Showdown

»Wollen Sie das Heads-Up fortsetzen oder sich weiter Geschichten erzählen?«, fragte der Dealer. Sara blickte ihn leicht entgeistert an. Der Mann hatte knallrote Wangen bekommen, seine Bewegungen beim Geben wirkten fahrig.

»Also ich bin multitaskingfähig«, sagte Mads. »Und Sara wahrscheinlich auch. Geben Sie doch einfach die nächsten Karten.«

»Stört es Sie etwa, wenn wir reden?«, sagte Sara.

»Das ist mir vollkommen egal«, der Dealer zischte sie an. »Aber Sie sollten nicht über …« Er hörte abrupt mitten im Satz auf.

»Was?« Nun war Saras Interesse geweckt.

»Vergessen Sie es. Entschuldigung, die Blinds, bitte.«

Der Dealer versuchte, sich hinter den Standardsätzen zu verstecken, doch seine Stimme schwankte.

Sara und Mads sahen sich an. Der Däne zog die Augenbrauen hoch. »Seltsamer Typ«, flüsterte er in Saras Richtung.

Seltsamer Typ, dachte sie auch. ›Ich habe, wann immer es ging, mit den anderen über Dixon geredet und mich dadurch den größten Teil des Abends unterhalten. Er hat nie etwas dazu gesagt. Aber jetzt plötzlich, bei dieser Geschichte, mischt er sich ein. Was ist anders gewesen?‹

Jenna.

Sara kramte in ihrem Kopf, was sie über Jenna wusste. Es gab das Geschenk in Dixons Suite, von dem sie und Linus vermuteten, dass es Jenna dort deponiert hatte. Eine Kette mit herzförmigem Anhänger. Was stand noch einmal darauf? Linus hatte ihr doch das Foto gezeigt. ›Die Erinnerung stirbt nie – Jenna.‹ Jetzt fiel es Sara wieder ein. Etwas pathetisch für ihren Geschmack. Der Spruch erweckte den Eindruck, als habe Jenna das Schmuckstück in Joel Dixons Suite deponiert.

Doch etwas war faul an der Sache, denn niemand hatte die Kellnerin hier im Hotel gesehen oder in letzter Zeit von ihr gehört. Linus hatte gesagt, dass Jenna verlobt gewesen war und wohl kein Kind von Traurigkeit. Das passte zu der Geschichte, die Mads eben erzählt hatte.

Wer war dieser Verlobte, den Jenna vor einem Jahr mit Joel Dixon betrogen hatte? Sara hatte gerade keine Zeit, sich mit Linus auszutauschen. Sonst hätte er vielleicht der Barfrau einen Namen entlocken können.

Sara hätte sich am liebsten vor den Kopf geschlagen. Den gesamten Abend war sie überzeugt gewesen, dass der Mörder mit am Tisch saß. Jeden einzelnen Spieler hatte sie deshalb ausgefragt, versucht, ihn zu durchleuchten. Nur eine Person hatte sie vergessen: Der Mann, der die Karten austeilte, als Joel Dixon starb. Und der nach einer kurzen Unterbrechung schnell wieder als Dealer an den Tisch zurückgekehrt war – wahrscheinlich, weil Sara begonnen hatte, Fragen zu Dixon zu stellen.

Sara blickte den Dealer an. »Wir sollen nicht über Jenna reden, meinen Sie?«

Seine Bewegung fror ein. »Das habe ich nie gesagt. Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«

Sara war versucht, sofort anzugreifen. Ihn mit dem Verbrechen und den Indizien zu konfrontieren. ›Wer war Ihre Komplizin, die das vergiftete Wasser an den Tisch gebracht hat?‹ Das könnte sie zwar fragen. Doch er würde bloß alles leugnen. Sie musste ihn anders aus der Reserve locken, sie musste besonnen vorgehen. Also nickte sie bloß und sagte: »Dann war es wohl ein Irrtum, Entschuldigung.«

Ein Flackern lief durch die Augen des Mannes. »In Ordnung.«

Mads Richardsen sah Sara etwas verwirrt an, sagte jedoch nichts.

Die nächsten Karten hatte der Dealer bereits auf den Tisch gelegt. Mads hatte seine schon angesehen. Sara schaute jetzt nach: Kreuz-Ass und Kreuz-Fünf. Ein gutes Blatt im Heads-Up.

Sara erhöhte, Mads ging mit.

Also gut, sie würden sich einen Flop ansehen. Und dabei musste Sara überlegen, wie sie den Dealer zum Reden bringen könnte.

Er legte drei Kreuz auf den Tisch: Sechs, Sieben und Neun.

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Sara konzentrierte sich für einen Moment, ruhig weiter zu atmen. Sie hatte endlich eine Idee, wer der Täter war. Und er saß noch am Tisch. Er war ihr nicht entwischt.

