Leseprobe Second Chance
Kapitel 1
»Findest du das wirklich ne gute Idee?« Nervös spähte ich an meiner besten Freundin vorbei und sah aus dem Seitenfenster. Clary löste die Finger vom Lenkrad. Ihr Herz raste sicherlich genauso schnell wie meines.
»Ich hab doch nicht das Auto meines Dads geklaut, damit wir jetzt den Schwanz einziehen.« Das Klicken des Gurtes erklang im Innenraum des Volvos, als sich Clary abschnallte. Es war kalt. Selbst tagsüber hatte es Minusgrade im zweistelligen Bereich gegeben, jetzt am Abend war es sogar noch kälter. Nicht ungewöhnlich für den Osten von Pennsylvania um diese Jahreszeit. »Komm schon. Du hast gesagt, dass wir das Zeug hier kriegen, oder?«
»Ja, hab ich. Aber …« Mein Blick wanderte erneut über den Vorgarten des Einfamilienhauses, in dem sich zahlreiche Leute tummelten. Die meisten hatten rote Becher mit sicherlich irgendeinem Alkohol in der Hand, manche sogar trotz des Wetters nur ein T-Shirt an. Drinnen schien es extrem heiß zu sein, oder der Alkohol wärmte wirklich von innen. Ich hatte keine Ahnung. Bis jetzt hatte ich mit siebzehn noch keinen Vollrausch erlebt, höchstens mal heimlich am Sektglas meiner Mutter genippt, als diese bei ihrem letzten Geburtstag den Raum verlassen hatte. »Ich habs mir anders überlegt. Ich will doch nicht. Lass uns wieder nach Hause fahren.«
Der Ledersitz knarzte, als sich Clary mir zuwandte und mich mit ihren braunen Augen vorwurfsvoll ansah. »Vergiss es. Wir machen jetzt keinen Rückzieher. Marc hat gesagt, nur so schafft er es, genug für die Prüfungen zu lernen und trotzdem noch alles neben der Schule hinzukriegen. Erinner dich. Klavier, Ballett, Spanisch … Was haben unsere Eltern uns noch aufgebrummt?« Ich zuckte stumm mit den Schultern. »Wir gehen jetzt da rein, holen uns ein paar von den Dingern von diesem Trip und fahren wieder heim. Du wirst sehen, morgen lachen wir über diese Geschichte.«
»Trip … was ist das eigentlich für ein bescheuerter Name?«
Clary grinste. »Er verschafft dir den Trip deines Lebens, sagen alle.«
»Er ist bei uns auf der Schule, hätten wir ihn nicht dort danach fragen können? Wieso in diese Gegend fahren?« Meine Eltern hatten mich vor diesem Teil der Stadt gewarnt, und mir war nicht wohl bei dem Gedanken, nun mitten hineinzuspazieren.
Clary tippte sich mit dem Finger gegen die Stirn. »In der Schule? Mit Drogen dealen? So krank ist selbst dieser Typ nicht, glaub mir. Außerdem willst du dich doch nicht von der alten Miss Patty auf dem Schulhof erwischen lassen? Komm jetzt.« Meine beste Freundin stieg aus dem Auto, während ich noch zögernd darin saß. Sie klopfte gegen die Scheibe, und ich hörte dumpf ihre Stimme. »Los jetzt!«
Na gut. Eigentlich ging es mir nicht um die Leute, die auf dieser Party waren, und ich hatte auch keine Angst, in dieser Gegend ausgeraubt zu werden, wie es alle sagten. Ich hatte Sorge, danach erwischt zu werden, denn mein Vater war nicht gerade für seinen lockeren Erziehungsstil bekannt. Noch nie hatte ich mir etwas wirklich Schlimmes zuschulden kommen lassen, aber ich war mir sicher, wenn mein Dad das herausfände, könnte ich mich auf einiges gefasst machen. Wahrscheinlich würde er mich auf direktem Weg ins Internat schicken, so wie er es früher oft angedroht hatte. Meine absolute Horrorvorstellung. Weit weg von meiner Mum, weit weg von meinen Freunden. Andererseits musste ich da jetzt rein und tun, was wir vorhatten, um seinen Ansprüchen weiter gerecht zu werden. Denn wenn nicht, schickte er mich bestimmt ebenso fort.
