ZWEITES KAPITEL
DER WEG NACH OBEN
»Ich sehe die Erde! Sie ist so schön!«
Juri GagarinGagarin, Juri
Astronaut Edwin AldrinAldrin, Edwin neben
der US-amerikanischen Flagge auf dem Mond, 21. Juli 1969.
Die Grenze zum Weltall haben wir erst vor kurzer Zeit überschritten. Nach jahrtausendelanger, langsamer Vorbereitung folgte im 20. Jahrhundert ein erstaunlicher Sprint in wenigen Jahrzehnten der Zeichen und Wunder.
Was uns schließlich hinaufführte, waren allerdings irdische Streitereien. Denn die Technologie, die uns in den Himmel brachte, war ein Produkt des Rüstungswettlaufs im Kalten Krieg.
In der Menschheitsgeschichte war das Weltall immer ganz nahe und doch sehr weit weg. Der britische Astronom Fred HoyleHoyle, Fred sagte 1979: »Die Entfernung zum Weltraum ist gar nicht groß. Er wäre nur eine Stunde Fahrzeit entfernt, wenn man mit dem Auto senkrecht nach oben könnte.« Aber die Ingenieure der Formel 1 könnten die Motoren ihrer Boliden noch so sehr hochzüchten, auf die 7,9 Kilometer pro Sekunde, die nötig sind, um die Oberfläche der Erde zu verlassen und auf eine Erdumlaufbahn zu gelangen, kommen sie doch nie. Eine Rakete dagegen …
Eigentlich eine einfache Sache, so eine Rakete. So einfach, dass wir sie im Laden kaufen und zum Geburtstag oder an Silvester im Garten abfeuern können. Sie ins Weltall zu schießen und einen Menschen damit zu befördern, ist dagegen so kompliziert und so aufwendig, dass es bisher erst drei Länder geschafft haben.
Eins der Probleme besteht darin, dass man die Menschen praktisch auf riesige Treibstofftanks setzt und die dann in Brand steckt. Der Space-Shuttle-Astronaut und Professor für Maschinenbau Mike MassiminoMassimino, Mike beschrieb es in seinem autobiografischen Buch Spaceman sehr treffend. Beim Anblick der vergnügten Kollegen, mit denen er zur Abschussrampe marschierte, dachte er: »Sind die verrückt? Wissen sie denn nicht, dass wir uns jetzt gleich an eine Bombe schnallen, die uns hunderte Meilen hinauf in den Himmel sprengt?«
In der Tat. Der Außentank der Raumfähre enthielt 650 000 Liter flüssigen Sauerstoff und 1 700 000 Liter flüssigen Wasserstoff. Die verbrannten die Triebwerke dann mit rasendem Tempo: Der Tank leerte sich so schnell, als hätte man alle zehn Sekunden einen Familien-Swimmingpool ausgekippt.
Im Prinzip war das immer noch dieselbe Technologie, die im 9. Jahrhundert von chinesischen Mönchen erfunden wurde, die eine Mischung aus Schwefel, Kaliumnitrat und Holzkohle, das sogenannte »Schwarzpulver«, für ihre Feuerwerkskörper benutzten. Aus denen wurden dann »fliegende Feuerlanzen« – Raketen mit eigenem Antrieb. Schon kurz vor oder nach dem Jahr 1500 soll sogar jemand versucht haben, die Sterne damit zu erreichen. Der Legende nach befestigte der MandarinChina Wan Hu siebenundvierzig Schwarzpulverraketen an einem Bambusstuhl, band sich daran fest und befahl seinen Dienern, das Zündpapier anzustecken. Er flog tatsächlich ein Stück in die Höhe und verschwand dann in den Rauchwolken der Explosion. Er wurde nie wieder gesehen, und auch der Stuhl blieb verschwunden. Es gibt keinen Beweis dafür, dass die Geschichte tatsächlich passiert ist. Aber es gibt jetzt einen Mondkrater, der nach Wan Hu benannt ist.
Im Lauf der Jahrhunderte hat es – mit wechselnden Ergebnissen – noch weitere Versuche zum Bau von Raketen gegeben; aber wenn man nach den Vorfahren der modernen Trägerraketen sucht, nennen die Historiker der Raumfahrt meist nur drei Namen: Konstantin ZiolkowskiZiolkowski, Konstantin (1857–1935), Robert GoddardGoddard, Robert (1882–1945) und Hermann OberthOberth, Hermann (1894–1989). Alle drei waren geniale Pioniere auf diesem Gebiet. Der Amerikaner Robert Goddard war der Erste, der (am 16. März 1926) eine Rakete mit flüssigem Brennstoff zum Abheben brachte – im Gegensatz zu den im ChinaChina des 9. Jahrhunderts erfundenen Feststoff-Raketen mit Schwarzpulver-Treibstoff. Hermann OberthOberth, Hermann aus Siebenbürgen, der schon früh mit den Nazis sympathisierte, wurde aufgrund seiner früheren Veröffentlichungen 1941 an die Heeresversuchsanstalt Peenemünde berufen, wo er an der Entwicklung der V2 (»Vergeltungswaffe 2«) mitarbeitete, die im Zweiten Weltkrieg gegen zivile Ziele eingesetzt wurde. Er unternahm auch Selbstversuche, um zu überprüfen, welche Belastungen der menschliche Körper bei einem Raketenstart und in der Schwerelosigkeit aushalten könnte. Der bedeutendste der drei ist aber wohl ZiolkowskiZiolkowski, Konstantin, und zwar aufgrund seiner genialen Vorstellungskraft.
Schon 1903, sechs Monate, ehe das erste motorisierte Flugzeug gestartet war, veröffentlichte der russische Mathematiklehrer einen Aufsatz mit der »Raketengrundgleichung«, die durch eine Berechnung der Schubkraft, des Verbrauchs von Treibstoff und der Geschwindigkeit von Raketen theoretisch nachwies, dass Raumfahrt möglich war. Im selben Jahr flogen die Brüder WrightWright, OrvilleWright, Wilbur mit ihrem Motorgleiter in die Geschichtsbücher, während ZiolkowskiZiolkowski, Konstantin bis heute nahezu unbekannt ist, obwohl er einer der weitblickendsten Wissenschaftler überhaupt war.
Als fünftes von achtzehn Kindern eines Forstbeamten und seiner tatarischen Frau, erkrankte er mit zehn Jahren an Scharlach und wurde nahezu taub, verließ mit vierzehn die Schule und konnte sich nur noch mit Büchern über Physik, Astronomie und analytische Mechanik aus einer öffentlichen Bibliothek weiterbilden. Auch die Romane von Jules VerneVerne, Jules gehörten zu seiner Lektüre. »Außer den Büchern hatte ich keine anderen Lehrer«, schrieb er später.
Schon seine ersten Schriften enthielten visionäre Ideen: Raumstationen, die mit Sonnenenergie betrieben werden; Gyroskope zur Lenkung von Raumschiffen; Luftschleusen, die es erlauben, von einem Raumschiff ins andere zu kommen; Druckanzüge, die es Kosmonauten erlauben, außerhalb ihres Raumschiffs zu arbeiten. Bereits 1895 konzipierte er einen »Weltraumlift«. Sein Aufsatz über die Erforschung des Weltraums mittels Reaktionsapparaten aus dem Jahr 1903, der ihn später berühmt machte, enthielt den ersten mathematischen Beweis, dass eine Rakete die Atmosphäre durchdringen und eine Umlaufbahn um die Erde erreichen kann. ZiolkowskiZiolkowski, Konstantin hatte die vertikale Geschwindigkeit ermittelt, die man erreichen muss, um die Erdanziehung zu überwinden, und dass eine Rakete mit einem Treibstoffgemisch aus Sauer- und Wasserstoff dazu in der Lage wäre. Diese nach ZiolkowskiZiolkowski, Konstantin benannte Raketengrundgleichung ist die Grundlage für alle Weltraumflüge.
