Als wir das Demotape von unserem nächsten Song bekamen, wussten wir: Der ist es! Jochem Fluitsma und Eric van Tijn, auch bekannt als Fluitsma & Van Tijn, kannten sich im Musikbusiness aus. Sie wussten, was man braucht, um internationale Hits zu komponieren und zu produzieren. Wir sangen das Lied in Holland ein, und wir hatten das Gefühl, dass es „saß“, denn die Melodie und der Text waren catchy, wir mochten diese hippiemäßige Botschaft: Liebe ist überall! Und Eurodance mit Housepiano war Anfang der Neunzigerjahre ja sowieso das riesengroße Ding.
Wie bei den meisten Songs hatte Bastiaan bei Love Is Everywhere die Leadstimme. Wir waren anfangs fein damit, dass er eine Art Anführer war – seine Stimme hat Tiefe und ich fand, dass sie einen interessanten Kontrast zu dem eher verspielten Synthie-Sound bot. Auch wenn es nicht unbedingt so klingt: Der Song ist relativ anspruchsvoll zum Singen. Lustig war aber, dass der Text eins zu eins auf mich und meine Liebesgeschichte mit Carlo passte, zumindest dachte ich manchmal, dass er heimlich nur für uns zwei geschrieben worden war:
I used to be lonely
Never played the game of love
But since I looked into your eyes
You are all I’m thinking of
Now I can’t believe it
But this miracle is true
Everywhere I turn my head
I can see no one like you
Smiling faces all around me
Come on and join the ride …
Es war für mich wirklich ein Wunder, Carlo kennengelernt zu haben und gleichzeitig das zu machen, was ich schon immer wollte. Es lief super bei uns, ich fühlte mich bei ihm total geborgen – jetzt musste ich für mein Glück eigentlich nur noch richtig berühmt werden, dachte ich. Auch unser Manager dachte, dass das jetzt der große Wurf sein würde, und schickte uns wieder auf ein paar Promotermine. Wir waren wirklich sicher, dass es jetzt endlich so weit war. Aber: wieder erst mal Pustekuchen.
Wirklich kein einziger von den großen Sendern sprang auf und übernahm Love Is Everywhere in die Playlist. Ich war happy mit meinem Job hinter den Kulissen, privates Glück hatte ich auch, aber irgendwie führte mich das auch etwas weg von meinem Traum. Und ich hatte Angst, dass es das nun wirklich gewesen sein könnte. Ich hatte Angst, dass Cees jeden Moment ein Meeting einberufen würde, um uns zu sagen: „Sorry, Boys, wir müssen aufhören. Caught in the Act ist passé.“ Und ganz ehrlich: Irgendwie wollten wir auch aufhören. Denn nach bald eineinhalb Jahren Boygroup-Probezeit hatten wir ja gefühlt nichts erreicht. Nicht mit unserem so erfahrenen Manager, nicht mit unseren TV-Aufritten und auch nicht mit Produzenten, die eigentlich Hit-Garanten waren. Immerhin waren wir gefühlt fast jede Woche bei Telekids zu Gast – wie das wohl zustande kam …?
Ich liebte es damals schon, abends einfach mit Carlo bei uns zu Hause zu sein, mit ihm zu kochen und Filme zu schauen. Wir trafen Freunde, gingen ins Kino und auf Partys – wir brauchten kein glamouröses Leben oder luxuriöse Reisen, wir hatten uns und das reichte völlig. Er sprach mir damals Mut zu und erklärte mir, dass man im Showbusiness nun einmal Biss und Durchhaltevermögen und vor allem ganz viel Geduld brauche. Natürlich hatte er recht damit, aber ich war einfach nur desillusioniert. Es ist nicht leicht, das zuzugeben, aber es fühlte sich damals einfach so über die Maße frustrierend an. Ich überlegte schon, ob ich mich nicht wieder bei Natascha melden könnte, um mit dem Tanzen weiterzumachen.
Obwohl wir CITA-Jungs ja nie, wie damals in der Anzeige angekündigt, eine eigene Fernsehshow bekamen, geisterte die Idee noch herum, sie war inzwischen nach Deutschland herübergeschwappt. Cees hatte organisiert, uns in der damals erfolgreichsten deutschen Serie unterzubringen: Gute Zeiten, schlechte Zeiten. Die kannten wir auch aus dem holländischen Fernsehen. Und es war uns klar, dass dies unsere beste, aber auch die letzte Chance war, mit Caught in the Act den Durchbruch zu schaffen. Der Plan war, dass wir in Berlin ein paar Folgen drehen und uns selbst spielen sollten – eine Newcomer-Band, die mit jedem Auftritt berühmter wird.
