: Licht, Wasser, Sauerstoff, Energie – ein Leben wie Gott in Frankreich. Jetzt brauchen wir bloß noch die passende Unterkunft. Am Anfang sind das sicher von der Erde mitgebrachte flach gepackte Gehäuse wie von IKEA, oder was Aufblasbares. Wenn sie stehen, muss man sie schleunigst mit Mondsand bedecken, um die Bewohner vor der starken Strahlung zu schützen, die auf sie runterkommt. Die Daten von einem deutschen Experiment, das bei den Chinesen mitfliegen durfte, weisen darauf hin, dass die ­radioaktive Strahlung auf dem MondMond zweihundertmal so hoch ist wie auf der Erde. Glücklicherweise ist Regolith gegen Sonnenstrahlung sehr resistent und leitet auch Hitze nicht übermäßig, sodass er sich gut zum Isolieren von Mondbasen eignet.

Wenn die erste Notunterkunft da ist, kann man sich nach was Soliderem umsehen. Dabei wäre besonders an eine Souterrain-Wohnung zu denken. Der MondMond hat ungefähr zweihundert tiefe Gruben, die schon heute bekannt sind. Und in den Wänden dieser großen Löcher gibt es Höhlen mit einer Dauertemperatur von 17° Celsius. Kenner nennen das ein »Pulloverklima«. Man geht davon aus, dass die überstehenden Felsen die Hitze der Sonne ab­halten, aber in den langen Mondnächten dafür sorgen, dass die Wärme nicht völlig entweicht.

Ein Bericht in den Geophysical Research Letters kam jedenfalls zu dem Ergebnis, dass »die Mondhöhlen eine gemäßigte, stabile und sichere Wärmeumgebung für längere Forschungsaufenthalte und Wohnungen auf dem MondMond« bilden. Manche Höhlen sind Lavaröhren, wie man sie auch auf der Erde findet. NASANASA- und ESAESA-Astronauten üben schon, wie man sich auf dem Mond unter Tage bewegt. Mehrere Teams sind nach LanzaroteLanzarote geschickt worden, wo dünnflüssige Lavaströme lange Tunnel hinterlassen haben, um Erfahrungen zu sammeln. Sie lassen auch kleine Roboter durch die unterirdischen Tunnel flitzen, die dreidimensionale Karten erstellen und anzeigen, wo eventuell Menschen passieren können. Ein bisschen ironisch ist es allerdings schon, dass wir ­einige tausend Jahre, nachdem wir die Höhlen verlassen haben, allermodernste Technologien benutzen, um wieder in sie zurückzukehren.

Wenn Wasser, Sauerstoff und Energie gesichert sind, wenn ­Unterkünfte und Treibhäuser für den Anbau von Lebensmitteln gebaut sind, wird sich die Aufmerksamkeit so schnell wie möglich auf den Abbau der seltenen Erden richten, die es auf dem MondMond geben soll.

Das gehört alles zu den Plänen der nächsten zehn Jahre. Nach Armstrongs »großem Sprung« folgt jetzt eine Reihe von kleinen Schritten, die vielleicht am Ende zu Generationen von Menschen führen, die nicht auf der Erde geboren werden. Das wird natürlich noch eine Weile dauern, und die Herausforderungen auf dem Weg dahin sind sehr zahlreich. Unter anderem wird man sich überlegen müssen, wie man Schwangere vor den Gefahren der Schwerelosigkeit und der Radioaktivität schützen kann. Aber die Reise hat jedenfalls begonnen.

*

Also weiter. Zum MarsMars. Auf dem Mond zu starten, verringert die gewaltige Entfernung zum Roten Planeten nur wenig, aber aufgrund der geringeren Schwerkraft des Mondes würde zumindest nicht so viel Treibstoff benötigt. Auf dem Mars treffen wir dann auf alle Probleme, die auch der MondMond schon für uns bereithielt – und noch eine Menge dazu. Außerdem ist er durchschnittlich fast zweihundertmal so weit weg. Menschen auf dem Mars abzusetzen, ist also eine viel größere Herausforderung.

Für die Marsreise ist vor allem das Timing entscheidend. Es schadet nicht, wenn man einen Zeitpunkt wählt, an dem die beiden Planeten sich ein bisschen näherkommen; aufgrund ihrer ellip­tischen Umlaufbahnen ist das alle sechsundzwanzig Monate der Fall. Die allernächste Annäherung der letzten 60 000 Jahre haben wir allerdings gerade verpasst – die war im Jahre 2003. So nahe kommt uns der MarsMars erst in zweihundert Jahren wieder.