Als die Kommunisten die Macht übernahmen, waren sie gegenüber den quasi-theologischen Gedanken ZiolkowskisZiolkowski, Konstantin sehr misstrauisch. In seinem Aufsatz Gibt es einen Gott? hatte er geschrieben: »Wir unterliegen alle dem Willen und der Herrschaft des Kosmos … wir sind Marionetten, mechanische Puppen.« In Wirklichkeit beherrschte ihn jedoch das Sowjetsystem. Einmal wurde er sogar vom NKDW verhaftet und einige Wochen lang wegen »antisowjetischer Propaganda« im berüchtigten Lubjanka-Gefängnis in MoskauMoskau verhört.
Später allerdings erkannten die Sowjets seinen Propagandawert, und er durfte weiter veröffentlichen. 1929 erschien sein Aufsatz über eine Mehrstufenrakete.
Er erlangte in seiner Heimat schließlich doch großen Ruhm, und heute wird er als »Vater der Raumfahrt« und »Vater der Raketentechnik« bezeichnet. Sein bescheidenes Wohnhaus in Kaluga ist öffentlich zugänglich, und in der Nähe befindet sich das nach ihm benannte Staatliche Museum für Raumfahrtgeschichte. Auf der Rückseite des Mondes ist ein großer, von der sowjetischen Raumsonde Luna 3 entdeckter Krater nach dem Visionär benannt, der wusste, dass aus Science-Fiction Fakten werden können.
Science-Fiction-Kennern ist all das bekannt. In der Computerspiel-Serie Assassin’s Creed liest eine Figur aus ZiolkowskisZiolkowski, Konstantin Der Wille des Universums (1928) vor. Und auch eine Episode von Star Trek ist nach ihm benannt. Er wird in zwei von Sid MeiersMeier, Sid Videospielen zitiert und in einer Kurzgeschichte von William GibsonGibson, William namentlich erwähnt. Beide kannten sicher auch den meistzitierten Spruch von ZiolkowskiZiolkowski, Konstantin: »Die Erde ist die Wiege der Menschheit, aber man kann nicht für immer in der Wiege bleiben.« Kurz vor seinem Tod schrieb er noch: »Mein ganzes Leben habe ich davon geträumt, dass meine Arbeit die Menschheit zumindest ein bisschen voranbringt.« Das hat sie.
*
Die Theorie in die Praxis umzusetzen war allerdings schwer. Denn um ZiolkowskisZiolkowski, Konstantin Raketengleichung zu erfüllen, ist eine enorme Beschleunigung nötig. Dafür wiederum braucht man viel Treibstoff. Je mehr man beschleunigen will, desto mehr Treibstoff braucht man. Und je mehr Treibstoff man braucht, desto schwerer wird das Gefährt, das ihn mitführt.
Viele Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts kämpften mit diesem Problem. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg gab es einige Fortschritte, aber erst der Krieg und dann der Kalte Krieg trieben die Raketentechnik entscheidend voran – einfach, weil beide Seiten gewinnen wollten.
Sowohl die Deutschen als auch die Sowjets und die Japaner experimentierten mit raketengetriebenen (Düsen-)Flugzeugen, und die Japaner bauten sogar einen raketengetriebenen Kamikaze-Bomber. Wegweisend aber wurde das deutsche Raketenprogramm in Peenemünde unter der technischen Leitung von Wernher von Braunvon Braun, Wernher, der sich auf die Arbeit von Hermann OberthOberth, Hermann stützte. Wernher von Braun war Mitglied der NSDAP und auch der SS.
Anfang Oktober 1942 gelang es ihm, mit dem 14 Meter hohen, 13 Tonnen schweren »Aggregat 4« (der ersten Großrakete der Welt) auf eine Gipfelhöhe von 84,5 Kilometern und damit in den Grenzbereich des Weltraums vorzustoßen, am 20. Juni 1944 wurde dann sogar eine Gipfelhöhe von über 174 Kilometern erreicht. Daraufhin wurde die Rakete vom Propagandaministerium als »V2« bezeichnet und auf Befehl HitlersHitler, Adolf die Serienherstellung beschlossen. Mit bis zu 5300 Stundenkilometern und einer Reichweite von 320 Kilometern erreichte die Rakete zwar nicht die nötige Geschwindigkeit, um die Erdanziehung zu überwinden, aber als Waffe mit einer »Nutzlast« von über 700 Kilogramm Sprengstoff hatte sie eine große psychologische Wirkung. Wegen ihrer hohen Geschwindigkeit konnte man sie kaum abfangen, denn sie schlug schon drei bis fünf Minuten nach dem Start ein. Ihre Zielgenauigkeit war allerdings so gering, dass praktisch nur zivile Ziele getroffen wurden.
Als HitlersHitler, Adolf »Tausendjähriges Reich« nach zwölf Jahren zusammenbrach, setzten sich Wernher von Braunvon Braun, Wernher und seine Kollegen nach Bayern ab und ergaben sich den Amerikanern. Ein kluger Schachzug, denn sonst wären sie vielleicht den Russen in die Hände gefallen, die ebenfalls auf der Suche nach den deutschen Geheimwaffen und den Männern waren, die sie konstruiert hatten.
Im Rahmen der »Operation Paperclip« wurden von Braunvon Braun, Wernher und ungefähr 120 weitere deutsche Wissenschaftler klammheimlich in die USAUSA geflogen. Die politische Vergangenheit der Männer wurde verschwiegen. Viele von ihnen waren fanatische Nazis (gewesen), aber statt in Nürnberg vor Gericht gestellt und womöglich gehängt zu werden, wurden sie unter Vertrag genommen. Beim Bau der ungefähr dreitausend V2-Raketen kamen zwölftausend Zwangsarbeiter ums Leben. (Einige davon hatte von Braunvon Braun, Wernher persönlich in Buchenwald ausgesucht.) Beim Einsatz der Waffe wurden in LondonLondon, AntwerpenAntwerpen und anderen Städten weitere achttausend Menschen getötet.
Wernher von Braunvon Braun, Wernher, der verantwortliche technische Leiter beim Bau der V2, ließ das alles hinter sich. Im Oktober 1959 wurden der immer gut gelaunte und wortgewandte Raketentechniker und sein Team offiziell der NASANASA unterstellt, und im nächsten Jahr wurde er Direktor des Marshall Space Flight Center in Huntsville, AlabamaAlabama, das Raumfahrtprojekte vorantreiben sollte. Seine V2-Raketen, soll er gesagt haben, seien völlig in Ordnung gewesen, nur leider auf dem falschen Planeten gelandet. Seine moralische Lässigkeit fand ihre Entsprechung bei den Amerikanern, die seine Vergangenheit völlig vergaßen, weil sie ihn für ihren neuen, den Kalten Krieg brauchten.
Die Russen verhielten sich ähnlich. Ihre »Operation Paperclip« hieß »Aktion Ossawakim«. Im Oktober 1946 wurden vom sowjetischen Geheimdienst und der Militäradministration (SMAD) mehr als 2200 deutsche Wissenschaftler und noch einmal doppelt so viele Familienangehörige nach RusslandRussland gebracht, wo sie in verschiedenen Bereichen, darunter auch am Raketenbau, arbeiten sollten. Der Kalte Krieg hatte endgültig begonnen.
