Kapitel 9

Herz-Kreislauf-System

Unser Herz schlägt unermüdlich: etwa siebzig Mal pro Minute, 100 000 Mal am Tag, 42 Millionen Mal im Jahr und bis zu drei Milliarden Mal im Leben. Ein ganz schönes Pensum für dieses Organ, das gerade so groß ist wie eine Faust und mit rund 300 Gramm Gewicht so schwer ist wie eine Mango.

Das Herz besteht aus einer linken und einer rechten Hälfte. Jede Hälfte verfügt über einen Vorhof und eine Herzkammer, die durch segelartige Klappen voneinander getrennt sind. Diese Klappen arbeiten wie ein Ventil und lassen das Blut jeweils nur in eine Richtung durch: Aus der Lunge kommt frisches, sauerstoffreiches Blut im linken Vorhof an. Von dort wird es über den verästelten Blutkreislauf in den Rest des Körpers gepumpt. Einer genialen Logistik folgend, nimmt es unterwegs im Körper Kohlendioxid (CO 2 ) als Restmüll auf und fließt damit zurück über die rechte Herzhälfte in die Lunge. Dort wird das Kohlendioxid abgegeben und wieder frischer Sauerstoff getankt; der Kreislauf kann von Neuem beginnen. Pro Minute wird dabei die gesamte Blutmenge, bis zu sechs Liter bei einem Erwachsenen, durch den Körper befördert. Das sind zwei Tanklaster pro Tag.

Unsere Pumpe ist ein sogenanntes Hohlorgan aus quer gestreiften Muskeln, genau wie die unseres Bewegungsapparats. Allerdings können wir die Herzmuskulatur nicht willentlich steuern. Das übernehmen das vegetative Nervensystem und der Sinusknoten, der Haupttaktgeber für den Herzschlag. Deshalb heißt der normale Rhythmus auch Sinusrhythmus. Der Sinusknoten sitzt im rechten Vorhof, und sein Zellgeflecht setzt in bestimmten Abständen elektrische Impulse ab, die über ein komplexes Erregungsleitungssystem an die verschiedenen Bereiche des Herzens weitergegeben werden. Im Ruhemodus sind die Abstände größer, unter Belastung kürzer. Im Zusammenspiel mit Hormonen und dem vegetativen Nervensystem sorgen diese Impulse für das Zusammenziehen des Herzmuskels (Systole), wodurch das sauerstoffreiche Blut in den Kreislauf gepumpt wird. Beim Erschlaffen (Diastole) wird das sauerstoffarme Blut wieder aufgenommen.

Wie andere Muskeln besteht auch das Herz aus Muskelzellen, wobei diese besonders kostbar sind: Während sich unsere Leber – welch ein Glück – innerhalb weniger Wochen komplett erneuern kann, werden Herzmuskelzellen nur zu weniger als einem Prozent jährlich neu gebildet. Weil nur wenige von uns bisher Gelegenheit hatten, älter als hundert Jahre zu werden – der Zeitraum, der für eine vollständige Herz-Runderneuerung nötig wäre –, laufen wir überwiegend noch mit denselben Herzmuskelzellen herum wie bei unserer Geburt. Und das macht den Herzmuskel so angreifbar.

Wenn die Gefäße verstopfen: Die Plage mit den Plaques

Damit das Herz pausenlos schuften kann, muss es mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden. Das geschieht über die verzweigten Herzkranzgefäße, die Koronararterien. Mit den Jahren kann es in diesen (und auch in anderen) Blutgefäßen zu Ablagerungen kommen, sogenannten Plaques . Der Vorgang ist ziemlich komplex, aber man geht von mehreren Schädigungen der Innenhaut der Blutgefäße aus, auf deren Basis dann die Arteriosklerose entsteht: Hauptauslöser sind erhöhter Blutdruck, Fettstoffwechselstörungen, Diabetes mellitus, Rauchen oder die altersbedingte nachlassende Gefäßelastizität. In die so geschwächte Gefäßauskleidung gelangt das »böse« LDL -Cholesterin, es entstehen freie Radikale und eine Entzündung. Fresszellen eilen herbei, schaufeln das oxidierte LDL -Cholesterin-Blutfett in sich hinein und verwandeln sich in Schaumzellen. Dabei heizen sie das Entzündungsgeschehen noch weiter an. Zu allem Überfluss lungern auch noch gerinnungsfördernde Blutplättchen permanent am Ort des Geschehens herum. Der Körper reagiert mit einem Gewebeumbau: Glatte Muskelzellen wandern in die innere Schicht der Gefäßwand, dazu gesellen sich Bindegewebszellen, die sich wie eine Kappe um die Schaumzellen legen. Eine Beule entsteht, die durch die Einlagerung von Calcium verhärtet und den Blutfluss zunehmend behindert.

