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D er Gebetsruf ertönte auf einem fernen Minarett. Cooper stieß die Drehtür auf und betrat die Lobby des Hotels. Im blanken Marmorboden funkelte das Spiegelbild des Kronleuchters, der unter der Decke hing. Cooper war todmüde und freute sich auf sein Zimmer. Zwei andere Mitglieder der britischen Delegation entdeckten ihn und winkten, er solle noch ein Glas mit ihnen trinken. Er schüttelte den Kopf und deutete auf den Lift, achselzuckend und mit nachsichtheischendem Lächeln.

Die Aufzugtür wollte sich schließen. Cooper beeilte sich; er wollte hier nicht hängen bleiben, solange noch so viele Delegierte unterwegs waren. Er schob sich in den Türspalt, und ruckartig öffnete sich die Tür wieder. Er drückte auf den Knopf für den fünften Stock. Die Tür wollte sich wieder schließen, als Cooper drei Männer sah, die zielstrebig auf ihn zukamen. Der Vordere — über eins achtzig groß und von kräftiger Statur — hielt die Tür auf, sodass alle drei zu Cooper in den Fahrstuhl kommen konnten.

»Guten Abend«, sagte Cooper mit ausreichend schwerer Zunge.

Der Jüngste der drei starrte ihn an, und Cooper überwand die Versuchung, zurückzustarren. Er war schließlich nur ein Delegierter, jemand, der mit Vergnügen über die Zahlen in einem Bericht diskutierte, aber auf keinen Fall Fremde im Aufzug anstarrte. Er schaute zu Boden, zog sich in eine Ecke zurück und benutzte die verspiegelte Wand, um die drei zu beobachten, ohne dass sie es bemerkten. Der, den er für den Chef hielt — der Große —, trug einen schlichten schwarzen Anzug und ein weißes Hemd. Sein Haar war kurzgeschnitten, und ein dichter Bart bedeckte die untere Hälfte seines Gesichts. Cooper sah Narben hinter den Ohren, die auf kosmetische Operationen schließen ließen; die breiten Schultern wirkten kraftvoll. Der zweite Mann war ähnlich athletisch, aber schmaler, vielleicht zehn Jahre jünger und glattrasiert. Der Dritte war der Älteste von den dreien; er war zwischen fünfundfünfzig und sechzig, hatte schütteres Haar und einen Bauch, und er trug eine weiche Ledertasche, wie man sie bei Ärzten sah.

Coopers Aufmerksamkeit kehrte unwillkürlich zu dem großen Mann zurück.

Ihm war unbehaglich, und er wusste nicht, warum.

Der Mann kam ihm bekannt vor.

Der Aufzug fuhr am zweiten Stock vorbei. Ein Telefon signalisierte eine neue Nachricht; der große Mann schob die Hand in die Tasche und zog es heraus, tippte auf das Display und wischte mit der Fingerspitze, um durch die Message zu scrollen.

»Wir müssen noch mal raus.«

Er sprach Arabisch mit unverkennbarem Saudi-Akzent. Der jüngere Mann murmelte etwas mit zusammengebissenen Zähnen.

Der Große runzelte die Stirn. »Was?«

»Im Ernst? Wir waren den ganzen Tag auf der Straße.«

»Und?«

»Was gibt es denn jetzt? Einen neuen Hinweis?« Der Jüngere ließ die Schultern hängen. »Die sind hoffnungslos. Sie raten doch nur.«

Der große Mann drehte den Kopf zur Seite und deutete mit einem kurzen Nicken auf Cooper. »Wollen wir darüber später reden?«

Das Drehen und Nicken machte es zum ersten Mal möglich, auch die andere Seite seines Gesichts zu sehen. Cooper schluckte. Seine Kehle war plötzlich trocken.

Sie waren im fünften Stock angekommen, und der Aufzug hielt an.

»Hier steige ich aus«, sagte Cooper.

Die Männer ignorierten ihn. Der Große drückte auf den Knopf für das Erdgeschoss.

»Entschuldigung«, sagte Cooper. Sie versperrten ihm den Weg.

Der jüngere Mann streckte die Hand aus und blockierte die Tür. »Ich muss pissen. Wir sehen uns unten.«

Der große Mann fluchte leise. »Beeil dich.«

Der Jüngere stieg aus und ließ seine beiden Kollegen zurück.

Cooper räusperte sich. »Entschuldigung.«

Der große Mann rührte sich nicht von der Stelle, und Cooper zwängte sich eilig um ihn herum, bevor die Tür sich schloss und der Lift abwärtsfuhr. Er wartete kurz und ging dann in dieselbe Richtung, die der Saudi eingeschlagen hatten. Der Mann war zehn Schritte vor ihm und ging schnell. Cooper sah, wie er vor einer Zimmertür stehen blieb, sie öffnete und hindurchtrat. Cooper ging an der Tür vorbei um die nächste Ecke und wartete eine Minute, dann noch eine. Er hörte, wie die Zimmertür sich wieder öffnete; er spähte den Flur entlang und sah, wie der Mann zum Aufzug zurückging.

Cooper lief um die Ecke und trabte zurück zu der Zimmertür. Sie war mit einem sanften Schließmechanismus versehen, der verhinderte, dass sie laut ins Schloss fiel, und der gab ihm gerade genug Zeit, um die Hand auszustrecken und die Tür aufzuhalten. Er wartete einen Herzschlag lang, bis er sicher war, dass der Mann nicht zurückkam. Als er nichts hörte und sah, drückte er die Tür auf und trat ins Zimmer.