Die Menschen lebten damals im Schatten der Bombe. Die Schulkinder mussten »Duck and Cover«-Übungen mitmachen, die vor der Atombombe schützen sollten, und tausende Amerikaner bauten private Schutzbunker auf ihren Grundstücken, deren Wert im Fall eines thermonuklearen Waffengangs allerdings ziemlich fragwürdig war. Im August 1949 (vier Jahre nach dem Abwurf der amerikanischen A-Bomben über HiroshimaHiroshima und NagasakiNagasaki) fand in einem abgelegenen Gebiet Kasachstans der erste Atomwaffentest der SowjetunionSowjetunion statt. Ein amerikanisches Spionageflugzeug fing an der sibirischen Küste Spuren der radioaktiven Strahlung auf, und ein paar Wochen später teilte Präsident TrumanTruman, Harry S. der Welt mit, dass jetzt auch die Sowjetunion eine Atommacht war. Ein Atomkrieg zwischen den beiden Ländern war nicht mehr auszuschließen. Die Gefahr eines nuklearen Holocausts wuchs zusätzlich, als die Wasserstoffbomben entwickelt wurden.
Zu den Waffen im Kalten Krieg gehörte es, der gegnerischen Seite die Überlegenheit des eigenen politischen Systems zu beweisen, indem man seine Technologien zur Schau stellte. Wer die bessere Technik – und Rüstung – hatte, galt auch politisch als überlegen. Deshalb wurden in den Fünfzigerjahren ballistische Raketen gebaut, die Satelliten aussetzen konnten. Diese wiederum konnten die Dichte der Atmosphäre am Rande des Weltraums messen, Radiowellen untersuchen und Objekte beobachten, die sich auf den Umlaufbahnen befanden. Aber natürlich konnten die Raketen auch für ganz andere Zwecke verwendet werden.
Das sowjetische Raketenprogramm leitete Sergei KoroljowKoroljow, Sergei. Bei den stalinistischen »Säuberungen« des Großen Terrors war er 1938 verhaftet worden. Er hatte unter Folter »gestanden«, Mitglied einer konterrevolutionären Verschwörung zu sein und war in den Gulag geschickt worden. In einem sibirischen Straflager hatte man ihn hungern lassen, er verlor viele Zähne und auch sein Unterkiefer wurde beschädigt. Der drohende Krieg mit DeutschlandDeutschland führte dann dazu, dass er in ein Lager in der Nähe von MoskauMoskau verlegt wurde, wo er unter Aufsicht des NKDW an der Konstruktion von Flugzeugen arbeitete. Nach dem Krieg stieg er zum Chefkonstrukteur des sowjetischen Raketenprogramms auf, aber sein Name und seine Vergangenheit blieben geheim. Sein Befehl während des Kalten Krieges lautete dann: »Schlag die Amerikaner, schaff es zuerst.« Das gelang ihm. Mit vier Monaten Vorsprung.
Anfang Oktober 1957 fingen Kurzwellen-Funkamateure an der amerikanischenUSA Ostküste eine Serie von eigenartigen Pieptönen auf. Einige von ihnen machten Tonbandaufnahmen und schon Stunden später vernahmen Amerikas Radiohörer und Fernsehzuschauer das Beep-Beep-Beep des ersten menschengemachten Geräts auf einer Umlaufbahn im erdnahen Raum. Die Schwelle zum Weltall war überschritten. Das Raumzeitalter hatte begonnen.
Sputnik 1 (Iskustveni Sputnik Zemli oder »Künstlicher Weggefährte der Erde«) war am 4. Oktober 1957 ins All aufgestiegen. Es war ein einfaches kleines Ding, so groß wie ein Wasserball, wog aber immerhin 85 Kilogramm. Seine planetenartige Kugelform war mit vier langen Antennen geschmückt, die aussahen wie ein Kometenschweif. Im Inneren waren ein Sender, ein Thermometer, ein Ventilator, um ihn zu kühlen, und die Batterien, die fast die Hälfte des Gesamtgewichts ausmachten. Den Amerikanern heizte er mächtig ein.
Überall wurde der Sputnik als Sieg der Russen, der SowjetunionSowjetunion und des Kommunismus gefeiert. Die Prawda kommentierte: »Die ganze Welt hat gehört, dass jetzt ein künstlicher Mond um die Erde kreist.« Der Erste Sekretär der KPdSU, Nikita ChruschtschowChruschtschow, Nikita, erfuhr um elf Uhr bei einem Empfang im Mariinski-Palast in Kiew von dem Erfolg. Sein Sohn Sergei erinnerte sich später, dass sein Vater ans Telefon gerufen wurde, den Raum verließ und nach ein paar Minuten »mit strahlendem Gesicht« wieder zurückkam. Er saß ein paar Minuten still auf seinem Platz, dann hob er die Hand und erklärte den verständnislosen Genossen vom ukrainischen Zentralkomitee: »Ein künstlicher Erdsatellit wurde gerade gestartet.«
Das Weiße Haus tat so, als wäre nichts passiert. Präsident EisenhowerEisenhower, Dwight D. nannte den Sputnik »einen kleinen Ball in der Luft«, einer seiner Berater behauptete, die USAUSA spielten im Weltraum nicht Basketball, und ein anderer sprach von einer »albernen Christbaumkugel«. Aber psychologisch war die Wirkung enorm, und die Schlagzeilen der amerikanischen Presse ließen daran keinen Zweifel. »Eine schwere Niederlage«, erklärte die New York Herald Tribune, und der Reporter sprach sogar von einem »nationalen Notfall«. Die kleine Kugel hatte dem Gefühl der Unverwundbarkeit, in dem die Vereinigten StaatenUSA gelebt hatten, einen heftigen Schlag versetzt.
Die auf Hochglanz polierte Aluminiumhülle von Sputnik 1 glänzte so hell, dass die Amerikaner sie drei Monate lang sehen konnten, wenn sie tagtäglich alle neunzig Minuten über ihnen vorbeiflog. Erst im Januar 1958 sank sie zurück in die Erdatmosphäre, wo sie verglühte. Jedes Mal, wenn sie über den Himmel zog, erinnerte sie die Amerikaner daran, dass die SowjetsSowjetunion die amerikanische Technologie überholt hatten. Sputnik 1 war ein Gamechanger. Die Sorgen der Amerikaner bezogen sich allerdings weniger auf den Satelliten selbst als auf die große Rakete, die ihn ins All gebracht hatte. Vor dem Sputnik-Piepen hatten die Amerikaner gedacht, die sowjetischen Flugzeuge mit den Atombomben könne man immer noch abfangen. Jetzt ahnten sie, dass die Sowjets interkontinentale Raketen besaßen, die auch AmerikaUSA treffen konnten.
Darüber, was der Sputnik für die US-Regierung und das amerikanische Volk bedeutete, schrieb der Historiker Walter McDougallMcDougall, Walter später: »Die Kommunisten hatten einen technologischen Vorsprung? An einer neuen Front von unendlichem Ausmaß? Sie hatten gewissermaßen die Zukunft erobert? … Was hieß das für uns? Dass die Zukunft dem Kommunismus gehörte?« Die Amerikaner suchten die Roten jetzt nicht mehr nur unter den Betten. Die bösen Kommunisten kreisten über ihnen am Himmel.
Ein paar Tage nach dem Sputnik-Schock kursierte im Weißen Haus ein geheimes Memorandum mit der Überschrift »Reaktionen auf den sowjetischen Satelliten«, das einen Einblick in das Denken der EisenhowerEisenhower, Dwight D.-Regierung gibt. Darin hieß es: »Die öffentliche Meinung in freundlich gesinnten Ländern zeigt eine deutliche Besorgnis, dass sich das militärische Gleichgewicht verschoben haben könnte.« Es endete mit der Feststellung: »Die allgemeine Glaubwürdigkeit der SowjetunionSowjetunion hat sich deutlich gesteigert.« Ein paar Wochen später starteten die Russen den zweiten Sputnik. Mit an Bord war die Hündin Laika. Sie war das erste Tier, das den Weltraum erreichte – aber leider auch das erste, das nicht zurückkam.