Weil Cees damals schon sehr viel Geld für uns ausgegeben hatte und wir wirklich bald keinen Gulden mehr für Ausgaben übrig hatten, fuhren wir, statt den Flieger zu nehmen, die knapp 700 Kilometer mit seinem blauen Ford Scorpio. Auf dem Weg übten wir unsere Texte – und lachten uns schlapp über unsere grottige Aussprache. Am lustigsten war, dass Bastiaan und ich versuchten, Lee und Benjamin Deutsch beizubringen, dabei konnten wir selbst erst ein paar Brocken. Und wir lachten uns bei jedem neuen „Ausfahrt“-Schild halbtot! Nach über neun Stunden Roadtrip und ein paar Ehrenrunden durch die Stadt (na ja, es gab damals noch kein Navi und Kartenlesen gehörte ja auch nicht wirklich zu unserer Popstar-Ausbildung …) waren wir am Ziel – und bester Laune.
Es schien plötzlich wieder alles möglich zu sein. Und ich hatte das Gefühl, dass uns die Fahrt noch einmal mehr zusammenschweißte. Es ist schon verrückt, dass wir nach einer so intensiven Zeit heute kaum Kontakt miteinander haben, aber gleichzeitig ist es auch logisch: Wir waren vier total unterschiedliche Jungs, die in einen Topf geworfen wurden und die ein gemeinsames Ziel hatten. Darüber hinaus verband uns aber nicht viel. GZSZ wurde damals in Berlin-Tempelhof in einem super alten Studio aus dem Krieg gedreht. Es war überwältigend, in Berlin zu sein. Die Stadt kam mir riesig vor, bis heute liebe ich sie. Ich wusste damals noch nicht, dass mit dieser Reise eine ganz besondere Beziehung begann: die zwischen mir und Deutschland.
Wir wurden sehr professionell empfangen, was uns schnell die Aufregung nahm. Dass ich keinerlei Erfahrung als Schauspieler hatte, war ehrlich gesagt egal: Wir sollten wirklich uns selbst spielen, ich war Eloy aus Holland, der Teil einer Boygroup ist. Abgesehen von den Bühnenauftritten liefen wir ein paarmal durchs Bild und hatten ein, zwei Sätze zu sagen, oft ging es darum, dass wir nichts verstanden und nett lächelten, so war es ja auch wirklich.
Gleich in unserer ersten Szene sollten wir singen, natürlich wie vorgesehen Love Is Everywhere, schließlich sollte die Sendung so was wie ein Vehikel für den Song werden. Vielleicht war es auch unsere letzte Chance, wer weiß. Ich weiß noch, dass in der Szene der Geburtstag von Heiko alias Andreas Elsholz gespielt wurde. Das Studio war ein bisschen wie eine Ikea-Filiale, man ging von einer Wohnzimmerkulisse in die nächste. Im Studio hörte man alle paar Minuten die vorbeiratternde S-Bahn, manche Szenen mussten deshalb wiederholt werden oder es wurde eine kurze Pause gemacht.
Ich hatte damals die schönsten Momente mit den Jungs, wenn wir in unserem Hotel abhingen, es war total leer und hatte einen Pool, an dem wir fast die gesamte Zeit verbrachten. Aber auch Berlin war in meinen Augen einfach nur cool – es fühlte sich damals alles komplett irreal an, riesig und überwältigend. Auch wenn Amsterdam ja immer als ein bisschen verrückt und ausgeflippt gilt, war erst Berlin für mich die große weite Welt, die ich mir immer gewünscht hatte. Die ganze Stadt schien eine Kulisse zu sein – und die Leute liefen wirklich genauso rum, wie sie wollten. Egal ob im Jogginganzug, aufgebrezelt oder total schrill – offensichtlich ohne Sorgen, was die anderen Leute dachten. Das ist auch heute noch total faszinierend für mich. In Berlin habe ich immer das Gefühl, völlig frei zu sein.
Und wieder dachten wir: Jetzt passiert es! Jetzt werden wir berühmt! Wir drehten insgesamt 14 Tage lang, das Material wurde auf ein paar Folgen aufgeteilt. Die Drehtage fingen immer um acht Uhr an und gingen bis 18.45 Uhr – das war alles durchorganisiert, um möglichst effizient zu arbeiten. Unser letzter Auftritt war ein einmaliges Erlebnis: Wir drehten unseren Gig im damals noch recht neuen Hard Rock Café am Kurfürstendamm. Das war ein Riesen-Event, denn nicht nur der gesamte Cast, auch das gesamte Produktionsteam war dabei, riesige Scheinwerfer leuchteten von außen hinein – und draußen drückten sich ganz viele Fans der Sendung die Nasen an den Scheiben platt. Laut Drehbuch wurden wir erst nicht reingelassen, weil wir keine Einladung hatten – und die Statisten, die Partygäste darstellen sollten, hatten uns da schon zugejubelt. Das war ein sehr erhebendes Gefühl. Es kam mir so vor, als wäre jetzt gerade unser riesengroßer Moment, an dem unser Erfolg wie eine Rakete startet.
