Kapitel 14

»… hält Leib und Seele zusammen«

»Lohnt sich das denn alles noch bei mir?« Der neunzigjährige, gut gekleidete, gepflegte, humorvolle Herr hatte diese Frage anlässlich der vorgeschlagenen Therapie gegen Hautkrebsvorstufen gestellt. Klar! »Instandhaltung« lohnt sich immer, egal in welcher Lebensphase. Erst recht, wenn sich der Aufwand in Grenzen hält. Daher kommen hier die wichtigsten Ansätze in Sachen Selfcare, die sich nicht nur lohnen, sondern auch gut in den Alltag integrieren lassen!

Trinken: Immer schön flüssig bleiben

Der Wasserbestand unseres gesamten Körpers macht zwischen 50 und 75 Prozent aus. Gesteuert wird der Wasserhaushalt über Hormone. Wasser plustert die Haut auf, macht sie optisch saftiger, natürlich auch die Hornschicht der Oberhaut, sodass sie für Stunden knitterärmer wirkt. Dies, sofern sie das verdunstende Wasser auch festhalten kann, was ihr dann hervorragend gelingt, wenn oben ein schöner Lipidfilm vorhanden ist, der nicht weggeseift wurde. Allerdings ist Wasser ein durchlaufender Posten, es wird nicht nachhaltig gebunden und muss daher regelmäßig weiter zugeführt werden!

Alte Menschen, deren Durstgefühl nicht mehr gut funktioniert, trocknen sehr schnell aus. Alternde Sinneszellen nehmen Durst weniger wahr, die Muskelmasse verringert sich und damit auch ein wichtiger Wasserspeicher. Die Wasser regelnden Hormonmengen ändern sich ebenfalls. Oft werden harntreibende Blutdrucktabletten oder Entwässerungspräparate genutzt, ein Diabetes liegt vor, oder der alte Mensch kann sich einfach nicht mehr selbst richtig versorgen – auf Kosten der Wasserzufuhr. Zudem wird über die Nieren mehr Wasser ausgeschieden, wenn die Rückaufnahme von Natrium in der Niere schlechter klappt, was Wasser nach sich zieht. Das kann man an stehen bleibenden Falten erkennen, wenn man die Haut zusammenzwickt und diese sich lange nicht auf ihre Normalposition zurückstellt. Ein deutliches Signal für einen Flüssigkeitsmangel, übrigens auch bei jüngeren Semestern!

Wasser oder ungesüßter (Kräuter-)Tee sollte über den gesamten Tag gleichmäßig verteilt getrunken werden, und zwar unabhängig vom Durstgefühl. Erwachsene zwischen 19 und fünfzig Jahren sollten 35 Milliliter Wasser pro Kilogramm Körpergewicht am Tag zu sich nehmen. Das sind bei einer 75 Kilo schweren Person circa 2 ,6 Liter am Tag. Zwei Drittel dieser Angabe beziehen sich auf die »aktive« Flüssigkeitszufuhr, ein Drittel auf die Flüssigkeit, die bereits in Lebensmitteln enthalten ist. Wem es schwerfällt, während der Arbeit oder auch an freien Tagen regelmäßig ans Trinken zu denken, kann sich über eine Handy-App, die Smartwatch oder einen schnöden Wecker daran erinnern lassen. Die Handy-App lobt einen sogar fürs Trinken. Das ist schön.

Übrigens darf es auch Kaffee sein, sofern man keine Magen-Darm-Probleme oder extrem hohen Blutdruck hat. Er wirkt zwar harntreibend, aber bei regelmäßigem Kaffeekonsum ist der Körper daran gewöhnt und gleicht etwaige Verluste gekonnt aus.

Es gibt Situationen, in denen ein erhöhter Flüssigkeitsbedarf besteht: bei hohen Außentemperaturen, sportlicher Betätigung, hohem Eiweiß- oder Salzverzehr, Krankheiten, Fieber, Diäten, trockener und kalter Luft. Hier müssen Sie noch mal eine Schippe draufpacken, genau wie bei Durchfall, wo nicht nur Flüssigkeit, sondern auch wichtige Elektrolyte flöten gehen.

Alkohol

Bis zu 100 Gramm Alkohol pro Woche gelten als herzschützend. Das sind 2 ,5 Liter Bier und fünfeinhalb 0 ,2 er-Gläser Wein. Deshalb aber bitte jetzt nicht extra mehr davon trinken, wenn Sie bisher nicht auf diese Menge kommen … Das Herz kann man auch anderweitig schützen, und ein Zuviel an Alkohol verkürzt die Lebenserwartung um bis zu fünf Jahre.

Alkohol schädigt je nach Dosis jedes Organsystem in unserem Körper und ist für 75 000 Tote in Deutschland pro Jahr verantwortlich. Er steigert das Krebsrisiko und begünstigt Übergewicht. Alkohol trocknet das Gewebewasser aus und reduziert die Versorgung mit Mikronährstoffen, also Vitaminen und Spurenelementen, die man zur Hautregeneration, Abwehr und Wundheilung benötigt. Weil Alkohol auch die Hormonbalance stört, kann die Haut fettig und pickelig werden, Männern wachsen Brüste. Weil Alkohol das Anti-Pipi-Hormon unterdrückt, muss man dauernd pinkeln und trocknet schneller aus, was man vor allem an der Haut sieht. Besonders toxisch wirken die Abbauprodukte des Alkohols. Denn beim Abbau von Ethanol in der Leber entsteht das giftige Acetaldehyd: Es schädigt die Immunabwehr, die Mitochondrien, aktiviert den Zelltod, führt zu freien Radikalen und hemmt die Eiweißsynthese. Juckreiz, Verfärbungen und Nesselsucht, erweiterte Äderchen in Spinnenform, Blutschwämmchen, Adern am Rumpf, flush-artige Rötungen, rote Handflächen, Schuppenflechte, Hautkrebsvarianten – all das können Begleiterscheinungen sein, wenn man regelmäßig zu tief ins Glas schaut.

Frauen sollten nicht mehr als 12 Gramm, Männer nicht mehr als 24 Gramm reinen Alkohol täglich zu sich nehmen. Wobei die bessere Variante natürlich wäre, eben nicht täglich Alkohol zu konsumieren. Mindestens drei alkoholfreie Tage in der Woche wären angeraten, der Genuss im Idealfall begleitet von Essen. Zur Erinnerung: 10 bis 12 Gramm reiner Alkohol sind enthalten in 0 ,3 Liter Bier, 0 ,125 Liter Wein, 0 ,1 Liter Sekt und 40  Milliliter Schnaps. Deutsche trinken über 10 Liter reinen Alkohol pro Kopf und Jahr (Jugendliche ab 15 mitgezählt), womit wir zu den Spitzenreitern zählen.