EisenhowerEisenhower, Dwight D. gab jetzt die Anweisung, so schnell wie möglich einen amerikanischen Satelliten ins All zu schießen. Zwei Monate nach dem Sputnik-Schock startete am 6. Dezember 1957 eine Rakete mit dem Vanguard TV3-Satelliten in Cape CanaveralCape Canaveral. Sie erreichte eine Gipfelhöhe von etwas mehr als einem Meter, ehe sie explodierte. Im Gegensatz zu den Russen hatten die Amerikaner das Fernsehen eingeladen, und die Sender übertrugen die Bilder innerhalb weniger Stunden von Küste zu Küste. Die Medien hatten einen Mordsspaß mit Schlagzeilen wie »Kaputnik!« und »Flopnik!« Und die SowjetunionSowjetunion bot den USAUSA ein »Programm zur technischen Hilfeleistung für unterentwickelte Länder« an.
EisenhowerEisenhower, Dwight D. konnte darüber nicht lachen. Das amerikanische Budget für die Raumfahrt wurde von etwa 0,5 auf 10,5 Milliarden Dollar pro Jahr erhöht. Im Januar 1958 stieg Wernher von Braunsvon Braun, Wernher Juno-Rakete (eine modifizierte Jupiter C) mit dem Explorer 1 auf und brachte ihn sicher auf seine Umlaufbahn. Er entdeckte den Van-Allen-StrahlungsgürtelVan-Allen-Strahlungsgürtel der Erde, aber die Russen waren schon zweimal die Ersten gewesen, und beide Seiten warteten auf den nächsten Erfolg.
In den folgenden Jahren gab es sowohl für die Russen als auch für die Amerikaner Erfolge, aber keiner erreichte die Popularität von Sputnik 1. Im Dezember 1958 wurde Präsident EisenhowersEisenhower, Dwight D. Weihnachtsansprache von einem Satelliten aus auf der Welt verbreitet und war somit die erste menschliche Stimme im Weltraum. Ein paar Wochen später verfehlte die sowjetische Sonde Luna 1 den MondMond, segelte daran vorbei und umkreiste fortan die Sonne. Auch damit waren die Russen die Ersten, aber diesmal ganz unabsichtlich.
Dann erzielten die Sowjets erneut einen Treffer, diesmal buchstäblich. Ihre Mondsonde Luna 2 erreichte am 14. September 1959 die Mondoberfläche. Es war allerdings eine »harte Landung«, was in der Sprache der Raumfahrt bedeutet: ein Crash. Trotzdem erfüllte sie ihren Zweck: Sie war das erste menschengemachte Objekt auf dem MondMond und verstreute beim Aufprall silberne Plättchen mit sowjetischen Hoheitszeichen. Als kleine Aufmerksamkeit schickte ChruschtschowChruschtschow, Nikita auch Präsident EisenhowerEisenhower, Dwight D. ein Exemplar.
Die von KoroljowKoroljow, Sergei konstruierte Luna 3 gelangte hinter den MondMond. Die Sonde wurde im Oktober 1959 gestartet und schickte spektakuläre Bilder von der erdabgewandten Seite unseres Trabanten, die – wie eigentlich meistens – im schönsten Sonnenlicht dalag. Was aber Pink Floyd nicht daran hinderte, noch über ein Jahrzehnt später von der »Dark Side of the Moon« zu singen.
Am 1. April 1960 starteten die Amerikaner den ersten Tele-
visions- und Infrarot-Observations-Satelliten (TIROS) zur Wetterbeobachtung. Schon bald entdeckte er einen schweren Sturm vor MadagaskarMadagaskar und bewies damit die Nützlichkeit von Satelliten bei der systematischen Erforschung von Klima und Wetter. Er wurde zum Vorbild für die gesamte heutige Wetterbeobachtung per Satellit. Er konnte zwar nur ziemlich große Objekte erkennen, aber schon das machte MoskauMoskau nervös.
Im gleichen Jahr wurden von Sputnik 5 zwei Hunde ins All geschossen und diesmal auch glücklich zurückgebracht: Belka und Strelka. Nach einer Karriere als Medienstar zog sich Strelka aus dem öffentlichen Leben zurück und wurde Mutter. Einer der sechs Welpen hieß Pushinka (»Flauschig«). ChruschtschowChruschtschow, Nikita erinnerte sich, dass sich Jacqueline KennedyKennedy, Jacqueline nach Strelka erkundigt hatte, und schickte Pushinka ins Weiße Haus, komplett mit sowjetischem Reisepass. Präsident KennedyKennedy, John F. bedankte sich höflich: »Mrs Kennedy und ich haben uns sehr darüber gefreut, dass wir ›Pushinka‹ erhalten haben. Ihr Flug aus der SowjetunionSowjetunion in die Vereinigten StaatenUSA war nicht so dramatisch wie der ihrer Mutter, aber doch eine lange Reise, und sie hat sie gut überstanden. Wir sind Ihnen beide sehr dankbar, dass Sie sich trotz Ihres arbeitsreichen Lebens an unsere Anteilnahme erinnert haben.« Pushinka und einer der Kennedy-Hunde entwickelten eine starke Zuneigung, die zur Geburt von vier Welpen führte, die JFKKennedy, John F. als »Pupniks« bezeichnete. Angesichts der politischen Spannungen in diesen Jahren konnte man sich über solche Augenblicke privater Herzlichkeit nur freuen.
Trotzdem musste das Rennen ins Weltall gewonnen werden. Die Amerikaner beschlossen, Belka und Strelka mit einem Hominiden zu übertreffen, einem Schimpansen namens Ham. Er wurde am 31. Januar 1961 ins Weltall geschossen, es erinnert sich allerdings niemand an ihn. Denn der zweite Hominide, der ins All flog, war der erste Mensch. Unglücklicherweise hatten die Amerikaner ihr Projekt »Man in Space Soonest« genannt, oder MISS. Und so kam es denn auch: Der Versuch, als Erste einen Menschen ins All zu befördern, missglückte den Amerikanern.
Am 12. April 1961 fuhr Oberleutnant Juri Alexejewitsch GagarinGagarin, Juri zur Wostok 1. Als er ausstieg, spürte er plötzlich ein dringendes Bedürfnis und pinkelte ans Hinterrad des Transportbusses, der ihn zur Abschussrampe gebracht hatte. Bis heute wiederholen die russischen Kosmonauten die Geste. (Weibliche Kosmonauten verspritzen etwas Flüssigkeit aus einer Flasche.) GagarinGagarin, Juri kletterte in die Raumkapsel und wartete. Es gab keinen Countdown – KoroljowKoroljow, Sergei hielt sie für eine amerikanische Mode. Um 9 Uhr 7 Moskauer Zeit wurde einfach auf einen Knopf gedrückt. GagarinGagarin, Juri rief »Poyekhali!« (Los geht’s!), und es ging los. Er entschlüpfte den Fesseln der Erde und glitt in die »hohe, unberührte Heiligkeit des Weltraums«, wie es der kanadische Pilot und Jagdflieger John Gillespie MageeMagee, John Gillespie genannt hätte. Und damit schrieb Gagarin seinen Namen ins Buch der Menschheitsgeschichte.