Wieder zurück in Holland war es wie damals nach meinem Casting: warten, warten, warten! Einmal mehr hatten wir uns zu früh gefreut: Die einzelnen Folgen wurden immer mehrere Wochen im Voraus produziert, das heißt, wir hatten am Anfang überhaupt keine Ahnung, wie wir auf die deutschen Zuschauer wirken würden. Ich drehte fast durch vor Ungeduld. Und dann kamen wir endlich im Fernsehen – und nach einer Weile der Anruf von Cees: Love Is Everywhere war in den deutschen Charts! Erst auf Platz 93, etwas später auf Platz 23. Mir wurde heiß und kalt: Wir hatten es geschafft! Frühling 1995 – fast drei Jahre nachdem ich meinen Brief auf die Anzeige hin geschrieben hatte, nach vielen Niederlagen und ein paar Flops hatten wir ihn jetzt endlich: unseren Hit.
Und von jetzt an ging alles so schnell, dass mir schwindelig wurde.
Um höher in die Charts zu kommen, brauchten wir ein Video, damals hatte das Musikfernsehen noch eine viel größere Bedeutung. Es war klar, dass der Clip sehr kurzfristig produziert werden musste.
Wir sind in dem Clip alle oben ohne oder bauchfrei, es werden pinkfarbene Blumen eingeblendet, wir schreiben mit bunter Fingerfarbe den Songtitel auf eine Scheibe und patschen unsere Handabdrücke daran – und es sieht durch den Filter aus, als trügen wir fliederfarbenen Lippenstift. Wenn man das heute anschaut, fragt man sich, wie man uns ernsthaft glauben konnte, dass wir auf Mädchen stehen. Ja, die Ästhetik war cheesy. Ich freue mich trotzdem, wenn heute, bald 25 Jahre später, noch Menschen auf mich zukommen, die sich an unser Video erinnern und es damals gefeiert haben. Auch wenn es ein Schnellschuss war, der für sehr wenig Geld an einem Tag gedreht wurde, sollten wir mit Love Is Everywhere noch in die Top Ten klettern, ein halbes Jahr lang in den Charts bleiben und dafür unsere erste Goldene Schallplatte bekommen!
Nach GZSZ bekamen wir gleich ein Monsterangebot: Wir sollten damals bei der Bravo Super Show 1995 in der Dortmunder Westfalenhalle dabei sein. Kristiane Backer würde moderieren – und ich bekam weiche Knie, als ich hörte, dass dort sage und schreibe 12 000 junge Menschen im Publikum sein würden, vor denen ich tanzen und singen sollte. Die Nachricht ließ mich jubeln – aber versetzte mich auch in einen ziemlichen Schock. Ich glaube, die nächsten Wochen bis zur Show verbrachte ich wie in Trance. Es war auch schwer, das zu realisieren: Die Show war damals das größte Event dieser Art überhaupt – jeder Teenager wollte dort dabei sein und mitfeiern.
Und dann war es so weit: Ich weiß noch genau, wie wir angekündigt wurden: „Und jeeeeeetzt kommen … vier Jungs aus Hollaaaand!“ – Und ich dachte noch: Hm, wissen die denn wohl, wer wir sind? Als dann der Megajubel einsetzte und wir auf die Bühne liefen, war alles klar: Die Kids waren total euphorisiert, alle schrien und jubelten uns zu. Viele Mädchen trugen Schilder mit unseren Namen darauf. Oder anders gesagt: Es war der helle Wahnsinn!
Im ganzen Saal zündeten Leute Feuerzeuge an und wir wurden mit haufenweise Kuscheltieren beworfen. Weil wir eine ziemlich raumgreifende Choreografie hatten, mussten wir höllisch aufpassen, nicht auf einen Teddy zu treten und umzuknicken. Das war meine erste Begegnung mit einem Teddygewitter. Ich weiß nicht, wie vielen Winnie Puuhs aus Plüsch ich im Laufe meiner Karriere auf den Kopf getreten bin, aber es müssen einige gewesen sein … Später, bei unseren eigenen Konzerten, waren sogar immer zwei Männer mit riesigen Schiebern im Dienst, die die Bären – und dann auch Blumen und Banner – in den kurzen Pausen von der Bühne fegten. Zum Kuscheln sind Bären super – aber nicht als Tanzbodenbelag.
Unsere dreieinhalb Minuten auf der Bühne in Dortmund waren schlicht und ergreifend berauschend! Neben uns waren auch Marky Mark, die Kelly Family, Scooter und sogar Take That dabei – die vier waren damals schon Weltstars. Als wir nach unserem Auftritt noch ziemlich fassungslos backstage herumstanden, meinte ein Reporter, dass wir den größten Jubel bekommen hätten: „Ihr seid die neuen Take That!“ Robbie Williams, der ein paar Meter entfernt stand, hatte das auch gehört. Aber er ließ sich nichts anmerken, sondern kam auf mich zu, klopfte mir auf die Schulter und sagte: „Hey, super Auftritt. Das habt ihr richtig gut gemacht!“ Ich war einfach nur sprachlos und konnte dann so gerade noch ein „Danke …“ stammeln. Das war eine erste Lektion darin, wie flüchtig Ruhm doch sein kann: Take That, die gerade noch Megastars gewesen waren, wurden nun schon weniger gefeiert als wir, die Newcomer.