Kaffee

Kaffee enthält mehrere Antioxidantien, die Schutz gegen freie Radikale bieten, sowie sekundäre Pflanzenstoffe, Polyphenole inklusive Resveratrol. Da Kaffee bereits an vielen Stellen in diesem Buch erwähnt wurde, hier nur kurz noch einmal das Wichtigste: Je nach Studie bringen eine bis über vier Tassen– über den Tag verteilt – positive gesundheitliche Effekte. Kaffee kann vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfällen schützen und darf sogar von Bluthochdruckpatienten konsumiert werden; sie sollten allerdings in den ersten dreißig Minuten danach den Blutdruck nicht messen. Er schützt vor Gebärmutter- und Leberkrebs, mindert das Risiko für Morbus Parkinson, Diabetes, Alzheimer und Depression. In der Schwangerschaft, während der Stillzeit (wegen des Babys) und bei Osteoporose (wegen des Calciumverlusts über den Urin) sollte der Kaffeekonsum reduziert werden.

Das im Kaffee enthaltene Koffein steigert die Konzentration und macht wach. Eine Tasse Kaffee enthält 82 bis 120 Milligramm Koffein, das wirkt circa über vier Stunden. Die Wirkdauer kann durch Zugabe von Milch (wegen der Fette) verlängert werden. Kaffee regt die Durchblutung an, schützt sogar das Erbgut und ist daher ein Anti-Aging-Helfer. Wer einen empfindlichen Magen hat, greift am besten auf Espresso zurück. Er enthält weniger Säuren als Filterkaffee, da die durch ein anderes Röstverfahren verloren gehen. Bei erhöhten Cholesterinwerten hingegen eignet sich Filterkaffee besser, weil Stoffe, die den Cholesterinabbau in der Leber hemmen (die Diterpene Cafestol und Kahweol), im Filter hängen bleiben. Espresso, aber vor allem frisch aufgebrühter Kaffee, auch mit Stampfer »French Press« erhöhen das Cholesterin etwas. Bei Schlafproblemen sollte die letzte Tasse spätestens am frühen Nachmittag konsumiert werden. Resümee: Bis zu 5 Tassen Kaffee sind durchaus eine gute Sache.

Ernährung: Buenos días, Aminos & friends

Du bist, was du isst, das sieht man für alle wahrnehmbar an Haut und Wampe, das schlägt sich aber auch im Inneren positiv oder negativ nieder. »Eat more plants!« kam als Devise bereits mehrfach vor, doch es gibt noch einiges Gutes mehr, das wir unserem Körper einverleiben können:

Meiden Sie AGE !

Bei einem erhöhten Zuckerangebot im Körper – also bei unkontrolliertem Genuss von Haushaltszucker, Fructose und Weißmehl (Weizen) – entstehen im Blut die Advanced Glycation Endproducts, die ja mit AGE (Alter!) abgekürzt werden. Aber es handelt sich schließlich auch um Altersbeschleuniger-Moleküle: Der Zucker klebt sich an Proteine, aber auch an Lipide und Nukleinsäuren und vernetzt sie. Sie verlieren jedoch dadurch ihre Funktion, und das lässt uns schneller altern. Der bei Diabetikern bestimmte Langzeit-Blutzuckermarker HbA1 c ist übrigens das Blutfarbstoff-Hämoglobin, an das sich Glucose geklebt hat, die Unterform eines AGE s.

Leider nehmen wir vorgefertigte AGE s auch über die Nahrung auf, sie stecken im Fleisch, in der Wurst, in Schinken und Käse. So richtig in Schwung bringen wir sie, wenn wir Lebensmittel grillen, braten oder frittieren. AGE s begünstigen Diabetes, Gefäß- und Herzerkrankungen, Osteoporose und Arthritis; sie fördern Entzündungen und verursachen Gewebestress. Auch Nerven werden verklebt, der Stoffwechsel wird gestört. Die Bildung von Fetten, Aminosäuren, Enzymen, Hormonen und Wachstumsfaktoren gerät außer Kontrolle.

Aktivieren Sie Jungbrunnen-Eiweiße!

Proteine sind ein schlagkräftiger Kader zur Verlängerung unseres Lebens. In den Zellen unseres Körpers (und dem von Mäusen) steckt sogar ein solches Jungbrunnen-Reservoir: Das Proteohormon ist benannt nach Klotho aus der griechischen Mythologie, der jüngsten der drei Schicksalsgöttinnen. Sie hat die Aufgabe, den Lebensfaden zu spinnen. Tatsächlich hat das nach ihr benannte Proteohormon die verheißungsvolle Fähigkeit, zumindest das Leben von Mäusen um 20 bis 30 Prozent verlängern zu können! Falls nicht zwischendurch doch noch eine Katze vorbeikommt. Wenn nicht, hält Klotho jung und sorgt für mehr Maus-Intelligenz.

Beim Menschen bremst Klotho die Auswirkung von Insulin auf unsere Zellen. Das Molekül reguliert Rezeptoren, Kanäle und Signalwege. Es schützt Zellen und Gewebe vor ungesteuerten Sauerstoffreaktionen, die sonst zu einem Überangebot von freien Radikalen führen würden, ein Zustand, der, wie wir bereits wissen, auch als oxidativer Stress bezeichnet wird.

Klotho ist ein Hansdampf in allen Gassen, wirbelt gleich an mehreren Stellen unseres Körpers, in den Nieren wie in der Haut, der Muskulatur, im Knochen, im Gehirn und in den Gefäßen. Etwa jeder fünfte Mensch kann sich über eine Klotho-Spezialausstattung mit der Genvariante »KL -VS « freuen, die auf eine erhöhte Lebenserwartung und eine bessere Hirnleistung hoffen lässt. Vollständig gegen Demenz geschützt sind diese Privilegierten allerdings auch nicht. Ihr geistiger Verfall nimmt allenfalls einen längeren Verlauf, denn er setzt auf einem höheren Niveau ein und wird oft erst später auffällig.

Alles könnte so schön sein, würden wir den Klotho-Siegeszug nicht selbst allzu oft durch Überernährung oder den unangemessenen Konsum von Fetten und Kohlenhydraten aufhalten. Denn so werden doch wieder zu viele freie Radikale produziert, und die binden sofort Kapazitäten, die wir viel nötiger für die Herstellung unserer Schutzenzyme bräuchten. Doch damit nicht genug: Die Unterversorgung mit Klotho behindert auch die körpereigene Herstellung von Vitamin D3 , das wir für den Schutz unserer Haut, für unsere Knochengesundheit und andere Baustellen im alternden Körper dringend brauchen.