Der Flug dauerte 108 Minuten, denn GagarinGagarin, Juri vollendete nur wenig mehr als eine Umkreisung der Erde. Nach dem Wiedereintritt in die Atmosphäre katapultierte er sich in einer Höhe von etwa sieben Kilometern über der Erdoberfläche aus der Kapsel und landete auf einem Feld in der Nähe der Wolga. Ein paar Minuten später sahen eine Frau namens Anna TachtarowaTachtarowa, Anna und ihre fünfjährige Enkelin, die gerade Kartoffeln pflanzten, einen Mann in einem orangefarbenen Raumanzug und einem weißen Helm auf sich zukommen. »Als sie mich in meinem Raumanzug sahen, wie ich den Fallschirm neben mir herschleifte, wichen sie ängstlich vor mir zurück. ›Habt keine Angst‹, sagte ich, ›ich bin Sowjetbürger wie ihr. Ich bin aus dem Weltraum gekommen und muss jetzt ein Telefon finden und MoskauMoskau anrufen.‹«
GagarinGagarin, Juri wurde eine globale Berühmtheit, ein »Held der SowjetunionSowjetunion« und ein Hauptgewinn für die Russen im Kalten Krieg. Er war gerade erst siebenundzwanzig, hatte Charme und ein fröhliches Lächeln. Und was noch besser war: Er stammte aus einer Bauernfamilie in einer kleinen Kolchose. Er war aufgestiegen zum Jagdflieger und Kosmonauten, zum ersten Menschen im Weltraum. Konnte es einen besseren Beweis für die Überlegenheit des Sowjetsystems gegenüber dem kapitalistischen Westen geben?
GagarinGagarin, Juri war aus zweihundert Piloten im sowjetischenSowjetunion Raumfahrtprogramm ausgewählt worden. Vor dem Start waren es dann nur noch zwei Kandidaten. Sein unmittelbarer Konkurrent war German TitowTitow, German, der in jeder Hinsicht genauso fähig war wie –GagarinGagarin, Juri, aber aus einer relativ wohlhabenden, gebildeten Mittelklassefamilie stammte. ChruschtschowChruschtschow, Nikita war sich bewusst, dass der Propagandawert einer Karriere vom Kolchosbauernsohn zum Kosmonauten größer war, und deshalb flog GagarinGagarin, Juri mit der Wostok in den Weltraum. Als sie zur Siegesparade auf dem Roten Platz kamen, sagte man seinen Eltern, sie sollten sich einfach kleiden.
Die Amerikaner erreichte die Meldung in den frühen Morgenstunden, und die Redaktionen riefen sofort bei der NASANASA an und baten um eine Stellungnahme. Der diensthabende Beamte, John »Shorty« PowersPowers, John, war total überrascht und knurrte: »Was soll das? Wir schlafen hier alle!« Was zu der ikonischen Schlagzeile führte: »Sowjets schicken Mann in den Weltraum. Sprecher der NASA: Wir schlafen hier alle!«
Gagarins Flug war ein mächtiger Weckruf. Ein paar Monate zuvor hatte Präsident KennedyKennedy, John F. in seiner Antrittsrede gesagt: »Wir werden jeden Preis bezahlen, jede Last auf uns nehmen, jede Härte ertragen, jeden Freund unterstützen und jedem Feind Widerstand leisten, um das Überleben und den Erfolg der Freiheit zu sichern.« Vor Gagarins Flug war eine massive Finanzierung der NASAXE ሴrStyleᥱ02typoversalᥱሴ"NASA noch kein Teil dieses Preises gewesen. Das änderte sich jetzt total.
Am 5. Mai 1961, nur drei Wochen nachdem GagarinGagarin, Juri wieder gelandet war, wurde Alan ShepardShepard, Alan der erste Amerikaner und der zweite Mensch, der in den Weltraum reiste. KennedyKennedy, John F. stellte immer höhere Forderungen an die Nation. Er und Vizepräsident JohnsonJohnson, Lyndon B. waren zu dem Ergebnis gekommen, dass es nicht spektakulär genug wäre, wenn die NASANASA eine Sonde in die MondMondumlaufbahn schickte oder eine Raumstation baute, um die amerikanische Leistungsfähigkeit und Vorherrschaft zu beweisen. Dazu musste eine Mondlandung her, und zwar mit richtigen Astronauten. Noch im selben Monat erklärte er vor dem Kongress: »Wenn wir nur den halben Weg gehen oder unsere Ziele aufgrund der Schwierigkeiten niedriger ansetzen, wäre es meiner Ansicht nach besser, gar nicht erst anzufangen.«
Auch die Verbindung zum Kalten Krieg machte er glasklar. »Wenn wir die Schlacht gewinnen wollen, die derzeit auf der ganzen Welt zwischen Freiheit und Tyrannei tobt, dann müssen wir uns im Klaren darüber sein, dass solche Erfolge, wie wir sie in den letzten Wochen und 1957 beim Sputnik gesehen haben, eine große Wirkung auf die Menschen überall auf der Welt haben. Ich glaube, dass unsere Nation sich vornehmen sollte, noch innerhalb dieses Jahrzehnts einen Menschen auf dem MondMond landen zu lassen und sicher auf die Erde zurückzuholen. Wenn wir uns dazu verpflichten, wird dabei nicht nur ein Einzelner, sondern die ganze Nation auf dem Mond landen.«
Die Stimmung jener Jahre war auch in der Rede zu spüren, die KennedyKennedy, John F. im September 1962 in HoustonHouston hielt: »Wir haben uns entschlossen, noch in diesem Jahrzehnt zum MondMond zu fliegen – nicht, weil es leicht ist, sondern weil es schwer ist.« Von Braunvon Braun, Wernher machte sich an die Arbeit.
KoroljowKoroljow, Sergei war der Öffentlichkeit trotz seiner vielen Erfolge als Chefkonstrukteur des sowjetischen Raketenprogramms immer noch unbekannt. Dass er der eigentliche Kopf hinter den Erfolgen im Weltall war, wurde vielen erst klar, als er 1966 starb. Bei einer Routineoperation musste er intubiert werden, aber die Ärzte konnten den Schlauch nicht einführen, weil seine Luftröhre im Gulag verletzt worden war. Er erhielt ein Staatsbegräbnis, und seine Asche wurde an der Kremlmauer beigesetzt. Die Trauerrede hielt Juri GagarinGagarin, Juri.
Zwei Jahre später war GagarinGagarin, Juri dann auch nicht mehr da. »Ich hätte für immer durchs All fliegen können«, hatte er über seine Erdumkreisung gesagt. Aber was ihn mit 34 Jahren tötete, war ein Übungsflug mit einem MiG-15-Kampfflugzeug. Zehntausende versammelten sich auf dem Roten Platz, als die Urne mit seiner Asche an der Kremlmauer neben der von KoroljowKoroljow, Sergei beigesetzt wurde.
Zwischen KennedysKennedy, John F. Rede und Koroljows Tod hatten die Sowjets ihre Serie von Erfolgen fortsetzen können, und alle trugen den Stempel ihres Raketengenies. Der erste Raumflug mit zwei Piloten, 1962. Die erste Frau im Weltraum, Walentina TereschkowaTereschkowa, Walentina, 1963. Erster Weltraumspaziergang, Alexei LeonowLeonow, Alexei, 1965. Dieser »Spaziergang« war allerdings ziemlich dramatisch – als Leonow, nur durch eine Leine gesichert, die Kapsel verlassen hatte, blähte sein Raumanzug sich mächtig auf, sodass er nicht wieder zurückkonnte. Es gab ein paar äußerst heikle Minuten, bis er genug Sauerstoff ablassen konnte, um sich durch die nur einen Meter breite Luftschleuse zurück in die Kapsel zu zwängen. 1966 gelang der Sonde Luna 9 die erste weiche Landung auf dem Mond. Sie schickte die Nahaufnahmen von seiner Oberfläche zur Erde.
