Kapitel 29
Ich war kein Typ, der sich gerne die Finger schmutzig machte, aber manchmal ließ es sich nicht verhindern. Wie in diesem Fall, in dem ich kurz davor war, meinem Gegenüber eine Kugel durch den Kopf zu jagen, damit sein hirnloses Gequatsche aufhörte.
Ian spürte meine Ungeduld und warf mir von der Seite einen ermahnenden Blick zu. Er war der Vernünftigere von uns beiden. Glück für unseren Gesprächspartner. Im Moment. Denn meine Laune, seitdem ich Eve das letzte Mal vor einer Woche gesehen hatte, ging stündlich rapide nach unten. Ich hatte beschlossen, es zu beenden. Es war besser für uns beide, da war ich mir sicher. Blöd nur, dass mein dämlicher Kopf, in dem meine Gedanken Kreise drehten, anderer Meinung war. Genauso wie mein verräterischer Schwanz, der jedes Mal zuckte, wenn ich an sie dachte.
Außerdem machte mir noch etwas anderes Sorgen. Auch wenn ich Donna nicht unbedingt gemocht hatte und sie mehr ein Klotz am Bein gewesen war als ein nützlicher Deal, war sie nach unserer endgültigen Scheidung vor zwei Tagen verschwunden, wie ich von einigen meiner Spitzel erfahren hatte. Und das war ziemlich merkwürdig. Entweder hatte sie ein Feind ihres Vaters geschnappt, nachdem sie herausgefunden hatten, dass sie nicht mehr unter meinem Schutz stand, oder ihre Familie plante irgendetwas. Sie hatten es nicht gerne gesehen, als ich die Scheidung eingereicht hatte, doch das war meine logische Konsequenz. Ihr Vater hatte nicht das eingehalten, was er mir für diesen Deal versprochen hatte. Er konnte seine Kontakte nicht nutzen, um unserem Geschäft einen Mehrwert zu bieten. Also konnte ich nicht anders, als diese Verbindung zu lösen. Und obwohl ich eher vermutete, dass seine Feinde etwas mit Donnas Verschwinden zu tun hatten, blieb ein unwohles Gefühl auf jeden Fall.
»Also finde ich eine Preisreduktion von vierzig Prozent äußerst fair«, schloss unser Gegenüber sein Plädoyer ab. Er war zu jung für so einen fetten, ständig schwitzenden Körper, aber ich wusste schon immer, dass Murphy keine Disziplin hatte. Sein Vater war ein Mann gewesen, dem man Respekt entgegenbringen konnte. Nach seinem Herztod hatte allerdings sein schwachsinniger Sohn seine Geschäfte übernommen und beschmutzte sie mit seinen hirnlosen Taten. Wir sollten das hier einfach beenden. Ein Idiot weniger auf dem Planeten, dem niemand nachtrauerte.
Ian faltete die Hände auf dem Mahagonitisch, und wir sahen Murphy dabei zu, wie er seine trockene Kehle mit unserem Hundert-Dollar-Kaffee befeuchtete. Jeder Schluck war eine Verschwendung. Meiner Geduld hatte so ein Typ heute gerade noch gefehlt. Meine Hand zuckte, weil sie nichts lieber täte, als Murphy damit die Luft an seinem fetten Hals abzudrücken. Wenn Ian mir schon verbot, meine Waffe bei diesem Termin bei mir zu tragen.
»Und du begründest diese Reduktion tatsächlich durch die Verspätung der letzten Lieferung von einem Tag?« Auch Ian hatte keine Lust auf dieses unnötige Gespräch. Wir sollten es einfach zu Ende bringen und dem Jungen zeigen, mit wem er besser nicht verhandeln wollte.
Ich räusperte mich und richtete mich auf meinem Stuhl auf. Murphy stellte klirrend die Kaffeetasse ab und rutschte ein Stück tiefer in den hohen Sessel aus dem fünfzehnten Jahrhundert. Sein fetter Arsch passte kaum zwischen die Lehnen.