Bereits vor GZSZ hatte unsere Liaison mit der Bravo angefangen. Aber es war keine Liebe auf den ersten Blick: Wir mussten uns ein bisschen anbiedern und hatten nur mit viel Mühe ein Date in der Redaktion bekommen. „Ganz nett“, fanden sie unsere Musik und das, was wir darstellten, „aber ohne Hit keine Story!“ Sie brachten dann eine minikleine Nachricht über uns, die sich natürlich verlor. Das Blatt wendete sich mit GZSZ und dem Erfolg von Love ist Everywhere: Plötzlich waren wir gefragt und ich werde niemals den Tag vergessen, als unser erstes Cover erschien. Ich bin in dieser Zeit jede Woche zu V&D gestürmt, ein Kaufhaus in Hilversum, das internationale Presse hatte. Und eines Tages sah ich uns zum ersten Mal auf dem Titelbild – der Moment war einfach magisch! Später erfuhr ich aus der Redaktion, dass eine andere Ausgabe mit uns vorne drauf die bestverkaufte Bravo aller Zeiten war! Anderthalb Millionen Teenager hatten die Bravo gekauft.
Eine Zeit lang wechselten wir uns im Wochentakt mit der Kelly Family ab: Entweder waren Mitglieder von ihnen oder wir auf dem Cover. Die Titelbilder hängte ich sogar bei Carlo und mir in die Küche – bis es irgendwann zu viele wurden und ich nicht mehr wusste wohin damit. Meine Aufregung wurde fast nur von meiner Mutter getoppt, die wie besessen wirklich jeden Schnipsel aus Zeitungen und Magazinen ausschnitt und aufbewahrte.
Bravo machte damals auch „Foto-Love-Storys“ mit uns – das war auch so ein Riesending. Dafür reiste ab sofort ein Fotograf mit, wenn wir Promotermine hatten, und schoss massenweise Fotos von uns, die Termine wurden dann in die Geschichte integriert, in der wir uns selbst spielten. In der ersten ging es um ein Mädchen, das uns als verliebter Fan hinterherreiste, statt Zeit mit ihrem Freund zu verbringen. Ohne dass wir die genaue Geschichte kannten, ließen wir uns also ablichten, der Fotograf gab uns auch Anweisungen à la „So, stellt euch mal da vorne hin und tut so, als würdet ihr euch Witze erzählen …“. Wir waren immer total verblüfft und lachten uns schlapp, wenn wir uns dann die Storys im Heft anschauten. Später waren wir einmal zu Gast beim Miss-Universum-Wettbewerb in Südafrika, diese Shows waren damals noch sehr populär. In der Garderobe trafen wir Linda Evangelista und Tyra Banks und der Fotograf schoss auch davon Bilder. Ich weiß nicht, ob Tyra Banks je darüber informiert wurde, dass sie in einer deutschen Jugendzeitschrift in einer konstruierten Geschichte auftauchte …
Die „Foto-Love-Storys“ waren aber erst der Anfang: Bald gab es uns regelmäßig als Poster und Starschnitt, als Gimmick in Form von Stickern, Puzzles, Klebetattoos, Bügelbildchen oder Ostereiaufklebern. Ich frage mich, ob es wirklich deutsche Eltern gab, die es gut fanden, zum Osterfrühstück von ihrer Tochter Eier mit meinem Bild drauf serviert zu bekommen …
Wir hatten von jetzt an auch eine Reporterin an unserer Seite: Inge. Es war ihre Aufgabe, wöchentlich über uns zu berichten und in Absprache mit uns Geschichten zu schreiben – so strickte sie fleißig mit am Märchen um Caught in the Act. Sie war ständig an unserer Seite, saß sogar mit uns im Flieger. Ich weiß noch, dass sie einen totalen Teddyfetisch hatte und Bären sammelte, irgendwann bekam sie von uns sogar ein Telefon in Bärenform geschenkt. Ich nehme an, dass Inge viel mehr wusste als das, was sie schrieb – zum Beispiel, dass ich schwul war. Aber es ging ja darum, das aufzuschreiben, was die Leser*innen hören wollten – und so haben wir natürlich gemeinsame Sache mit ihr gemacht und Geschichten geliefert, weil uns bewusst war, wie viel wir dem Heft zu verdanken hatten. Neben der Bravo waren auch die Magazine Popcorn und Pop/Rocky wichtig für uns – sie gab es auch in vielen anderen Ländern, wofür die Texte teilweise übersetzt wurden. Und so wurden wir auch in Polen, Ungarn oder Tschechien bekannt.
Am 5. Juli 1995 kam dann unser erstes Album Caught in the Act of Love raus und schaffte es direkt auf Platz sechs in den deutschen Charts! Produziert worden war es von Steve Mac, der seinen Durchbruch schon Anfang der Neunziger hatte, als er den Nomad-Hit I Wanna Give You Devotion mitkomponierte und Mitglied der Danceband Undercover war. Steve ist bis heute weltweit erfolgreich. Du kennst sicher Shape of You von einem gewissen Ed Sheeran, oder? Klar, Steve ist und war ein Topproducer, aber ich sehe es noch immer als Fehler, dass Cees direkt nach unserem ersten Hit Love Is Everywhere Fluitsma & van Tijn als Produzenten zur Seite schob. Die beiden kannten einfach genau unsere DNA und komponierten zum Beispiel auch unsere Hits You Know und Don’t Walk Away.