Hinsichtlich eines Wettrennens zum MondMond war ChruschtschowChruschtschow, Nikita nicht bereit gewesen, sich festzulegen. Öffentlich hatte er nach KennedysKennedy, John F. Rede von 1961 weder bestätigt noch dementiert, dass sich die SowjetunionSowjetunion daran beteiligen werde. Intern hatte er jedoch den Befehl gegeben, früher dort zu sein als die Amerikaner. Da KennedyKennedy, John F. dieses Ziel »vor dem Ende des Jahrzehnts« erreicht haben wollte, hatten die Russen das Jahr 1968 ins Auge gefasst. Aber ohne ihren Chefkonstrukteur Sergei KoroljowKoroljow, Sergei war das nicht zu schaffen. Nach seinem Tod kam es zu einer Serie von technischen Fehlschlägen, darunter zum tragischen Tod von Wladimir KomarowKomarow, Wladimir, dem Piloten der Sojus 1.
Eigentlich sollte es das erste Kopplungsmanöver im Raum werden, aber nach einer Reihe von Fehlfunktionen bei der Sojus 1 wurde die Mission abgebrochen. Bei der Rückkehr versagte der erste Fallschirm, der zweite entfaltete sich nur unvollständig, die Kapsel stürzte fast ungebremst auf den Boden und explodierte beim Aufschlag. Es dauerte achtzehn Monate, bis die Ingenieure die Probleme erkannt und behoben hatten und die bemannten Flüge fortgesetzt wurden. Auch die NASANASA hatte ihre Tragödien, besonders, als Virgil »Gus« GrissomGrissom, Virgil, Ed WhiteWhite, Ed und Roger ChaffeeChaffee, Roger im Januar 1967 bei einem Test in Cape CanaveralCape Canaveral im Inneren ihrer Apollo-1-Kapsel verbrannten. Es dauerte fast zwei Jahre, bis alle Mängel beseitigt waren, die zu dem Unglück geführt hatten.
Der unausgesprochene Wettlauf zum MondMond ging weiter. Die Russen wussten von den Schwierigkeiten der NASANASA mit der für den Flug konstruierten Saturn-V-Rakete und dem Mondlandefahrzeug. Sie zogen daraus den Schluss, dass die Amerikaner ihr selbstgestecktes Ziel nicht erreichen, sondern frühestens 1970 den ersten Versuch starten würden. Auch bei der NASA hielten viele das für wahrscheinlich. Die Amerikaner hingegen wussten nicht, welche Probleme die Russen nach dem Tod von KoroljowKoroljow, Sergei hatten. Sie fürchteten, dass sie das für eine Mondlandung günstige Zeitfenster im Dezember 1968 nutzen würden. Danach würde der Mond erst im späteren Verlauf des Jahres 1969 wieder in einer erfolgversprechenden Position sein.
Aber das Zeitfenster im Dezember öffnete und schloss sich, ohne dass auf sowjetischer Seite etwas geschah. Stattdessen hatten drei Amerikaner Gelegenheit, als Erste den MondMond zu umkreisen. Apollo 8 mit Frank BormanBorman, Frank, Jim LovellLovell, Jim und Bill AndersAnders, Bill an Bord umrundeten den Erdtrabanten zehn Mal. Anders machte das berühmte »Earthrise«-Foto und erklärte später, sie seien zum Mond geflogen und hätten dabei die Erde entdeckt. Das Bild unseres Planeten, der nur von seiner dünnen Atmosphäre geschützt und von unsichtbaren Kräften getragen im All hängt, berührte alle, die es gesehen haben, und gab der im Entstehen begriffenen Umweltbewegung erheblichen Auftrieb.
Ehe sie an Heiligabend zur Erde zurückkehrten, nahmen die drei Astronauten an einer Liveübertragung im Fernsehen teil und lasen den Zuschauern abwechselnd aus der Genesis vor:
Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis.
Es heißt, dass eine Milliarde Menschen die Sendung sahen – damals jeder vierte Mensch auf der Erde. Das erscheint wirklich viel, aber es war auch ein großes Ereignis: Menschen hatten den MondMond umrundet und kehrten jetzt wieder zurück. Als Nächstes konnte das Hauptziel anvisiert werden: die Landung. Die Uhr tickte.
»T minus ten, nine, eight, seven …« Es war der 16. Juli 1969. Der Countdown für Apollo 11 lief. KoroljowKoroljow, Sergei hatte recht gehabt. Es war eine amerikanische Mode, genauer gesagt, eine deutsch-amerikanische Mode. In seinem Stummfilm Frau im Mond von 1929 hatte Fritz LangLang, Fritz einen Raketenstart inszeniert, und um die Spannung zu steigern, liefen dazu die Untertitel: »Noch zehn Sekunden! Noch neun Sekunden …« und so weiter, bis zum erlösenden »Jetzt!«. Und nun raten Sie mal, wer den Film gesehen hatte? Kein anderer als Wernher von Braunvon Braun, Wernher, dem die Idee sehr gefiel. Sie passte natürlich auch gut zum amerikanischen Fernsehen.
Der Start einer bemannten Rakete ist ein dramatischer Vorgang. Ein Blick in Mike MassiminosMassimino, Mike Erinnerungen hilft uns, besser zu verstehen, was Astronauten wie Neil ArmstrongArmstrong, Neil, Edwin »Buzz« AldrinAldrin, Edwin und Michael CollinsCollins, Michael auf der Abschussrampe im Kennedy Space CenterKennedy Space Center durchgemacht haben.
Sechs Sekunden davor spürst du das Rumpeln, wenn die Triebwerke anspringen. Das ganze Aggregat taumelt für einen Moment. Dann, bei null, kehrt es zurück in die Senkrechte. Die Feststoff-Booster werden gezündet und du fliegst los. Es steht außer Frage, dass du dich bewegst. Niemand fragt: Sind wir schon unterwegs? Nein. Es macht bang! und dann bist du weg … Ich hatte das Gefühl, ein riesiges Science-Fiction-Monster packt mich und schleudert mich hoch … Das Ganze ist kontrollierte Wut, die größte Demonstration von Gewalt und Geschwindigkeit, die Menschen jemals erzeugt haben.
Saturn V war die stärkste Trägerrakete, die je gebaut worden war. Sie war 111 Meter hoch und hatte drei Stufen. Die erste verbrannte 18 Tonnen Treibstoff in der Sekunde, und noch ehe sie den Versorgungsturm hinter sich ließ, hatte sie der Rakete schon eine Geschwindigkeit von über 100 Stundenkilometern gegeben. Nach weniger als drei Minuten, in einer Höhe von 68 Kilometern, hatte sie ihren Treibstoff verbraucht und fiel ab. Die zweite Stufe wurde gezündet. Nach sechs weiteren Minuten hatte sie eine Höhe von 175 Kilometern erreicht und die Saturn noch weiter beschleunigt. Als die zweite Stufe sich löste und die dritte einsetzte, befanden ArmstrongArmstrong, Neil, CollinsCollins, Michael und AldrinAldrin, Edwin sich mit 28 000 Stundenkilometern auf ihrer Erdumlaufbahn. Nach zweieinhalb Umrundungen wurde die mittlerweile etwas abgekühlte dritte Stufe erneut gezündet, um die Rakete aus der Erdumlaufbahn in Richtung MondMond zu beschleunigen.
Der restliche Teil der Reise dauerte etwas mehr als drei Tage. Dass sie auf dem richtigen Weg waren, überprüften die Astronauten mit zwei Geräten, die schon GalileoGalilei, Galileo und Generationen von Seeleuten früherer Zeiten bekannt waren: einem Teleskop und einem Sextanten. Der Computer an Bord der Kommandokapsel war schwächer als ein heutiger Taschenrechner. Der Abstieg mit der Mondfähre »Eagle«, in der ArmstrongArmstrong, Neil und AldrinAldrin, Edwin saßen, war eine knappe Sache: Als der »Adler« auf der mit Felsen bedeckten Oberfläche des Mondes landete, hatte er gerade noch genug Treibstoff für 15 Sekunden. Vier Stunden später machte ArmstrongArmstrong, Neil seinen kleinen Schritt in das Mare Tranquillitatis (»Meer der Ruhe«) und einen Riesensprung in die Geschichte.