Ein Mangel an Klotho reduziert leider auch die Aktivität weiterer Jungbrunnenproteine: die Sirtuine. Alle Lebewesen, Bakterien, Hefen, Würmer, Insekten, Säugetiere, Menschen und sogar Viren tragen sie in sich. Der Mensch allein hat sieben Sirtuin-Typen: Sie überwachen und steuern die unterschiedlichsten Prozesse in unserem Körper, das Wachstum von Nervenfasern, die Zellteilung, die Zellvermehrung oder den Zelltod und räumen mit molekularem Zellmüll auf. Sie bremsen oxidativen Stress, schützen unser Gewebe und regulieren die Insulinproduktion. Sirtuine schalten die guten Gene an und zeigen den nicht so guten die Rote Karte. Damit haben sie einen Effekt auf die Epigenetik, also die Verklebung oder Entklebung unseres Erbgutes. Die Pharmaforschung ist auf dem Weg, irgendwann Medikamente zu entwickeln, die die Sirtuine beeinflussen, um auf diese Weise Gefäßkrankheiten wie hohen Blutdruck mit allen Folgen und Nervenkrankheiten wie Morbus Parkinson oder auch Krebs lindern und heilen zu können beziehungsweise das Altern zu bremsen.

Das Gute ist, dass wir Sirtuine auch selber aktivieren können! Der wichtigste Aktivator der Jungbrunnen-Proteine ist die Kalorienrestriktion, der Hungerstress. Das gelingt durch die diversen Arten des Fastens (siehe dort), die immer noch effektivste Anti-Aging-Maßnahme überhaupt. Sirtuine – Sie erinnern sich vielleicht an das Kapitel über die Zellen – schalten den Organismus dann auf Wartung um, von Vermehrung und Wucherung auf Reparatur. Also kurbeln Sie Ihre Sirtuine an und speisen Sie sirtuinaktiver! Man kann sie übrigens auch mit stofflichen Schummelsubstanzen aktivieren, die Hunger vortäuschen – man trickst den Körper also etwas aus: über die sekundären Pflanzeninhaltsstoffe Resveratrol, Curcumin und Quercetin, über Kakaoflavonoide und Capsaicin.

Tipps für mehr Sirtuine
  • Resveratrol : Diesen sekundären Pflanzenstoff (ein Polyphenol) treffen wir in der Weintraubenschale und mithin auch im Rotwein an. Er soll – neben der mediterranen Kost – erklären, warum Menschen in Frankreich und Sizilien länger leben und dabei statistisch gesehen weniger von Herzinfarkten heimgesucht werden als Menschen im übrigen Europa. Und das trotz Rauchens, fettem Käse und Weißbrot! Resveratrol gilt als Anheizer der Sirtuine, der Anti-Aging-Enzyme. Er wappnet die Traube gegen UV -Strahlung, Gifte, Bakterien, Pilz- und Virusinfektionen – und bietet uns Menschen einen ähnlichen Service. Allerdings ist der hemmungslose Genuss von Rotwein trotzdem nicht das Mittel der Wahl, das darf ich Ihnen von Ihrer Leber ausrichten! Und außerdem gibt es Resveratrol auch noch in anderer Darreichungsform: in Erdnüssen, Himbeeren oder Pflaumen – auch hier offenbar nur in Zusammenwirkung mit den übrigen Pflanzenbestandteilen. In Kapseln abgefüllt gilt es ab 120 mg pro Tag als wirksam. Manche Präparate kann man unter die Zunge legen und entgeht daher der ersten Zersetzung des Stoffs nach der Aufnahme aus dem Magen-Darm-Trakt bei der Leberpassage, sodass mehr im Blutkreislauf ankommt.

  • Natürlich haben wir die Möglichkeit, auch einen kostenlosen Sirtuin-Turbo für Mensch und Tier zu nutzen: die Kalorienreduktion! Hunger macht uns zwar keine Freude, aber jünger! Vor allem intermittierendes Fasten kommt bei den Sirtuinen gut an. Beim Nagetier Maus bewirkt diese Methode ein Anwachsen der Lebenserwartung um bis zu sagenhaften 40 Prozent!

  • Sirtuine lassen sich auch durch Pflanzeninhaltsstoffe dieser Lebensmittel aktivieren: Knoblauch, Cashewkerne, Chilischoten, dunkle Schokolade, Curcuma mit Pfeffer, grüner Tee, Brokkoli, Zitrusfrüchte, Erdnüsse, Äpfel, Trauben, Olivenöl, Sojabohnen und eine Menge mehr.

Vertreiben Sie greise Zombiezellen mit Senolytika

Um die Zombiezellen loszuwerden, forschen Biotechfirmen seit Jahren weltweit an Senolytika. Das sind Wirkstoffe, die in der Lage sind, die Zombies, die nicht mehr an der Zellteilung teilnehmen, zu eliminieren. Im Tierversuch mit Mäusen konnte das Leben der Nager schon um 25 bis 30 Prozent verlängert werden – ein Traum, der sich allerdings nicht eins zu eins auf uns Menschen übertragen lässt … Am Menschen zu testen, birgt noch zu viele unüberschaubare Gefahren, in den nächsten Jahren aber werden sicherlich entsprechende Stoffe auf den Markt kommen. Erfreulicherweise kann man sich bis dahin gut mit sekundären Pflanzenstoffen behelfen.

Sekundäre Pflanzenstoffe

Eine große Gruppe davon sind die Polyphenole (z.B. Flavonoide, Isoflavonoide und Gerbstoffe). Sie helfen der Pflanze, Bestäuber und Samenverbreiter anzulocken, schützen aber auch vor UV -Strahlung und wirken so als Antioxidans. Gerbstoffe finden sich meist in den Wurzeln oder Rinden der Pflanzen (z.B. Eichen), Flavonoide eher in den oberirdischen Pflanzenteilen. Isoflavonoide können als Phytoöstrogene wirken, indem sie körpereigene Östrogene freisetzen, die sonst in einem Eiweißtaxi (SHBG ) gebunden sind. Phytoöstrogene docken an körpereigene Östrogenrezeptoren allenfalls eher schwach an. Jedenfalls werden sie daher gerne als Anti-Aging-Mittel eingesetzt.