Carlo war damals noch mein großes Geheimnis, auch wenn ich es den Jungs inzwischen erzählt hatte. Bastiaan war der Erste gewesen: In meiner Erinnerung saß er immer in seinem alten weißen Corsa und rauchte Zigaretten, denen er vorher die Filter abgerissen hatte. Er hatte dabei ein Bein angewinkelt am Armaturenbrett und sah obercool aus. Er fuhr uns nach Terminen oder Proben oft nach Hause – es war klar, dass ich nicht bei meinen Eltern oder allein wohnte, und so erzählte ich ihm irgendwann, mit wem ich zusammenlebte. Es war für ihn und den Rest der Band überhaupt kein Problem, auch Benjamin und Lee versprachen mir, dichtzuhalten, was mich damals sehr erleichterte. Angst hatte ich trotzdem, dass Cees mich rauswerfen würde, wenn es rauskam. In Wahrheit war keiner von uns zu haben: Die anderen hatten Freundinnen. Aber bei Boygroups vermischen sich eben Bühnenfigur und echter Mensch dahinter, zumindest in den Augen der jungen Betrachter*innen. Wir wurden immer so präsentiert, als könnten wir mit allen Teenie-Mädchen gleichzeitig zusammen sein. Die perfekten hübschen Jungs von nebenan: Der Junge auf einem Poster streitet eben nicht mit dir, er kritisiert dich nicht und sieht auch immer super aus …
„Seid ihr noch zu haben?“, „Auf was für Girls stehst du?“, „Was ist für dich ein perfektes Date?“ oder „Wie und wo war dein erstes Mal?!“ – das waren damals Standardfragen, die uns in Interviews von der Teenie-Presse gestellt wurden. Wir haben immer brav kooperiert – denn unser Privatleben war das, was unsere Fans neben unserer Musik am meisten interessierte. Natürlich war allen Beteiligten klar, dass wir darauf nicht wahrheitsgetreu antworten sollten, sondern so, wie es sich unsere Fans wünschten. Wir sollten gleichzeitig „erfahren“ sein, aber natürlich auf keinen Fall die totalen Frauenhelden – geschweige denn eine feste Freundin haben, denn das hätte der Projektionsfläche für Mädchenträume Risse beschert. Wir machten uns anfangs einen Spaß daraus und spielten dieses Spiel bereitwillig mit. Ich deutete dabei einfach die Geschichten um, die ich mit Jungs erlebt hatte: etwa, wie ich einem „Girl“ in der Disco nähergekommen sei, wir ganz eng getanzt hätten und ich sie später nach Hause gebracht hätte – „und dann kam eben eins zum anderen …“
Ich kam mir damals – und eigentlich während meiner gesamten Karriere als Boygroup-Star – vor, als wäre ich einer dieser Darsteller im Disneyland: Sie laufen den ganzen Tag im Mickey-Maus-Kostüm rum, winken, hüpfen und lassen sich mit den Kindern fotografieren. Am Ende des Tages zog ich mein Kostüm aus und nahm meine Maske ab – und dann war ich wieder ich, der schwule, unsichere junge Mann, der sich nackt und schutzlos fühlte, weil man ihm die Rüstung weggenommen hatte. Die Probleme, die man mit sich hat, gehen ja nicht weg, nur weil man plötzlich viel Geld verdient und berühmt wird …
Unser ganzes Leben war zunehmend durchgetaktet und so busy, dass es schwer war, emotional hinterherzukommen – es gab wenig Raum, alles zu verarbeiten. Wir hatten immer mehr das Gefühl: Wir leben nicht, wir werden gelebt. Aber das war mir damals egal, denn ich lebte ja endlich meinen Traum.
