32

Kindra

Schattensiedlung

Der Geruch von verbranntem Fleisch drang in meine Nase und riss mich zurück in die Gegenwart. Qualmende Kadaver lagen einige Schritte entfernt im Sand. Ihre Haut war zudem übersät mit Schnittwunden, aus denen Blut sickerte. Dünne Rinnsale flossen die Düne hinab und verklumpten die Sandkörner.

»Nein«, japste ich und robbte rückwärts. Das goldene Meer hatte nichts Beruhigendes mehr, die Sonnenstrahlen knallten herunter und mein Kopf dröhnte.

Was hatte meine Macht angerichtet, als ich ohnmächtig geworden war?

Stoßweise atmete ich ein und aus, während ich mich weiter von den Leichen entfernte. Die Welt drehte sich. Die goldenen Wellen schwankten und drohten, jeden Moment auf mich niederzubrechen.

Mehrfach schlug ich mir gegen die Wangen, versuchte mich aus diesem Albtraum aufzuwecken. Nicht schon wieder. Keine weiteren Toten.

»Alles ist gut«, erklang eine Stimme. Lügen – alles Lügen in meinem Kopf. Nichts war gut.

»Ich bin hinter dir.« Die Stimme klang amüsiert und ich wirbelte herum.

Ein einzelner Mann, vielleicht ein paar Jahre älter als ich, stand auf der Spitze der Düne. Sein Haar, schwarz und kinnlang, wehte um sein Gesicht. In seinen Händen lag keine Waffe, als er sie abwehrend hob. Noch während er lächelte, enthüllte er die wahre Farbe seiner Augen.

Er war ein Goldkind.

Ich rappelte mich auf. Meine Beine waren schwer wie Blei. Zitternd stemmte ich die Stiefel in den Sand, doch es war unmöglich, mich in Bewegung zu setzen. Mein Körper bebte, als sich das Bild der neuen Toten in mein Gedächtnis einbrannten.

»Wusste ich es doch«, sagte der Mann, kam ein paar Schritte näher und blieb vor mir stehen. »So begeistert sind sie nur bei unseresgleichen.«

»Du …« Meine Finger zitterten, als ich die Hand hob. Erleichterung durchflutete mich – ich hatte ein Goldkind gefunden. Er würde mich zum Dorf führen und mich mehr über meine Magie lehren können. Dann würde so was wie das hier nicht mehr passieren. Mein Arm erstarrte mitten in der Bewegung, als er meine Schultern umfasste.

»Da kam ich gerade noch rechtzeitig«, meinte er und nickte zu den Leichen. Ich vermied es, sie anzusehen.

»Du warst das?«, platzte ich heraus. »Hast du …?«

Er nickte und drückte den Rücken durch. »Mit einem Schlag.«

Der Stolz, mit dem er über den Mord sprach, drehte mir den Magen um. »Wieso?«, presste ich hervor, bevor mein Bauch krampfte und ich mich in den Sand erbrach. Früher hatten Noba und Kork Männer getötet, um mich zu beschützen. Ich war mit dem Tod im Rücken aufgewachsen, doch etwas hatte sich verändert.

Ich war eine andere.

Der Mann bückte sich zu mir, umfasste meine Arme und richtete mich vorsichtig auf. »Der Anblick ist grausam«, meinte er und führte mich fort. »Aber du brauchst kein Mitleid zu haben, sie gehörten zum Sandvolk.«

Dunkel schwirrten die Wortfetzen der Verfolgungsjagd durch meinen Kopf. Die Sandmenschen hatten mich essen wollen. Bei der Erinnerung daran schauderte ich, trotzdem fühlte sich das falsch an. Jeder Tod war falsch. »Aber …«, widersprach ich, denn das Ende eines Lebens sollte nicht so leicht sein.

Mit einer Handbewegung unterbrach mich der Mann. »Komm«, sagte er und zog mich am Handgelenk mit sich. Die Leichen blieben hinter uns im Sand zurück.

Hätte es nicht ausgereicht, wenn er die Sandmenschen nieder­geschlagen hätte?

Verschwommen formte sich vor meinem inneren Auge ein Weg. Seit meiner Kindheit forderte meine Existenz die Auslöschung von anderen. Banditen, Familie, Nachbarn, Gefährten.