Wenn man mit dem Auto zum MarsMars fahren könnte, würde man mindestens sechzig Jahre brauchen, ehe man ankommt. Da kann man ziemlich oft fragen: »Wann sind wir da?« Wenn man ein Raumschiff mit Lichtgeschwindigkeit hätte, brauchte man hingegen nur Minuten. Da wir das aber nicht bei der Hand haben, schicken wir bisher bloß Sonden zum Mars, und die brauchen zwischen 128 und 333 Tagen. Wenn Sie persönlich hinwollen, müssen Sie damit rechnen, etwa neun Monate in einer Druckkabine zu sitzen. Und wenn Sie eine Rückfahrkarte gekauft haben, sollten Sie sich für die nächsten zwei Jahre nichts anderes vornehmen; denn wenn Sie angekommen sind, müssen Sie ein paar Monate auf dem Mars rumhocken, ehe die Erde wieder an einer Stelle ist, zu der die Rückreise nicht noch länger dauert als ohnehin schon. Wenn Sie gleich wieder starten, müssten Sie hinter der Sonne vorbeifliegen, und die Erde wäre bestimmt nicht mehr da, wo sie bei Ihrem Abflug gewesen ist.

Das hat auch Mr MuskMusk, Elon inzwischen verstanden und die erste Landung eines Menschen auf dem MarsMars bis 2029 verschoben. Das ist eines der Jahre, in denen die Entfernung zwischen Erde und Mars sich auf 97 Millionen Kilometer verringert. Das ist ein richtiges Sonderangebot, wenn man daran denkt, dass die durchschnittliche Entfernung ungefähr 225 Millionen Kilometer beträgt. Falls Sie eine Buchung in Erwägung ziehen, sollten Sie sich folgende Termine vormerken: Mai 2031, Juni 2033, September 2035, November 2037 und Januar 2040. Wenn Sie der millionste Passagier sein wollen, kommt vielleicht der August 2050 infrage. In diesem Jahr feiert Mr MuskMusk, Elon seinen 79. Geburtstag – vielleicht auf dem Mars. Vielleicht auch nicht.

Der MarsMars ist eine große Herausforderung. Jedesmal, wenn ­jemand einen neuen Termin nennt, bis zu dem eine Marslandung stattfinden wird, kann man getrost noch mal fünf Jahre draufschlagen. Mindestens. Im Internet wimmelt es von Berichten, wonach die Menschheit noch in den Zwanzigerjahren ihren Fuß auf den Mars setzen wird. Die holländische Firma Mars One sammelte Millionen Euros und Dollars von Investoren ein, nachdem sie erklärt hatte, sie würde 2023 einen Menschen zum Mars schaffen. Pleite ging sie aber schon 2019. Die NASANASA sagt, »vielleicht 2033« könnte man jemanden in eine Mars-Umlaufbahn schicken, und 2039 könnte vielleicht jemand landen. ChinaChina spricht von 2040 und 2060, aber die Chinesen waren seit jeher für den langen Atem.

Die AmerikanerUSA und Chinesen haben jedenfalls schon mal mit der Kartierung des MarsMars angefangen. Das machen die Rover. Die Curiosity der NASANASA ist zwischen 2012 und 2022 schon 30 Kilometer gefahren. Die Perseverance hat noch einiges aufzuholen, aber seit sie im Februar 2021 gelandet ist, hat sie schon 15 Kilometer im Jezero-Krater zurückgelegt. Zhurong schickt auch fleißig Bilder, und die ESAESA hofft, 2028 ebenfalls einen Rover auf der Mars­oberfläche zu haben. Die britische Rosalind Franklin (benannt nach der Forscherin, die bei der Entschlüsselung der DNA die entscheidenden Grundlagen legte) sollte eigentlich schon 2022 mit einer russischen Rakete starten, aber dann kam der Krieg in der UkraineUkraine dazwischen.

Die ersten Menschen werden wahrscheinlich erst auf dem MarsMars eintreffen, wenn der Bau der Unterkünfte schon vorangeschritten ist. Diese Schwerarbeit überlässt man besser den Robotern, und es kann auch nicht schaden, wenn bereits ein vollgetanktes Raumfahrzeug für die Rückfahrt bereitsteht, ehe die Astronauten landen. Dann brauchen die auf dem Hinweg nicht so viel mitzuschlep­pen.

Eines der Hauptprobleme für sie dürfte sein, dass es auch auf dem MarsMars ziemlich frisch ist. Nachts fallen die Temperaturen auf –63° Celsius. Außerdem können wir da nicht atmen, denn ­ärgerlicherweise gibt es kaum Sauerstoff. Natürlich haben wir ein paar Tricks, um welchen zu erzeugen (so wie auf dem Mond), aber dann säßen wir in kleinen Notunterkünften fest. Für eine richtige Siedlung würde das nicht reichen. Man müsste den Mars schon ­irgendwie terrarisieren.

