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Laila
M ein Herz raste, während ich Grays Haar fertig schnitt. Ich veränderte nicht viel. Er brauchte es nicht. Sein schokoladenbraunes Haar war sexy, wie er es trug. So locker und durcheinander. Er sah so aus, als ob er soeben erst aus dem Bett gerollt wäre und nur seine Finger durchgezogen hätte und das kreierte die besten mentalen Visionen in meinem Kopf.
Dieser Mann fühlte sich scheinbar ungezwungener bei mir, denn er nahm sich hier und da Kleinigkeiten wie leichte Berührungen heraus. Es lenkte ab und er hätte beinahe ein Ohr verloren, als er seine Hand vorgestreckt und nur leicht über meine Hüfte gestreichelt hatte. Diese einzige Berührung ließ mich regelrecht vor Verlangen ertrinken. Ich konnte mich nicht daran erinnern, jemals einen Mann so sehr gewollt zu haben. Schon alleine die Art, wie er mich im Spiegel ansah, während ich sein Haar schnitt. Das reichte aus, dass ich mich am liebsten nackt ausgezogen hätte, um einladend meinen Hintern vor ihm wackeln zu lassen, damit er mich von hinten bestieg und meine Sinne aus mir herausvögelte.
Ich war geschockt, dass er mich gefunden hatte. Und sogar noch mehr schockiert, dass er mir Wolf-Stunden angeboten hatte. Ich war mir nicht hundertprozentig sicher, ob das nicht vielleicht nur ein Trick war, um mit mir allein zu sein und mich dann zu verführen. Aber falls es so war, dann ging ich wissentlich darauf ein. Und der Fragebogen? Ich hatte ihn zerrissen, sobald ich gestern Nacht nach Hause gekommen war. Gray hatte gesagt, dass er keine Gefährtin wollte. Das war die Rechtfertigung, die ich mir selbst eingeredet hatte, als ich die Papierfetzen in den Müll warf. Na gut, in Wahrheit wollte ich mir bei dem Gedanken von ihm mit einer anderen Frau die Haare ausreißen. Aber das brauchte er nicht zu wissen.
Mein nächster Kunde wartete schon und Gray war saubergepinselt und fertig zu gehen, doch er blieb neben meinem Stuhl stehen. Seine Augen glühten förmlich als er seinen Blick in mich hineinbohrte und ich hätte blind sein müssen, um die Beule in seiner Hose zu übersehen.
„Also heute Abend, dann?“
„Heute Abend geht es nicht. Ich muss zuerst Parkers Kinderzimmer für sie fertigmachen.“
„Dann helfe ich dir dabei.“ Er trat einen Schritt näher und ich konnte Pfefferminze in seinem Atem riechen. „Lass mich dir helfen.“
Ich schluckte und nickte. „Ähm, okay. Ich werde dir die Adresse aufschreiben.“
Er klopfte sich an die Nase und grinste mich an. „Ich werde dich finden.“
Ich nickte und hielt den Atem an, während ich zusah, wie er den Salon verließ. Ich hätte schwören können, dass meine weiblichen Geschlechtsteile im selben Rhythmus wie seine Schritte pulsierten. Ich wischte mir mit meiner Hand über meine Stirn und fächelte mir etwas Luft zu, bevor ich mich zu October umdrehte.