Sie hatte den besten Flush auf der Hand. Nuts. Direkt nach dem Flop. Auch das raste durch ihren Kopf.

Immer ruhig bleiben, ermahnte Sara sich.

Sie zählte ruhig ihre Chips ab, setzte die Summe, die im Pot lag. Mads zögerte, callte dann. Keine Erhöhung, kein Fold. Seltsamer Zug. Vielleicht hatte er eine Straße gefloppt?

Die Kreuz-Acht folgte.

Sara merkte, dass sie auf den Flop starrte, ohne die Karten zu fokussieren. An diesem Tisch saß ein mutmaßlicher Mörder. Sie musste herausfinden, wer das Geschenk wirklich in Dixons Zimmer platziert hatte. Und was aus Jenna geworden war. Doch gerade hatte sie einen Nut-Flush auf der Hand. Sie war im Heads-Up und bei der ersten echten Konfrontation hatte sie so ein Oma-Blatt. Was für ein Glück! Wie viel konnte sie aus Mads Richardsen herauspressen? Sie setzte erst einmal die doppelte Potsumme.

»Du bist still geworden, Mads«, sagte sie dabei.

»Du auch.« Er sah ihr in die Augen, als er antwortete. Dann blickte er auf seinen Stack. Irgendwie wirkte er sehr schüchtern in diesem Moment und sehr, sehr jung.

»Da bin ich mal gespannt auf den River«, sagte Mads, als er ihren Einsatz wieder nur callte.

Kreuz-Zwei.

KreuzSechs_SW.jpgKreuzSieben_SW.jpgKreuzNeun_SW.jpgKreuzAcht_SW.jpgKreuzZwei_SW.jpg

Sie hörte Mads ganz leise schnauben.

Was war aus Jenna geworden, fragte Sara sich. Der Gedanke hielt sich hartnäckig.

Sara ließ ihre Finger über einen der Chipstapel gleiten, die sich vor ihr auftürmten. Obwohl im Laufe des Turniers die Chips mit den kleineren Werten stetig entfernt worden waren, hatten sie beide nun – als Letzte im Spiel – eine ziemliche Menge angehäuft. Alles, was am ersten Tag an mehrere Hundert Teilnehmer ausgeteilt worden war, lag entweder bei ihr oder bei Mads. Oder gerade als Pot in der Tischmitte.

»Na, Sara?«, hauchte Mads.

»Moment.«

Sie zählte schon ab, als sie noch einmal genau auf die Karten sah. In Gedanken verschob sie sie. Sechs, Sieben, Acht, Neun. Ihr Kreuz-Ass war egal. Sie hatte einen Straight-Flush.

Beinahe sagte sie All-Inn. Doch das war Unsinn. Das würde Mads nie callen. Schließlich hatte er nicht einmal das Ass. Bestenfalls hatte er mit dem König den zweithöchsten Flush. Was würde er also bezahlen?

Sara setzte den halben Pot.

Mads erhöhte. Er ging nicht All-In, aber es war ein gutes Drittel seines Stacks, das er gerade in die Mitte schob.

Bluffte der Däne? Nein, das schloss Sara aus. Bei solchen Blättern tat das kein vernünftiger Spieler.

Sie schloss für einen Moment die Augen.

Es gab eine Erklärung. Für Dixons Tod. Für Mads’ Zug. Sara hatte beinahe das Gefühl, als würde sie ein Stück über sich im Raum schweben, weil sie es endlich alles so klar vor sich sah.

Sie foldete.

»Gut gespielt«, sagte sie zu Mads.

Obwohl das nicht nötig gewesen wäre, drehte sie die Kreuz-Fünf um.

»Guter Fold«, lachte er und deckte erst die eine, dann die andere Karte auf. Kreuz-Zehn, Kreuz-Junge. Er hatte auch einen Straight-Flush. Einen viel besseren.

Bei den nächsten zwei Händen holte Sara sich wenigstens immer die Blinds. Es wurde Zeit, den Dealer festzunageln.

*

»Ach komm, Pia, mir kannst du es wirklich verraten.«

Linus hatte das Gefühl, dass er schon schielte. Wenn er noch einen einzigen Kurzen mehr herunterstürzen musste, würde er sich wahrscheinlich übergeben. Ihm graute vor den Kopfschmerzen. Ihm graute noch mehr vor dem Morgen. Pia sah dagegen nicht so aus, als würde sie der Alkohol tangieren. Wie machte sie das nur? Sie war kleiner und leichter als er. Wenigstens redete sie vernünftig mit ihm und nahm ihn nicht auseinander wie dieser verdammte Engländer. Sara würde sich totlachen, wenn sie jemals erfuhr, wie dieses Gespräch gelaufen war.

