Kapitel 17
Der Plan war, sie genauso um den Verstand zu bringen, wie sie mich um meinen brachte.
Die Umsetzung war fehlerhaft gewesen. Aber nicht aussichtslos, denn ich hatte nur kurz nach unserem unplanmäßigen Kuss wieder umschalten können.
Nun saß sie mit überschlagenen Beinen auf meinem Sofa und nahm das Weinglas entgegen, das ich ihr hinhielt. Ich leckte mir über die Lippen, bevor ich den Kelch anhob und einen Schluck des halbtrockenen Weißweins genoss. Er schmeckte gut, aber nicht ansatzweise so gut wie Eve. Heute würde ich herausfinden, wie gut sie schmeckte.
Ich stand über ihr. An ihrer schnellen Atmung und der leichten Röte, die ihre Wangen überzog, sah ich, dass entweder der Alkohol seine Wirkung entfaltete oder sie mein Anblick aus der Bahn warf. Mein Jackett hatte ich ausgezogen und die ersten zwei Knöpfe meines schwarzen Hemdes geöffnet. Mein Schwanz, der eingesperrt hinter dem Reißverschluss meiner Anzughose protestierte, befand sich nur wenige Zentimeter vor ihrem göttlichen Mund und beneidete den Wein, der ihre Lippen benetzte.
Ich hatte uns in mein Appartement gefahren, damit uns niemand in dem Flur der Bar ertappte und dachte, ich würde Eve vergewaltigen wollen. Ich hatte keine Lust auf Ablenkungen, sondern brauchte Eves völlige Hingabe, die sich nur entfalten konnte, wenn sie sich fallen ließ. Außerdem war ich ein egoistischer Scheißkerl, der ihren Anblick dabei für mich haben wollte.
»Woher kommt deine Vorliebe für Kontrolle?«, durchbrach sie die Stille. Sie hatte augenscheinlich zwar zugestimmt, aber immer noch Bedenken. Ich nahm neben ihr Platz und achtete darauf, sie dabei kurz flüchtig am Knie zu streifen. Sie hielt die Luft an, also war ihr meine Berührung nicht entgangen.
Meine Lippen verzogen sich ohne mein Zutun zu einem schmalen Lächeln. Ich spürte den Ring in meiner Hosentasche, ignorierte aber, wie schwer er sich in dem Moment anfühlte. »Ist es dir möglich, deine Fantasien zu erläutern? Manches kann man mit einer miesen Kindheit oder einem prägenden Erlebnis erklären, aber manches, das so stark ist, dass wir seine Stimme immer flüstern hören, steckt in uns. Tief, doch es ist immer da, lauert in einer dunklen Ecke und möchte einfach nur raus. Du kannst dich vielleicht am Anfang entziehen, aber dir wird immer etwas fehlen. Das Flüstern wird zum Schreien, und du kannst an nichts anderes mehr denken als an die Röte, die deine zarte Haut überzieht, und an deinen Blick, der von Befriedigung und Erschöpfung verschleiert ist, wenn ich mit dir fertig bin.«
Sie schnappte nach Luft. Bingo. »Aber eigentlich solltest du wissen, wie es ist. Du bist devot, du kannst es dir nur noch nicht eingestehen, weil du denkst, es wäre ein Zeichen von Schwäche, aber das Gegenteil ist der Fall. Es hat etwas mit Hingabe zu tun. Und Vertrauen. Vertraust du mir, Eve?«
Sie trank einen Schluck, dann setzte sie das Glas ab und schüttelte mit dem Kopf. »Nein.«
Ich musste lachen. »Gut, das ist im Moment auch noch besser so.«
Eve zog fragend eine Augenbraue nach oben.
»Ich möchte dein Vertrauen gewinnen, das gehört dazu. Du bist eine starke Frau, im Leben wie in deinem Job, und hast einiges erlebt, das merke ich dir an. Aber sich auch fallen zu lassen und die Entscheidung jemand anderem zu übergeben, kann befreiend sein. Lass mich dieser Jemand sein, der dich befreien darf.«
Ich sah ihr an, dass sie immer noch Angst hatte, die sie blockierte und von ihren wirklichen Gefühlen trennte. Es gehörte für mich dazu, langsam mit ihr diese Furcht zu lösen. Erst wenn sie sich mir vollständig hingab, hatte ich mein Ziel erreicht und die Kontrolle über sie erlangt. Bei Dominanzspielen, wie man diese auch immer nannte, gehörte nicht dazu, jemand anderen zu quälen, damit man selbst Macht empfand. Denn eigentlich hatte der devote Part die Kontrolle. Nur wenn Eve in unserem Spiel vollständig aufging, konnte ich mich selbst fallen lassen. Dazu gehörte, dass ich sie kennenlernte. Mit ihrer Lust spielte, aber auch mit ihrer Angst, denn beides in den richtigen Dosen konnte ein wahnsinnig gutes Aphrodisiakum sein.
