Kleiner Brief auf rosa Papier mit einem Rosenstrauß

Mayfair, am 17. März 1941

Liebe Flossie, liebe Cristabel,

»Frauen sollten immer als Erste gehen – die Männer mögen es lieber, wenn sie glauben, dass die Frauen gerade am Aufbrechen sind.« Das hat Rosalind einmal zu mir gesagt. Sie behauptete, die beste Methode, um Willoughbys Aufmerksamkeit zu erregen, bestand darin, dass sie das Zimmer verließ. Sie beherrschte das großartig. Was für ein Winkelzug. Ihre Aussage fiel mir heute wieder ein, als ich ihre Todesanzeige in der Zeitung sah. Sie ist als Erste gegangen, die arme Kleine. Obwohl ich irgendwie glaube, dass sie sogar erleichtert gewesen sein könnte. Sie wollte nie alt werden.

Ich habe eine Zeit lang versucht, ihren Rat zu befolgen. Ich begann meine Abgänge gut zu planen, meine Bewegungen auf das potenzielle Interesse der Männer abzustimmen. Aber dafür habe ich jetzt keine Zeit mehr. Die Welt hat keine Zeit mehr. Der Krieg hat uns komprimiert – und wir fangen Feuer. Außerdem hab ich Räume nie verlassen wollen. Ich genieße es, mich in ihnen aufzuhalten: zu reden, zu trinken, meine Verse zu deklamieren!

Ich werde nicht auf Rosalinds Beerdigung gehen können, obwohl ich weiß, dass ihr nichts von ihr in dieser kalten Kirche begraben werdet. Ich fahre morgen mit dem Schiff nach New York, mit haufenweise Gemälden, die dort hoffentlich sicherer sind, und werde mich mit Taras und Hilly treffen, um über eine neue Ausstellung von Taras’ Werken zu sprechen. Ich werde auch versuchen, Amerika davon zu überzeugen, dass es sich schleunigst diesem verdammten Krieg anschließen soll. Aber zu Weihnachten bin ich wieder zurück, mit Unmengen von Nylonstrumpfhosen und Orangen.

Wisst ihr, was das Seltsamste am Café de Paris war? Die Stille. Der Feuerwehrmann, der mich aus dem Geröll zog, hat mir erzählt, dass man eine Bombe nicht hört, wenn man sehr nahe dran ist. Im einen Moment hob ich noch mein Glas auf Winston Churchill, dann gab es einen markerschütternden Stoß, als wäre die Zeit selbst erschaudert, und dann kam alles zum Stillstand.

Als ich wieder aufschaute, war mein Begleiter tot, wobei er anständig genug gewesen war, am Tisch sitzen zu bleiben. Grauer Staub breitete sich über allem aus, wie der Ascheregen über Pompeji.

Richtet Willoughby und Digby mein herzliches Beileid aus. Denkt mit Zuneigung und Versöhnlichkeit an Rosalind, und behaltet ihr Bild an der Wand, aber vergesst nie, dass das Leben nicht nur aus Angeschautwerden besteht. Eitelkeit ist ein kleines Kästchen aus Spiegeln. Lasst uns diese Tage nicht verschwenden. Mögen wir alle als Letzte gehen.

Alles Liebe

Myrtle