»Vielleicht können wir auch über zwanzig Prozent sprechen?« Seine Stimme klang nun unsicher und fast piepsig.
»Wir beliefern deine Familie schon seit Jahrzehnten. Wir haben bereits mit deinem Vater verhandelt, als du noch zur Highschool gegangen bist«, sagte Ian. »Wir begrüßen, dass du es fortführst …«
»Einen Scheiß tun wir.« Meine Faust traf krachend die Tischplatte, und Murphy begann noch schlimmer zu schwitzen. Mit dem Zeigefinger zog er unruhig an seinem engen Kragen herum.
Ian holte sein Handy aus der Tasche und sah auf das Display. »Einen Moment, das ist wichtig«, sagte er an Murphy gewandt, der mir einen nervösen Blick zuwarf. Er wusste nun genau, dass er gleich mit mir allein in einem Raum sein würde. »Warte bitte, bevor du etwas tust, was du bereust«, flüsterte mir Ian zu, stand auf und lief nach draußen. »Bane!« war das Einzige, was ich noch von ihm hörte. Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, richtete ich mich noch weiter auf. Manchmal war Ian einfach zu weich für diesen Job.
»Zehn Prozent?«
»Wir alle wissen, dass du auf Nutten jenseits der fünfzig stehst und dich dieses Hobby auf Dauer ziemlich teuer kommt. Vor allem, weil du deiner Verlobten nach jedem deiner auswärtigen Ficks einen teuren Diamantring kaufen musst, damit sie bei dir bleibt, oder?«
Murphys schwitzendes Gesicht wurde rot, und er schüttelte so wild den Kopf, dass ich dachte, er erleide eine Gehirnerschütterung. Doch anstelle seines Gehirns befand sich dort garantiert nur gähnende Leere, also sollte das sein geringstes Problem sein.
»Was? Woher hast du dieses Gerücht? Das ist ja unerhört!« Er sprang auf. Wahrscheinlich weil Flucht das Einzige war, was dieser Waschlappen kannte. Ich erhob mich ebenfalls. Zum Glück für ihn, dass uns der Tisch trennte.
»Wegen der Zeit, die uns durch diesen lästigen Termin verloren gegangen ist, veranschlagen wir einen Aufpreis von zwanzig Prozent für die kommenden fünf Lieferungen«, sagte ich ruhig.
Murphy klappte der Kiefer auf und wieder zu. Er sah dabei aus wie ein Kugelfisch, der nach Luft schnappte. »Was? Aber das kannst du doch nicht, ma…«
Die Worte blieben ihm im Hals stecken, als ich mich ein Stück zu ihm vorlehnte. »Wir sind die Lieferanten, und wir bestimmen den Preis. Du kannst dir überlegen, ob du mitziehst, aber du weißt genauso gut wie ich, dass es niemand anderen geben wird, der dir deine Ware in dieser Qualität besorgt. Und deine Nutten.« Ich zwinkerte ihm zu. »Deine Verlobte bekommt bei der nächsten Lieferung auch einen fetten Klunker als freundschaftliche Beigabe von uns dazu geschenkt. Für mich klingt das äußerst großzügig.«
Bevor Murphy noch etwas sagen konnte und ich ganz meine Beherrschung verlor, knallte die Tür geräuschvoll gegen die Wand, und ich fuhr herum. Ian stand in der Schwelle, in seiner Hand noch das Handy, die Augen vor Schreck geweitet. Irgendetwas war nicht in Ordnung.
Ich wandte mich zu Murphy, der wenigstens gleich verstand. Mit gesenktem Kopf verließ er den Raum und stürmte an Ian vorbei. Als wir allein waren, ging ich einen Schritt auf Ian zu.
»Was ist los?«
»Das war Bane. Er hat einen Auftrag abgelehnt, weil es dabei um eine Frau ging, die er erledigen sollte. Du weißt, Bane kümmert sich nicht um Frauen oder Kinder.«
»Wer war es?«, knurrte ich und ahnte Übles.
»Delia Adams.«