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Die Grand Lobby
lag im Dunkeln. Nicht ein einziger Lichtschein beleuchtete die verlassenen Sitzecken, die geschwungenen Treppen, die Empore und das bronzene Schiffsrelief. Leise Töne erklangen in der Dunkelheit. Am Flügel saß eine Gestalt. Ihr weißes Kleid schimmerte matt. Ihre schmalen Schultern bewegten sich kaum, während sie sich mit suchenden Fingern von Ton zu Ton tastete. Es war Claire. Sie spielte das Kinderlied, aber nicht fröhlich und heiter, sondern langsam und bedrückend. Trotz der hellen Klänge lag in der Melodie eine Trauer, als brächte das Mädchen mit jeder Note seinen Kummer über den Tod der Mutter zum Ausdruck. Als klage sie mit jeder Taste, die sie herunterdrückte, um eine der Saiten im Inneren des Flügels zum Schwingen zu bringen, über den unwiederbringlichen Verlust. Schwermütig hallte das Lied durch die finstere Lobby. Claire schien verloren in diesem Lied und nichts mitzubekommen von dem, was um sie herum vor sich ging.
Ein Schatten löste sich aus der Finsternis, kam hinter einer der Säulen hervor und schlich sich von hinten an sie heran. Schritt für Schritt, immer näher, ohne das kleinste Geräusch zu verursachen. Er war beinahe schon so nah, dass er sie berühren konnte. Der Schatten hob die Hände, streckte sie nach dem Mädchen aus, um es am Hals zu packen.
Es fehlten nur noch wenige Schritte.
Da aber trat eine weitere Gestalt dem Schatten entgegen, verstellte ihm den Weg zu dem Mädchen.
»Das genügt! Bleiben Sie stehen, Mr. de Jong.« Marys Worte hallten durch die Grand Lobby.
Im selben Moment flammten sämtliche Lichter auf. Schlagartig war es taghell. Aus den Nebengängen, wo sie sich bereitgehalten hatten, näherten sich
Kapitän MacNeill und fünf seiner Offiziere. Gemeinsam bildeten sie einen Kreis um de Jong und Mary. Sandra und Antonio, die sich hinter dem Flügel versteckt gehalten hatten, kamen hervor und bauten sich schützend vor dem Mädchen auf, das sein Lied nun unterbrach und sich umwandte. De Jong war umstellt. Hektisch blickte er um sich. Aber er hatte keine Chance, zu fliehen.
Mit einem Lächeln, das vor Charme nur so sprühte, ließ er seine Hände sinken.
»Mrs. Arrington. Wie schön, Sie zu sehen. Ich hatte das Lied gehört und wollte nachsehen, wer es spielte. Als ich sah, dass es Claire war, machte ich mir große Sorgen. Ich dachte, sie sollte hier lieber nicht allein sein, deshalb wollte ich sie zurück in Ihre Suite bringen. Ich hatte ja keine Ahnung, dass Sie bei ihr sind.« De Jong wies in die Runde. »Sie und diese Herrschaften. Was treiben Sie denn alle hier?«
»Sparen Sie sich die Ausflüchte«, sagte Mary hart. »Lügen und Heuchelei bringen Sie nicht mehr weiter. Davon haben Sie uns wirklich schon genug zugemutet. Aber damit ist Schluss. Sie sind überführt. Ihr mörderisches Spiel ist zu Ende, Mr. De Jong. Oder, wie ich wohl eher sagen sollte, Lawrence Chisholm.«