»Wir haben von Ehrlichkeit gesprochen, erinnerst du dich?« Sie nickte. Ich nahm ihr sanft das Weinglas aus der Hand und stellte es auf meinem Couchtisch auf einem Untersetzer ab. Normalerweise musste ich diese Art von Gesprächen nicht führen, weil die Frauen, die ich sonst für mein Vergnügen nutzte, nie länger als eine Nacht in meinem Leben waren. »Erzähl mir von deinen Fantasien. Die dunklen, nicht die, die du deiner besten Freundin anvertrauen würdest.«
»Ich hab noch niemals mit jemandem darüber gesprochen«, erwiderte sie und senkte den Blick. So stark, wie sie in vielen Momenten wirkte, so sehr genoss ich auch diese Seite an Eve, die sich mir anvertraute und Schwäche zuließ.
»Das ist okay. Die meisten würden sie auch nicht verstehen.« Ich berührte sie mit dem Zeigefinger sanft an der Schläfe, und sie hob ihr Gesicht. »Ich schon.« Langsam löste ich mich von ihr.
»Ich denke darüber nach, wie es wäre … überfallen und ausgeliefert zu sein. In der Dunkelheit. Und mich nicht wehren zu können.« Ihre Stimme klang heiser, und ich kannte diese Erregung darin nur zu gut. »Andererseits habe ich auch Angst davor, es … gab da eine Situation in meinem Leben, in der ich ebenfalls die Kontrolle verloren hatte. Und ich möchte so etwas nicht wieder erleben.«
»Ich verstehe das, aber diese Furcht kann ich dir nehmen. Alles, was zwischen uns passiert, wird in Sicherheit geschehen. Vertrau mir, dass ich nichts ausnutzen werde und dir nichts passieren wird. Du hast Grenzen, die ich akzeptiere, die ich manchmal aber auch überschreiten werde. Weil ich es will. Aber du wirst zu keiner Zeit in wirklicher Gefahr sein. Sieh es als Spiel zwischen uns, in dem du dich endlich fallen lassen kannst, und vergiss alte Erfahrungen. Ersetze sie durch neue.« Ich rutschte näher zu ihr und nahm ihre Hand. Sie zitterte ein wenig, und ich unterdrückte den Drang, sie an mich zu ziehen, zu halten und zu beruhigen, denn ich war ganz schön krank, weil mir diese Angst eigentlich gefiel. »Willst du dich darauf einlassen und mir die Möglichkeit geben, es dir zu zeigen?«
Sie atmete langsam ein und aus, ließ meine Nerven vor Spannung flattern, bis sie knapp nickte. »Okay.« Das Wort kam mehr wie ein Hauch über ihre Lippen. Ich zog sie an ihrer Hand nach oben und stand mit ihr auf. Nach dieser Unterhaltung hatte ich nur noch einen Drang. Endlich zu beginnen.
»Zieh dich aus.«
»Was?«, erwiderte sie überrascht, als ich einen Schritt zurückging.
»Alles«, antwortete ich trocken, auch wenn ich kurz überlegt hatte, sie ihre High Heels anbehalten zu lassen. Aber ich wollte sie so, wie sie war. »Und ich sage dir jetzt ein letztes Mal, dass ich weder Fragen noch Zögern dulde.« Ich verschränkte die Arme vor der Brust.
Und auf einmal wechselte ihr Gesichtsausdruck. Sie wirkte nicht mehr verschüchtert oder unsicher. Ich sah in ihren Augen, dass sie sich darauf einließ. Auf unser Spiel. Auf mich. Und allein deshalb wurde es bedeutend enger in meiner Anzughose, was eigentlich kaum noch möglich war.
Langsam strich sie sich eine dicke, schwarze Haarsträhne nach hinten und öffnete den Reißverschluss an ihrer Taille. Ich sah dabei zu, wie sie mich nicht aus den Augen ließ und sich die Ärmel ihres weinroten Strickkleides von den Schultern strich. Sie zögerte, als der Stoff ihre Brust berührte. Sie wusste genau, was sie tat. Wie sie mich um den Verstand brachte und mit meiner Beherrschung spielte.
Mit einem Rascheln kam das Kleid auf dem Boden auf, und sie stand nur noch in Unterwäsche, schwarzen Strümpfen und diesen verdammten Schuhen vor mir. Ich genoss den Anblick ihrer Rundungen. Das feste Fleisch ihrer schlanken Taille, die glatte, helle Haut und den Kontrast ihrer dunklen Wäsche.
Mein Atem stockte, als sie eine Hand hinter ihren Rücken führte, um ihren BH zu öffnen. War ich bereit für diesen Anblick? Denn ich wusste gerade selbst nicht, ob ich danach noch das durchziehen konnte, was ich eigentlich mit ihr geplant hatte.