In der Sojabohne und im Rotklee sind die Isoflavonoide Genistein und Daidzein enthalten. Equol ist ein Abbauprodukt aus Daidzein. Ein Drittel der Frauen hat das Glück, dass ihnen ihre besondere Darmflora dabei hilft, Equol aus Sojabohnen und deren Produkten effektiv herauszulösen und ihrem Körper zur Verfügung zu stellen; besonders häufig anzutreffen bei Asiatinnen. Bei einem Drittel der Frauen klappt es immerhin noch mäßig, und ein Drittel hat diese Beauty-Darmflora leider genetisch bedingt nicht. Weitere Phytoöstrogene sind neben den Isoflavonen die Lignane (in Leinsamen, Kürbiskernen, Roggen, Nüssen, Erdbeeren, Cranberries, Oliven, Brokkoli) und die Coumestane (in Soja-, Alfalfasprossen, Mungobohnen, Rotklee).

Auch unsere Haut ist mit abgelagerten Pflanzenstoffen versehen, die man beispielsweise von außen mit einem Spektroskop messen kann. Eifrige Pflanzenesser tragen mehr Pflanzenfarbstoff in ihrer Haut. Die in Studien untersuchten Probanden hatten zudem weniger Falten – ein erfreulicher Umstand.

Zwei dieser vielen wertvollen sekundären Pflanzenstoffe gelten explizit als Senolytika: Quercetin, enthalten z.B. in Äpfeln, Zwiebeln, Heidelbeeren und Kapern, und Fisetin aus Erdbeeren, Äpfeln, Trauben, Zwiebeln oder Gurken. Sekundäre Pflanzenstoffe schützen Pflanzen auf vielfältige Weise vor dem Verderb oder vor Fressfeinden. Genialerweise können sie mit ihren antioxidativen, antientzündlichen und vermutlich Antikrebs-Eigenschaften auch uns Menschen unterstützen – schlicht und ergreifend dadurch, dass wir diese Pflanzen oder Früchte einfach aufessen.

»An apple a day …«: Essen Sie mehr Pflanzen!

Veganer und Vegetarier sterben gesünder, leben aber nach aktuellem Stand gleich lang wie Mischköstler. Eine ganze Reihe von Pflanzenstoffen schafft es auf die Anti-Aging-Hitliste!

 

Gewürze: »Spice up your life!«

Obwohl Denken uns physisch nicht sonderlich anstrengt, ist unser Gehirn mit all seinen Zuständigkeiten ein ziemlicher Energiefresser. Bereits in körperlicher Ruhe nimmt es sich 20 Prozent (ein Fünftel!) der Körperenergie, bei Aktivität fordert es deutlich mehr ein. Gute Gründe, bei der alltäglichen Nahrungsaufnahme ein bisschen zuzufüttern, aber nicht etwa durch eine Verdoppelung der üblichen Rationen, sondern durch gezielte Verfeinerung. Und dabei helfen Gewürze.

Gewürze sind meist getrocknete Blüten, Früchte, Knospen, Samen, Rinden, Wurzeln, Wurzelstöcke oder Zwiebeln. Man braucht davon meist nur geringe Mengen. Sie bestechen auch so durch ihre bunten prachtvollen Pflanzenfarben, den betörenden Duft der ätherischen Öle und den individuellen Geschmack, der durch Inhalts- bzw. Wirkstoffe (ganz ähnlich denen von Arzneimitteln) zustande kommt. Gewürze haben eine antioxidative Wirkung auf unseren Körper, sind deshalb bestens geeignet für Anti-Aging und ganz besonders segensreich für unsere Nervenzellen. Sie sind ein echtes (und zulässiges!) Mittel zum Gehirndoping und sollten regelmäßig auf dem Speiseplan stehen, zumal sie auch noch einen grandiosen Geschmack ins Essen zaubern und uns helfen, Salz zu sparen. Bei alldem haben sie definitiv weniger Nebenwirkungen als Medikamente. Sie gehören in die Kategorie der Phytopharmaka (Naturheilkunde) und bestechen mit einer einzigartigen Wirkstoffmischung.

Gewürze überwinden die Blut-Hirn-Schranke (»Zutritt nur für Berechtigte!«), die unser Hirn vor im Blut zirkulierenden Krankheitserregern, Botenstoffen und Toxinen schützt, und haben neben der Ankurbelung unserer sensorischen, motorischen und kognitiven Fähigkeiten (auch als »Neuro-Enhancement« bezeichnet) weitere positive Effekte auf die Gesundheit. Immerhin können sie Blutfette, Insulin und Blutdruck günstig beeinflussen, das Wachstum von Tumoren reduzieren, unser Immunsystem stärken und den Alterungsprozess verlangsamen. Als Multiplayer fangen sie auch Stressreaktionen im Körper ab. »Gehirndoping mit Gewürzen« nennt es die Biologin Sabine Paul in ihrem Buch.

Beim Einkauf empfiehlt es sich, auf Bio-Qualität zu achten, denn die Gewürze sollten auf Schwermetalle geprüft sein. Weil Wechselwirkungen mit Medikamenten möglich sind, sollten diese mit dem Hausarzt oder dem Apotheker erörtert werden.

Ein Soforteffekt von Gewürzen ist ihr Duft, der direkt Emotionen auslösen kann. Daneben erleichtern Gewürze die Aufnahme von Mikronährstoffen aus dem Speisebrei, die dann für die Produktion von Hirnbotenstoffen zur Verfügung stehen. Sie stärken das Darmimmunsystem und peppen unsere Darmflora auf. Besonders empfohlen werden: Chili, Gewürznelke, Ingwer, Knoblauch, Koriander, Kreuzkümmel, Kurkuma, Pfeffer, Safran, Zimt und viele mehr.

Kräuter

Der Begriff Kräuter umfasst frische oder getrocknete Blätter, Blüten, Sprossen bzw. den Stängel einer Pflanze. Sie werden dem Essen großzügiger als Gewürze beigegeben und als Heilkräuter in der Volksmedizin genutzt. Hier ein paar Klassiker:

Oregano (Origanum vulgare): Blätter und Öl enthalten die ätherischen Öle Carvacrol, Thymol, Eugenol und Rosmarinsäure. Oregano wird in medizinischen Dosen bei Atemwegs- und Magen-Darm-Erkrankungen, gegen Darmparasiten sowie als antimikrobielles Mittel verwendet. Daneben weisen viele wissenschaftliche Veröffentlichungen auf eine Wirkung gegen Viren und Pilze hin. Die ätherischen Öle des Oregano entfalten auch eine antioxidative, entzündungshemmende, antidiabetische und krebshemmende Wirkung. Diese Eigenschaften machen ihn besonders interessant für die Lebensmittel-, Kosmetik- und Pharmaindustrie. Vor allem aber ist er super für die gesunde Küche!

