C ooper fiel auf, wie blau Smith’ Augen waren, kalt und hart und ohne eine Spur von Wärme oder Emotion. Sie waren so hell, dass sie fast durchsichtig schienen, und als er Cooper ansah, war es diesem, als gehe der Blick durch ihn hindurch. Er hatte einen kräftigen, kantigen Unterkiefer und ein Gesicht, das nirgends auffallen würde, wenn da nicht die Narbe gewesen wäre, die sich im Bogen über eine Wange zog.
»Hat Control Sie geschickt?«
Smith nickte. »Gestern Abend.«
»Er ist kurz nach Mittag gelandet«, sagte Ziggy.
Cooper ließ den Blick durch das Zimmer wandern. Der Computer, den er hatte mitgehen lassen, stand auf einem Tisch, und ein Kabel verband ihn mit einem zweiten Computer, der sich daneben befand. Das Sofa an der Wand gegenüber war in ein kleines Waffenarsenal verwandelt worden: Da lagen drei Pistolen und zwei Gewehre neben mehreren Munitionsschachteln.
»Sie waren schon fleißig«, sagte Cooper.
»Es gibt eine Quartiermeisterin hier in der Stadt«, sagte Smith. »Sie war vor einer Stunde hier.«
Cooper ging zu dem Sofa und nahm eine halbautomatische Sig Sauer P229 in die Hand. Er wog sie auf der Handfläche und legte sie dann wieder zu den anderen Waffen. »Nicht schlecht.«
Smith gab Ziggy ein Zeichen. »Sag ihm, was du gefunden hast.«
Ziggy klopfte mit dem Finger an den Laptop. »Es war ein bisschen schwieriger, als ich dachte. Da waren ein paar ziemlich krasse Sicherheitssperren installiert. Aber nichts, was ich am Ende nicht hacken konnte.«
»Und?«
»Der Eigentümer des Laptops heißt Muhammad Ali al-Saud. Ich habe ihn auf einer Liste der Königlich-Saudischen Garde gefunden, aber es ist fast sicher, dass er seine tägliche Arbeit beim Allgemeinen Nachrichtendienst ableistet. Er ist vor einer Woche nach Ägypten gekommen, zusammen mit zwei anderen Männern in derselben Maschine, mit Omar Abdel Aziz und Tariq Khaled al-Faisal. Aziz ist ein übler Kerl. Sehr übel. Die erste Eintragung, die ich über ihn gefunden habe, wurde vorgenommen, nachdem er verdächtigt wurde, an einem Massaker an jemenitischen Staatsbürgern in Sa’dah und Marran beteiligt gewesen zu sein, aber kurz danach ist er verschwunden. Ab und zu taucht er auf, meistens genau dann, wenn jemand, den die Saudis nicht mögen, plötzlich den Löffel abgibt. Wahrscheinlich kein Zufall.«
»Nein«, sagte Cooper. »Wohl nicht. Und der dritte Mann?«
»Al-Faisal. Geboren 1971 in Riad, ausgebildet als Rechtsmediziner.«
»Mit welcher Spezialisierung?«
Ziggy zog den Kopf zwischen die Schultern. »Das ist ein bisschen makaber. Er ist eine Autorität auf dem Gebiet der menschlichen Anatomie, speziell der Dissektion. In seiner Akte heißt es, er ist Oberst bei den Streitkräften Saudi-Arabiens, und man muss annehmen, dass er meist mit Aziz zusammen im Einsatz ist, um die Leichen der Männer und Frauen, die Aziz umbringt, beiseitezuschaffen.«
Smith beobachtete Cooper. »Sie hatten schon mit Aziz zu tun?«
»Hat Control Ihnen das erzählt?«
Smith nickte. »Aber ich würde es gern von Ihnen hören.«
»Ich war in Riad und habe einen Agenten geführt. Das ist schiefgegangen«, sagte Cooper. »Er war verbrannt, und Aziz war schneller bei ihm als ich. Er hat mittels Folter alles aus ihm herausgeholt, was er wusste, und ihn dann trotzdem umgebracht, und dann hat er dafür gesorgt, dass wir es wussten. Wenn Control Ihnen erzählt hat, was passiert ist, haben Sie sicher auch die Akte gelesen.«
»Ja.«
»Dann werden Sie wissen, dass es nicht viel mehr zu sagen gibt.«
Smith schüttelte den Kopf. »Sie würden sich wundern.«
»Was soll das heißen?«
»Sie wissen nur die Hälfte. Was er getan hat, wurde in London schlecht aufgenommen. Man hat eine Akte angelegt, und Control schickte einen Agenten, um ihn auszuschalten.«
Davon hatte Cooper nichts gewusst. »Wann war das?«
»Als Sie wieder in London waren. Sie haben Nummer Acht geschickt. Ich habe mal mit ihm zusammengearbeitet. Er war gut.«
»›War‹ gut?«
»Ja. Vergangenheitsform. Er ist nicht zurückgekommen. Gewissheit hatten wir nie, aber alles deutet darauf hin, dass Aziz auf ihn aufmerksam wurde und ihn umgebracht hat, und al-Faisal hat den Leichnam beseitigt. Das macht zwei wertvolle britische Agenten — Ihren Informanten und unseren Mann. Control will ihn schon seit Jahren aus dem Weg räumen, aber wir wussten nie früh genug, wo er ist, um jemanden hinzuschicken. Diesmal ist es anders, und deshalb bin ich hier. Wir werden uns zusammen um ihn kümmern.«
»Wir haben grünes Licht, ihn zu eliminieren?«
»Nach unserem Ermessen.«
»Das ist die beste Nachricht, die ich seit einer Woche gehört habe.«
Smith ging zum Sofa. »Der Agent, den Sie da geführt haben«, sagte er. »Standen Sie ihm nah?«
»Das würde ich nicht sagen. Ich habe ihn bewundert. Er war mutig. Er kannte die Risiken und akzeptierte sie.«
»Ich muss Sie fragen.« Smith starrte ihn an. »Es ist nichts Persönliches, oder? Zwischen Ihnen und Aziz?«
»Ich bin kein Amateur«, sagte Cooper stirnrunzelnd.
»Das hat niemand behauptet.«
»Doch. Sie. Sie glauben, ich lasse mir von dem, was ich über ihn denke, meine Urteilskraft trüben. Aber das tue ich nicht.«
Smith schaute ihn noch eine Weile unverwandt an und nickte dann zufrieden. »Das freut mich zu hören. Er ist gut — sehr gut. Ich kann es mir nicht leisten, wenn Sie sich kompromittieren und die Dinge nicht mehr klar sehen. Das wäre ein Problem.«
»Will ich, dass er stirbt? Ja, das will ich. Er ist ein Psychopath, und er ist längst überfällig. Aber werde ich etwas Unüberlegtes tun? Nein, das werde ich nicht. Machen Sie sich keine Sorgen.«