12
Gray
D anke? Es war großartig?“ Ich starrte auf die Reihe Computer-Screens vor mir und schüttelte meinen Kopf, während ich die Worte zu mir selbst wiederholte.
Serge erschien in der Tür meines neuen Büros und zog seine Augenbrauen hoch. „Mann, ich mach mir langsam Sorgen um dich, Bruder. Was ist das – führst du jetzt auch noch Selbstgespräche?“
Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück und verschränkte meine Arme vor der Brust, während ich über seine Schulter nach draußen starrte. „Hat man dir je für Sex gedankt?“
Sein schallendes Gelächter war nervig. Aber mein finsterer Gesichtsausdruck stoppte ihn nicht. „Was? So wie Rums-Bums-Dankeschön?“
Ich schob mir knurrend meine Hände durch mein nun kürzeres Haar. Haar, das erst einen Tag zuvor Lailas delikate Finger in sich gehabt hatte. Sie war alles woran ich denken konnte – ihr Duft, ihr Geschmack, ihre unglaubliche Schönheit, und wie sie meinen Namen geschrien hatte, als sie kam.
„Was ist los, Mann?“
Ich schüttelte meinen Kopf. Mit einem Mal war mir das Bedürfnis vergangen, um meine Intimitäten zwischen mir und Laila mit Serge oder irgendjemand anderem zu besprechen. Der Gedanke, dass er sich meine Gefährtin in irgendeiner Art von sexueller Aktivität vorstellen könnte, ließ meinen Wolf geradezu durchdrehen und ich packte meinen Stuhl so fest, dass eine der Armlehnen knackte. Ich knurrte und stand auf.
Mein Wolf wollte mich von innen zerfleischen, versuchte vorzubrechen, damit er seine Gefährtin markieren und für sich beanspruchen konnte. Oder wenigstens, um aus diesem einengenden Büro wegzukommen und zu rennen. Er fühlte sich gefangen. Verdammt, ich fühlte mich gefangen. Ich wollte Laila nicht erschrecken, indem ich mich ihr zu sehr aufdrängte, aber der Sex letzte Nacht war praktisch wie ein Unfall mit Fahrerflucht gewesen.
Wer auch immer das Gerücht in die Welt gesetzt hatte, dass Frauen nach dem Sex gern kuschelten, hatte sicher nicht von Laila und mir gesprochen. Dabei hätte ich nichts lieber getan, als sie in meinen Armen zu halten, sie die ganze Nacht an mich zu drücken und vielleicht noch ein paar Male vor dem Morgengrauen mit ihr zu schlafen. Aber sie war diejenige gewesen, die nicht schnell genug zur Tür rausrennen konnte.
Mein Wolf sehnte sich ebenfalls danach, sich mit seiner Wolf-Gefährtin zu vereinen. Er hatte sie in der Nacht zuvor in Lailas Augen aufblitzen sehen, das wunderschöne silbrige Glühen, das so hell war, dass es einen hypnotisierte.
„Das ist keine echte Antwort.“
Ich schob erneut meine Hände durch mein Haar und ließ mich wieder auf meinen Stuhl fallen. „Frauenkram.“
Serge schnaubte. „Meinst du das sprichwörtlich oder sarkastisch?“
„Ich meine damit, dass es um eine Frau geht, Arschloch.“
„Was höre ich da? Frauenprobleme? Braucht ihr Rat? Das ist genau meine Expertise!“ Parker erschien in der Tür hinter Serge und erschreckte uns beide.
Wie sie es geschafft hatte, sich unbemerkt an zwei Apexprädatoren anzuschleichen, war mir vollkommen schleierhaft – besonders mit einem Neugeborenen im Arm. Ich sprang auf, fühlte mich plötzlich verlegen, wie ein Kind, das beim Plätzchenstehlen ertappt worden war. Nur dass das metaphorische Plätzchen in diesem Fall ihre beste Freundin war.
„Hey, Parker. Oh oh, gib mir sofort das Baby.“ Serge streckte bereits mit überdeutlicher Begeisterung seine Arme nach dem Neugeborenen aus.