Elon MuskMusk, Elon weiß auch schon, wie. »Nuke MarsMars, schlug er 2019 auf Twitter vor. Die Idee dahinter: Man zündet einfach ein paar Atombomben, um Kohlendioxid und andere Gase freizusetzen, die in der Marskruste und in den Polkappen schlummern. Dann kriegt man eine dickere Atmosphäre mit einem schicken Treibhauseffekt und wärmt den Planeten gleich mit. Menschengemachter Klimawandel mal anders. Manche Wissenschaftler sind allerdings skeptisch. Und selbst Elon MuskMusk, Elon sagt: »Scheitern ist immer eine Option.«

Aber grundsätzlich ist er ein Optimist. Und als solcher hat er sich einen Termin gesetzt: Bis 2050 will er eine Stadt auf dem MarsMars gebaut haben. Eine Stadt für eine Million Menschen. Das ist kein Druckfehler. Eine Million. Menschen.

Sein Plan sieht so aus: Er baut tausend wiederverwendbare Starships. Wenn die Pioniere dann die Infrastruktur errichtet haben, kaufen Sie einfach ein Ticket, fliegen hin und kriegen einen Job auf dem Roten Planeten. Als Preis für das Ticket stellt MuskMusk, Elon sich so ungefähr den Gegenwert eines Einfamilienhauses vor. Dafür können die Reisenden ihre alte Hütte ruhig verkaufen. Die Aussicht, dass man noch mal zurückkommt, ist ja ohnehin nicht so wahrscheinlich wie bei einem Umzug von Albuquerque nach Denver. Das sieht MuskMusk, Elon genauso. Die Anzeigen für die Tickets, sagt er, könnten ungefähr aussehen wie die, von denen man sagt, dass Ernest ShackletonShackleton, Ernest sie geschaltet haben könnte, als er Mit­reisende in die Antarktis suchte: »Männer für gefährliche Reise gesucht. Niedriger Lohn, eisige Kälte, monatelange Dunkelheit, ständige Lebensgefahr, ungesicherte Rückkehr. Ehre und Anerkennung im Falle eines Erfolges.«

MuskMusk, Elon sagt, es bestünde eine siebzigprozentige Chance, dass ihn noch zu seinen Lebzeiten eine Rakete in seine sich selbst ver­sorgende Stadt auf dem MarsMars bringt. Das zu glauben fällt einem schwer. Aber dennoch Respekt: Trotz all seiner Fehler – er traut sich zu träumen. Oder, wie er selbst so gern sagt: »Es kann im Leben nicht bloß darum gehen, dass man Probleme löst. Es muss auch Dinge geben, die inspirieren und Herzen bewegen.« Und er hat noch einen anderen tollen Spruch auf Lager: »Ich würde gern auf dem Mars sterben. Allerdings nicht gleich beim Aufschlag.«

Für unterwegs brauchen MuskMusk, Elon und seine Siedler eine gute Methode, um fit zu bleiben. Denn längere Reisen ohne Schwerkraft ­lösen gesundheitliche Probleme aus. Eines davon nennt man »Weltraumkrankheit«. Zu den Symptomen gehören Erbrechen, Benom­menheit, Orientierungsverlust und Halluzinationen. Nach ein paar Tagen geht das meistens vorbei, aber je länger die Reise dauert, desto mehr Langzeitfolgen ergeben sich.

Flüssigkeiten machen ungefähr sechzig Prozent unseres Körpergewichts aus, und dank der Schwerkraft sammeln sie sich gern in der unteren Hälfte unseres Körpers. Wir haben etliche hunderttausend Jahre damit verbracht, einigermaßen senkrecht herumzulaufen, und dabei haben wir ein System entwickelt, das ständig das Blut zum Herzen und in den Kopf pumpt, wenn wir stehen. Ein paar Monate im Weltraum machen die Ergebnisse der Evolution nicht gleich rückgängig, und dieses System funktioniert einfach weiter, auch wenn wir ohne Schwerkraft auskommen müssen. Das führt allerdings dazu, dass wir mehr Flüssigkeit oben in unseren Körpern haben als sonst. Deshalb sind die Gesichter von Astronauten gern mal ein bisschen aufgedunsen. Auch das Herz muss nicht so viel arbeiten, deshalb wird es jeden Tag etwas schwächer. Dasselbe gilt auch für die meisten Muskeln in unserem Körper, die relativ rasch abgebaut werden. Ein schwaches Herz vermindert den Blutdruck, was wiederum die Sauerstoffversorgung des Gehirns beeinträchtigen kann. Das ist kaum je von Vorteil, aber vor allem wenn man komplizierte Aufgaben lösen muss, sollte das Gehirn gut versorgt sein.