Thymian (Thymus vulgaris): noch so ein großartiges Küchenkraut, das die ätherischen Öle p-Cymol, γ-Terpinen, Linalool, Carvacrol und Thymol enthält. Sie wirken in Hustensaft und Mundspülungen bei Schleimhautproblemen. Thymian steigert die Durchblutung und gibt einen angenehmen Atem. Aber auch gegen Mückenstiche kommt er gern zum Einsatz.

Von der Volksmedizin in die wissenschaftliche Medizin: Thymian hilft bei der Wundbehandlung, gegen unerwünschte Erreger und bei der Beeinflussung von Autoimmunerkrankungen. Er hat eine enorme antibakterielle Aktivität und ist eine neue mögliche Quelle für natürliche Antiseptika mit Anwendungen in der Pharma- und Lebensmittelindustrie. Und nicht nur das: Im Labor zeigt sich eine deutliche Wirkung gegen multiresistente Bakterien, die nicht mal mehr durch klassische Antibiotika erwischt werden. Ebenso gegen hartnäckige Biofilme von Hefepilzen wie Candida albicans .

Und richtig faszinierend ist: Das Ungleichgewicht zwischen entzündungsfördernden und entzündungshemmenden Botenstoffen kann eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Multiplen Sklerose und der Autoimmun-Enzephalomyelitis (Entzündung des Gehirns und Rückenmarks) spielen. Im Versuch mit Mäusen hat man die Produktion einiger entzündungshemmender (TGF -β, IL -4 und IL -10 ) und entzündungsfördernder (IFN -γ, IL -6 und IL -17 ) Botenstoffe erkrankter Mäuse gemessen, die dann mit Thymianextrakt behandelt wurden. Die Thymian-Mäuse zeigten darunter weniger klinische Symptome und Gewebeschäden als die Placebo-Mäuse. Außerdem war die Produktion von IFN -γ und IL -6 geringer. Die Produktion von IL -10 und TGF -β ist gestiegen: Die Forschung setzt große Hoffnungen auf die immunmodulierenden Effekte von Thymian bei der Entwicklung neuer Therapien.

Rosmarin (Rosmarinus officinalis L.) ist ein köstliches und weiteres bedeutsames Kraut der Volksmedizin. Zu der wichtigsten Gruppe von Verbindungen, die aus der Pflanze isoliert werden, gehören die phenolischen Diterpene, die für den Großteil der antioxidativen und pharmakologischen Aktivitäten der Pflanze verantwortlich sind. Diese Verbindungen aus Kohlenstoffatomen können den Zelltod von Nervenzellen hemmen, so gegen Demenz wirken und auch sonst unsere kognitiven Leistungen verbessern.

Rosmarin wirkt antimikrobiell gegen komplizierte Biofilme aus Bakterien oder Pilzen, gegen Entzündungen, Kopfschmerzen und Krämpfe. Er wirkt aktivierend und hat einen antidepressiven Effekt, den er über ein Balancieren der Darmflora erreicht. Außerdem werden in wissenschaftlichen Publikationen seine Anti-Aging- und Anti-Krebs-Wirkungen beschrieben. Es kann also gar nicht schaden, so etwas Herrliches wie Rosmarinkartoffeln regelmäßig zu genießen.

Lavendel (Lavandula angustifolia): Er bezaubert durch seine Schönheit und den betörenden Duft! Zahlreiche therapeutische Eigenschaften und biologische Aktivitäten werden ihm aber ebenfalls zugeschrieben. Durch Einnehmen, Inhalieren und Auftragen entfalten sich vor allem die in den Blüten enthaltenen Wirkstoffe: Sie sind krampflösend, antioxidativ, entzündungshemmend und antimikrobiell! Die Wirkbestandteile des ätherischen Öls sind Cineol, Borneol, Kampfer, Linalylacetat und Linalool. Daneben kommen in den Blüten Gerbstoffe und Flavonoide vor.

Auf die Haut aufgetragen, kann Lavendel nicht nur Mücken fernhalten, sondern auch schon erlittene Stiche »beruhigen«. Bei Akne hilft er gegen Schwellungen, Entzündungen und Aknebakterien. Seinen Duft einzuatmen wirkt sich positiv auf Schlaf und Psyche aus. Außerdem gibt es Hinweise, dass Lavendel einen angstlösenden Effekt haben könnte. Die beiden Terpenoid-Bestandteile des ätherischen Lavendelöls, Linalool und Linalylacetat, können in Kombination über die Hemmung spannungsgesteuerter Calciumkanäle die Verringerung der Aktivität von 5 HT 1 A-Rezeptoren und die Erhöhung der Aktivität des Entspannungsnervengeflechts Parasympathikus bewirken und damit angstlösend sein.

Bei längerfristiger Anwendung scheint Lavendel östrogene und antiandrogene Effekte zu haben und soll das prämenstruelle Syndrom (PMS ) lindern.

Achtung: Bei Babys und Kleinkindern können die ätherischen Öle zu Atemnot führen. Auch Asthmatiker und Allergiker sollten Vorsicht walten lassen!

Schachtelhalm (Equisetum): Genutzt wird seine Wirkung vor allem in Tees, zum Durchspülen bei bakteriellen und entzündlichen Erkrankungen der Nieren und Harnwege und zur Ausschwemmung von Ödemen. Die Volksmedizin wendet das Heilkraut auch bei vielen anderen Leiden an, etwa zur Förderung der Wundheilung, zur Unterstützung bei Rheuma und Vorbeugung von Gefäßerkrankungen.

Schachtelhalm enthält viel Kieselsäure. Die liefert Silizium, das sich bei der Wundheilung bewährt, straffes Bindegewebe unterstützt und gut für das Wachstum und die Stärkung der Haare und Nägel ist. Auch die Knochendichte kann Silizium verbessern. Man kann sich seinen Siliziumspiegel im Blut messen lassen. Gerade Personen, die hier unterversorgt sind, profitieren ganz besonders vom Auffüllen des Speichers: Silizium steckt in Vollkorn, Ei und vielen Gemüsen. Eine gewisse Zeit kann man auch mit Nahrungsergänzungsmitteln nachhelfen. Die enthalten dann oft Kieselsäure oder Schachtelhalmextrakt.