Der absolute Horror waren für mich die Sendungen mit den sogenannten Liveanrufen bei Bravo TV oder VIVA. Es war zwar cool, dass wir dort auch mal a cappella singen und zeigen durften, dass wir wirklich singen konnten, was uns viele Musikjournalisten nicht glaubten. Aber es gab eben auch sehr unangenehme Situationen wie die Zuschaueranrufe oder das Beantworten von Fanpost bei der VIVA-Sendung Interaktiv. Uns wurden dann teilweise sehr intime Fragen gestellt – und meine große Sorge war natürlich immer, dass es hieß: „Ich habe eine Frage für Eloy. Sag mal, bist du eigentlich schwul?“
Wenn man sich heute die alten Auftritte auf YouTube anschaut, kann man noch sehen, wie meine Lippe in solchen Situationen leicht zuckt und wie ich etwas beschämt nach unten schaue. Es war meistens Bastiaan, der mich in brenzligen Situationen befreite. Einmal fragte uns Heike Makatsch, nachdem wir unsere Ballade Babe in ihrer Sendung gesungen hatten, ob wir denn auch alle schon mal so eine große Liebe erlebt hätten – und sie schaute mich direkt an, vielleicht, weil ich einer von denen war, die ihr Deutsch verstanden. Mein Herz fing an, schneller zu schlagen, mein Mund wurde trocken und ich dachte innerlich nur: Scheiße! Warum ausgerechnet ich?! Ich erzählte dann aber sehr allgemein so was wie: „Jeder ist doch froh, wenn er nach Hause kommt und da wartet jemand auf ihn. Eine große Liebe ist etwas sehr Schönes.“
Natürlich redete ich dann ein bisschen um den heißen Brei, aber ich versuchte immer, geschlechtsneutral zu antworten und nach Möglichkeit nie „meine Freundin“ oder so was zu sagen … Benjamin checkte, wie nervös ich war, und erzählte dann als Ablenkungsmanöver von seiner ersten großen Liebe, einem Mädchen, das ihm nach einem Auslandsaufenthalt in den USA das Herz gebrochen habe. Ich atmete innerlich auf. Diese Promoauftritte gingen mir damals wirklich unter die Haut. Auch wenn die Zuschauer vermutlich gar nichts von meiner inneren Aufregung mitbekamen. Ich war immer gut darin, über alles andere zu reden: wie und wo bestimmte Songs entstanden waren, welche Auftritte uns am besten gefielen – aber wenn es ums Private ging, hätte ich mich am liebsten verkrochen.
Damals befand ich mich in ständiger Selbstbespiegelung und fragte mich, ob ich mich nicht als Homosexueller „verraten“ würde. Ich dachte die ganze Zeit darüber nach, wie ich wirkte, ob meine Stimme in Interviews zu hoch sei, ob ich „männlich“ genug saß … Wenn ich etwa merkte, dass ich die Beine übereinanderschlug, änderte ich sofort meine Position. Auch beim Tanzen achtete ich peinlich genau darauf, dass meine Bewegungen nicht zu expressiv wurden. Ich meine, unser Tanzstil war schon sehr ausdrucksstark, aber ich achtete darauf, dass er nicht zu flamboyant wirkte. So möchte ich mich nie wieder fühlen. Und ich möchte auch anderen diese Ängste nehmen. Am Ende meiner Konzerte sage ich deshalb heute immer: „Eine Message hätte ich noch für euch: Es ist egal, wen ihr liebt, ob Frauen oder Männer. Wichtig ist nur, dass ihr eurem Herzen folgt.“
Auch wenn wir in unserer Anfangszeit in Holland einigermaßen unterm Radar liefen, weil unser Erfolg im Ausland stattfand, weckten wir bald das Interesse der Klatschpresse. Einmal besuchten Carlo und ich eine große Fernsehgala, auch Bastiaan und seine damalige Freundin, die auch Sängerin war, waren dort. Kurz darauf erschien in einer Boulevardzeitung ein kleiner Artikel darüber, wer mit wem die Party verlassen habe. Und auch wenn sich der Text in vielen Andeutungen und Fragezeichen verlor, herrschte bei mir Alarmstufe. Doch als nichts passierte und das Ganze nicht von der deutschen Presse aufgegriffen wurde, beruhigte ich mich allmählich wieder.
Und dann kam die Sache mit der Homestory … Ein paar Monate später machte ich zusammen mit der Bravo eine große Strecke mit Interview und Fotos in unserer Wohnung. Carlo war nicht da und ich arrangierte alles so, als würde ich dort allein wohnen. Er gab seinerseits ein paar Monate später ein Interview mit einer niederländischen Zeitung, in der auch ein Foto von unserem Wohnzimmer zu sehen war. Wir dachten überhaupt nicht daran, dass da jemand Verdacht schöpfen könnte, weil wir uns auch in zwei völlig unterschiedlichen Bereichen der Wohnung fotografieren ließen.
Aber ein Mitarbeiter der Plattenfirma hatte beide Zeitschriften in den Händen gehabt und Verdacht geschöpft. Er checkte, dass es sich um ein und dieselbe Wohnung handelte, dass wir vermutlich zusammenwohnten – und zwar nicht als Männer-WG von zwei Kumpels. Leider war er nicht der einzige aufmerksame Leser: Ein Reporter des Magazins Privé machte eine Enthüllungsgeschichte daraus und schrieb, dass Carlo Boszhard und Eloy de Jong ein Paar seien.
Ich bekam davon erst mit, als ich in Cees‘ Büro gerufen wurde. Da ich mir schon denken konnte, worum es gehen würde, nahm ich Carlo damals mit. Cees‘ verärgerter Gesichtsausdruck machte kein Geheimnis daraus, dass es gleich um eine sehr, sehr ernste Angelegenheit gehen würde. Mir wurde heiß und kalt und schließlich fragte er, ob das Gerücht stimmen würde, dass ich auf Männer stünde und sogar eine Beziehung hätte. „Ja, das stimmt. Und das hier ist Carlo, der Mann, den ich liebe.“ Mein Gefühl in dem Moment war in etwa so: Man hat in seiner Wohnung das Bügeleisen angelassen und das ganze Mietshaus in Brand gesetzt. Wir waren gefühlt erst am Anfang unserer Karriere und Cees gab mir das Gefühl, als wäre ich der Grund für das vorzeitige Ende und die Millionenverluste, die jetzt garantiert beide bevorstünden. Wie sollte ich meine beiden Leben, als Boygroup-Star und als Partner, vereinen? Als Carlo irgendwann kurz aufs Klo ging, beugte Cees sich vor. Er meinte, das sei ja alles schön und gut und er freue sich auch für mein privates Glück, aber das käme sich leider mit Caught in the Act in die Quere.