Auch die Knochen werden dünner und außerdem spröde, wenn sie kein Gewicht tragen müssen. Besonders die untere Wirbelsäule und unsere Hüftknochen sind davon betroffen. Nach drei Monaten Raumflug kann es drei Jahre dauern, bis Astronautenknochen wieder so stark wie zuvor sind.

Deshalb haben die Männer und Frauen auf der ISSISS etliche Trainingsgeräte. Ein Swimmingpool wäre natürlich super, aber ein bisschen sperrig. Und ob das Wasser mitspielt, ist auch nicht sicher. Ein Fitnessstudio nimmt weniger Platz weg, aber trotzdem ist es viel Extragewicht. Auch auf dem MarsMars hätte man diese Probleme, allerdings weniger als in einem Raumschiff. Er hat immerhin 38 Prozent der irdischen Schwerkraft.

Raumfahrtrivale Jeff BezosBezos, Jeff hat andere Vorstellungen als MuskMusk, Elon. Er arbeitet an »Langzeitproblemen«, wie er sie nennt. Vor allem glaubt er, dass uns auf der Erde irgendwann die Energiequellen ausgehen. Seine Lösung besteht darin, Städte im Weltraum zu bauen. Inspiriert von den Ideen, die der Princeton-Physiker Gerard
K. O’NeillO’Neill, Gerard Kitchen 1977 in seinem Buch The High Frontier entwickelt hat, stellt sich BezosBezos, Jeff meilenweite, versiegelte und rotierende Städte in der Nähe der Erde vor, in denen Millionen von Menschen leben. Auch die Schwerindustrie soll in ähnlichen, aber getrennten Strukturen untergebracht werden. Das würde die Erde sowohl von Menschen als auch von der Luftverschmutzung befreien, glaubt er. Er weiß, dass die dafür notwendige Technologie noch Jahrzehnte entfernt ist, will aber schon jetzt mit dem Bau der In­fra­strukturen beginnen. Seine Firma Blue Origin hat erklärt, sie werde in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts eine kommerzielle Raumstation auf den Weg bringen, die auf 850 Kubikmetern immerhin zehn Leute beherbergen kann.

Dadurch, dass er seine Städte rotieren lässt, will BezosBezos, Jeff eine künstliche Schwerkraft erzeugen, die den Gesundheitsrisiken entgegenwirkt, die bei längerem Aufenthalt in geringer oder fehlender Schwerkraft entstehen. Es ist zum Beispiel zweifelhaft, ob im Weltraum eine normale Schwangerschaft möglich ist, deshalb wurde bereits von Mars One davor gewarnt, einem Kinderwunsch nachzugeben, ehe man den MarsMars erreicht hat. Rotierende Raumkörper sind also wohl unabdingbar für jede dauerhafte Besiedlung. Aus diesem Grund wurden solche Strukturen auch in Filmen wie Der Marsianer (2015) oder 2001: Odyssee im Weltraum (1968) gezeigt.

Allzu schnell dürfen die künstlichen Himmelsstädte und Raumfahrzeuge allerdings nicht rotieren, sonst wird die Flüssigkeit im Innenohr in Bewegung versetzt, was zu Schwindel, Übelkeit und Gleichgewichtsstörungen führt. Die Fahrzeuge dürften nur mit ein bis zwei Umdrehungen pro Minute rotieren, und das bedeutet, dass sie mindestens einen Kilometer lang sein sollten. Es besteht kein Zweifel, dass sowohl ChinaChina als auch die NASANASA Machbarkeitsstudien in dieser Richtung betreiben. Beide wissen, dass sie noch einige Jahrzehnte brauchen, bis sie so weit sind (schon die ISSISS zu bauen hat ja zehn Jahre gedauert), aber ihr Blick richtet sich weit in die Zukunft.

Mit ein bisschen Glück helfen ihnen einige neue Entwicklungen. So kann man auf weiten Strecken vielleicht bald auf Raketentreibstoff verzichten und zur Ära der Segelschiffe zurückkehren. Vor vierhundert Jahren schrieb das Genie Johannes KeplerKepler, Johannes an –GalileoGalilei, Galileo: »Mit Schiffen und Segeln für himmlische Winde werden sich Menschen hinaus in diese unendliche Weite wagen.« Und tatsächlich: Im August 2004 wurden von der JapanJapan Aerospace Exploration Agency (JAXA) zwei große Photonensegel im Weltraum entfaltet.