Sandmenschen, listete ich zusätzlich auf. Ich rannte davon und hinterließ eine Spur der Verwüstung.

»Wie heißt du?« Er warf mir einen Blick über die Schulter zu.

»Kindra«, antwortete ich und ließ mich von ihm ziehen. Meine Füße stapften zitternd über den Sand.

»Ich bin Toryn.«

Eine Weile betrachtete ich seine Füße. »Du bringst mich ins Dorf, oder?«

Abrupt hielt er an und seine Hand bebte. Bildete ich es mir ein oder wurde sein Griff stärker? »Woher weißt du vom Dorf?«, zischte er und wirbelte herum. Sein Gesicht kam nah an meins. »Du bist nicht nur geflohene Beute von den Sandmenschen? Schickt dich jemand? Wer weiß noch davon?« Als sein Blick auf meinem Gesicht verharrte, schnaubte er. »Du bist die aus dem Palast. War das euer Plan?«

Ich blinzelte.

»Wer schickt dich?«, hakte er barsch nach.

»Niemand, der noch leben würde«, erwiderte ich scharf und spürte Wut in mir aufkeimen. Die Bilder von Geran, Stelja, Narie und Hamm zogen an mir vorbei. Lachend, lebend, dann verwundet und tot. Keiner hatte überlebt. Und Omb? Ich riss meine Hand los und fuhr mir über die Stirn.

»Was ist?«, fragte Toryn und verschränkte die Arme vor der Brust. »Lockst du jemanden hierher?«

»Nein!«

Er starrte mich an. Mit einem Fingerschnipsen könnte er mich vermutlich auslöschen. In ein verkohltes Stück Fleisch verwandeln wie meine Verfolger.

Wieder packte er mich. Diesmal an den Oberarmen. Seine Finger bohrte er fast schmerzhaft in meine Haut. Ich wand mich in seinem Griff.

»Woher weißt du von uns?«

»Von Omb.«

Seine Lippen bildeten eine dünne Linie, der Name schien seinen Widerwillen zu brechen. »Komm mit«, meinte er und legte mir die Hand auf die Schulter. Als ich mich nicht rührte, griff er meinen Arm und zog mich mit sich.

»Ich wollte einen Unterschlupf finden«, sagte ich mit rauer Stimme und verrauchter Wut. Toryn ließ mich los und bedachte mich mit einem Blick, in dem ich Mitgefühl erkannte. War er ebenfalls durch die Welt geirrt und hatte nach einem Ort gesucht, an dem er sich nicht verstecken musste? Zögerlich nickte er und ließ mich los. Ein kleiner Vertrauensbeweis.

Schweigend folgte ich ihm über die Dünen Richtung Nordwesten. Es dämmerte, als wir eine Oase erreichten, bei der ich mir sicher war, dass es sich um jene handelte, die ich in den Bergen ausgewählt hatte. Die Karte war mir wohl besser im Gedächtnis geblieben als gedacht.

Saftiges Gras bedeckte den Sand, gefolgt von Sträuchern und Palmen. In einiger Entfernung glitzerte eine Wasseroberfläche zwischen dem Grün der Pflanzen. Toryn wandte sich nach links zu einer gigantischen Steinformation, die aus dem Sand herausragte. In der Felswand klaffte eine Öffnung und gab den Blick auf einen Tunnel frei, der in den Untergrund führte. Ich hatte mir den Eingang versteckt vorgestellt. Verborgen vor den Augen des Sandvolkes. Aber er lag offen da.

Wir traten ein und Dunkelheit umfing uns. Toryn hob seine Hand und ein Feuerball entflammte, der flackerndes Licht an die Wand warf, während das Feuer auf seinen Fingern tanzte. Unter unseren Füßen knirschte es und erst auf den zweiten Blick erkannte ich, was den Eingang säumte: Überall lagen Knochen. Schädel mit leeren Augenhöhlen, Ellen, Rippen, zersplitterte Becken.

Die Sandmenschen, die versuchten hier einzudringen, wurden von den Goldkindern daran gehindert. Wollten mich meine Verfolger daher schnellstmöglich ausschalten? Wussten sie von der Kraft, die in uns schlummerte?