„Du musst dich entscheiden“, sagte er schließlich. „Entweder du trennst dich von diesem Mann – oder von der Band.“ Er fragte mich dann noch, ob ich wisse, wie viele Jungs da draußen dafür sterben würden, meinen Platz einzunehmen, wenn er mich aus der Band werfen würde. Ich schluckte. Aber ich sagte ihm dann, so ruhig ich konnte, dass ich diese Entscheidung nicht treffen könne, weil ich weder Carlo noch die Band verlassen wolle. Ich war wahnsinnig verzweifelt. Wir hatten es endlich geschafft, Love Is Everywhere war wirklich everywhere – und mich holte diese Scheiße ein.
Cees hätte alles getan, um unsere Karriere voranzutreiben. Ich weiß noch, wie er im Backstage-Bereich immer alle anderen Künstler, teilweise viel größer als wir, zur Seite schob und rief: „Platz da, hier kommen meine Jungs!“, um uns den Weg für die Bühne frei zu machen. Kim Wilde schaute etwas irritiert … Cees war immer zur Stelle, wenn es um unsere Rechte (und Pflichten) als Künstler ging. Doch was das Menschliche angeht, hätte er Nachhilfe gebrauchen können. Vielleicht hatte er mit dem Rauswurf auch nur geblufft. Denn als er sah, dass ich Carlo nicht aufgeben würde, brummte er: „Na schön.“ Er ließ mich in der Band. In dem Moment war ich natürlich heilfroh. Ich verstand ihn sogar – er dachte wirtschaftlich, nicht emotional und fürchtete, dass wir weniger Platten verkaufen würden, wenn „es“ rauskam.
Man muss ihm im Nachhinein zugutehalten, dass er damit auch alles dransetzte, damit ich eben nicht von der Presse zwangsgeoutet wurde. Er kaufte Tausende Exemplare der besagten Privé-Ausgabe mit der Geschichte auf und vernichtete sie. Das Ganze schwappte zum Glück nicht nach Deutschland rüber – es gab nur eine zaghafte Anfrage der Bravo, in der man sich „wunderte“, ob denn an den Gerüchten um Eloy etwas dran sei. Aber Cees schmetterte das ab und ließ mitteilen, dass das einfach nur eine echt schmutzige Lüge sei. Und damit war das Thema erst mal vom Tisch – auch weil es ein paar lancierte Geschichten mit anderen Magazinen gab. In der Bravo gab es eine fingierte Story um ein Mädchen mit einem herzförmigen Plakat, auf dem mein Name stand, sie war ein Model, aber es hieß, sie sei auf einem unserer Konzerte fotografiert worden und nun suche Eloy das Mädchen mit dem Herzplakat, um sie einmal zu treffen …
Aus Angst, dass jetzt eine Hetzjagd der Paparazzi losgehen würde, ging ich ab sofort immer zehn Meter hinter Carlo, wenn wir draußen unterwegs waren. Wir schafften es, unsere Beziehung geheim zu halten. Es widerstrebte mir, mich so zu verstecken, aber ich wollte auch weiterhin Teil von Caught in the Act sein und nahm es in Kauf, dass ich meine Liebe nicht zeigen durfte. Ich bin heute echt froh, dass das Internet damals noch in den Kinderschuhen steckte und vor allem Smartphones und Social Media noch nicht existierten – auch wenn sie natürlich helfen, wenn man sich die Verbreitung seiner Musik und seiner Botschaft wünscht, schrumpft mit ihnen die Privatsphäre enorm, wenn man berühmt ist.
Ich war so verliebt in Carlo, dass ich das Gefühl hatte, ich könne ewig mit ihm zusammenbleiben. Ich liebte sein Lächeln, seinen Ehrgeiz und dass er gleichzeitig sehr männlich, aber auch verschmitzt und jungenhaft war.
Carlo war zwar auch im Showgeschäft, aber trotzdem hatte er einen sehr geregelten Arbeitsablauf. Im Gegensatz zu mir. Mein Leben wurde schon bald nach dem Auftritt in Dortmund der reinste Zirkus: Deutschland war verrückt nach uns und so planten wir unsere erste Tour. Innerhalb von ein paar Tagen waren 300 000 Eintrittskarten verkauft. Unsere Proben mit den Gesangs- und Tanzlehrern wurden intensiver und professioneller, wir mussten zusätzlich jeden Tag Fitnesstraining machen, denn unsere Fans sollten nicht nur eine perfekte Show, sondern auch perfekte Bodys präsentiert bekommen. Wir waren nur auf Achse, inzwischen nicht nur in Deutschland, auch in der Schweiz und Österreich, in Polen, Slowenien …
Wir waren von Nokia mit Handys ausgestattet worden. Und ich schwöre, es klingelte nonstop. Es ging um Verträge und Auftritte, Termine, Reisen, Flugdaten, Interviews. Cees wollte rund um die Uhr über uns verfügen können. Wenn er nicht selbst anrief, waren es Mitarbeiter von ihm, die uns mit Stylisten, Fotografen oder Journalisten vernetzten. Fand ich das schlimm? Nein, ich liebte es anfangs. Es war wie ein Rausch. Da war sie, die Bestätigung, die ich mir so lange gewünscht hatte: Plötzlich wollte jeder was von uns, wir waren Stars.