Es war das Origami des Weltraumzeitalters. JAXA packte zwei raffiniert gefaltete Sonnensegel in eine kleine Rakete und schickte sie vom Uchinoura Space Center auf der Insel Kyūshū auf einen suborbitalen Flug. In einer Höhe von 200 Kilometern entfalteten sich die Segel: Das eine hatte die Form eines Kleeblatts von zehn Metern Durchmesser, das andere die Form eines Fächers. Das Material war zehnmal dünner als ein Blatt Papier. Damit war bewiesen, dass so etwas technisch möglich war, ohne das Segel dabei zu beschädigen. Heute arbeiten gleich mehrere Länder daran, große, ultraleichte Segel aus reflektierendem, hitzebeständigem Material zu entwerfen, die als Solarpaneele in der Lage sind, Raumschiffe durch den Lichtdruck mit unglaublicher Geschwindigkeit über gewaltige Entfernungen durch das Weltall zu ziehen.

Wir wissen, dass Sonnenlicht stark genug ist, um Körper zu bewegen: Wenn Lichtpartikel (Photonen) auf die Segel treffen, werden diese vorwärtsgeschoben. Beständiges Sonnenlicht bedeutet beständigen Antrieb und ständige Beschleunigung bis zu einer Geschwindigkeit, die fünfmal so hoch ist wie die einer konven­tionellen Rakete. Die Wissenschaftler der NASANASA vergleichen das gern mit dem Wettlauf von Hase und Schildkröte. Wenn man eine Rakete und ein Sonnensegelschiff gleichzeitig startet, düst die ­Rakete zunächst mal davon. Das Sonnensegelschiff beschleunigt allmählich, aber bis zu einem Tempo von 100 Millionen Kilo­metern pro Stunde, während die Parker Solar Probe, das bisher schnellste raketengetriebene Raumfahrzeug, nur knapp 700 000 Kilometer pro Stunde erreichte. Das heißt: Während
die raketengetriebene Sonde nur 0,064 Prozent der Licht­ge­schwindigkeit schaffte, können die Sonnensegel auf bis zu zehn Prozent kommen. Mit solchen Geschwindigkeiten brauchte man von London nach Moskau noch nicht einmal eine Minute und bis zum Mond auch nur weniger als eine Stunde. An dieser Technik zu arbeiten, würde sich also lohnen.

Theoretisch könnte man Menschen damit im ganzen Sonnensystem herumreisen lassen. Angesichts der zahlreichen Schwierigkeiten muss man sich aber fragen, warum man nicht einfach weiter Sonden und Roboter schickt. Diese Frage haben unter anderem die prominenten Astrophysiker Donald GoldsmithGoldsmith, Donald und Martin ReesRees, Martin gestellt. 2020 schrieben sie einen Artikel mit dem ­Titel: »Do We Really Need to Send Humans into Space?« Ihre Antwort stand schon im Untertitel: »Automatische Sonden kosten viel weniger; sie werden jedes Jahr fähiger; und wenn sie versagen, muss niemand sterben.«

Schön formuliert. Die Autoren weisen darauf hin, dass seit der ersten Mondlandung hunderte von Sonden hinausgeschickt worden sind und alle Planeten besucht haben. Auch die Experimente an Bord der ISSISS hätten fast alle von Robotern durchgeführt werden können. Es ist ihnen durchaus bewusst, dass der Heroismus der Astronauten und Astronautinnen eine starke Anziehungskraft hat, und sie haben auch nichts dagegen, dass man neue Orte für menschliche Siedlungen sucht, entscheiden sich dann aber doch für Sicherheit und Zweckmäßigkeit. Das alles könnten doch Roboter machen, glauben sie.

Am stärksten sind diese Argumente natürlich dort, wo es um das Geld des Steuerzahlers geht. Dagegen, dass Privatunternehmen die Raumfahrt von Menschen finanzieren, kann man ja wenig ­sagen. Ich allerdings finde, dass sowohl der Staat als auch Privatunternehmen Geld für die bemannte Raumfahrt ausgeben sollten. Es ist durchaus vorstellbar, dass wir irgendwann einen Zufluchtsort jenseits der Erde brauchen. Und es ist jetzt schon erkennbar, dass wir mehr Ressourcen brauchen, um hier den Lebensstandard zu heben. Es wird bei der Raumfahrt wissenschaftliche, medizinische und technologische Fortschritte geben, auch wenn wir jetzt noch nicht wissen, welche das sein werden. Auf jeden Fall ist jetzt nicht der Zeitpunkt, um eine Pause zu machen.

