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S mith ging an die Küchenzeile und ließ Wasser in den Kocher laufen. Er nutzte die Pause, um das Gespräch neu zu starten. Cooper war verärgert, weil seine Professionalität infrage gestellt worden war und dass es Smith — was vielleicht noch schlimmer war — anscheinend kein bisschen kümmerte.

Cooper wusste nichts über Smith, aber wenn er lange genug durchgehalten hatte, um zur Nummer Eins zu werden, hatte er genug Blut an den Händen, um seine Kaltschnäuzigkeit zu erklären. Sein eisiger Blick spiegelte sich in seiner Art zu sprechen und seinem scheinbaren Desinteresse daran, wie Cooper seine Worte aufnehmen würde. Er zeigte weder Emotionen noch Lebendigkeit, und sein Lächeln — wenn es zustande kam — wirkte oberflächlich und mechanisch.

Smith nahm drei Becher aus der Spüle, wusch sie ab und brühte Kaffee auf. Er brachte die Becher zum Tisch und stellte einen vor Ziggy sowie einen vor Cooper hin.

»Also schön«, sagte Cooper. »Warum ist Aziz hier?«

»Wir haben eine Quelle in Riad, die sagt, er sucht Aischa Hasan al-Jabir.«

»Die Regisseurin?«

»Sie kennen sie?«

»Ich habe ihren letzten Film gesehen. Sie betätigt sich seit Jahren als Aktivistin.«

»Und deshalb trägt sie eine große Zielscheibe auf dem Rücken.«

»Und sie ist hier? In Kairo?«

»Sie will ihren neuen Film zeigen. Sie hat Beweise dafür, wie saudische Frauen vom Regime behandelt werden. Der Plan ist, den Film zum Abschluss der Konferenz vorzuführen.«

»Das ist aber nicht angekündigt.«

»Es ist geheim. Sie wäre nicht gekommen, wenn es allgemein bekannt wäre. Zu riskant.«

Cooper schüttelte den Kopf. »Den Saudis wird es nicht gefallen.«

»Nein. Für sie ist es der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Sie wollen, dass sie verschwindet; deshalb schicken sie Aziz und sein Team.«

»Weiß al-Jabir das?«

»Einer ihrer Cutter wurde letzten Monat in der Schweiz umgebracht, und nach allen Informationen, die wir zusammentragen konnten, hat es sie sehr nervös gemacht.« Smith nahm einen Schluck Kaffee. »Aber wir sind nicht ihretwegen hier. Sondern seinetwegen. Wegen Aziz.«

Cooper stellte seinen Becher auf den Tisch. »Und wo ist er?«

»Er war bei Ihnen im Hotel«, antwortete Smith. »Aber Ziggy sagt, er hat ausgecheckt.«

»Heute Morgen«, ergänzte Ziggy. »Die Polizei behandelt das, was mit al-Saud passiert ist, als Selbstmord. Aber ich bezweifle, dass Aziz noch hier sein und peinliche Fragen beantworten möchte, wenn sie entscheiden, dass es doch etwas anderes war.«

»Dann ist er in einem anderen Hotel?«

»Oder in einem Safe House. Ich prüfe das noch.«

»Und al-Jabir?«

»Sie ist in einem Haus in New Gizeh«, sagte Ziggy.

»Wieso wissen Sie das und er nicht?«

»Sie reist mit einer Freundin, die ein bisschen nachlässig mit ihrer digitalen Sicherheit umgeht.«

»Sind Sie sicher?«

Smith schüttelte sarkastisch amüsiert den Kopf. »Ziggy mag ziemlich aufgeblasen sein, aber Fehler macht er nicht. Wenn er sagt, sie ist da, dann ist sie da.«

»Vielen Dank auch«, sagte Ziggy und tat beleidigt. »Die Freundin hat eine E-Mail an eine ihrer Mitarbeiterinnen geschickt und sie gebeten, ein Interview mit einem Journalisten von Time zu arrangieren. Sie hätte vorsichtiger sein sollen. Sie hat ihre IP-Adresse nicht maskiert, und ich konnte sie zum Haus zurückverfolgen.«