Sie starrte mich mit einem schockierten Gesichtsausdruck an. „Er will von deinem Kronleuchter baumeln. Nackt.“
„Oh, er will mehr als das. Ich wette, dass dieser Mann im Schlafzimmer ein wildes Tier ist. Er wird sich bestimmt Dinge einfallen lassen, die er mit ihr tun will, von denen wir noch nicht einmal gehört haben.“ Jammie zog einen alten Kirchenfächer aus ihrer Station hervor und fächelte sich nun selbst frische Luft zu. „Habt ihr die riesige Beule in seiner Hose gesehen?“
Kitty schob den Haartrockner über den Kopf ihrer Kundin und schmatzte mit ihren Lippen. „Als ob wir das übersehen könnten!“
Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen und schüttelte meinen Kopf. „Zu viel. Das ist viel zu viel.“
„Ich bin mir ziemlich sicher, dass er vorhat dich heute Nacht mit seinem magischen, fleischigen Zauberstab verhexen will.“ October schüttelte ihren Kopf. „Das ist so unfair. Er hat uns nicht einmal angesehen. Ich will auch einen heißen Typen in meinem Stuhl sitzen haben, dem eine Latte wächst.“
Margie wedelte ihren Finger in Richtung der jungen Frau. „Vorsicht mit dem, was du dir wünschst. Der alte Joe Hill hatte letzte Woche einen Steifen in meinem Stuhl.“
„Ekelhaft. Ich sagte heißer Typ.“
Kitty lachte. „Der alte Joe Hill war einmal ein junger Joe Hill und – oooh, Gott – der war sehr heiß.“
„Was ist mit ihm passiert?“
„Er hat die alte Schrapnelle, seine Exfrau, geheiratet. Die ist so fies, dass sie das Heiße aus einem Inferno wegmotzen kann.“
Ich lachte, froh darüber, dass sie die Aufmerksamkeit von mir abgelenkt hatten. Ich musste mich ohnehin auf andere Dinge konzentrieren. Wie zum Beispiel meine nächste Kundin. Und ob ich wirklich Gray Lowes Magie erleben würde oder nicht.
Bis meine Schicht zu Ende war und ich mich auf dem Weg zu Parkers Haus machen musste war ich ein nervliches Wrack. Ich hatte mir den Rest des Tages meinen Kopf darüber zerbrochen, was Grays wirkliche Gründe waren, dass er angeboten hatte mir mit dem Kinderzimmer zu helfen. Vielleicht war Gray ein Flirt und hasste ganz einfach die Idee, dass Parker ihn verkuppeln wollte. Vielleicht wollte er mich überhaupt nicht. Vielleicht war er ein Alien und er würde mich ins Weltall hinaufbeamen, wenn er mich in Parkers Haus traf. Falls Letzteres wahr sein sollte, dann hoffte ich zumindest, dass ich wenigstens zuerst das Kinderzimmer fertigstellen durfte. Parker würde am nächsten Tag nach Hause kommen und ich wollte, dass Baby Stella zur Begrüßung das allerbeste Kinderzimmer aller Zeiten erwartete.
Die Möglichkeit, dass Gray mich genauso sehr wollte, wie ich ihn, war erschreckend. Es lag eine Ewigkeit zurück, seit ich das letzte Mal mit jemandem geschlafen hatte. Es war schon so lange her, dass ich mich nicht einmal daran erinnern konnte, wie das ablief. Nicht der Akt selbst. Den anatomischen Teil verstand ich gut genug, aber der Teil, wo man verlegen neben jemandem stand – bis hin zu der Befürchtung, dass man vielleicht schlechten Atem haben könnte – bis hin zu dem Augenblick, wo jemand seine Körperflüssigkeiten in deine Körperöffnung ausschüttete … Himmel, ich war ein Wrack. Mein Gehirn war Pudding.
Die Kommentare meiner Arbeitskolleginnen halfen auch nicht gerade. In dem mit Frauen vollgestopften Salon hatte es eine ganze Menge schmutziger Gespräche gegeben. Alles war angesprochen worden: von Penisgröße bis hin zu Verbesserungsmitteln und Spielzeugen und Gleitmittel-Geschmacksrichtungen. Unglücklicherweise hatte ich hören müssen, wie sehr Margie Gleitmittel mit Wassermelonengeschmack bevorzugte. Natürlich auf Wasserbasis. Jetzt musste ich mir schleunigst überlegen, wie ich das schnellstens wieder vergessen konnte.
Auf dem halbem Weg zu Parkers Haus war ich beinahe davon überzeugt, dass Stella auch ohne ein perfektes Kinderzimmer zurecht kommen würde. Dass okay war, wenn ich es nicht fertigstellen würde. Sie würde ja eh nicht dort schlafen. Parker hatte bereits angedeutet, dass sie das Baby in den ersten Wochen direkt neben ihrem Bett in einem Korbkinderwagen schlafen legen würde. Doch bevor ich mich umdrehen und mich vor der Aufgabe drücken konnte, war ich bereits dort.