Etwas aus Pia herauszubekommen war die letzte Chance, seine Ehre zu retten.

»Was willst du nun schon wieder wissen? Du bist der neugierigste Mensch, den ich kenne.«

»Das magst du doch an mir.«

»Kennen wir uns schon gut genug, um uns zu sagen, was wir am anderen mögen?« Sie versuchte, lasziv mit den Wimpern zu klimpern, aber nun zeigte sich, dass auch sie angetrunken war. Für Linus sah es jedenfalls so aus, als würde sie die Augen zusammenkneifen und danach aufreißen.

»Natürlich tun wir das. Ich mag zum Beispiel die Art, wie du deinen Job machst. Du bist ausgesprochen nett zu Kunden. Das sieht man viel zu selten in Deutschland. Servicekräfte, die von sich aus freundlich sind.«

Sie grinste breit. »Nur, weil ich dir einen von den letzten fünf Grappas ausgegeben habe, bin ich also freundlich?«

»Wir waren auf Grappa umgestiegen? Das erklärt, warum der Wodka plötzlich besser schmeckt.« Er räusperte sich. »Jedenfalls sehr großzügig und – ja! – freundlich von dir, einen davon auszugeben. Und du wirst mir bestimmt wieder Kaffee bringen, wenn ich noch einen bestelle.«

»Klar.« Sie drehte sich schon auf dem Absatz, aber Linus stoppte sie.

»Wenn, sagte ich! Bestellt habe ich ihn doch noch gar nicht. Vorher beantworte mir bitte diese eine klitzekleine Frage: Was verheimlichst du mir noch über Jenna?«

»Na gut, weil du’s bist.« Sie neigte sich noch ein Stück weiter vor. Ihre Stimme senkte sich auf ein Flüstern. »Sie war mit Lars Janssen zusammen.«

Pia lehnte sich wieder zurück und deutete in den Raum hinein. Dort stand zwischen den vielen leeren Pokertischen einer, an dem drei Menschen saßen: Sara, Mads Richardsen und der Dealer.

»Nein«, entfuhr es Linus, ehe er die Wörter aufhalten konnte. »Oh mein Gott.«

»Ja, das habe ich auch gesagt, als sie mir erzählte, sie hätte sich mit ihm verlobt. Ich kenne ihn kaum, er ist ja kein Kollege hier. Kommt nur manchmal, wenn Pokerturniere stattfinden, für die er gebucht wird. Aber ich fand ihn auf den ersten Blick unsympathisch und auf den zweiten und dritten noch viel mehr.«

»Wie lief es zwischen den beiden?«

»Am Anfang gut, behauptete Jenna. Aber er ist ihr ziemlich schnell auf die Nerven gegangen. Der Mann gehört zur eifersüchtigen Sorte.«

»Das glaube ich sofort.«

»Er hat Jenna sogar gesagt, ich würde als Single nicht der richtige Umgang für sie sein. Schlechter Einfluss und so. Ich sag dir: Der Typ hat sie nicht alle.«

»Bin völlig deiner Meinung.«

Linus sagte die Worte, ohne darüber nachzudenken. Denn in seinem Kopf hatte es Klick gemacht, als Pia endlich mit diesem Detail herausgerückt war. Bis eben hatte er es für ein Spiel gehalten. Saras Instinkt, dass hier ein Mord geschehen war, als sehr vage Möglichkeit abgetan. Er hatte mitgespielt, weil es ihn gefreut hatte, dass sie ausgerechnet ihn angerufen hatte, als sie Hilfe brauchte. Und weil er ihr zeigen wollte, dass er mehr herausfinden konnte als sie, wenn es darauf ankam. Ein Wettstreit zwischen Polizistin und Journalist – wer ist wohl der bessere Ermittler? Das hatte seinen Ehrgeiz geweckt.

Doch jetzt hatte sich das Bild zusammengefügt. Lars Janssen, der Dealer, ein chronisch eifersüchtiger Typ, Joel Dixon, ein Frauenheld – und Jenna, die hübsche Kellnerin, die plötzlich abgetaucht war. Linus zuckte zusammen, als er sich vorstellte, was hinter Jennas Verschwinden stecken könnte. Dixon musste vergangenes Jahr etwas mit Jenna angefangen haben, was dieser Janssen erfahren hatte. Und jetzt, als er ein Jahr später die Chance dazu bekam, hatte Janssen beschlossen, Joel Dixon umzubringen. Es sah wie ein waghalsiger Plan aus, den Pokerspieler vor so vielen Zeugen zu vergiften. Doch er wäre beinahe aufgegangen. Was auch immer Janssen dem alten Amerikaner verabreicht hatte – Linus hatte nicht die geringste Ahnung von Giften –, schien keinen Verdacht geweckt zu haben. Stattdessen hatte der Notarzt einen Infarkt diagnostiziert. Sicher genau das, was Janssen erhofft hatte.