Frühlingskräuter-Mischung: Kresse, Schnittlauch, Petersilie, Kerbel, Pimpernelle, Borretsch, Sauerampfer – ein Feuerwerk an Mikronährstoffen aus den Vitaminen A, B16 , C, K, Folsäure, Phosphor, Kalium, Schwefel, Eisen, Mangan, Magnesium, Chlorophyll, Bitterstoffen, Senföl und Gammalinolensäure! Dazu kommen noch die Ballaststoffe – ein toller Booster für Haut, Haare, Nägel, Darm, Immunsystem, Stoffwechsel und Kreislauf.

Man kann aus diesen Kräutern mit saurer Sahne, Joghurt, Quark, Mayonnaise oder Öl, Senf, Zitrone, gehacktem Ei, Salz und Pfeffer eine Soße zubereiten. Das Ei liefert noch Vitamin B12 , Biotin, Vitamin D und E, Jodid, Zink, Selen und weiteres Eiweiß. Die Kräuter für diese superleckere Soße (in Hessen, meiner Heimat, nennt man es »Frankfodder Grie Soß«) findet man als frische Mischung in der Gemüseabteilung. Alles rein in die Küchenmaschine. Rezeptvariationen online. Natürlich kann man kreativ variieren.

Bitterstoffe

Zahl und Vielfalt der pflanzlichen Bitterstoffe sind riesig. Während der bittere Geschmack einiger Chemikalien eindringlich davor warnt, dass sie giftig und nicht zum Verzehr geeignet sind, geht von anderen Verbindungen erwiesenermaßen eine gesundheitsfördernde Wirkung aus. Deshalb sind Bitterstoffe längst Teil der Volksmedizin.

Mit Zunge und Mundschleimhaut nehmen wir über 25 verschiedene Rezeptortypen Bitterstoffe wahr. Zunächst können sie – wie gesagt – den Menschen vor giftigen Speisen schützen. Pflanzen machen sich durch Bitterstoffe besonders unattraktiv für Fressfeinde: »Friss mich nicht, ich bekomme dir nicht!«, lautet die Botschaft.

Bitterstoff-Rezeptoren finden sich überall im Körper, besonders in den glatten Muskelzellen der Verdauungsorgane, der Atemwege oder der Harnblase. Sie verändern immunologische Reaktionen, die Schilddrüsenfunktion und die Aufnahme von Nährstoffen aus dem Darm. Auch in Haut und Gehirn finden sich Bitterstoff-Rezeptoren, allerdings mit noch unklarer Bedeutung.

Viele Pharmazeutika aktivieren Bitterstoff-Rezeptoren, dazu gehören etwa Arzneimittel aus der Traditionellen Chinesischen oder der Ayurvedischen Medizin, aber auch moderne Schmerzmittel, nicht selten die Retter unseres Alltags. Schon Hippokrates (460370 v.Chr.) und Hildegard von Bingen (10981179 ) erkannten die Segnungen bitterer Kräuter. Sie dienen also schon lange zur Vorbeugung von Krankheiten und zur Anregung der Verdauung, etwa indem sie den Speichelfluss steigern. Außerdem regulieren sie das Gewicht, können die Lust auf Süßes und den Appetit im Allgemeinen bremsen und helfen bei der Aufnahme von Vitamin B12 . Bitterstoffe unterstützen demnach eine ganze Reihe gesunder Körperfunktionen, wirken gegen Diabetes und powern den Stoffwechsel und das Immunsystem – wichtige Faktoren beim Anti-Aging!

Leider wurden Bitterstoffe inzwischen aus vielen Lebensmitteln quasi herausgezüchtet, damit sie gefälliger schmecken. Dabei kann man sich gut an Bitterstoffe gewöhnen und sie sogar genießen. Kronzeugen hierfür sind Kaffee-, Grüntee-, Bier- oder Rotweintrinker. Reichlich Bitterstoffe finden sich – oft zusammen mit den löslichen Ballaststoffen, die unser Mikrobiom streicheln – in bitteren Salaten: Radicchio, Chicorée, Endivie und Rucola sind hier die Favoriten. Aber auch Kohlgemüse (Brokkoli, Rosenkohl), Fenchel, Artischocke, grüne Paprika, Radieschen und Spargel punkten mit Bitterstoffen. Ebenso wie zahlreiche Gewürze und Kräuter mit gesundheitsförderlicher Wirkung: Liebstöckel, Majoran, Thymian, Schafgarbe, Wermut, Löwenzahn, Engelwurz, Rosmarin, Estragon, Minze, Kurkuma, Kümmel, Anis, Senfkörner, Kardamom und Ingwer.

Aktivieren Sie die zelleigene Müllabfuhr mit Spermidin!

Spermidin ist ein biogenes Polyamin (Verbindung, die verschiedene Aminogruppen enthält), das in den 1970 er-Jahren erstmals im männlichen Samen nachgewiesen wurde und deshalb diesen stolzen Namen trägt. Es ist eine körpereigene Substanz, die wie eine Art zelluläre Müllabfuhr wirkt und sich einen besonderen Ruf als Leistungsbeschleuniger der Autophagie erworben hat. Bei diesem Recyclingprozess werden fehlgefaltete Proteine, kaputte Mitochondrien und schadhafte Membranbestandteile abgebaut und anderweitig verwertet. Müll, der ansonsten das Zellklima verpesten, die Zelle schwächen und als Energiefresser wirken würde. Sogar unsere Hirnzellen hält das Spermidin fit, auf dass wir uns lange an einem gut funktionierenden Gedächtnis erfreuen können. Nach neueren Erkenntnissen wirkt Spermidin sogar antiviral. Wer gerade kein Sperma zur Hand hat, kann von der Wirkung des Spermidins aber auch auf andere Weise profitieren: Es steckt in reifem Käse, in Kürbiskernen, in Pilzen, Soja oder Weizenkeimen. Auch in Kapselform ist es inzwischen erhältlich, und wer Sport treibt und hin und wieder fastet, kurbelt die eigene Spermidinproduktion an.

Spermidin ist als Nahrungsergänzungsmittel für die Zufuhr höherer Dosen mit Vorsicht zu genießen. Hohe Spermidinspiegel waren laut einer aktuellen Studie mit stärkerer Gehirnalterung und mehr Alzheimer verbunden, obwohl es bis dato eigentlich als Schutz vor Demenz galt. Möglicherweise ist ein hoher Spermidin-Spiegel ein Biomarker für Alzheimer, ohne dass Spermidin dieses jedoch auslösen muss.

Essen Sie mehr Eiweiß!

Neben der Empfehlung »Essen Sie mehr Pflanzen!« gibt es einen weiteren wichtigen Rat: »Essen Sie mehr Eiweiß!« Proteine, am besten 20 bis 30 Gramm pro Mahlzeit, sind enorm wichtig. Wenn das im Alter bei nachlassendem Appetit nicht gewährleistet ist, können spezielle Drinks helfen, das Defizit auszugleichen.