Übrigens sollten auch die Mikrobiome in Darm und Mund gut ausgestattet sein: Eine Verschlechterung in der Balance der Darmflora erhöht die Durchlässigkeit der Darmschleimhaut und öffnet ungebetenen Bakterien das Tor zum Herz-Kreislauf-System. Die Bakterien produzieren bei der Verdauung von rotem Fleisch ein Stoffwechselprodukt namens Trimethylamin-N-Oxid (TMAO ), das den Cholesterin- und Gallenstoffwechsel beeinflusst, Entzündungen der Gefäßwände und damit die Plaquebildung vorantreibt. Haben Betroffene hohe Plasmaspiegel dieses Stoffes im Blut, haben sie eine schlechtere Prognose für Arteriosklerose.

Verengungen in den Herzgefäßen führen dazu, dass der Herzmuskel nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt wird. Mit der Folge, dass Herzmuskelzellen absterben und die Leistung schwächer wird.

Gefährliche Ablagerungen in den Gefäßen, sogenannte Plaques, behindern den Blutfluss und können zu Blutgerinnseln führen.

Rund sechs Millionen Deutsche leiden unter der Koronaren Herzkrankheit (KHK ). Die Ablagerung von Plaques, also Verkalkungen, verläuft langsam und anfangs oft beschwerdefrei. Mit der Zeit kommt es im Bereich des Herzens zu einem Gefühl der Enge, dumpfen Schmerzen hinter dem Brustbein, die in Arme, Nacken, Hals, Kiefer, Rücken und Oberbauch ausstrahlen und zu Atemnot führen können. Im Bereich der Beinarterien können Gefäßveränderungen ebenfalls den Blutfluss reduzieren und die Durchblutung mindern. Folge ist die »Schaufensterkrankheit«, jenes Phänomen, dass man beim Gehen ständig stehen bleiben muss, wegen der Schmerzen, die durch den Sauerstoffmangel in den Beinmuskeln verursacht werden. Ablagerungen in den Gehirngefäßen können zu einem Schlaganfall führen, eine chronisch gestörte Durchblutung kleinerer Gehirngefäße führt zu Demenz.

Kommt es zum kompletten Gefäßverschluss im Herzen, ist der gefürchtete Herzinfarkt da. Der Begriff Infarkt leitet sich vom Lateinischen »farcire« für »(ver)stopfen«, »füllen« ab. Mehr als 50 000 Menschen sterben hierzulande jedes Jahr an einem Herzinfarkt. Die klassischen Risikofaktoren sind Rauchen, Diabetes mellitus, Bluthochdruck und ein zu hoher Cholesterinspiegel. Jeder einzelne dieser Faktoren kann das Infarktrisiko um das Zehnfache steigern. Alle zusammengenommen addieren sich nicht bloß auf, sondern potenzieren sich. Bewegungsmangel, Übergewicht, schlechte Ernährung und Stress sind weitere Belastungsproben für unser Herz. Quittiert es seinen Dienst, kommt das für die meisten Betroffenen oft wie aus heiterem Himmel. Dabei sendet unser Körper Warnsignale, wenn mit dem Herzen etwas nicht stimmt: Klassische Anzeichen sind etwa starke Schmerzen hinter dem Brustbein, die wiederum ausstrahlen können, Unruhe bis hin zu Todesangst, eine blass-graue Gesichtsfarbe und ein allgemeines Schwächegefühl. Bei Männern und Frauen kündigt sich ein Infarkt aber teils mit ganz unterschiedlichen Symptomen an. Bei Frauen sind sie oft nicht eindeutig zuzuordnen, daher liegt die Sterblichkeitsrate hier höher. Unspezifische Symptome wie Atemnot, Schweißausbrüche, Rückenschmerzen, Kieferschmerzen, Schwindel, bleierne Müdigkeit, Übelkeit und Erbrechen können auf einen Herzinfarkt hinweisen.