Selbst der Eingang in dieses Dorf war anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Die Goldkinder versteckten sich nicht vor dem Sandvolk. Warum störte es Toryn dann, dass jemand von dem Dorf wusste? Sie konnten Eindringlinge mit Gewalt abhalten.

Toryn bog um eine Ecke und ich folgte ihm. Der Tunnel wurde nach der Biegung von Fackeln erhellt, an denen magisches Licht brannte. Zwei Goldkinder hielten Wache und versperrten uns den Weg. Es waren zwei Frauen, die mich interessiert musterten.

Erkenntnis zeichnete die Miene der rechten, deren kantige Gesichtszüge vom Licht umspielt wurden. »Das Goldkind aus dem Palast?«, fragte sie leise an Toryn gewandt, doch ihre Worte hallten deutlich von den Wänden wider. »Jene, die geflohen ist.« Sie legte den Kopf schräg und vermutlich hätte es mich wundern sollen, dass sie über mich Bescheid wussten. Toryn hatte mich vorhin auch erkannt. Aber die Nachricht war auch bis Nayers Ent vorgedrungen. Es wäre naiv von mir zu glauben, dass die Goldkinder keine Informationen von der Außenwelt erhielten.

Toryn zuckte mit den Schultern. »Sie hat Omb getroffen.«

»Bring sie zu Tanidra«, sagte die andere schnell und winkte uns durch.

Der Tunnel führte weiter in die Tiefe. Die einzige Lichtquelle war das Feuer, das Toryn mit sich trug. Es flackerte auf den rohen Steinwänden, an denen in regelmäßigen Abständen Holzbalken angebracht waren, die die Decke stützten. Gänge verzweigten sich an unzäh­ligen Kreuzungen, verloren sich außerhalb des Flammenscheins in der Finsternis. Ab und an befanden sich Türen in den Wänden. Ihre Form war an die Felsspalten angepasst, deren Höhlen sie verbargen.

»Das ist es?«, fragte ich und blieb stehen. »Das ist das Dorf?«

Mit einem Brummen bestätigte Toryn meine Vermutung. Dennoch ließ dieses Geräusch meine Hoffnung in sich zusammen­fallen. Mich erwartete keine gemütliche Siedlung, die das Gefühl von Heimat vermittelte. Das war kein Ort, der sich wie ein lang ersehntes Ziel anfühlte. Vielmehr erinnerte es mich an das Verlies im Palast.

Toryn drehte den Kopf zu mir. Das freundliche Grinsen war schon lange verschwunden und er machte keine Anstalten, seine Abneigung zu verbergen. »Hier sind wir sicher. Reicht dir das etwa nicht?«

Kälte hüllte mich ein und ich stützte mich an der Wand ab. Der Stein war klamm und rau. Ich hatte mehr Geheimnisse erwartet, mehr Sicherheit oder mehr Fallen. Aber auch mehr Licht, eine wohlige Atmosphäre.

Einfach mehr.

»Es ist so dunkel«, sagte ich zu mir selbst.

Toryn schnalzte mit der Zunge und blieb neben einer Tür stehen, die unten bauchig war und oben spitz zulief. Dreimal klopfte er an. Der Widerhall verflüchtigte sich hinter uns in den Tunnel.

Die Tür öffnete sich und ich trat nach Toryn ein. In der Mitte des Raumes stand ein Tisch, auf dem ein Feuerball in einer goldenen Schale brannte und das Gesicht einer Frau beleuchtete.

Das Gold ihrer Augen reflektierte die Flammen. Sie war alt, ihre Haare grau und Mund und Stirn voller Falten. Ombs Erzählungen zufolge wurden die Goldkinder Hunderte Jahre alt – daher wagte ich es nicht, ihr Alter zu schätzen.

»Wen bringst du zu mir?«, fragte sie, ohne aufzusehen. Das musste Tanidra sein, von der die Frau am Eingang gesprochen hatte. Neben der Tür regte sich eine weitere Gestalt im Dunkeln, blieb jedoch verborgen.

»Eine von uns. Ein Neuling. Sie kennt Omb.«

Der Blick der Frau schnellte nach oben, sie musterte mich vom Scheitel bis zur Sohle – nach den Wochen in den Bergen und der Verfolgungsjagd der Sandmenschen wollte ich mir nicht ausmalen, was sie sah. Eine hagere junge Frau mit zerschlissenem Umhang und strähnigem Haar.