»Ph änomenale Is olde trü bt mit unter Leu tnant Val entins lüs terne Trä ume.« Dies ist ein klassischer Mediziner-Merkspruch, um sich die acht essenziellen Aminosäuren einprägen zu können, also die, die man zwingend mit der Nahrung zu sich nehmen muss, weil der Körper sie nicht in Eigenproduktion herstellen kann, und aus denen alle weiteren Aminosäuren und Proteine in unserem Körper gebildet werden. Sie heißen: Phenlyalanin, Isoleucin, Tryptophan, Methionin, Leucin, Valin, Lysin, Threonin. Zwei weitere Aminosäuren gelten als halb-essenziell, das heißt, der Körper kann sie unter Extrembedingungen wie Krankheit oder schweren Belastungen zwar selbst produzieren, aber nicht in ausreichender Menge: Arginin und Histidin.

Aminosäuren und deren richtige Mischung in unserer Ernährung stehen im Fokus der Sport- und Präventionsmedizin. Wie viel Eiweiß ist gesund und von welchem Eiweiß darf es etwas mehr sein? Insgesamt nutzt der Mensch 21 Aminosäuren, um aus diesen Bausteinen Proteine aufzubauen. Jedes Protein hat dabei eine eigene Abfolge von Aminosäuren, wie Perlenketten mit unterschiedlich gefärbten und geformten Perlen. Diese Ketten werden im Körper zu 3 -D-Strukturen zusammengefaltet und vernetzt.

Protein ist neben Kohlenhydraten und Fett ein Makronährstoff. Proteine sind Baustoffe für Zellen und Gewebe, Enzyme, Hormone, Antikörper, Gerinnungsfaktoren und Transportsubstanzen für Nährstoffe. Nahrungsproteine können zudem Energie bereitstellen: 1 Gramm Protein liefert 4 Kilokalorien. Wussten Sie, dass der Steinzeitmensch am Tag rund 250 Gramm Protein verdrückte? Das berichten Anthropologen über unsere Vorfahren, die Jäger und Sammler. Die heutige Standardempfehlung lautet dagegen nur 45 bis 80 Gramm Eiweiß pro Tag (oder 0 ,8 bis 1 Gramm pro Kilo Körpergewicht). Wer viel Sport treibt, dem gönnt man etwas mehr zum Muskelaufbau, und auch beim Abnehmen sorgt Eiweiß für ein gesteigertes Sättigungsgefühl und einen günstigen Einfluss auf den Blutzuckerspiegel. Von 100 Kalorien Eiweiß verbraucht der Körper gleich wieder 25 bis 30 bei der Verdauung, ein Viertel der Nahrungsenergie verpufft also und schlägt sich nicht in der Wampe nieder, außerdem hemmt es den Jo-Jo-Effekt. Das klingt doch gut!

Evolutionstechnisch ist für unsere Eiweißversorgung wohl definitiv noch Luft nach oben, und es ist ein Mythos, dass eine Überschreitung der modernen Standardempfehlungen eine normal arbeitende Niere überlasten würde. Um mal ein Gefühl für den Eiweißgehalt einzelner Speisen zu bekommen, lohnt ein Blick in die folgende Tabelle:

 

 

Es müssen also nicht unbedingt Eier, Fleisch, Milchprodukte oder Fisch sein, um unsere Proteinversorgung zu steigern.

Ei gilt als Referenz-Eiweiß. Seine Eiweißzusammensetzung liegt bei einer biologischen Wertigkeit von 100 und ist damit vollständig. Das lässt sich weiter steigern, wenn man Ei mit Kartoffeln oder Mais kombiniert. Veganer können stattdessen Getreide, Reis und Pseudogetreide (Quinoa, Amaranth, Buchweizen, Lupine) prima mit Hülsenfrüchten (Linsen, Kichererbsen, weiße Bohnen) und Sojaprodukten (Tofu, Tempeh, Seitan) oder mit Samen und Nüssen arrangieren. Pflanzliche Eiweißlieferanten muss man geschickt kombinieren, das steigert ihre biologische Wertigkeit, also die Verwertbarkeit für unseren Körper! Weitere gute vegane Eiweißquellen sind Brokkoli und Pilze.

Pseudogetreide können alle süß und salzig zubereitet werden, haben eine hohe biologische Eiweißwertigkeit, sind glutenfrei und ein Ersatz für Mehle. Sie eignen sich als Müsli-Flocken oder warme Sättigungsbeilage ähnlich dem Reis und auch dazu, einen Salat aufzupeppen. Flocken einweichen und quellen lassen, Körner kochen. Sie liefern viele lösliche Ballaststoffe zur Darmpflege und reduzieren das Risiko für Zivilisationskrankheiten, etwa Typ-2 -Diabetes. Die enthaltenen Kohlenhydrate sind komplex, haben also einen niedrigen glykämischen Index . Sie liefern wertvolle ungesättigte Fettsäuren und enthalten sehr viele Mineralien wie Silizium, Phosphor, Magnesium, Calcium, Mangan, Eisen, Kupfer, Zink, und Vitamine (B-Gruppe und E).

Gute pflanzliche Lieferanten von Ballaststoffen, Mineralien, Vitaminen, ungesättigten Fettsäuren und Eiweiß sind auch Hirse (glutenfrei), Haferflocken und Haferkleie (glutenfrei), Weizenkleie und Soja (glutenfrei).

Pflanzliche Eiweiße sollten einen hohen Stellenwert haben: Denn ein hoher Konsum tierischer Eiweiße  – mit Joghurt oder Quark zum Frühstück, Pute oder Lachs zum Mittagessen und abends Mozzarella – vervierfachte in einer Studie des Fastenpapstes Dr. Valter Longo das Krebsrisiko bei Menschen im Alter zwischen fünfzig und 65 Jahren. Ein Wert, vergleichbar mit Tabakrauchen. Die tierischen Eiweiße stimulieren nämlich das Gewebewachstum durch die Freisetzung des Wachstumshormons IGF -1 . Eiweiß aus pflanzlichen Quellen löste diesen Effekt dagegen nicht aus. Bei älteren Menschen ab 65 Jahren ändert sich die Lage wieder etwas: Bei ihnen reduzierte tierisches Eiweiß das Sterberisiko und stärkte ihre im Rückzug befindlichen Muskeln.