Altes Herz: Kurze Kardiologistik

Neben den oben erwähnten Faktoren ist das größte Risiko für das Herz-Kreislauf-System jedoch der Alterungsprozess per se. Auch wenn Sie für sich diesen Prozess schon sehr viel länger am Werk sehen mögen – aus Sicht der Kardiologen kommt er erst ab dem 65 . Lebensjahr besonders zum Tragen. Was sich auch darin niederschlägt, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen in den Industrienationen ab diesem Alter Todesursache Nummer eins sind. Kardiologen vergleichen den Alterungsprozess des Herzens mit einer Krankheit. Ein wichtiger Marker dafür ist die »maximale Herzfrequenz«. Sie bezeichnet die maximale Anzahl an Kontraktionen, die der Herzmuskel innerhalb einer Minute leisten kann. Bei jungen Menschen beträgt die Herzfrequenz bei maximaler Belastung noch etwa 200 bis 220 Schläge pro Minute, wobei dies auch vom Trainingszustand und der Tagesform abhängt. In fortgeschrittenem Alter sinkt die maximale Herzfrequenz auf etwa 160 Schläge pro Minute, allerdings mit großer individueller Variabilität.

Eine klassische Berechnungsformel besagt, dass man die maximale Herzfrequenz für jede Lebensphase errechnen kann, wenn man von ihr das Alter abzieht. Ein Maximalpuls von 220 minus 40 würde demnach eine Frequenz von 180 für das Alter um die vierzig ergeben. Das ist natürlich nur Pi mal Daumen, denn, siehe oben, individuelle Parameter werden hier nicht berücksichtigt. Bei Belastung steigt der Herzschlag im Normalfall allmählich an, um sich nach dem Ende der Belastung langsam wieder abzusenken. Im Ruhezustand liegt der Puls bei Erwachsenen im Bereich von 60 bis 80 Schlägen, wobei Koffein, Stress, Hormone, bestimmte Medikamente und auch das Wetter den Puls nach oben treiben können. Liegt der Ruhepuls dauerhaft bei über 100 , sollte das ärztlich abgeklärt werden.

Beim Alterungsprozess des Herzens muss auch das sogenannte Herzzeitvolumen betrachtet werden. Es sagt aus, welche Menge Blut innerhalb einer bestimmten Zeitspanne durch unser Herz gepumpt wird. Die übliche Maßeinheit ist Liter pro Minute, denn unser Herz arbeitet in der Standardausstattung ab Werk als wahrer Hochleistungsmotor. In Ruhe schlägt es bei Zwanzigjährigen bis zu sechs Liter Blut pro Minute um, während es bei 75 -Jährigen gerade mal noch 3 ,5 Liter sind. Es wird also deutlich weniger nähr- und sauerstoffreiches Blut durch den Organismus gepumpt als in jüngeren Jahren.

Das ältere Herz reagiert auch nicht mehr so präzise auf die Nervenstimuli durch den Sympathikus, das Stress- und Aktivierungsnervengeflecht. Im Herzmuskel gibt es ein ausgeklügeltes System an Ionenkanälen, über die in Stresssituationen die Botenstoffe Adrenalin und Noradrenalin dort den Ionenfluss beeinflussen. Die Calciumkanäle werden weniger, der Calciumanstieg fällt geringer aus. Bei einem altgedienten Herzen kann es hierbei zu einer Störung des Kalium- und Calciumaustausches kommen; sie spielen beim Zusammenziehen und Entspannen des Herzmuskels eine wichtige Rolle, sind also für den Rhythmus mitverantwortlich. Das verminderte Calciumangebot in der Zelle schwächt die Herzaktion.

Bluthochdruck: Das Maß der inneren Werte

Genauso wie die Haut an Elastizität verliert, werden die Gefäße im Alter starrer. Können sie nicht mehr elastisch schwingen, kann der Blutdruck nicht mehr so gut ausgeglichen werden – er steigt an. Zucker (Glucose) kann mit Eiweißstrukturen der Gefäße reagieren und sie noch zusätzlich verhärten. Auch Blutfette, besonders das LDL -Cholesterin, befeuern die Entzündung in der Gefäßwand mit der Folge einer weiteren Verkalkung und Verengung.