Ja, es stimmt: Roboter können in der Raumfahrt eine Menge leisten, und das sollen sie auch. Aber sie können uns nicht sagen, wie es sich anfühlt, wenn man da draußen ist, und was es psychologisch bedeutet, so weit entfernt von Mutter Erde zu sein. Ohne den menschlichen Faktor, ohne Menschen, die in die Fußstapfen von Marco PoloPolo, Marco, Ibn BattutaIbn Battuta, Zheng HeZheng He, KolumbusKolumbus, Christoph, AmundsenAmundsen, Roald, GagarinGagarin, Juri, ArmstrongArmstrong, Neil und anderen treten, wird es sehr schwer sein, die Leute davon zu überzeugen, dass das unsere Zukunft ist und dass wir diesen Baum pflanzen müssen, damit künftige Generatio­nen in seinem Schatten sitzen können. Alles in unserer Geschichte sagt uns, dass wir dem Ruf des Unbekannten nicht widerstehen können. Es ist unvermeidlich, dass wir immer weiter hinauswollen; denn: »Neugier ist das Wesen des Menschen«, wie der Astronaut Gene CernanCernan, Eugene gesagt hat.

*

Und weiter in die Zukunft! Dahin, wo es richtig schräg wird. Photonensegel mögen heute noch fantastisch scheinen, aber ein Spaziergang auf dem Mond war früher auch nur Science-Fiction. Deshalb sollte man getrost einen Blick auf Dinge werfen, die zumindest theoretisch Wirklichkeit werden könnten.

Das plausibelste Projekt ist vielleicht noch der Lift in den Weltraum. Dieser Aufzug war eine Idee unseres russischen Freundes Konstantin ZiolkowskiZiolkowski, Konstantin aus dem Jahr 1895. Er stellte sich einen Turm vor, der von der Erdoberfläche bis zu einer geostationären Umlaufbahn in 35 786 Kilometern Höhe reicht und sich zusammen mit der Erde dreht. An oder in diesem Turm könnte man dann Satelliten und andere Weltraumfahrzeuge hinaufbefördern. Ganz einfach. Theoretisch ist die Machbarkeit bewiesen. Es ist nur eine Frage der richtigen Materialien, des Wollens – und der Finanzierung. Tatsache ist allerdings, dass es in der Praxis bis heute kein Material gibt, das in der Lage wäre, einen Turm dieser Höhe zu tragen. Aber das ändert nichts an der Genialität des Mannes, der diese Idee hatte, noch bevor das erste Flugzeug je in die Höhe gestiegen war.

Im 21. Jahrhundert hat man die Idee ein bisschen verändert und damit sehr viel plausibler gemacht. Statt einen Turm zu bauen, könnte man aus einer geostationären Umlaufbahn einfach ein Seil herunterlassen. Irgendwo, möglichst weit jenseits von 40 000 Kilometern, hängt ein Gegengewicht, dessen Fliehkraft das Seil jederzeit straff gespannt hält. Wenn man dieses Gewicht in die richtige Position bringt, wird die Nutzlast allein von der Fliehkraft nach oben getragen, und man spart sich die teuren Raketen. Das würde Weltraumreisen viel billiger machen. Die Frage ist nur noch, welches Material für das »Seil« am besten geeignet ist. Manche glauben, ein Stahlseil von einem Meter Durchmesser könne es aushalten, andere denken eher an Carbon-Polymere und Kohlenstoffnanoröhren, aber die meisten Materialien reißen schon nach wenigen Kilometern durch das eigene Gewicht. (Ich persönlich würde es mit einem Spinnenfaden versuchen, oder aber mit dem zähesten Material, das der Menschheit bisher bekannt ist: Kaugummi.) Wie auch immer – wenn solche Seilfähren wirklich gebaut würden, wären die jeweiligen Ankerplätze ein großes Pro­blem für die zuständigen Sicherheitskräfte, ganz un­abhängig davon, ob sie auf der Erde, im geostationären Orbit, auf dem Mond oder an ­einem der Lagrange-PunkteLagrange-Punkte lägen.

Wenn man von Raumschiffen redet, kommt natürlich immer auch der gute alte »Warp Faktor 4.5« ins Gespräch. Dabei handelt es sich – wie Ihnen zahllose Websites von frommen Fans ver­sichern – um die durchschnittliche Geschwindigkeit, mit der das Raumschiff Enterprise seit 1966 in der Serie Star Trek herumdüst. Das Problem besteht darin, dass es den »Warp Faktor« leider nicht gibt. »Warp Faktor 1« ist (im Fernsehen) die Lichtgeschwindigkeit. Wie EinsteinEinstein, Albert uns in seiner Relativitätstheorie aber hat wissen lassen, gibt es nichts Schnelleres als das Licht. Ein »Warp Faktor 4.5« – das würde Einstein schon ziemlich beunruhigen.