Ob mein Vater stolz war? Das fragte ich mich oft. Das ganze Geld, das ich nun verdiente, kann ihn nicht kaltgelassen haben. Aber er zeigte sich auch weiterhin unbeeindruckt gegenüber meinem Ruhm – auch wenn meine Mutter mir erzählte, dass er sich oft mit ihr unsere Fernsehauftritte anschaute und las, was so über uns geschrieben wurde. Dass ich meine ganzen weiblichen Fans, die mir inzwischen auf Schritt und Tritt folgten und sogar auch vor meinem Elternhaus campierten, links liegen ließ, verstand er auf jeden Fall nicht: „Wie kann Eloy 30, 40 Mädchen vor der Tür haben und sie komplett ignorieren? Ist das nicht der Traum von jedem Jungen?!“ Nein, offensichtlich nicht …
Von jetzt auf gleich wurden wir auf die ganz großen Bühnen in Deutschland, Österreich und der Schweiz katapultiert. Als ich irgendwann mal schwarz auf weiß las, wie viele Auftritte wir auf der Höhe unseres Erfolgs hatten, war ich baff: 1996 absolvierten wir laut Bravo über 150 Liveauftritte, über 700 Radiointerviews und fast 60 Fernsehauftritte. Bei unseren Konzerten arbeiteten bis zu 40 Menschen hinter den Kulissen. Das muss man sich mal vorstellen! Ich konnte es damals nicht. Ich machte einfach immer weiter, genoss das irre Gefühl, auf der Bühne zu stehen – und kam teilweise erst nach wochenlangen Reisen zurück zu Carlo.
Er hatte mich immer sehr vermisst und so freute er sich wahnsinnig auf unser Wiedersehen. Ich freute mich auch, aber oft war ich total am Limit und völlig ausgelaugt vom Popstarleben. Die Wörter „Freizeitausgleich“ oder „Work-Life-Balance“ existierten damals nicht in unserem Sprachgebrauch. Wir von Caught in the Act arbeiteten ja nicht – wir lebten unseren Traum. Statt ihm näherzukommen und zu kuscheln, brauchte ich Raum für mich, den hatte ich ja sonst so gut wie nicht mehr. Oft wollte ich einfach nur meine Ruhe und fiel nach einer kurzen Umarmung sofort in komatösen Schlaf. Wenn ich aufwachte, war er längst im Studio, erst wenn er abends heimkam, fing unsere gemeinsame Zeit an. Vorausgesetzt, ich war nicht schon wieder unterwegs nach Deutschland. Das Blatt hatte sich gewendet: Am Anfang unserer Beziehung war Carlo erfolgreich und berühmt, nun hatte ich ihn quasi im Nullkommanichts eingeholt. Er kam auch damals nicht zu meinen Auftritten, weil wir nicht die Gerüchteküche anheizen wollten, dass wir ein Paar seien. Das führte aber dazu, dass er den Bezug zu meinem Leben verlor – und ich zu seinem.
Einmal kam aber Carlos Mutter Will zu einem unserer Konzerte nach Deutschland, ich hatte sie eingeladen. Wir hatten ein ausverkauftes Konzert in der Westfalenhalle in Dortmund. Ich glaube, sie war nicht darauf vorbereitet gewesen, wie viele tausend Mädchen uns zujubelten, wie sie kreischten, in Ohnmacht fielen – ja, was für eine Riesenshow das sein würde. Später sagte sie zu Carlo: „Ich glaube, Eloy wird nie wieder der Alte sein. Eine solche Art von Hysterie muss einen Menschen doch verändern.“
Neid auf den anderen war nicht Carlos und mein Problem. Es war die Tatsache, dass wir uns immer seltener sahen und dass CITA immer mehr Raum in meinem Leben einnahm. Carlo litt, denke ich, mehr darunter, dass wir allmählich auseinanderdrifteten. Ich war zu abgelenkt – nein, nicht von Groupies. Mein Leben bestand plötzlich nur noch aus Superlativen. Aber ich wusste mit Anfang 20 nicht, dass man in eine Beziehung auch Energie und Arbeit investieren muss, damit sie funktioniert. Gerade wenn man mit anderen Dingen beschäftigt ist und so ein hochtouriges Leben hat. Irgendwie wurde mir trotzdem langsam klar, dass ich unter diesen Umständen nur einen Traum würde leben können: Boygroup-Star sein oder eine feste Beziehung mit einem Mann haben.