Geht die Elastizität der Hauptschlagader zurück, erhöht sich der obere der beiden bekannten Blutdruckwerte. Normal ist ein Blutdruck von 120 bis 129 zu 80 bis 84 mmHG . Ab 140 /90 mmHG spricht man von zu hohem Blutdruck oder Hypertonie, sofern dieser Wert beim Arzt bei mindestens drei Messungen an zwei unterschiedlichen Tagen gemessen wurde. Bei der Selbstmessung zu Hause müssten die Werte an sieben aufeinanderfolgenden Tagen über 135 /85 mmHG liegen. Weil der Blutdruck mit den Lebensjahrzehnten wegen der abnehmenden Gefäßelastizität immer ein kleines Stückchen steigt, erhalten viele ältere Menschen blutdrucksenkende Medikamente, Ü80 toleriert man jedoch 150 /90 mmHg.

Zu hoher Blutdruck bleibt oft lange unerkannt, weil Symptome wie rote Wangen, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, verminderte Leistungsfähigkeit oder Nervosität auch einfach der aktuellen und vielleicht gerade sehr stressigen Lebenssituation zugeschrieben werden können. Lassen Sie also Ihre Werte regelmäßig messen. Denn ein dauerhaft erhöhter Blutdruck ist nicht nur eine enorme Belastung für Gefäße und Herz, sondern auch für Organe wie Hirn und Nieren. Er zählt zu den wichtigsten Risikotreibern für Schlaganfall, Herzrhythmusstörungen, Infarkt, Herzschwäche und Demenz.

Neben dem Alter treiben eine Reihe von anderen Faktoren den Blutdruck in die Höhe: Übergewicht, Bewegungsmangel, Rauchen, Alkohol, Stress und eine ungesunde, vor allem salzreiche Ernährung. Mit sportlicher Aktivität, einer Normalisierung des Gewichts, erholsamem Schlaf, Stressreduktion und gesunder Lebensweise, aber auch mit Medikamenten gegen hohen Blutdruck kann man sehr wirksam gegensteuern und noch eine Menge rausreißen. Die Pille allein macht’s jedenfalls nicht! Um das Risiko für einen Infarkt oder einen Schlaganfall zu reduzieren, muss das Gesamtpaket stimmen.

Bei einigen Patientinnen und Patienten liegen andere Ursachen für einen erhöhten Blutdruck vor: etwa eine Nieren-, Nebennieren- oder Schilddrüsenerkrankung, wodurch blutdrucksteigernde Hormone ausgeschüttet werden. Auch entzündungshemmende Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Diclofenac oder nächtliche Atemaussetzer können die Werte nach oben treiben. Deshalb ist eine ausführliche Anamnese notwendig, außerdem sollten Blutfette, Blutzucker und Nierenwerte überprüft und die großen Gefäße untersucht werden.

Blutfette: Cholesterin & Co.

Cholesterin ist mitverantwortlich für Krankheiten wie Schlaganfall und Herzinfarkt. Es ist aber auch ein notwendiger Baustein unseres Organismus. Allerdings kommt es auf die Verpackung und die Menge an.

Cholesterin ist ein Fettmolekül, das natürlicherweise im Körper produziert, aber auch über die Nahrung aufgenommen wird. Wir brauchen es für viele Körperfunktionen, etwa zur Hormonsynthese, als Baustein für Körperzellen oder Teil des Hautbarrierefetts. Es wird zwischen 70 und 80 Prozent in der Leber hergestellt. Weil aber auch alle anderen Körperzellen Cholesterin benötigen, muss es durch das Blut transportiert werden. Das gelingt über das Taxi Eiweiß. Fette (Lipide) wie Cholesterin oder Triglyceride werden zum Transport an Eiweiße gekoppelt. Diese Verbindungen nennt man Lipoproteine .