Glücklicherweise haben die Theoretischen Physiker eine andere Erklärung parat, was die Enterprise betrifft. Das Raumschiff, sagen sie, fliegt gar nicht schneller als Licht, sondern sitzt gemütlich in einer Zeitschleife, in einer Blase aus komprimierter Raumzeit. Dadurch braucht es gar nicht so schnell zu fliegen. Die Enterprise wartet in aller Ruhe, bis ihre Zeitblase dort angekommen ist, wo die Klingonen warten. Dann springt sie heraus und zeigt ihnen, was eine Harke ist. Auch Marathonläufer würden davon natürlich enorm profitieren: Wenn man die eigentliche Strecke von rund 42 Kilometern auf wenige Meter komprimiert, wird man vermutlich schneller am Ziel sein als die Konkurrenz.

Also los, her mit der Zeitschleife! Aber ein bisschen komplizierter ist es dann doch. Vor allem brauchen wir massenhaft Anti-Materie. Das ist im Grunde dasselbe wie gewöhnliche Materie, bloß dass sie die entgegengesetzte elektrische Ladung hat. Ein Elektron ist gewöhnliche Materie, und die ist negativ geladen. Das Gegenteil ist ein Positron mit einer positiven Ladung.

Wenn Materie und Anti-Materie zusammenstoßen, erfolgt eine Explosion. Diese erzeugt dann radioaktive Strahlung, die das Epizentrum der Explosion mit Lichtgeschwindigkeit verlässt. Bedauerlicherweise liegt Anti-Materie nicht einfach überall rum. Wir können sie aber herstellen. Teilchenbeschleuniger wie die Collider im CERNCERN können das. Allerdings nicht gerade massenhaft. CERN beschränkt sich auf ein bis zwei Pikogramm im Jahr, das ist ein Billionstel Gramm. Damit kann man immerhin eine 100-Watt-Birne drei Sekunden lang leuchten lassen. Um mit Anti-Materie zwischen den Sternen herumzureisen, brauchte man allerdings Tonnen davon. Den MarsMars, denkt die NASANASA, könnte man vielleicht schon mit einem Millionstel Gramm erreichen, und glaubt, das könnte man in einigen Jahrzehnten schaffen.

Außerdem gibt’s natürlich immer noch Zeitreisen, das heißt, dass man irgendwo ankommt, ehe man losfährt. Die Zeit vergeht ja nicht überall gleichmäßig schnell, wie uns EinsteinEinstein, Albert gelehrt hat. Auf den GPS-Satelliten zum Beispiel, die weiter draußen sind als unsere Uhren, vergeht die Zeit 38 Mikrosekunden schneller als bei uns auf der Erde. Wenn das nicht so wäre, wären die Daten auf dem satellitengesteuerten Navi immer schon veraltet, wenn wir sie kriegen. Die Gravitation zieht an großen Objekten wie den Planeten, aber sie zieht auch an der Zeit. Üblicherweise wird die Möglichkeit von Zeitreisen mit folgender Analogie beschrieben: Wenn zwei Leute ein großes, gefaltetes Betttuch zwischen sich halten und jemand eine Bowlingkugel hineinlegt, rollt sie zur Mitte und es entsteht eine Delle. Wenn dann zufällig dasselbe auf der Unterseite des Lakens geschieht und eine vergleichbare Kraft genau in die entgegengesetzte Richtung wirkt, rollt die zweite Kugel ebenfalls in die Mitte, wo sie auf die andere trifft. Und wenn das alles im Weltraum geschieht und die Bowlingkugeln riesige Himmelskörper sind, so die Theorie, entsteht zwischen den beiden Himmelskörpern ein »Wurmloch« in der Raumzeit. Und wenn ein Raumschiff durch so ein Loch zwischen zwei Zeiten fährt, hätte es auf seinem Weg eine Menge Zeit gespart.

Ist das verrückt genug? Kommen wir schließlich noch zur Teleportation. Im Jahre 1998 haben ein paar sehr, sehr schlaue Leute am California Institute of Technology (CaltechCaltech) die Struktur eines Photons (also eines Lichtpartikels) gescannt und die Information anschließend durch ein Koaxialkabel von einem Meter Länge geschickt, wo das Photon dann repliziert wurde. Die schlauen Leute mussten allerdings zugeben, dass dabei das Original des Photons vollkommen zerstört wurde. Beim Scannen wird es so zerstückelt, dass es verschwindet. Es bleibt nur die Kopie – da, wo sie hin­geschickt wird. Im Prinzip heißt das: Wenn wir jemals so weit kommen sollten, Menschen zu »beamen«, dann müsste die Originalperson an Ort und Stelle vernichtet und anderswo repliziert werden. Immer und immer wieder.