Parkers Augen schimmerten mit Tränen, als sie stolz ihre winzige Tochter in Serges massive Arme legte. „Sorry, das sind die Hormone. Ich fange ohne Vorwarnung an zu heulen. Sie ist einfach zu perfekt, nicht wahr?“
„Oh ja, das ist sie.“ Serge hielt das Baby, als würde sie aus Zuckerwatte bestehen, während er sie hin und her schaukelte und auf sie hinablächelte. „Hallo, kleine Stella. Ich bin dein Onkel Serge. Oh ja, ich werde dich so verwöhnen, wie es kein anderes Kind auf dieser verdammten Welt ist.“
„Hey! Kein Fluchen vor dem Baby.“ Parker stemmte ihre Hände etwa zur gleichen Zeit auf ihre Hüfte, als Maxim hinter ihr auftauchte und seine Arme um sie schlang. „Sie wird genug Zeit haben, all diese Worte selbst zu lernen.“
Dann wandte Parker ihre Aufmerksam mir zu und sie zog ihre Augenbrauen hoch. „Ich habe gehört, dass ich dir zu danken habe, dass du Laila mit dem Fertigstellen des Kinderzimmers geholfen hast.“
Ich stand auf. „Sie hat das erwähnt? Was hat sie über mich gesagt?“
Parkers Augen leuchteten auf und mir wurde klar, dass ich mit Vollgas in ihre Falle gelaufen war. Ich war ein ehemaliger Geheimagent, der sich von einem Spielchen hatte überrumpeln lassen, das ein pickeliger Teenager mit Leichtigkeit vorausgesehen hätte.
„Sieh mal einer an!“ Parker hatte ein selbstgefälliges Grinsen aufgesetzt. „Sie hat nicht viel gesagt. Warum, ist da mehr?“
Maxim lachte. „Versuche erst gar nicht, irgendetwas vor ihr zu verheimlichen, Mann. Sie ist ein Bluthund im Hasenkostüm. Außerdem roch unser ganzes Haus nach Hund, als wir heute Morgen zurückkamen.“
Ich knurrte ihn an. Laila roch nicht wie ein Hund.
Bevor ich ihm meine Meinung sagen konnte, kam Parker mir bereits zuvor. „Das ist meine beste Freundin, von der du da sprichst.“
Maxim hielt ergeben seine Hände hoch. „Ich meinte das nicht als Beleidigung. Eisbären haben halt einen ausgezeichneten Geruchssinn, das ist alles.“
„Ich werde diesen süßen Fratz Hannah zeigen.“ Als Serge aus dem Büro ging, murmelte er zu sich selbst, dass er seine Gefährtin schwängern wollte, damit Stella eine Spielkameradin hatte.
Maxim sah hin und hergerissen aus, unsicher darüber, ob er bei seiner Gefährtin bleiben oder seiner Tochter folgen sollte. Parker rollte nur mit den Augen und schob ihn von sich weg. „Na geh schon, geh mit Stella. Ich weiß, dass es dir schwerfällt sie aus deinen Augen zu lassen. Ich muss mich eh mit Gray über die Info für meine Webseite unterhalten.“
Ich wartete, bis Maxim gegangen war, bevor ich meinen Kopf schüttelte. „Ich werde mich nicht an deinem Verkupplungs-Versuch beteiligen, Parker.“
„Das habe ich mir schon gedacht.“ Sie grinste. „Und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich weiß warum. Verrate mir, Gray, warum ein Top-Secret Super-Geheimagent wie du jemandem, der praktisch ein vollkommener Fremder ist, seine Hilfe anbietet, um ein Kinderzimmer zu renovieren?“
Ich lehnte mich an meinen Schreibtisch, nun etwas besser auf ihre Befragung vorbereitet. „Maxim ist kein Fremder. Wir sind Arbeitskollegen.“
„Netter Versuch. Probier es noch einmal.“ Sie verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust und neigte ihren Kopf zur Seite. „Ich habe genug Zeit, um zu warten, bis du mir die Wahrheit erzählst.“
Ich zuckte mit den Schultern. „Das ist die Wahrheit.“
Sie schüttelte ihren Kopf. „Nein, das ist es nicht. Verrate mir, warum du Laila geholfen hast. Hat das etwas damit zu tun, warum du den Fragebogen nicht ausfüllen willst?“
Serge kam in genau diesem Moment mit einem breiten Grinsen zurück. „Moment mal. Ist Laila die Frau, warum du so durcheinander bist?“
Maxim erschien und machte beruhigende Geräusche für seine winzige Tochter, die perfekt in seiner dicken muskulösen Armbeuge lag. „Was ist mit Laila?“
„Wollten Serge und du nicht irgendwo hingehen?“, knurrte ich.
„Hannah ist am Telefon, internationaler Anruf mit ihrer Großmutter.“
Parker räusperte sich. „Bevor ihr zwei euch in unser Gespräch einmischt und das Thema ändert – ich war gerade kurz davor, der Sache auf den Grund zu gehen.“
Ich schüttelte meinen Kopf und presste meine Lippen fest aufeinander.