»Ziggy war heute Nachmittag drüben«, sagte Smith und sah Ziggy an. »Zeig’s ihm.«

Ziggy drückte auf eine Taste am zweiten Computer und navigierte zu einem Foto, das er mit einem Doppelklick vergrößerte. Es zeigte das Äußere eines Hauses, und durch ein Fenster im Erdgeschoss sah Cooper das Gesicht einer Frau, die herausschaute. Ziggy zog einen quadratischen Rahmen um das Gesicht und zoomte hinein. »Das ist Aischa.«

Cooper betrachtete die Frau. Sie hatte dunkle Haut und dunkle Haare, und ihre Augen blickten sorgenvoll, was man selbst auf dem unscharfen Foto sehen konnte. »Wir wissen, wo sie ist. Was tun wir jetzt? Wir wissen nicht, wo Aziz ist.«

»Wir wissen nicht, wo er ist«, sagte Smith, »aber wir wissen, was er will

Cooper zeigte auf das Foto. »Sie ist ein Köder? Ist das Ihr Ernst?«

»Warum nicht?«

»Warum nicht? Im Ernst? Sie wollen ihm sagen, wo er sie findet? Das ist unethisch.«

»Irgendwann wird er sie finden«, sagte Smith geduldig. »Oder etwa nicht? Für diesen Fall wird er einen Plan haben, und wenn wir jetzt nichts tun, dann wird er im Vorteil sein. Wenn wir abwarten, bis er sie findet, hat sie keine Chance. Es ist besser, wenn wir die Situation unter Kontrolle haben. Wenn wir es so machen, können wir ihre Entdeckung steuern. Wird er zu ihr kommen? Ja. Wird es gefährlich sein? Absolut. Aber die Bedingungen stellen wir , und wir werden warten. Wir schnappen ihn, bevor er in ihre Nähe kommt.«

»Nehmen wir für einen Moment an, dass ich diese Idee nicht für schlecht halte. Wie werden wir dafür sorgen, dass er weiß, wo sie ist?«

»Ganz einfach«, sagte Ziggy. »Sie suchen sie auch in Riad. Ich kann eine E-Mail von Aischa fälschen und dafür sorgen, dass unser Informant sie empfängt und nach oben weiterschickt. Sie werden Alarm geben, und dann warten wir darauf, dass Aziz seinen Zug macht.«

»Wir bewachen das Haus schichtweise«, sagte Smith. »Wir alle drei. Drei Schichten von je acht Stunden. Wir warten, bis er zuschlägt, und dann?« Er schlug die Hände zusammen. »Endstation.«

Cooper rieb sich die Stirn. Er konnte sich vorstellen, dass der Plan funktionierte, aber bei der Vorstellung, die Frau als Köder einem Hai unter die Nase zu halten, der so gefährlich wie Aziz war, wurde ihm mulmig zumute.

Smith sah, dass er zögerte. »Wir können nicht warten. Aischa ist morgen auf der Konferenz, und dann fliegt sie ab. Wir haben nur ein begrenztes Zeitfenster. Irgendwann wird er sie finden, aber wenn nicht jetzt, dann werden wir nicht dabei sein, wenn es ihm gelingt. Das ist der Plan, Nummer Elf. Wenn Sie nicht mit an Bord sind, sagen Sie es gleich. Ich kann bis heute Abend einen anderen Agenten hier haben.«

Cooper nagte an der Unterlippe und schaute weg. Alles, was Smith gesagt hatte, stimmte. Sie wussten nicht, wo Aziz war, und ihre beste Karte — ihre einzige Karte — war die Tatsache, dass sie wussten, er wollte al-Jabir.

»Scheiße«, sagte er. »Okay.«

Smith nickte. »Gut.«

»Da ist noch etwas, das wir berücksichtigen müssen«, sagte Ziggy. »Morgen gibt es einen Sandsturm. Die Nachrichten sind voll davon. Dann wird alles zugemacht. Der Flughafen auf jeden Fall. Die Hotels wahrscheinlich auch.«

»Das betrifft ihn genauso wie uns«, sagte Smith. »Er weiß nicht, dass er in eine Falle tappt. Der Sturm könnte uns helfen. Er wird uns nicht kommen sehen.«