Ich seufzte schwer, zog den Kragen meiner blauen Daunenjacke nach oben und stieg aus. Kalter Wind peitschte mir ins Gesicht. Wenigstens schneite es noch nicht, denn ich mochte Schnee nicht besonders, seit ich mit fünf Jahren von Clarys bescheuertem Bruder Spencer kopfüber hineingetaucht worden war und fast erstickt wäre.
Ich ging zu meiner besten Freundin, und wir liefen gemeinsam durch den Vorgarten auf das Haus zu. Die Musik dröhnte durch die Nacht, genauso wie das Gegröle einiger Leute, das durch die geöffneten Fenster drang. Sie schienen Spaß zu haben. Spaß. Wusste ich überhaupt, was das war? Neben meinen ganzen außerschulischen Verpflichtungen und den anstehenden Prüfungen hatte ich im Moment nicht sehr viel Zeit dafür.
Wir stiegen die Stufen der Veranda zum Eingang nach oben.
»Hey, ihr Süßen, Bock auf eine Runde tanzen?« Eine Gruppe Jungs stand vor der Tür. Ein Braunhaariger griff sich anzüglich in den Schritt und ließ sein Becken kreisen. Großartig. Jungs in unserem Alter waren wohl überall nervig und pubertär.
»Danke für das Angebot, aber wir lehnen ab«, sagte ich. Sie lachten, und ich warf Clary einen genervten Blick zu. Ich sammelte meinen gesamten Mut zusammen. »Wir suchen einen Trip. Ist er hier?«
»Wer will das wissen?«, fragte ein Schwarzhaariger, der bisher recht ruhig gewesen war.
»Mein Name ist Cassandra«, erwiderte ich. »Aber er wird mich nicht kennen.«
»Wieso suchst du ihn dann?«, fasste er misstrauisch nach, als wäre ich von der Polizei und undercover. Hatte er vergessen, dass man dort keine siebzehnjährigen Mädchen einstellte?
»Unser Freund Marc hat gesagt, er hätte etwas, das uns helfen könnte. Bei den Prüfungen und so«, rettete mich Clary aus der Situation.
Der Typ musterte uns noch einige lange Sekunden, dann nickte er und deutete hinter sich. »Er ist da drin.«
Ach nee. So schlau waren wir auch ohne ihn. Doch ich sparte mir einen Kommentar. »Danke.« Er nickte, und die anderen sahen uns mit ihrem hämischen Grinsen nach, als wir an ihnen vorbeigingen und das Innere des Hauses betraten. Die Luft war extrem stickig, und ich musste mich erst mal sammeln, um mich in dem Chaos hier zurechtzufinden. Wahnsinn, wie viele Menschen passten in so ein kleines Haus? Die harte Housemusik war so laut, dass mir die Ohren wehtaten. Mindestens neunzig Prozent der Anwesenden waren total blau, der Rest auf dem Weg dahin. Mädchen tanzten leicht bekleidet mit tätowierten oder volltrunkenen Typen. Die meisten davon waren sicherlich nicht auf unserer Schule. Wenn sie überhaupt noch zur Schule gingen. Das Alter der Leute war schwer einzuschätzen, aber älter als Anfang zwanzig war wohl keiner von ihnen.
»Komm, lass uns eine Runde drehen!«, schrie Clary, nahm mich an der Hand, und wir drückten uns durch die Menge. Es wurde immer heißer, und mir stand der Schweiß auf der Stirn, weil ich immer noch meine Winterjacke trug.
Wir gingen durch das Wohnzimmer und schauten uns um. Ich war diesem Trip schon in der Schule über den Weg gelaufen und wusste, wie er aussah. Aber würde ich mich auch trauen, ihn anzusprechen? Bisher hatte ich ihn niemals mit jemandem reden sehen …
Clary zog mich weiter, und ich war froh, dass uns die Menschen hier gar nicht wirklich beachteten. Als würden wir dazugehören und wären jedes Wochenende auf so einer Party. Ein Typ drückte uns sogar zwei große rote Plastikbecher in die Hand, grunzte einmal laut und verschwand wieder. Ich roch daran und verzog die Nase. Wow, war das stark. Clary allerdings schien Gefallen an dem Ganzen zu finden. Auch für sie war es die erste Party dieser Art. Sie grinste mich an, zuckte mit den Schultern und kippte den Inhalt hinunter. Hustend hielt sie sich die Hand vor den Mund.