Der 21. Juli 1969 ist ein Datum, das die Geschichtsbücher noch lange als einen der unglaublichsten Augenblicke in der Geschichte der Menschheit vermerken werden, wenn viele Schlachten, Revolutionen, Börsenkatastrophen und Pandemien längst vergessen sind. ArmstrongArmstrong, Neil ist eine kolossale Gestalt in der Geschichte, aber er wusste, dass er auf den Schultern von anderen Riesen wie GagarinGagarin, Juri, ZiolkowskiZiolkowski, Konstantin, GoddardGoddard, Robert, OberthOberth, Hermann, KoroljowKoroljow, Sergei, von Braunvon Braun, Wernher und einer langen Reihe von Wissenschaftlern und Astronomen in der Vergangenheit stand. Er war sich auch der Bedeutung des Augenblicks für den Kalten Krieg sehr bewusst. Später sagte er: »Ich wusste, dass dies der Höhepunkt der Zusammenarbeit von dreihundert- oder vierhunderttausend Menschen über viele Jahre war und dass die Hoffnungen und das Ansehen der ganzen Nation darauf ruhten, wie das Ergebnis sein würde.« Zu den Menschen, die dazu beigetragen hatten, gehörten auch unbekannte Heldinnen wie die brillante Mathematikerin Katherine JohnsonJohnson, Katherine, die errechnet hatte, auf welcher Bahn Apollo 11 zum MondMond fliegen konnte, und Margaret HamiltonHamilton, Margaret, die den Ausdruck »Software Engineering« (Softwareentwicklung) geprägt und die Programme zur Steuerung der Mondlandefähre geschrieben hat.
ArmstrongArmstrong, Neil wusste aber auch, dass er noch in einem anderen Sinn nicht allein war. Die Russen waren ganz in der Nähe. In einem letzten Versuch, zumindest einen Roboter zum MondMond und wieder zurückzubringen, hatten sie ein paar Tage vor dem Abflug von Apollo 11 eine unbemannte Mission gestartet.
Sie wussten seit Monaten, dass der Traum, als Erste einen Menschen zum MondMond zu bringen, für sie ausgeträumt war. Er war buchstäblich in Flammen aufgegangen. Sie lagen ohnehin schon weit hinter den Amerikanern, ehe zwei schwere Unfälle ihrer N1-Rakete, dem Gegenstück zur Saturn, alle Hoffnungen zunichtemachten. Der erste ereignete sich im Februar 1969, als die Rakete mit einem unbemannten Landemodul im Kosmodrom von Baikonur in KasachstanKasachstan zu einem Test startete. Sie stieg zwei Minuten lang bis in eine Höhe von etwa 14 Kilometern auf, ehe verschiedene Fehlfunktionen zum Abschalten der Triebwerke führten und die Rakete wieder zur Erde fiel, wo sie explodierte. Das Landemodul wurde automatisch abgesprengt und ging in der Nähe am Fallschirm zu Boden.
Am 3. Juli 1969, zwei Wochen bevor Apollo 11 in Cape –CanaveralCape Canaveral, das von 1963 bis 1973 zum Gedenken an den ermordeten Präsidenten Cape KennedyCape Kennedy genannt wurde, starten sollte, versuchten es die Russen erneut. Ingenieure und Beamte der mittleren Ebene hatten ihre Vorgesetzten gewarnt, dass es Probleme geben könnte, aber man hatte sie aufgefordert, darüber zu schweigen. Das Politbüro in MoskauMoskau erfuhr nur das, was es hören wollte. Diesmal stieg die Rakete etwas mehr als 100 Meter auf, ehe fast alle Triebwerke sich abschalteten. Die Rakete erstarrte in der Luft, kippte zur Seite und fiel auf die Rampe zurück, die sie weitestgehend zerstörte, als sie explodierte. Noch in 30 Kilometern Entfernung zersprangen die Fenster in den Häusern der Ingenieure.
Selbst wenn die Mission von Apollo 11 nicht geglückt wäre, hätten die RussenRussland jetzt weit zurückgelegen. Die Startrampe für die N1 im damals noch abgelegenen, schwer erreichbaren Baikonur wieder aufzubauen, dauerte über ein Jahr. Aber sie hatten immerhin noch die sehr viel zuverlässigere Proton-K-Rakete und das Luna-Modul, das auf dem MondMond landen und wieder starten konnte. Wenn sie es mit einem Telekommunikationssystem, einem Bohrgerät und einer Kamera ausstatteten, konnten sie damit zum Mond fliegen, landen und Bilder senden, Bodenproben entnehmen und noch vor den amerikanischenUSA Astronauten wieder zurück auf der Erde sein. Das war natürlich längst nicht so spektakulär wie ein Spaziergang und ein menschlicher Fußabdruck auf dem Mond, aber es konnte den Eindruck der amerikanischen Leistung zumindest ein bisschen abmildern.
Also startete Luna 15 drei Tage vor Apollo 11. Die Amerikaner wussten nicht, was mit der Sonde geplant war, aber aus russischer Sicht war es ein Wettrennen. Allerdings gab es schon auf dem Hinflug Probleme und auf der Mondumlaufbahn verlor Luna 15 noch mehr Zeit. Den Beobachtern in Baikonur wurde klar, dass die Sonde in rauem Gelände auftreffen und dabei zerstört werden könnte. Das Landemanöver wurde daraufhin zweimal verschoben, und in diese Lücke flogen die AmerikanerUSA mit ihrer Apollo 11.
Als die sowjetischenSowjetunion Wissenschaftler schließlich zu dem Ergebnis gekommen waren, dass die Landung von Luna 15 jetzt möglich war, hatten ArmstrongArmstrong, Neil und AldrinAldrin, Edwin bereits ihren Mondspaziergang gemacht, 22 Kilogramm Bodenproben und Steine gesammelt, die Stars and Stripes aufgepflanzt, vor einer Milliarde Fernsehzuschauern mit Präsident NixonNixon, Richard gesprochen und sich zurück in ihr Raumschiff begeben. Erst zwei Stunden, bevor der »Eagle« zum Rückflug startete, setzte Luna 15 bei der zweiundfünfzigsten Umkreisung zur Landung auf der Oberfläche des Mondes an.
Während des Dramas verfolgten britische Wissenschaftler mit dem Radioteleskop des Jodrell-Bank-Observatoriums südlich von Manchester die Funksignale der beiden Mondmissionen. Gerüchte aus MoskauMoskau besagten da bereits, dass Luna 15 vielleicht eine Landung versuchen könnte, und auf einer Aufzeichnung aus dem Observatorium hört man den unterkühlten Kommentar der britischen Wissenschaftler: »Sie landet! … Ich muss schon sagen, das war jetzt wirklich ein richtiges Drama.«
Die Landung war allerdings mehr ein Absturz. Den Daten zufolge wurden die letzten Funksignale gesendet, als Luna 15 noch etwa drei Kilometer über der Oberfläche war. Sie traf in einem schrägen Winkel auf und krachte wahrscheinlich mit 480 Stundenkilometern in einen felsigen Abhang im Mare Crisium. Kurz darauf hoben ArmstrongArmstrong, Neil und AldrinAldrin, Edwin ab. Sie hinterließen eine Gedenkmedaille mit dem Namen Gagarins und der Kosmonauten und Astronauten, die beim Wettlauf ins All schon gestorben waren.
Seit der Rede, in der KennedyKennedy, John F. den Termin für die Landung gesetzt hatte, waren 2982 Tage vergangen. Sie hatten es 161 Tage früher geschafft, als er gefordert hatte.
