Ich wurde am frühen Morgen vom Wachdienst aus dem Bett geklingelt. Eine kleine Armee hatte sich vor meiner Villa versammelt.
Nicht, dass ich nicht damit gerechnet hatte, aber ein wenig überraschte es mich doch, dass sie alle zusammenhielten, wenn es um Jeffrey Stokes ging. Das hatte ich ehrlich gesagt nicht erwartet. Ich war mir sicher gewesen, dass sie alle den Vorteil erkennen würden, den es auch für sie mit sich bringen würde, wenn ich die Geschäfte übernahm.
Leider sah das hier ganz und gar nicht danach aus. Spätestens als ich die Iren mit einer Panzerfaust im Van entdeckte, musste ich mir wohl oder übel eingestehen, dass es nicht der richtige Zeitpunkt für die Übernahme war. Daher stellte ich mich ihnen, um die Gemüter zu beruhigen.
»Wir wollen Jeffrey und seine Frau, und das sofort«, knurrte Zane Davis, der nebenbei mit seinem Revolver spielte.
»Und ich will Gia«, entgegnete ich ihm.
»Mein Freund, jeder einzelne von uns will die Kleine ficken. Deswegen stellen wir uns aber nicht gegen Stokes«, murrte Antonio Gerera. Der Mexikaner war ein attraktiver Mann. Die Frauen liefen ihm scharenweise hinterher. Wenn er es nicht schaffte die kleine Hexe ins Bett zu kriegen, war es dringend an der Zeit, dass es ein anderer tat und der würde ich sein. Ich brauchte nur leider einen neuen Plan, denn dieser hier war definitiv gescheitert.
Ich drehte mich zu meinen Männern um und erteilte ihnen auf Russisch den Befehl, Jeffrey und seine Frau nach draußen zu bringen. Schließlich wusste ich, wann ein Kampf aussichtslos war.
»Hättet ihr mir das nicht früher sagen können?«, entgegnete ich entschuldigend und die Männer vor mir grinsten schmutzig.
»Die Erfahrung musste jeder von uns ganz alleine machen. Außer dir hat es aber niemand gewagt, sich an ihrer Familie zu vergreifen«, bemerkte Angus Hayes. Der Ire war fast so alt wie Gias Vater, da wunderte es mich nicht, dass die Kleine ihn hatte abblitzen lassen.
»Ihr wollt Gia also allen Ernstes Boss spielen lassen, wenn ihr Vater den Löffel abgibt?«, fragte ich in die Runde und sah deutlich, dass der Gedanke keinem von ihnen so recht behagte. Sie war nur eine Frau. Die kleine Schönheit sollte sich um Kinder, Haushalt und sich selbst kümmern und nicht mit den großen Jungs spielen. Da hatte sie beim besten Willen nichts zu suchen.
»Darüber sprechen wir, wenn es so weit ist«, bemerkte Scott. Er war der Vertraute von Stokes und auch ihm schien der Gedanke, von einer Frau bevormundet zu werden, nicht zu schmecken.
Wenn ich das hier richtig einschätzte, musste ich also tatsächlich nur warten, bis der alte Mann abdankte.
»Ist es nicht so, dass der von uns, der die hübsche Gia bekommt, auch die Nachfolge antritt?«, wollte Gerera wissen.
»Das ist wohl so, dennoch ist es der falsche Weg, sie in eine Beziehung zu zwingen. Ich habe gesehen, was die Kleine mit einer Knarre anstellt und da will ich nicht in die Schusslinie geraten«, stellte der Biker fest.
Hinter mir tauchten in diesem Moment meine Männer in Begleitung der Stokes‘ auf. Harriet stützte ihren Mann, dem ich gestern Abend heftig zugesetzt hatte. Sofort war Scott an der Seite seines Bosses und funkelte mich wütend an.
»Was? Er wollte nicht kooperieren, was hättest du getan?«, ging ich in die Offensive und Jeffrey grinste mich zufrieden an.
»Junge, meinen Segen hast du. Jetzt musst du nur noch meine Tochter überzeugen und gegen die anderen Kandidaten bestehen«, bemerkte der alte Mann und alle um uns herum hielten überrascht die Luft an.
»Das ist hoffentlich nicht dein Ernst«, brauste seine Frau auf und er drückte zärtlich ihre Hand.
»Unsere Tochter braucht einen Mann an ihrer Seite, der bereit ist, für sie über Leichen zu gehen und allem Anschein nach ist Roman durchaus dazu bereit. Liebes, er hätte mir viel Schlimmeres antun können. Aber er hat es nicht getan. Sein Onkel hatte mich vor seinem hitzigen Temperament gewarnt. Wir wussten schon vor Monaten, dass das hier passieren würde.«
Jetzt fehlten mir endgültig die Worte.
»Wo ist Gia?«, fragte ich, als ich meine Stimme wiedergefunden hatte.
»Bei dem einzigen anderen Mann, der ihr, außer dir und Antonio, jemals eine Regung abgerungen hat«, sagte der alte Mann und ich ballte die Hände zu Fäusten.
»Wer ist der Kerl?«, knurrte ich. Den Mexikaner würde ich zur Not kaltmachen, sollte er Anspruch auf mein Mädchen erheben.
»William Nolan.«
Fuck, damit war ich endgültig erledigt. Mit Nolan legte man sich nicht an. Niemals. Nicht, wenn man in dieser Stadt je wieder einen Fuß auf den Boden bekommen wollte. Der Mistkerl hatte Beziehungen bis in die höchsten Kreise. Wenn Gia sich für ihn entscheiden würde, blieb mir nichts anderes übrig, als es hinzunehmen. Außerdem waren wir so etwas wie Freunde.
Dieser Tag hatte definitiv eine Wendung genommen, die ich nicht hatte kommen sehen.