„Komm schon, Gray. Spuck es aus. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. In ein paar Minuten muss ich meine Tochter füttern. Wenn du also nicht willst, dass ich hier vor dir eine Titte heraushole, damit ihr alle zuschauen könnt, brauche ich eine Antwort – und zwar Pronto!“
Maxims Knurren vibrierte durch das gesamte Büro und erschreckte Stella, dass sie mit ihren kleinen Fäustchen wedelte. „Mach schon, bevor ich jeden hier umbringe.“
Parker murmelte etwas zwischen zusammengebissenen Zähnen, dass es eine vollkommen natürliche Sache sei, wenn eine Mutter ihrem Baby die Brust gab, um es zu füttern, und dass er daraus nicht etwas Sexuelles machen sollte, aber selbst sie wusste, dass sie nichts sagen konnte, um ihn zu beruhigen. Hey – von Alpha-Mann zu Alpha-Mann – ich konnte das nachvollziehen.
Ich rollte meine Augen und ließ mich erneut auf meinen Stuhl sinken. „Ich habe ganz einfach kein Interesse an einer Gefährten-Partnersuche, okay?“
„Weil du bereits deine Gefährtin gefunden hast und sie ist jemand, dessen Name wir nicht laut aussprechen dürfen, aber rein zufällig – oh, keine Ahnung – vielleicht meine beste Freundin sein könnte?!“
Ich starrte die fingerhut-große Hasen-Shifterin an, mit ihrem lilafarbenen Haar, ihren Tattoos und Gesichtspiercings, und ich hätte am liebsten einen Scherz darüber gemacht, wie sich in der Geschichte der Evolution meine Art ein Häschen ihrer Art als Snack gegönnt hätte. Allerdings war es auch offensichtlich, dass Maxim derzeit in Alpha-Bär Beschützerlaune war, über seinen beiden Mädels wachte und nur darauf wartete irgendjemanden oder irgendetwas bei der kleinsten Andeutung einer Drohung in der Luft zu zerreißen. Er würde einen Scherz darüber, dass einer von ihnen gefressen werden könnte, mit Sicherheit nicht einfach so von sich abrollen lassen.
„Schämst du dich ihretwegen? Hast du vor sie abzulehnen oder so was in der Art? Warum sonst würdest du sie nicht beanspruchen?“
Parker zog herausfordernd ihre gepiercte Augenbraue hoch, als sie Stella von Maxim entgegennahm und sie sanft hin und her schaukelte. Dabei unterbrach sie unseren Augenkontakt nicht. Sie wollte mich dazu bringen diesen Kommentar so stehen zu lassen. Reizte mich, wollte mir das unterstellen.
Ich knurrte und brach die andere Armlehne von meinem Stuhl. „Schämen? Fuck! Nein! Ich schäme mich nicht für Laila. Ich würde sie niemals ablehnen, sie ist großartig. Sie ist schlau und liebevoll und wunderschön. Und ja, sie ist meine Gefährtin.“
Der kleine Hase kreischte schrill auf, was ihr Baby erschreckte, doch sie reichte Stella einfach wieder an Maxim und stürzte sich auf mich, um mich fest zu umarmen. „Ich wusste es!“
Maxim ließ ein niedriges Knurren hören und ich verstand seinen Hinweis laut und deutlich. Es war eine Warnung – falls ich seine Gefährtin ebenfalls umarmen sollte, wäre ich erledigt. Parker rollte nur mit ihren Augen und umfasste meine Wange. „Sie ist wunderbar, nicht wahr?“
Ich konnte mir ein Lächeln nicht unterdrücken und nickte. Jawohl, Laila war all das und noch so viel mehr. „Parker, es gibt da ein Problem. Sie scheint es nicht zu wissen. Ihr Wolf …“
Die Freude verblasste in Parkers Gesicht, als sie anfing zu verstehen und sie trat zurück. „Vielleicht zeigt sich ihr Wolf, wenn wir ihn herauslocken. Mit etwas Hilfe von einem geduldigen Gefährten. Laila hat bestimmt Angst und ihr Wolf ist mit Sicherheit verängstigt. Irgendetwas ist passiert. Etwas, das ihren Wolf sehr verletzt hat. Du musst sie nur davon überzeugen, dass das okay ist, und dass es sicher ist hervorzukommen.“
„Jemand hat sie verletzt?“ Mit einem Mal wurde ich von einer gewaltigen Rage überrollt. Mein Blickfeld blitzte rot auf und das Nackenfell meines Wolfes sträubte sich. Niemand sollte es wagen unsere Gefährtin anzufassen. Nicht jetzt. Und niemals wieder.
Parker schüttelte ihren Kopf. „Das ist nicht etwas, das du von mir hören solltest. Gehe einfach vorsichtig mit ihrem Wolf um – mit ihr .“ Sie lächelte, doch ihr Blick war eiskalt. „Wenn du meiner besten Freundin wehtust, werde ich dir verdammt nochmal zeigen, warum Wolf-Shifter sich nicht mehr länger mit Hasen-Shiftern anlegen.“
„Kein Fluchen!“, schimpfte Maxim. „Aber ich stimme ihr dabei zu.“