Heiß diskutiert ist die Frage, ob man über eine ausgewogene Ernährung an alle wichtigen Aminosäuren in den nötigen Mengen herankommt oder ob man zumindest als Sportler oder Kranker eine Extrazufuhr in Form spezieller Eiweiß-Shakes oder Nahrungsergänzungsmittel benötigt. Bei auszehrenden Erkrankungen, vor und nach operativen Eingriffen und in der intensivmedizinischen Betreuung kommen Aminosäuregemische jedenfalls seit Langem als Therapie zum Einsatz. Im Blut messen Ärzte regelmäßig das Gesamteiweiß. Meist liegt es im Normbereich. Doch das heißt nicht unbedingt, dass die Zusammensetzung und Ausstattung mit den essenziellen Aminosäuren ausreichend ist. Das kann daran liegen, dass das Nahrungseiweiß nicht immer die beste biologische Wertigkeit hat, dass zwar viel Protein gegessen wird, aber einzelne wichtige Aminosäuren dennoch fehlen und damit die Proteinbildung limitiert wird. Möglicherweise hindert auch eine gestörte Verdauung die Aufnahme von Aminosäuren über den Darm. Sei es bei einem Mangel an Magensäure oder bei einem nicht optimal zusammengesetzten Darmmikrobiom, das wiederum von der Genetik, der Ernährung, vom Schlaf oder der Medikamenteneinnahme abhängt.

Einige Labore bieten Aminogramme an (leider keine Kassenleistung). Das ist in gewissem Sinne nur eine Momentaufnahme, die den aktuellen Versorgungszustand widerspiegelt. Denn die Spiegel der Aminosäuren unterliegen einem ständigen Auf und Ab. Wenn die Blutentnahme nüchtern erfolgt, bildet ein Aminogramm die Versorgungslage des Körpers dennoch ganz gut ab: Wo der Organismus eine Unterversorgung aufweist, ist darin deutlich und stabil zu sehen. Füllt man die Mängel gezielt auf, beobachtet man mitunter erstaunliche gesundheitliche Effekte.

In der folgenden Tabelle finden Sie eine Auswahl interessanter, häufig verminderter Aminosäuren, welche Effekte sie haben und wo sie drinstecken:

 

 

Die Arbeit unseres Stoffwechsels für den Schutz unseres Körpers und die Reparatur von Stoffwechselschäden ist ein lebenslanger Rund-um-die-Uhr-Betrieb. Natürlich flutscht dieser Prozess nur, wenn dafür die Materiallager unseres Körpers jederzeit gut gefüllt sind. Kommt es nur an einer Stelle zu Engpässen, bremsen die das System aus wie ein rostiges Zahnrad eine ansonsten gut funktionierende Schweizer Taschenuhr. Da uns unser Blutlabor trotz voller Teller, bewusster Ernährung und gesündester Lebensweise manchmal auf Mängel im inneren Großbetrieb hinweist, kann es sinnvoll sein, mit Nahrungsergänzungsmitteln nachzuhelfen. Sehr viele haben messbar zu wenig Vitamin D3 , Omega-3 -Fettsäuren, Selen oder B-Vitamine, weshalb hier Supplemente angeraten sein können. Doch nicht selten fehlt auch noch mehr …

Nahrungsergänzungsmittel & ihre Wirkstoffe

Die Verabreichung von Nahrungsergänzungsmitteln ist ein großes und umstrittenes Thema. Es gibt keine eindeutigen großen Studien, die den Nutzen pauschal belegen würden. Ein Teil der Ärzteschaft lehnt daher Nahrungsergänzungsmittel komplett ab. Der andere Teil empfiehlt diese in der Regel, nutzt sie selber und sieht großartige Behandlungserfolge. Vor der Einnahme der meisten Nahrungsergänzungsmittel sollte ein Bluttest erfolgen, um festzustellen, ob, und wenn ja, wo Mängel vorliegen. Sie können dann helfen, das Defizit auszugleichen, wenn dies nicht allein über eine angepasste Ernährung gelingt.

Nahrungsergänzungsmittel

Gerade in der Dermatologie sind erstaunliche und zügig sichtbare Effekte auf Haut, Haare und Nagel-Gesundheit zu beobachten, wenn entsprechend aufgefüllt wird. Hier existiert auch eine Flut an Publikationen. Doch große Mengen an Nahrungsergänzungsmitteln, die nach dem Gießkannenprinzip ungezielt angewendet werden, können selbstverständlich auch schaden. Die fettlöslichen Vitamine E-D-K-A können sich im Körper anreichern. Zu viel Vitamine mit antioxidativer Wirkung können die Selbstheilungskräfte und die Freisetzung körpereigener Antioxidantien blockieren. Dies wurde beispielsweise in der Sportmedizin beobachtet. Ein Trainingseffekt blieb aus, wenn Nahrungsergänzungsmittel mit Antioxidantien hoch dosiert verabreicht wurden. Und sogar das so wichtige Vitamin B12 kann einerseits zu Akne führen und andererseits in übermäßiger Menge vermutlich sogar Krebszellen zum Wachstum animieren und das Risiko etwa für Lungen- oder Prostatakrebs erhöhen. Meine Empfehlung als täglich in der Praxis stehende Ärztin: Wenn messbare Mängel im Blut vorhanden sind, sollten diese gezielt ausgeglichen werden. Eine Dauertherapie oder eine Kur-Gabe kann sinnvoll sein. Nahrungsergänzungsmittel ersetzen keine ausgewogene pflanzenbetonte Ernährung, die farbenfroh, gern regional, saisonal und industriell nicht zu weit verarbeitet ist. Supplemente können sinnvoll sein bei Babys, in der Jugend, bei Kinderwunsch, in der Schwangerschaft und Stillzeit, bei Krankheit, nach Operationen, bei regelmäßiger Medikamenteneinnahme, im Zusammenhang mit einer Krebstherapie oder danach, im Alter, im Leistungssport, bei Stress, Infektanfälligkeit, Rauchern, regelmäßigem Alkoholkonsum, wenn man nicht immer auf seine fünf Portionen Obst und Gemüse täglich kommt. Besonders interessant ist die Gabe von Nahrungsergänzungsmitteln nach chronobiologischem Rhythmus. Morgens die aktivierenden Stoffe, zum Abend oder zur Nacht die regenerativen.

Es kann sinnvoll sein, manche Mikronähstoffe in Kombination zu nehmen, da sie einander brauchen. Da auch Nahrungsergänzungsmittel Neben- und Wechselwirkungen mit Medikamenten haben können, ist eine medizinische Beratung empfehlenswert.

Die folgende Tabelle zeigt einen Überblick über im Anti-Aging häufiger genutzte Supplemente: