Nolan & Son
waren die besten Anwälte in Charleston, die man für Geld kriegen konnte. Rick Nolan arbeitete seit über fünfundzwanzig Jahren für meine Familie. Dad vertraute ihm, also tat ich das auch. Sein Sohn William hingegen hatte etwas an sich, das mir kalte Schauer durch den Körper jagte und das sollte schon was heißen, wenn man die Mafia-Prinzessin der Stadt war.
Ich war mit den bösen Jungs groß geworden und keiner von ihnen hatte mir je Angst gemacht. Doch dieser Mann war anders. Wenn er mich ansah, war da nicht ein Funke des üblichen Respekts, den ich gewöhnt war. Er sah mich immer an, als wäre er der Jäger und ich seine nächste Beute, die er erlegen würde.
Als ich nun die Kanzlei betrat, hoffte ich also inständig, nicht auf William zu treffen. Franco Garcia, die rechte Hand meines Vaters begleitete mich zu dem Termin, denn er war offensichtlich der Meinung, ich könne nun, da Dad in Untersuchungshaft war, keinen Schritt mehr allein tun. Er hatte nach wie vor nicht verstanden, dass ich bereits seit meinem einundzwanzigsten Lebensjahr, also seit über fünf Jahren, den Großteil der Geschäfte leitete. Ich war es, die die Verhandlungen mit den Mexikanern und den Bikern führte. Alles lief hervorragend. Die Biker verkauften den Stoff und die Mexikaner lieferten saubere Ware. Selbst die Iren machten uns keine Probleme. Nur die Russen, insbesondere Roman Mironow, waren nicht besonders kooperativ.
Das lag leider nicht zuletzt daran, dass ich ihn bei unserem ersten Treffen hatte abblitzen lassen.
Wir waren uns in einem seiner Clubs begegnet und ich hatte den Abend einfach mit meinen Freundinnen genießen wollen. Offenbar waren wir ihm aufgefallen und er hatte uns in den VIP-Bereich eingeladen. Dummerweise hatte er mich mit einem seiner kleinen Groupies verwechselt, und mich während des gemeinsamen Gesprächs plötzlich an die Wand gedrückt und versucht zu küssen.
Auch wenn der Typ echt heiß war, hatte ich mir meinen unnahbaren Ruf bei den Männern hart erarbeitet, weshalb ich diesen Übergriff unmöglich so hinnehmen konnte und ihm eine blutige Nase verpasst hatte. Seither war unsere Beziehung ein wenig angespannt, weshalb ich ihn auch hinter unserem aktuellen Problem vermutete.
»Wir kriegen deinen Vater da wieder raus, mach dir keine Sorgen.« Franco drückte meine Hand und hielt sie auch anschließend weiter fest. Der Italiener hatte schon eine Weile ein Auge auf mich geworfen, das war mir klar, doch da der gute Mann zwanzig Jahre älter war als ich, kam eine Beziehung für mich nicht infrage. Etwas, dass ich mit Dad schon vor Ewigkeiten geklärt hatte.
Ich brauchte keinen Mann an meiner Seite. Die brachten nur Ärger. Daher löste ich mich schnell von ihm und ging zum Fenster hinüber, um den umwerfenden Blick aufs Meer zu genießen.
»Die Vorwürfe sind haltlos, das wissen die Cops auch, aber ich mag den Gedanken nicht, dass er im Knast sitzt. Er ist nicht mehr der Jüngste und da drin sind nicht nur Freunde. Die arische Bruderschaft würde es sicher genießen, ihn zu töten«, seufzte ich.
»Deswegen sollten wir ihn so schnell wie möglich dort rausholen«, erklang da William Nolans Stimme hinter mir und mein ganzer Körper begann zu kribbeln. »Kommt rein, ich habe schon alles vorbereitet«, sagte er und ich wappnete mich für den Moment, da ich ihn ansehen musste. Ich straffte mich und drehte mich um. Seine himmelblauen Augen ruhten auf mir und wieder war da dieser Drang so schnell wie möglich vor ihm zu fliehen. Dennoch ging ich tapfer an ihm vorbei in sein Büro und nahm vor dem Schreibtisch Platz. Es war schwer, ihn nicht mit Blicken auszuziehen. Er war groß, unheimlich gut gebaut, hatte goldenes Haar und Augen, die mich an das Meer erinnerten.