»WOW!«, schrie sie und riss die Augen auf. »Trink!« Sie nickte zu meinem Becher, den ich immer noch verkrampft mit den Fingern umklammerte. Das Dumme war nicht, dass ich es nicht probieren wollte, ich würde es sogar extrem gerne trinken, aber nein … mir hallte wieder und wieder die Stimme meines Dads durch den Kopf. Ich sah förmlich sein strenges Gesicht und wie er die buschigen schwarzen Augenbrauen zusammenzog, während er mächtig und einschüchternd vor mir stand. Mein Vater strahlte schon immer eine natürliche Strenge aus, die es mir verbot, mich zu widersetzen.
»Cassandra, gute Noten sind wichtig! Du möchtest doch nicht auf der Straße enden, oder? Du willst doch irgendwann das Familiengeschäft übernehmen, das dein Großvater und ich mit harter Arbeit aufgebaut haben! Die Note Zwei ist inakzeptabel! Du musst mehr lernen und dich fokussieren! Partys und Jungs sind tabu!«
Scheiß drauf. Auf die Gefahr hin, einen dummen Fehler zu begehen, weil ich überhaupt nicht wusste, was in dem Becher war, schüttete ich mir den Inhalt in den Rachen.
»Woohoo! Genau so, Baby!«, schrie Clary und streckte die Arme in die Luft, als hätte ich etwas besonders Tolles vollbracht. Schon irgendwie erbärmlich, dass wir etwas taten, was ganz normale Jugendliche jedes Wochenende machten, und uns dabei fühlten, als führten wir eine Rebellion an. Ich stellte den Becher zur Seite. Trotzdem würde ich nicht noch einen davon trinken.
»Los, lass uns diesen Trip suchen«, sagte ich, und wir liefen weiter, bis wir in der Küche ankamen. Drei Mädchen standen am Waschbecken und füllten sich Bier in ihre Becher. Sie sahen ganz okay aus, deswegen ging ich direkt auf sie zu.
»Hi, wir suchen Trip. Wisst ihr, wo er steckt?«
Das Mädchen mit dem Nasenring fächelte sich Luft zu. Auch ich fühlte bereits einen Schweißfilm auf der Stirn. »Süße, jedes weibliche Wesen in diesem Raum sucht Trip.«
»Also ist er hier?«
»Er ist immer hier«, erwiderte eine Blonde, deren Schlangentattoo vom Handrücken bis zu ihrem Hals über den gesamten Arm verlief. Beeindruckend. Das hatte sicher wehgetan. »Meistens steht er bei der Treppe nach oben in einer Ecke oder ist mit einem Mädchen in irgendeinem Schlafzimmer.«
Sie sagte das, als wäre es das Normalste der Welt. Clary und ich warfen uns einen vielsagenden Blick zu. »Ach, da ist er ja!« Das Mädchen mit dem Nasenring deutete auf einen breiten Rücken, der sich gerade von uns weg und nach draußen bewegte. Er trug ein schlichtes schwarzes T-Shirt, aber etwas anderes hätte auch den zahlreichen Tätowierungen auf seiner Haut die Show gestohlen. Ich wusste, wie er aussah, aber jedes Mal verschlug es mir erneut den Atem. Das blonde Mädchen hatte recht. Trip sah gut aus. Und das war schon fast die Untertreibung des Jahrtausends. Er war diese Art Mann, vor dem Eltern ein Mädchen immer warnten, was nichts daran änderte, dass die Mädchen bei ihm Schlange standen und um seine Aufmerksamkeit buhlten.