Das Rennen war vorbei. Die Amerikaner hatten gewonnen, aber die Russen taten so, als hätte es gar kein Rennen gegeben. Die UdSSRSowjetunion, das Vaterland der Werktätigen, würde das Volkseigentum nie für so ein albernes, teures Spektakel verschwenden, ließ der Kreml verbreiten. Die marxistisch-leninistischen Verbündeten in AngolaAngola, in der Republik KubaKuba oder in der Demokratischen Republik VietnamVietnam ließ Radio Moskau wissen, dass Apollo 11 ein Beispiel für »die fanatische Vergeudung des Reichtums war, der den unterdrückten Völkern in den Entwicklungsländern geraubt wird«.
Trotz gegenteiliger Beweise wurde diese Behauptung auch in einigen vertrauensseligen Kreisen des Westens geglaubt und hielt sich, bis 1989 die Politik des Glasnost einsetzte. Erst dann wurde eine Delegation von amerikanischen Luft- und Raumfahrtexperten in das Staatliche Moskauer Luftfahrtinstitut eingeladen, wo man ihnen unter anderem das Fahrzeug zeigte, mit dem die Russen auf dem MondMond hatten landen wollen. Die New York Times –titelte: »Jetzt geben die Sowjets zu, dass es ein Rennen zum Mond gab.« 1964 hatte sie noch geschrieben: »Es ist immer noch Zeit, ein Rennen zu beenden, an dem ohnehin bloß eine Nation teilnimmt.«
Nach 1969 kamen die SowjetsSowjetunion nach und nach zu der Einsicht, dass es keinen Sinn hatte, Unsummen dafür auszugeben, den zweiten Platz zu belegen. Eine Mondlandung in den Siebzigerjahren hätte nur offensichtlich gemacht, dass sie es schon vorher versucht hatten, aber technologisch im Rückstand gewesen waren. Das Kosmonauten-Training wurde daraufhin eingestellt, nur die Raketentechniker arbeiteten weiter. Der Journalist und Schriftsteller Jaroslaw GolowanowGolowanow, Jaroslaw schrieb später: »Damit uns niemand überholte, mussten wir alles geheim halten. Und später, als sie uns überholt hatten, mussten wir an der Geheimhaltung festhalten, damit niemand erfuhr, dass wir überholt worden waren.«
Die AmerikanerUSA machten weiter und führten sechs erfolgreiche MondMondlandungen durch, bei denen insgesamt zwölf Astronauten die Mondoberfläche betraten. Der letzte Start fand am 14. Dezember 1972 statt – seither war kein anderer mehr da oben. Das Raumfahrtprogramm hatte 30 Milliarden Dollar gekostet, der Vietnamkrieg tobte, in den Straßen der Großstädte gab es Proteste und Aufstände, und das Interesse an den Mondlandungen hatte sich weitestgehend verflüchtigt.
Sowohl NixonNixon, Richard als auch BreschnewBreschnew, Leonid, die Führer der USAUSA und der SowjetunionSowjetunion, strichen die Mittel für die Raumfahrt zusammen, und während eines kurzen Tauwetters im Kalten Krieg vereinbarten die beiden Staaten sogar ein gemeinsames Unternehmen, bei dem eine Sojus- an eine Apollokapsel andocken sollte. Am 17. Juli 1975 wurden die Raumkapseln auf einer Umlaufbahn um die Erde zusammengekoppelt, die Russen besuchten die Astronauten in der Apollokapsel und umgekehrt. Sie tauschten Geschenke und blieben 44 Stunden zusammen. Dabei benutzten sie eine Luftschleuse, ganz ähnlich der, die Konstantin ZiolkowskiZiolkowski, Konstantin zu Beginn des Jahrhunderts ersonnen hatte. Danach konzentrierten sich beide Länder auf erdnahe Raumstationen und Spaceshuttles.
Und der MondMond? Der ist natürlich noch da. Auch die drei Mondfahrzeuge der Amerikaner sind noch da oben, genauso wie das Werkzeug und die Fernsehausrüstung, die zurückgelassen wurden, um Platz für die Bodenproben und Steine zu machen, die von den Astronauten nach Hause gebracht wurden. Eines Tages finden sie vielleicht einen Platz in einem Museum, wie etliche andere Sachen, die noch da oben herumliegen: unter anderem ein paar amerikanische Fahnen und eine Plakette der Apollo-11-Mission, auf der steht: »Hier haben Menschen vom Planeten Erde zuerst den Fuß auf den Mond gesetzt. Juli, 1969 A.D. Wir kamen in Frieden für die gesamte Menschheit.«
Auch ein Hammer und eine Feder sind da. David ScottScott, David von der Apollo-15-Mission hat sie mitgebracht, um an GalileosGalilei, Galileo Experimente zur Erforschung der Schwerkraft zu erinnern. Scott zufolge waren Galileos Erkenntnisse entscheidend für die Mondlandung. Tausende Fernsehzuschauer konnten sehen, wie Hammer und Feder mit gleicher Geschwindigkeit auf den Mondboden fielen. Die Feder stammte von dem Falken Baggin, dem Maskottchen der Air Force Academy.
Schließlich gibt es auch noch zwei Golfbälle. Alan ShepardShepard, Alan schmuggelte den Kopf eines Golfschlägers auf die Apollo-14-Mission, schraubte ihn an eins der Arbeitsgeräte und spielte sich damit in die Geschichte. All das ist ja noch ziemlich romantisch, aber von den ungefähr hundert Beuteln mit flüssigen und festen Exkrementen, die zurückblieben, kann man das weniger sagen. In unserem künftigen Mondmuseum wird sich vielleicht ein Plätzchen für ein oder zwei davon finden, aber bestimmt nicht für alle.
*
Was also hat die Landung auf dem MondMond gebracht? Da ist zunächst der geopolitische Blickwinkel – der Wettlauf zum Mond war eine wichtige Schlacht in den Jahrzehnten des Kalten Krieges. Das politische System, das genügend technisches Können und genügend finanzielle Mittel aufbrachte, um die Schlacht zu gewinnen, versetzte dem anderen damit einen empfindlichen psychologischen Schlag. Es heißt, der Kalte Krieg sei gewonnen worden, »ohne dass ein einziger Schuss abgefeuert wurde«. Angesichts der vielen Stellvertreterkriege, die er ausgelöst hat, war das immer schon eine Lüge, aber den »Schuss zum Mond« darf man auch nicht vergessen.
Außerdem gibt es natürlich die wissenschaftlichen Erkenntnisse und technologischen Fortschritte, die beide Seiten erzielten. Die Computerwissenschaft, die Telekommunikation, die Mikrotechnologie und auch die Solartechnik erhielten großen Auftrieb durch die Erfordernisse des Mondflugs. Moderne tragbare Wasseraufbereitungssysteme sind Nebenprodukte von NASANASA-Erfindungen. Dasselbe gilt für leichtere Atemmasken für Feuerwehrleute in aller Welt und feuerabweisende Bekleidung. Auch die Entwicklung von Laptops, drahtlosen Headsets, LED-Lampen und Matratzen aus Memory-Schaum hat direkt oder indirekt mit der Raumfahrt zu tun.
Aber drahtlose Headsets und neue Atemmasken sind bloß kleine Details der Geschichte, und auch der Kalte Krieg ist irgendwann bloß noch eine Randnotiz. Man schätzt, dass bisher insgesamt etwa 110 Milliarden Menschen auf der Erde gelebt haben. Fast alle werden wohl irgendwann in den MondMond gestarrt haben. Aber nur zwölf von ihnen sind dort auch herumgelaufen. Als ArmstrongArmstrong, Neil seinen Fuß in die »herrliche Verlassenheit« des Mondes gesetzt hat, wie AldrinAldrin, Edwin das nannte, war das ein Augenblick für die Ewigkeit.