Kapitel 5
Es klopfte leise an meiner Bürotür. Ich schreckte in Gedanken versunken auf und spürte, wie die Röte in meine Wangen kroch. Was war nur mit mir los?
Eine Woche war die Silvesterparty und meine unbeschreibliche Begegnung mit Ian und Cole inzwischen her. Zwei Männer, die unterschiedlicher nicht sein konnten und mich beide auf ihre Art faszinierten. Und seit dieser Nacht konnte ich an nichts anderes mehr denken als an das Gefühl, zwischen ihnen zu kommen. Ians raue Hände auf mir zu spüren, während mich Coles dunkler Blick in Brand setzte.
Jeden Abend vorm Schlafengehen hatte ich mich mit der Erinnerung an dieses Erlebnis selbst befriedigt, und trotzdem war es nicht genug. Ich konnte sie einfach nicht vergessen.
Während Cole nach unserem phänomenalen Sex ohne ein Wort gegangen war, hatte Ian mir ein wenig über sich und seinen Freund erzählt. Sie hatten so etwas öfter gemacht, und obwohl Ian nicht gegen ein zweites Mal war, hatte Cole eine eiserne Regel, nie mehr als eine Nacht mit einer Frau zu verbringen.
In diesem Moment hatte ich es akzeptiert, obwohl ich durch meinen heftigen Orgasmus immer noch in Sphären jenseits von Gut und Böse geschwebt hatte. Aber jetzt bereute ich, dass ich einfach gegangen war.
Doch was hätte ich tun sollen? Sie anbetteln, es mir noch ein zweites Mal zu besorgen? Lächerlich. Ich war eine erwachsene emanzipierte Frau und besaß ein eigenes, durchgetaktetes Leben. Ich hatte überhaupt keine Zeit für Beziehungen oder so etwas in der Richtung. Mal ganz davon abgesehen, dass ich an so etwas wie die Liebe sowieso nicht glaubte. Es war die reine Lust, die immer noch durch meinen Körper rauschte und meinen Kopf vernebelte, und es war Zeit, diesen Nebel endlich abzuschütteln und weiterzumachen. Wie immer.
»Eve?« Bianca, meine Assistentin, steckte ihren blonden Kopf durch die Tür. »Dein Termin fängt in fünf Minuten an, Besprechungsraum vier.«
»Oh verdammt!« Ich sprang von meinem Schreibtischstuhl auf, raffte meine Unterlagen auf meinem Glasschreibtisch zusammen und strich meinen engen Bleistiftrock glatt. Das war noch ein Punkt, der mir ganz und gar gegen den Strich ging. Männer waren eine viel zu große Ablenkung, die ich mir in meinem Job nicht leisten konnte. Zu hart hatte ich für all das gearbeitet, denn es hatte viele Steine auf meinem Weg hier herauf gegeben!
»Du kommst noch pünktlich! Ich habe schon alles vorbereitet.« Bianca grinste mich an und hielt mir die Tür auf.
»Du bist die Beste! Dafür lade ich dich nach Feierabend auf einen Drink ein!«
»Oh ja, gerne!«
Ich winkte ihr und rannte den Flur entlang. Vor der Tür stand meine Mandantin und tippte mit dem Fuß in ihren hohen Louboutins auf unseren Marmorboden. Ihr enges, knielanges Kleid saß perfekt, genauso wie ihre professionell gestylte Frisur. Sie war ausgesprochen hübsch, aber an ihrem Charakter musste sie eindeutig noch arbeiten. Doch wenn wirklich stimmte, was sie mir über ihren zukünftigen Ex-Mann erzählt hatte, musste dieser um einiges herrischer als sie selbst sein. Was eindeutig an ein Wunder grenzte, denn meine Mandantin war nicht gerade sehr solidarisch, wenn es um ihre Bedürfnisse ging.
»Sie sind zu spät!«, keifte sie, und ich hielt ihr die Hand hin.
»Es tut mir leid, Mrs Craft, mir kam etwas dazwischen!«, log ich.
»Nennen Sie mich ab heute bitte wieder bei meinem Mädchennamen Howard. Ich möchte nicht einen Tag länger den Namen dieses Mannes tragen!«
»Selbstverständlich! Treten Sie ein!« Ich hielt ihr die Tür zum Besprechungsraum auf, und der gegnerische Anwalt sah von seinen Unterlagen auf. John Powell. Ich verachtete den Typen und sein verschlagenes Aussehen. Er war ein Frauenhasser und bekannt dafür, nur Männer zu vertreten. Meistens sogar recht wohlhabende, was seine überzogene Villa, seinen Maserati und seine derzeit zweiundzwanzigjährige Frau finanzierte.
»Guten Tag, Mister Powell«, sagte ich geschäftig und sah hinüber zu seinem Mandanten. Und mein Herz hörte auf zu schlagen. Meine Knie drohten einzusacken und ich klammerte mich an meinen Unterlagen fest.
Seine dunklen Augen, das männlich kantige Gesicht, das keine seiner Gefühlsregungen zeigte, der dunkelgraue Anzug, der wie für ihn gemacht über seinen breiten Schultern spannte … Cole. Ich schluckte. Shit!
Er stand auf und knöpfte sein Jackett zu, bevor er mir geschäftig die Hand hinhielt. Während ich seinen kräftigen Händedruck erwiderte, ließ er mich nicht aus den Augen. Erinnerungen fluteten meinen überforderten Geist.
»Craft, freut mich, Sie kennenzulernen«, sagte er mit seiner tiefen Stimme, die Blitze durch mein Innerstes schickte. Okay, wir taten also so, als würden wir uns nicht kennen. Das kam mir in Anbetracht unserer Lage äußerst gelegen.
»Mich ebenfalls, Eve Smith.« Er ließ mich los, nicht jedoch ohne mir mit dem Daumen kurz über die Haut zu streichen. Völlig unauffällig den anderen im Raum gegenüber, aber doch so stark, dass mich erneut eine Welle von Emotionen überrannte.
Als ich mich von ihm abwandte und gegenüber Platz nahm, sickerte der Moment erst richtig in meinen Kopf.
Ich saß hier neben Donna Craft. Seiner baldigen Ex-Frau.
Während ich versuchte, unsere Begegnung zu verarbeiten, und Powell seinen Monolog startete, fixierte mich Cole, ohne seinen Blick nur einmal woandershin zu richten.
Happy New Year, Eve. Das neue Jahr fing alles andere als gut an.