»Hey, Trip!« Das Nasenring-Mädchen rief ihn. Er stoppte und drehte sich langsam zu uns um. Meine Kehle wurde trocken, und mein Herz begann zu rasen. Wahrscheinlich würde ich kein einziges Wort in seiner Nähe rausbekommen. Clary ging es genauso, denn ich spürte ihre Anspannung neben mir. Er verzog keine Miene, leckte sich nur kurz über die vollen Lippen, während er uns hart ansah. »Die beiden suchen dich.« Sie kicherte. Wahrscheinlich weil sie genau wusste, wie wenig wir hierher passten. Es hätte sogar ein Blinder gesehen, dass wir hier völlig fehl am Platz waren und Trip uns mit Haut und Haar verspeisen könnte. Trotzdem kam er zu uns. Seine dunkelbraunen Haare waren oben etwas länger als an den Seiten und akkurat gestylt. Sein Kinn überzog ein leichter Bartschatten, und die Tattoos zogen sich nicht nur über seine Oberarme, sie schauten sogar aus seinem Shirtkragen und liefen über seinen Hals bis nach hinten zu seinem Nacken. Es hatte mich schon immer interessiert, ob sein ganzer Oberkörper tätowiert war. Ich würde es wohl nie herausfinden. Aber es waren seine Augen, die mich am meisten beeindruckten. Ein sattes Moosgrün. Strahlend. Düster. Und so tief, als würde ich direkt in seine Seele blicken.
»Bist du Trip?«, krächzte ich. Oh Mann. Total unnötig, das zu fragen. Sein Mundwinkel zuckte nach oben. Mit diesem halben Lächeln sah er noch umwerfender aus als ohnehin schon. Seine dunkle Aura zog mich augenblicklich noch tiefer in seinen Sog.
»Jap.«
Die knappe Antwort verunsicherte mich ein wenig. »Unser Freund Marc hat gesagt, dass du …« Pillen hast, die uns die ganze Nacht wach halten, sodass wir den idiotisch hohen Anforderungen unserer Eltern gerecht werden und für alle Prüfungen lernen können
.
»Kommt mit«, sagte er wissend, ohne dass ich den Satz beenden musste, drehte sich um und lief Richtung Flur. Er war gut anderthalb Köpfe größer als ich, und dementsprechend lang waren seine Schritte. Fast war er zwischen den Menschen verschwunden.
»Immer noch eine gute Idee?«, zischte ich Clary zu, die aber nur die Schultern hob, bevor wir ihm schnell folgten. Er ging aus dem Haus, den Weg zur Straße nach unten und ein Stück über den Bordstein. Ich traute mich nicht, zu fragen, wohin er wollte. Bei einem alten mattgrauen Honda blieb er stehen und setzte sich auf den Fahrersitz.
»Sollen wir einsteigen?«, flüsterte Clary.
»Sieht wohl so aus …«
»Sitz du vorne!« Und damit war sie schon auf den Rücksitz gerutscht und hatte die Tür geschlossen. Danke auch.
Ich ließ mich auf den Beifahrersitz sinken, aber zuerst musste ich mir mit den Füßen Platz schaffen. Im Fußraum lagen Dutzende CD-Hüllen offen herum, neben braunen Papiertüten aus irgendeinem Fast-Food-Restaurant. Außerdem roch es undefinierbar süßlich nach dem grünen Lufterfrischer, der am Spiegel hing. Ich hatte zwar kein Auto, aber hätte ich eines gehabt und es würde so aussehen, bekäme ich monatelangen Hausarrest.
Trip kramte in der Mittelkonsole, bis er ein Zigarettenpäckchen hervorzog, sich eine Kippe rausnahm und sie anzündete. Der Rauch verteilte sich im Innenraum, bevor er sein Fenster öffnete und den Arm darauf ablegte. Die kalte Luft drang zu uns herein und vermischte sich mit dem Geruch im Innenraum. Unsicher drehte ich den Kopf zu ihm und bemerkte, dass er mich ansah. Mein Herz raste immer noch. Das Ende seiner Zigarette glühte im Dunkeln, als er am Filter zog. Sein Gesicht lag durch den Schein einer Straßenlaterne nur halb im Schatten.
Keiner sprach ein Wort, noch nicht mal Clary, die sonst stundenlang plappern konnte.
»Also was hat euer Freund Marc euch erzählt?«, fragte er. Seine Stimme war rau. Tief. Und überraschenderweise warm. Obwohl sein Äußeres etwas anderes ausstrahlte. Härte. Rohheit.