Das Lipoprotein LDL (Low Density Lipoprotein) ist für den Transport des Cholesterins von der Leber zu den anderen Organen verantwortlich. Sind die Körperzellen allerdings nicht mehr fähig, weiteres Cholesterin aufzunehmen, steigt der LDL -Cholesterinspiegel im Blut an. Schwimmt es in zu großen Mengen durchs Blut, wird es außerdem oxidiert und kann derart formverändert nicht mehr in die Zellen aufgenommen werden, dafür pöbelt es herum und schädigt stattdessen erst recht die Gefäßwände. Wenn das dauerhaft der Fall ist, bilden sich Ablagerungen in den Wänden der Blutgefäße, die zu Durchblutungsstörungen, Herzinfarkt oder Schlaganfall führen können. Deshalb gilt LDL als »schlechtes Cholesterin«.

Daneben gibt es noch das sogenannte HDL -Cholesterin. Dieses High Density Lipoprotein ist für den Rücktransport des Cholesterins von den Körperzellen zur Leber zuständig, wo es verarbeitet und abgebaut wird. Auf diese Weise wirkt es Fettablagerungen in den Blutbahnen entgegen und gilt als »gutes Cholesterin«.

Triglyceride setzen sich aus Glycerin und drei Fettsäuren zusammen, daher der Name. Wir nehmen sie mit der Nahrung auf, der Körper kann sie aber auch selbst aus Nahrungsbestandteilen herstellen. Sie liefern unserem Körper Energie; und weil hier nichts verloren geht, lagert er das, was er nicht braucht, in einem Speicher ein: den Fettpölsterchen.

Das Lipoprotein (a) ähnelt in seinem Aufbau dem LDL , schippert aber quasi in einem Doppeltaxi umher, nämlich einem zusätzlichen Eiweiß. Studien legen nahe, dass ein erhöhter Spiegel (> 30 mg/dl) ähnlich wie beim LDL -Cholesterin das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigert. Eine Erhöhung dieses Wertes ist genetisch bedingt.

Als nicht optimal bis ungesund gelten erhöhte Werte von LDL (> 160 mg/dl) und Triglyceriden (> 150 mg/dl) und niedrige Werte für HDL (< 40 mg/dl). Besteht dieses ungute Verhältnis über längere Zeit, bilden sich Fettablagerungen in den Gefäßen, sie werden enger und starrer. Es entsteht Bluthochdruck, wobei hier vor allem der obere Wert betroffen ist. Die Plaques können aufreißen und Blutgerinnsel auslösen, die den Blutdurchfluss noch weiter einschränken. Wird eine Arterie komplett verschlossen, stirbt das versorgte Gewebe ab – es kommt zum Herzinfarkt oder zum Schlaganfall. Auch in den Beinen, im Darm, den Nieren, anderen Organen der Bauchregion sowie den Hals- und Gehirngefäßen können sich Gefäßverengungen (Stenosen) bilden.

Eine Veranlagung zu ungesund hohen Cholesterinwerten kann vererbbar sein und sollte, sofern eine Änderung der Ernährung und des Lebensstils nicht hilft, mit Medikamenten behandelt werden. Bei leicht erhöhten Werten kann man mit einer Umstellung des Speiseplans einiges erreichen. Erhöhte Cholesterin- und Triglyceridwerte wurden lange Zeit als Folge von fett- und eierreicher Ernährung gesehen. Neuere Erkenntnisse zeigen allerdings, dass vor allem die Cholesterin-Aufnahme über Wurstwaren bedenklich ist und die übermäßige Neubildung von Cholesterin in der Leber durch übermäßigen Genuss von Lebensmitteln, die als Süßungsmittel mit Fructose angereichert sind. Fructose gehört, genau wie Glucose, als Einfachzucker zu den Kohlenhydraten. Glucose kann mithilfe des Hormons Insulin schnell zur Energiegewinnung genutzt werden. Fructose hingegen wird in der Leber zu Fett umgebaut. Von dort gelangt es in den Blutkreislauf – und sorgt für erhöhte Blutfettwerte. Weil es unbegrenzt in der Leber aufgenommen werden kann, droht die Gefahr einer Fettleber. Auch Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes Typ 2 werden begünstigt.