Ich ging ins Haus und wickelte mir eine Schürze über mein Kleid, um ein paar Stellen mit Farbe auszubessern. Während der ganzen Zeit lauschte ich auf ein Geräusch von Gray, doch es überraschte mich trotzdem, als ich das Rumpeln seines alten Pickups in der Einfahrt hörte. Ich schaute aus dem Fenster und ging dann zur Eingangstür, von wo ich ihn dabei beobachtete, wie er ausstieg.
Er war ein Anblick von purer Perfektion, in seinen gut sitzenden Jeans und all den Muskeln, dass mir das Wasser im Mund zusammenlief. Er stieg aus und sein Blick fiel auf mich. Sein Mundwinkel hob sich und sogleich wurde das Grübchen auf seiner Wange wieder sichtbar. Er verschwendete keine Zeit und kam sofort die Treppe hinauf. Mit einer Hand auf der Reling nahm er gleich zwei Stufen auf einmal und hielt erst an, als wir uns auf gleicher Augenhöhe befanden. Immer noch ein paar Stufen unter mir ließ er seinen Blick über meinen Körper wandern.
„Ich hätte nicht gedacht, dass man dieses Kleid noch verbessern könnte.“ Sein Finger hob leicht die Vorderseite meiner Schürze hoch. „Da lag ich wohl falsch. Wer hätte das gedacht?“
Ich rollte mit meinen Augen und tat so, als ob mich seine Worte nicht im Geringsten berührten. „Komm rein. Ich habe einen Job für dich.“
Er folgte mir ins Innere, schloss die Tür hinter sich und schloss sie ab. Als er sah, dass ich meine Augenbrauen hochzog, zuckte er mit den Schultern. „Gewohnheit.“
„Vom Dasein als Geheimagent?“
Er verzog sein Gesicht, während wir zu Stellas Zimmer gingen. „Dieser Farbgestank macht dir nichts aus?“
Ich zuckte mit den Achseln. „Es ist nur Farbe. Ich bin den ganzen Tag von Chemikalien umgeben. Das hier ist gar nichts.“
„Wer hat dir erzählt, dass ich ein Geheimagent war?“
Ich zeigte auf einen Haufen Holzteile auf dem Boden. „Wer nicht, wäre eine bessere Frage. Du bist das Gesprächsthema Nr.1 in dieser Stadt, Mr. Lowe. Okay, bist du gut im Dinge-Zusammenbauen?“
Ich dachte, dass ich mich soweit ziemlich gut unter Kontrolle hatte. Meine Hände zitterten nicht mehr so stark wie vorher und bis jetzt hatte ich noch nichts Peinliches gesagt. Doch als Gray sich an mir vorbeischob und seine Hand im Vorbeigehen über meine Taille gleiten ließ, war ich sofort wieder weich wie Butter.
„Ich bin gut in vielen Dingen, kleiner Wolf.“
Ich leckte mir über meine Lippen und beobachtete, wie er sich vor den Holzhaufen von Möbelteilen hinkniete. Seine Jeans wurden straff und mir lief wieder das Wasser im Mund zusammen. Ich musste mich dringend mit irgendetwas beschäftigen, das nichts mit Gray Lowe zu tun hatte. Ich wandte mich an einen separaten Stapel Möbelteile und ließ mich ebenfalls davor auf meine Knie sinken. Ich stöhnte. „Parker hat wirklich alles bis zur letzten Minute liegen lassen.“
„Ich kann nicht sagen, dass ich deswegen unglücklich bin.“
Ich blickte über meine Schulter und sah, dass Grays Augen auf meinen Hintern gerichtet waren und in einem leuchtenden Gelb glühten. Seine Zähne schienen sich ebenfalls zu verlängern. Ich schluckte laut und wandte mich wieder meinem Holzstapel zu. Ich konnte keinen Sex mit ihm in Stellas Kinderzimmer haben. Das war unangebracht. Oder nicht? Ich zitterte leicht, während ich mein Haargummi von meinem Handgelenk rollte und mir dann meine Haare zu einem Knoten zusammendrehte. Dann schüttelte ich die Aufbauanleitung von was-auch-immer ich hier zusammenbauen sollte aus. Ich musste mich einfach nur konzentrieren. Es gab schließlich kein Gesetz, das besagte, dass ich mich Grays hitzigen Blicken, die er mir zuwarf, hingeben musste.