»Dass wir bei dir etwas kaufen können.«
»Definiere etwas
.« Er zog ein weiteres Mal an der Kippe. Warum quälte er mich so? Musste ich es wirklich aussprechen.
Ich schloss die Augen. »Dass wir bei dir Drogen kaufen können«, sagte ich schnell. Ich öffnete erst die Lider, als ich ein leises Lachen vernahm. Empört sah ich ihn an. Machte er sich über mich lustig?
»Klar, was wollt ihr? Weed, Koks, Ecstasy, Meth …«
»Nein! Nicht so was … Pillen. Damit wir wach bleiben.«
»Ah, lässt Daddy etwas anderes als eine Eins nicht durchgehen?« Waren wir so durchschaubar? Natürlich waren wir das … Ich nickte stumm.
»Nein.«
»Nein?«, fragte ich ungläubig, und auch Clary rutschte noch ein Stück weiter nach vorne, sodass sie den Kopf zwischen den Lehnen durchstecken konnte.
»Was heißt ›Nein‹?«, stieß sie schrill hervor. »Wir haben Geld. Wir wollen etwas kaufen.«
»Ist mir schon klar, dass ihr Geld habt«, erwiderte er lässig und schnippte die Zigarette nach draußen. »Aber damit kann man eben nicht alles kaufen. Ich bin kein verfickter Tante-Emma-Laden.« Er ließ den Wagen an. »Wo wohnt ihr?«
»Wieso?«, fragte ich ängstlich, und die Nässe meiner Hände nahm bedrohliche Ausmaße an. Wie schnell konnte man wegen Flüssigkeitsverlust sterben? Hoffentlich schnell genug …
»Damit ich euch nach Hause fahren kann. Ihr zwei solltet um diese Uhrzeit nicht hier draußen rumlungern und bei einem Typen wie mir Drogen kaufen wollen.«
Okay, wenn er das so sagte, hörte es sich tatsächlich ziemlich bekloppt an. Er legte die Hände auf das Lenkrad. Selbst seine Fingerknöchel waren tätowiert.
»Vergiss es! Wir haben ein eigenes Auto!«, stieß Clary empört hervor und stieg aus dem Wagen. Wütend knallte sie die Tür zu. So war sie immer, wenn sie etwas nicht bekam, was sie sich wünschte.
Trip lehnte sich ein Stückchen näher zu mir rüber und nahm sanft eine meiner schwarzen Haarsträhnen in die Hand. Er wickelte sie um seinen Zeigefinger, und ein Schauer fuhr mir über den Nacken, sodass ich mich leicht schütteln musste. Meiner kolumbianischen Mum hatte ich meine dunklen Haare zu verdanken, meinem Dad die hellblauen Augen, in die Trip gerade so tief hineinsah, als würde er darin versinken wollen.
»Fahr nach Hause und komm nie wieder hierher, Cassie.« Es klang fast wie eine Drohung, und mir entging nicht, dass er meinen Namen kannte. Eher gesagt mich bei einem Spitznamen ansprach, den sonst nur meine engsten Freunde benutzten. Mein Dad mochte es nicht, wenn mich jemand Cassie nannte.
»Wieso?«, hauchte ich mehr, als dass ich es sagte. Seine Gesichtszüge waren schön. Es gab wenige Männer, bei denen man das behaupten konnte, und schon gar keine, die ganzkörpertätowiert waren und die Ausstrahlung eines Verbrechers hatten. Aber Trip war es. Schön.
Er löste seine Hand von mir und lehnte sich zurück. »Nein sagen hilft manchmal, weißt du?«
»Es gibt aber Menschen, die kein Nein akzeptieren.« Ich öffnete die Tür und konnte nicht verbergen, wie enttäuscht ich war, dass unser Plan nicht aufgegangen war. Ich stieg aus. Noch bevor ich die Autotür zuschlagen konnte, hörte ich Trips Stimme. Und seine Worte gingen mir nicht wieder aus dem Kopf.
»Wir sehen uns, Cassie. Bald.«
Wir sehen uns, Cassie.
Wenn ich nur gewusst hätte, was er wirklich damit meinte.