Fructose steckt im Haushaltszucker und in vielen Fertiggerichten. Als billiges Süßungsmittel kommt es versteckt in Form von Glucose-Fructose-Sirup, Maissirup, Cornsirup oder High Fructose Cornsirup daher. Die hier vorliegende Mischung aus freier Fructose und freier Glucose heißt Iso-Glucose und wird enzymatisch aus Stärke von Getreide, Mais oder Kartoffeln gewonnen, das geht schneller als die Gewinnung von gewöhnlichem Haushaltszucker aus Zuckerrüben, wo Fructose und Glucose als Zweifachzucker verbunden vorliegen.

Fruchtzucker ist aber nicht generell zu verdammen! Es kommt schon darauf an, ob er natürlich im Obst vorkommt oder in einer süßen Fruchtlimo oder »Wellness«-Drinks. Im Obst gibt es Ballaststoffe, sekundäre Pflanzenstoffe, Mineralien und Vitamine obendrauf. Der Fruchtzucker wird langsamer freigesetzt. Frisches Obst wird in normalen Mengen verspeist ganz sicher keinen Schaden in Sachen Blutfette anrichten.

Ballaststoffreiche Ernährung ist auch deshalb gut, weil sie im Darm das über die Gallenflüssigkeit zirkulierende Cholesterin herausfischt und ins Klo leitet. (Mehr dazu in Kapitel 12 .)

Tipps für die Herz-Kreislauf-Gesundheit
  • Werfen Sie einen Blick in die Ahnengalerie: Bei familiärer Vorbelastung frühzeitig mit regelmäßigen Checks der Pumpe, des Blutdrucks, der Gefäße und der Blutfette beginnen.

  • Bei Kopfschmerzen, Herzrhythmusstörungen, Kreislaufproblemen und Kurzatmigkeit, besonders nach verschleppten Erkältungen, wenn man nicht mehr recht auf die Beine kommt, sicherheitshalber mal beim Kardiologen vorbeischauen.

  • Eine mediterrane Ernährung mit Olivenöl oder anderen kalt gepressten Ölen, mit Linsen, Kichererbsen, Obst, Gemüsen und Nüssen kann Entzündungen und damit auch das Aufkommen von Herz-Kreislauf-Ereignissen um bis zu 30 Prozent reduzieren.

  • Verzichten Sie auf Fast Food mit gehärteten Fetten und auf zu viel tierische Fette, insbesondere Wurst.

  • Essen Sie weniger Kochsalz: Laut einer Gesundheitsstudie liegt der Konsum in Deutschland bei rund 70 Prozent der Frauen und 80 Prozent der Männer teils um das Dreifache über der empfohlenen Tagesmenge. Und die liegt bei etwa einem Teelöffel. Nicht vergessen: Natriumchlorid (NaCl), der Hauptbestandteil von Speisesalz, reist in vielen verarbeiteten Lebensmitteln wie Brot, Wurst und Käse mit! Wenn Sie es schaffen, die NaCl-Aufnahme auf unter 5 g/Tag bzw. die Natriumaufnahme auf unter 2 g/Tag zu verringern, lassen sich beide Werte des Blutdrucks senken. Auf vielen verpackten Lebensmitteln ist der Natriumgehalt angegeben: Wenn Sie diesen Wert mit 2 ,54 multiplizieren, erhalten Sie den Speisesalzgehalt.

  • Kochsalz kann theoretisch durch Kaliumchlorid ersetzt werden, dieser Salzersatz reduziert die Anzahl von Herz-Kreislauf-Ereignissen und Sterblichkeit, schmeckt allerdings etwas metallisch-bitter. Statt Salz geben aromatische Kräuter besonders gesunde Geschmacksverstärker ab.

  • Unterstützen Sie Ihr Herz mit Kalium. Es findet sich besonders in Bananen, Aprikosen, Trockenobst, Karotten, Kartoffeln, Tomaten und Tomatenmark, Rosenkohl, Champignons, Paprika, Erdnüssen, Mandeln und Vollkornprodukten. (Selten ist kaliumreiche Kost ungünstig, bitte die Hausärztin fragen.)