Andere Quantenphysiker bemühen sich, auf dem Erfolg am CaltechCaltech aufzubauen. Chinesische Wissenschaftler haben ein Photon schon 97 Kilometer weit teleportiert! Aber die Oktillionen von Atomen in einem lebenden Körper zu kopieren und die Daten ohne Verluste Millionen von Kilometern zu einem anderen Planeten zu schicken, erscheint doch ein bisschen gewagt. Studien haben ergeben, dass man dafür wahrscheinlich die gesamte Energie des Ver­einigten Königreichs für eine Million Jahre aufbieten müsste. Trotzdem wird daran gearbeitet, Quantenpakete mit Informationen über tausende von Kilometern zu verschicken. ChinaChina hat seinen Satelliten schon solche Informationen geschickt. Auf diese Weise, so hofft man, könnte ein Kommunikationssystem entstehen, das niemand zu hacken vermag. Und selbst wenn es gehackt würde, bliebe das nicht unentdeckt; denn in der Welt der Quantenphysik verändert alles »Beobachten« ja auch die Sache selbst.

Wie man sieht, gibt die Menschheit die Hoffnung nicht auf, das Unmögliche möglich zu machen. Oder zumindest Hoffnungen aufrechtzuhalten. Es ließe sich noch weiter von solchen Dingen berichten. Was ist zum Beispiel mit den Millionen Varianten des Lebens auf anderen Planeten? Zahlreiche Exoplaneten (also solche außerhalb unseres Sonnensystems) sind schon benannt worden, auf denen Leben angeblich möglich ist. Der Astrophysiker Neil deGrasse TysonTyson, Neil deGrasse sagt: »Zu behaupten, dass es im Universum kein Leben gibt, wäre so, als ob man eine Handvoll Wasser schöpft und behauptet, im Ozean gäbe es keine Wale.« Sehr wahr.

Wir könnten endlos darüber spekulieren, was wir nicht wissen können, über die Wunder und über die eher lustigen Sachen. Aber über den Träumen und Theorien dürfen wir nicht vergessen, dass es zunächst mal viele reale Probleme gibt, die gelöst werden müssen. Wir müssen aufstehen gegen den Rüstungswettlauf, den Streit um Gebiete und Bodenschätze sowie den Mangel an Gesetzen und Regeln im Weltraum. Wir müssen uns gegen viele negative Aspekte dieser neuen Zeit und in diesem neuen Bereich zur Wehr setzen, in dem wir uns jetzt befinden.

Das Weltraum-Team der Investmentbank Morgan Stanley ist sich bewusst, welche gewaltigen Veränderungen technische Erfindungen auslösen können, und erinnert an das Jahr 1854, als der Mechanikermeister Elisha Graves OtisOtis, Elisha Graves auf der Weltausstellung in New York einen Sicherheitsaufzug vorstellte. Niemand ahnte damals, wie sich der Städtebau dadurch verändern würde, aber schon zwei Jahrzehnte später wurde praktisch jedes mehrstöckige Haus in New York um einen Aufzugsschacht herumgebaut, und die Ära der Wolkenkratzer begann. Die Leute bei Morgan Stanley glauben, die Entwicklung wiederverwendbarer Raketen wie der von SpaceXSpaceX könne ein ähnlicher Wendepunkt für die Weltraumindustrie sein. Die geringeren Kosten beim Start in den Weltraum würden Investoren ermutigen, und die Umsätze der Weltraumindustrie von gegenwärtig 400 Milliarden Dollar könnten bis 2040 auf mehr als eine Billion ansteigen.

Das würde der Menschheit vielleicht auch dazu verhelfen, ihre Netto-CO2-Emissionen auf null zurückzufahren. Technisch ist es heute schon möglich, große Felder von Sonnenpaneelen im Raum auszubreiten. Sie könnten genug elektrische Energie für alle irdischen Bedürfnisse sammeln und in Form von Mikrowellen zur Erde hinunterschicken. Fabriken im Weltraum zu bauen ist ebenso möglich wie der Abbau von seltenen Erden und anderen Bodenschätzen auf dem Mond und auf Asteroiden.

So wie die Geschichte der Menschheit sich darstellt, ist es leider recht unwahrscheinlich, dass wir uns im Weltraum auf unsere Gemeinsamkeiten besinnen, seine Schätze gemeinsam einsammeln und wirklich gerecht verteilen. Aber selbst, wenn die Wirtschaftsblöcke und Einzelstaaten konkurrieren, profitieren wir letztlich alle davon. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir unsere jetzigen Vorstellungen von Souveränität und Herrschaft über Territorien auf den Weltraum übertragen und am Ende wieder Einzelstaaten verlangen, dass ihre Ansprüche von allen anderen anerkannt werden, sollte uns nicht daran hindern, unser Schicksal als Spezies anzunehmen.

Stephen HawkingHawking, Stephen soll das letzte Wort haben: »Uns auszubreiten ist wahrscheinlich das Einzige, was uns vor uns selbst rettet. Ich bin überzeugt, dass die Menschen die Erde verlassen müssen.«

Viel Spaß auf der Reise!