Sie deutete mit der Hand über den Schreibtisch. »Tritt bitte näher.«

Toryn rührte sich nicht und als ich zögerte, stieß er mir den Ellbogen in die Seite.

Der Feuerball wärmte meine Haut, als ich den Schreibtisch erreichte. Er flackerte, teilte sich und verschmolz wieder. Die lebende Hitze erinnerte mich an das Feuer in mir. An die Kraft, die die Räuber ausgelöscht hatte.

»Du hast Omb getroffen?«, fragte die Frau und riss mich aus meinen Gedanken. Ihre Stimme war kühl und sachlich. Bis auf das Licht vor mir gab es nichts Behagliches in diesem Raum.

Innerhalb kürzester Zeit hatte ich mehr Goldkinder getroffen als in meinem bisherigen Leben. Trotzdem war ich eine Fremde, ein Eindringling, der beäugt und dem misstraut wurde. Was hatte ich erwartet? Offene Arme, die mich empfingen? Ein Gefühl von Heimat? Der Gedanke erschien mir plötzlich töricht. Nichts fiel mir einfach zu – für alles musste ich Tränen, Schweiß und Blut geben.

»Ja«, antwortete ich knapp und sah ihr direkt in die Augen. So vertraut und so fremd.

»Wo?« Tanidra stand auf, legte die Handflächen auf den Tisch und beugte sich näher zu mir. »Kannst du uns zu ihm führen?«

»Nein.«

Zwischen ihren Augenbrauen vertieften sich die Falten. »Warum nicht?«

»Das Dorf existiert nicht mehr. Er ist vermutlich tot.«

Mit der Hand fuhr sie sich über das Gesicht und sank wieder zurück auf ihren Stuhl.

Einige Herzschläge starrte sie vor sich auf die Tischplatte, die Linien in ihrem Gesicht gezeichnet von Erschöpfung.

Als sie weiter schwieg, verschränkte ich die Arme und verlagerte das Gewicht auf ein Bein. »Wer war Omb? Warum war er für euch so wichtig?«, fragte ich.

Langsam löste sie sich aus ihrer Starre und sah mich an. »Das ist nicht von Belang.«

Ihre Worte reichten aus, um meinen Geduldsfaden zu zerreißen. Die Ablehnung baute sich in mir auf und entlud sich in dieser dunklen Kammer. Energisch schlug ich mit den Handflächen auf die Tischplatte. »Omb erzählte mir von hier – einem Ort, an dem ich Zuflucht suchen und meine Kraft kennenlernen könnte. Ich dachte, hier würde ich hingehören. Doch ihr behandelt mich wie eine Außenseiterin.«

»Du bist eine Außenseiterin«, meinte Toryn hinter mir.

»Ich bin eure Schwester«, presste ich hervor. »Meine Heimat wurde zerstört, mein Körper ausgeschlachtet. Ich war eine Närrin, zu glauben, dass ich hier eine Familie finden würde.« Tränen brannten in meinem Auge und ich wischte hastig über mein Gesicht.

Tanidra betrachtete mich einen Moment interessiert, bevor sie nickte. Ihre verspannten Gesichtszüge lösten sich. »Bitte entschuldige, Schwester. Seit Omb fort ist, haben wir alle Hände voll zu tun, das Dorf zu verteidigen. Uns fehlt seine Macht, mit der er uns die letzten Jahrhunderte beschützt hat.«

»Warum ist er gegangen?«

Ihr Mund verzog sich zu einer traurigen Grimasse, als sie mit den Schultern zuckte. »Er wollte mehr, fixierte sich auf die Legenden der Drachen. Schon seit Jahren glaubte er, es sei seine Aufgabe, die Unterdrückung der Goldkinder zu beenden und sie alle herzuschicken.«

Beinahe hätte ich über die Ironie gelacht. An der Begrüßung würden sie arbeiten müssen. »Was ist schlimm daran, anderen eine Heimat bieten zu wollen?«, erwiderte ich.