  • Auch die Versorgung mit Omega-3 -Fettsäuren lässt bei vielen von uns zu wünschen übrig. Sie werden direkt in die zellulären Membranen eingebaut, insbesondere in die Arterien und in den Herzmuskel. Neuere Studien zeigen einerseits einen das Herz und die Gefäße schützenden Effekt und weniger Herzinfarkte, allerdings bei sehr hoher Dosierung in Nahrungsergänzungsmitteln auch ein erhöhtes Risiko für Vorhofflimmern. Hier besteht also noch weiterer Forschungsbedarf.

  • Nicht zuletzt ist auch unser Körpergewicht eine ausgesprochene Herzenssache. Lange wurde hier nur auf den BMI geschaut (normal: 18 ,524 ,9 kg/m 2 ), der inzwischen nur noch als grober Richtwert gilt. Viel bedeutsamer ist die »Körperkomposition«! So sollte man unbedingt den Taillenumfang zwischen Beckenkamm und unterem Rippenbogen messen (normal: Frauen unter 80  cm, Männer unter 94 cm). Wer hier gegensteuert und abspeckt, indem durch regelmäßige Bewegung der Stoffwechsel angekurbelt wird, tut viel für seine Kardiofitness. Sport und Bewegung wirken wie ein Herzmedikament, denn sie verbessern die Ausbildung von Blutgefäßen, die den Herzmuskel versorgen. Nach neuesten Erkenntnissen aus Mäuseversuchen ist es mit körperlicher Aktivität sogar möglich, neue und größere Herzmuskelzellen entstehen zu lassen, obwohl das bis dato als nahezu ausgeschlossen galt.

  • Nächtliche Atemaussetzer untersuchen und behandeln lassen.

Tipps für gute Blutfette
  • Eine gesunde Ernährung ist das A und O! Meiden Sie Zucker, Stärke und Fructose als Süßungsmittel und sorgen Sie für mindestens 30  g Ballaststoffe am Tag: Hafer oder Flohsamenschalen helfen, die Fette rauszuleiten. Verzichten Sie auf Fast Food mit gehärteten Fetten und reduzieren Sie Ihren Wurstkonsum. Setzen Sie auf buntes Obst und Gemüse.

  • Sorgen Sie für regelmäßige Bewegung und bauen Sie Übergewicht ab. Bei Bewegungsmangel und einem Überangebot an Kohlenhydraten, besonders Zucker, Weißmehl, Stärke und Fructose, wird die überschüssige Energie in Fett umgewandelt. Beim Kraft- und Ausdauertraining wird hingegen Muskulatur aufgebaut, das Fettgewebe im Inneren reduziert. Die Muskulatur arbeitet wie ein Verbrennungsmotor, der Körperfett verbrennt. Der Anteil von Krafttraining an der sportlichen Aktivität sollte um die 30 bis maximal 50 Prozent liegen.

  • Fasten, Low-Carb, also kohlenhydratarme Kost, und – laut einigen Wissenschaftlern – ketogene Ernährung bringen ebenfalls einen schützenden Effekt. Bei Letzterem wird statt Zucker ein Ersatzstoff als Energielieferant im Körper gebildet, das Keton Beta Hydroxybutyrat (BHB ). Es reduziert den Entzündungsmarker Interleukin 1 Beta und LDL -Cholesterin.

  • Finger weg von Zigaretten und übermäßigem Alkoholkonsum.

  • Denken Sie bei dauerhaft erhöhten Werten daran, Ihre Schilddrüsenfunktion prüfen zu lassen. Eine Unterfunktion, die mit Tabletten ausgeglichen werden kann, ist manchmal für die Erhöhung verantwortlich.

  • Auch die Antibabypille kann unerfreulicherweise die Blutfette erhöhen.

  • Entwässerungstabletten, die Gabe von Kortison oder Erkrankungen der Nieren können die Werte ebenfalls verändern.

  • Lassen Sie prüfen, ob neben erhöhten Cholesterin- und Triglyceridwerten weitere Risikomarker vorliegen, wie Homocystein im Blut (ein Zwischenprodukt des Aminosäurestoffwechsels, das normalerweise schnell wieder abgebaut wird) oder das genetisch erhöhte Lipoprotein (a) . Bei Homocystein (Normalwert 5 bis 10 µmol/l) scheint ein Zusammenhang mit einem Mangel an Folsäure und den B-Vitaminen 6 und 12 zu bestehen.