2. Kapitel
Gia Stokes war die schönste Frau der Stadt. Sie hatte rotes langes Haar und die grünsten Augen, die mir je untergekommen waren. Leider war es völlig unmöglich, an sie heranzukommen. Sie war gerade erst sechsundzwanzig und leitete bereits ein Imperium. Ihre Familie besaß in North Carolina sechs Clubs und rund zwanzig Hotels. Wer nicht wusste, dass diese Läden hauptsächlich der Geldwäsche dienten, wäre nie auf die Idee gekommen ihrer Familie derartiges zu unterstellen.
Ihr Dad hatte vor etwa dreißig Jahren eine unbrechbare Allianz geschmiedet. All die rivalisierenden Banden arbeiteten als eine perfekte Einheit zusammen, und da dieses Konstrukt so hervorragend funktionierte, kam auch keiner auf die Idee, daraus auszubrechen. Jeder bekam einen fairen Anteil und wenn jemand gierig wurde oder eine neue Organisation versuchte, in seinem Bundesstaat Fuß zu fassen, wurde der von allen gemeinsam zur Rechenschaft gezogen. Seine Tochter hatte mit knapp zwanzig Jahren klargestellt, dass sie nicht vorhatte als nettes Accessoire für einen Mann zu dienen. Daraufhin hatte der alte Stokes ihr die Gelegenheit gegeben sich zu beweisen, und das hatte sie getan.
Die Bosse der einzelnen Organisationen respektierten sie, weil sie genau wusste, was sie tat. Sie alle wollten sie vögeln, aber keiner war bereit, dafür dieses so gut laufende Unternehmen zu gefährden. Nun ja, fast niemand, denn Roman Mironow war offensichtlich ein größerer Idiot, als ich gedacht hatte. Wir kannten uns bereits seit einigen Jahren ziemlich gut, weshalb mir bewusst war, dass er ein ambitionierter Hitzkopf war.
Jetzt hatte er offenbar einen seiner Männer zu den Bullen geschickt und ihnen gefälschte Beweise gegen Jeffrey Stokes zugespielt. Blöd für ihn, dass ich binnen weniger Stunden jeden einzelnen dieser Beweise widerlegt hatte. Jeffrey würde also spätestens morgen ein freier Mann sein und ich hoffte für den Russen, dass es dem alten Herrn gut ging. Andernfalls hatten wir ein ernstes Gespräch vor uns.
Nachdem ich das auch Gia erklärt hatte, konnte ich förmlich dabei zusehen, wie die Sorgen von ihr abfielen. Ganz im Gegensatz zu ihrem Begleiter, der etwas blass um die Nase wurde. Seltsam, bisher hatte ich gedacht, Franco Garcia stünde loyal hinter den Stokes‘, doch jetzt war ich mir dessen nicht mehr so sicher. Da ich nicht zu den Männern gehörte, die eine Konfrontation scheuten, sprach ich ihn umgehend darauf an. Einige der Unterlagen waren wirklich gute Fälschungen gewesen, weshalb ich ohnehin auf jemanden im inneren Kreis der Familia getippt hätte, doch niemals auf ihn.
»Franco, du weißt nicht zufällig, wo diese Unterlagen hergekommen sind?« Ich schob ihm die frisierten Abrechnungen eines der Hotels über den Tisch und er wurde noch blasser.
Nun betrachtete auch Gia den Mann an ihrer Seite etwas genauer, dem inzwischen der Schweiß ausgebrochen war.
»Warum hast du das getan?«, fragte sie entsetzt und er warf ihr einen verzweifelten Blick zu.
»Roman brauchte etwas, und er hat mir viel Geld geboten.«
»Was verspricht der Mistkerl sich denn davon?«, wollte sie wissen und ich war erstaunt, wie ruhig sie dabei blieb.
»Er will die Führung übernehmen«, gestand Franco ein und sah auf seine Hände.
»Dazu müsste er aber nicht nur Dad, sondern auch mich ausschalten«, stellte Gia klar und Franco sah sie entschuldigend an, was mir Bauchschmerzen bereitete.
»Mit dir hat er andere Pläne. Du sollst ihm den Weg nach oben bereiten.«
»Und wie stellt er sich das vor?«
»Schönheit, der Kerl will dich heiraten«, beantwortete ich ihre Frage, denn der Plan war so durchschaubar, wie er genial war. Er hätte glatt von mir sein können.
»Nur über meine Leiche«, knurrte sie aufgebracht und sprang auf die Beine.
»Nein, Kleines, wenn dann über die deines Vaters«, seufzte Franco und mir schwante Böses.
»Roman wusste, dass ich Jeffrey in kürzester Zeit da rausboxe. Wir müssen umgehend zur Justizvollzugsanstalt. Wenn die Russen deinen Vater vor uns erwischen, hast du ein ernstes Problem«, stellte ich fest und nun schien auch Gia begriffen zu haben, was los war.
Entgeistert sah sie zwischen Franco und mir hin und her, bis sie sich vor ihm aufbaute und ihn böse anfunkelte.
»Sieh zu, dass du mir nie wieder unter die Augen kommst, denn beim nächsten Mal töte ich dich, und zwar langsam«, zischte sie und folgte mir dann die Treppe hinunter, raus auf die Promenade, zu meinem Wagen.
Kaum, dass ich losgefahren war, rief ich im Gefängnis an, um dafür zu sorgen, dass sie ein Auge auf Jeffrey hatten.