»Er brachte uns damit alle in Gefahr. Ein paar Männern können wir problemlos standhalten. Dem Sandvolk bieten wir die Stirn. Aber wenn Omb oder ein Goldkind wie du eine Armee herführt?« Entschlossen sah sie mich an, die Hände auf dem Tisch gefaltet. »Niemals. So stark sind wir nicht.«

»Ihr versteckt euch.«

Sie lachte auf. »Und das ist es, was du bei uns suchst.«

»Ich …« Was hatte ich gesucht? Eine Idylle, ähnlich der in Grünfrey. Keine mordenden Goldkinder und kein Loch unter der Erde. »Ich will mich nicht mehr verstecken.«

»Und was willst du dann hier?«

»Ich will meine Macht kontrollieren und mein Auge verbergen lernen, damit ich normal leben kann.«

Tanidra lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. Das Licht des Feuerballs umspielte ihre Züge. »Das können wir. Wir können dir helfen, deine Magie zu nutzen. Aber dafür müssen wir sie erst noch erwecken.«

»Ihr müsst sie nicht erwecken«, antwortete ich und die Stimmung in Raum veränderte sich schlagartig.

»Was sagst du da?«, fragte sie und fixierte mich.

»Meine Magie ist bereits erwacht.« Die Worte schwirrten durch den Raum und schienen die Zeit anzuhalten. Kaum verklangen sie, sprang Tanidra auf die Beine und Toryn tauchte neben mir auf.

»Seit wann?«, japste sie.

Irritiert sah ich von ihr zu Toryn, in dessen Gesicht ebenfalls der Schock stand. Besorgt runzelte er die Stirn, doch in seinen Augen lag auch ein Funken Neugier.

Selbst der Wächter im Schatten neben der Tür bewegte sich.

»Einen oder zwei Monate«, stotterte ich, verunsichert von ihren Reaktionen. »Ich weiß nicht, wie lange ich unterwegs war.«

Toryn stieß leise Flüche aus und packte mich am Oberarm.

»Bring sie in die Kammer. Beginnt sofort«, meinte Tanidra und deutete eilig zur Tür, ihre Augen zeigten Entsetzen.

Ohne eine weitere Erklärung zog mich Toryn aus dem Raum. Ich versuchte ihn abzuschütteln, aber er war kräftig. »Was … Hör auf!«, zischte ich und schlug ihn mit der freien Hand gegen die Schulter. Ihre Gastfreundlichkeit war definitiv ausbaufähig.

Er warf mir einen schnellen Blick zu und verdrehte die Augen. »Du hast keine Ahnung, wie gefährlich das ist, oder?«

Die Bilder der Leichen schwirrten durch meine Gedanken, während ich weiter vorwärtsstolperte. Natürlich wusste ich das. »Ich weiß, was meine Kraft anrichten kann, wenn ich wütend bin«, presste ich hervor.

Schlagartig hielt er inne und ich prallte gegen ihn. »Kindra«, mahnte er und musterte mich eindringlich. »Das ist nur der Anfang. Wenn du nicht aufpasst, füllt die Kraft deinen ganzen Körper aus. Oder schlimmer.« Er beugte sich näher zu mir. »Du verbindest dich mit der Magie unserer Welt und verlierst dich selbst.«

Mein ganzer Körper bebte, während mich Schwindel erfasste. Es wurde schlimmer? Zitternd wankte ich zur nächsten Wand und stützte mich mit beiden Händen ab. Meine Schultern bebten. »Es darf nicht schlimmer werden«, würgte ich hervor und suchte flehend Toryns Blick. »Bitte.«

Seufzend schürzte er die Lippen, bevor er mir die Schulter tät­schelte. »Kopf hoch. Noch ist es nicht zu spät.« Doch seine Stimme war angespannt.

»Was passiert jetzt mit mir?«

»Du lernst deine Magie zu kontrollieren. Aber wir dürfen keine Zeit vergeuden.« Sacht umfasste er meinen Unterarm und zog mich weiter. »Normalerweise dauert es Monate, bis jemand die Techniken erlernt. Die Kraft wird erst erweckt, wenn derjenige bereit ist, sie zu beherrschen.« Flüsternd fügte er hinzu: »Bisher habe ich noch nie davon gehört, dass sie von allein erwacht ist.«

Mir wurde heiß und kalt. »Wie lange haben wir noch?«

Sein Blick streifte mein Gesicht und er zuckte mit den Schultern, als er mir die Tür zu einer dunklen Kammer aufhielt. »Wenn wir Glück haben, ein paar Wochen.«