Doch nun saß jemand am Tisch, der Dixons Tod für einen Mord hielt und sogar den Mörder entlarven wollte. Direkt vor seiner Nase, wo er diese Person ebenso ausschalten konnte wie zuvor Joel Dixon, falls sie der Wahrheit zu nah kam.

Linus sprang auf. Er musste Sara warnen.

*

»Sagen Sie«, meinte Sara, mit Blick auf den Dealer, »warum irritieren Sie Gespräche über Jenna so? Sie haben es damals mitbekommen, das zwischen ihr und Dixon, nicht wahr?«

»Das geht Sie nichts an.« Er atmete laut aus. »Und überhaupt, das ist doch alles Unsinn.« Er leugnete es nur noch halbherzig, was Sara seltsam erschien. Doch die eben noch so fahrigen Gesten waren verschwunden. Mit weiß behandschuhten Händen gab er, routiniert wie eh und je, die nächsten Karten.

Sara wollte das Blatt gerade ansehen, da hörte sie laute Schritte hinter sich. Sie drehte sich um, es war Linus.

»Ich muss unbedingt mit dir sprechen, Sara«, brach es förmlich aus ihm heraus, wobei er »schschbrechen« sagte. Er hatte sich in der vergangenen halben Stunde offensichtlich betrunken. Das war ja mal wieder typisch! Sara war sprachlos.

»Es ist irre wichtig«, sagte er noch. Es klang wie. »Ischiiirrewischtisch.«

»Es passt gerade nicht.«

»Aber ich habe was herausgefunden!«

Er rollte die Augen und bewegte zusätzlich den Kopf ruckartig in Richtung des Dealers. ›Das weiß ich schon‹, hätte Sara am liebsten gesagt, aber das erschien ihr nicht der beste Schachzug.

»Würden Sie bitte vom Tisch zurücktreten«, sagte der Dealer.

Inzwischen war auch einer der Männer an den Tisch getreten, der zur Turnieraufsicht gehörte.

»Ich würde gern die nächste Hand spielen«, fiel Mads Richardsen ein.

»Siehst du Linus, es muss warten.«

»Nein, wir müssen jetzt reden. Jetzt!« Mit einer Beharrlichkeit, wie sie Betrunkene manchmal aufbringen, blieb er, die Arme vor der Brust verschränkt und leicht wankend, am Tisch stehen.

Der eben hinzu gekommene Aufseher griff nach Linus’ Arm. »Nun kommen Sie aber mit«, murmelte er.

Sara konnte förmlich sehen, wie die Situation gleich eskalieren würde. »Schon in Ordnung. Geben Sie uns eine Minute?«

»Ihre nächsten Hände werden dann automatisch gefoldet«, sagte der Dealer sofort.

»Ihre Entscheidung«, sagte der Mann, der nun seine Hand von Linus genommen hatte.

Sara grübelte. Ein Heads-Up konnte schnell vorbei sein, wozu jetzt also unterbrechen? Außerdem hatte sie den Dealer fast schon am Haken. »Lass uns später reden«, sagte sie zu Linus.

Sie sah ihn flehend an, er schnaufte empört, wandte sich dann aber ab. Als ihr Blick halb durch den Raum wanderte und sie sich eigentlich wieder den Karten widmen wollte, sah sie die Uniformen.

Zwei Polizisten kamen aus Richtung des Fahrstuhls geradewegs auf den Tisch zu. Die Managerin Espen-Langer ging schräg vor ihnen, offensichtlich wies sie ihnen den Weg. Auch Johann Konrad war zu dem kleinen Trupp gestoßen.

Sara fürchtete, dass ihr Mund offen stand. Wo kamen die jetzt her? Wieso?

»Guten Morgen, allerseits«, wurden sie begrüßt.

Aus dem Augenwinkel bemerkte Sara, wie sich der Dealer versteifte. Gerade setzte er zu einer Bewegung an, als wolle er die aktuellen Handkarten wieder einsammeln, dann zuckte er wieder zurück.

»Mein Name ist Neumann, das ist der Herr Ziegler. Mordkommission. So leid es uns tut, die Veranstaltung ist hiermit beendet …«

»Unterbrochen«, sagte Johann Konrad.

»Wie auch immer. Skat können Sie später weiter kloppen. Wir müssen Ihre Aussagen zum Tod von Joel Dixon aufnehmen.«

Sara sah vor ihrem geistigen Auge mehrere Reaktionen, die jetzt verlockend waren.

›Er war’s‹, könnte sie rufen und auf den Dealer zeigen. Aber das wäre zu kindisch. ›Hab ich es doch gewusst!‹, könnte sie auch rufen. Nein, das fiel aus demselben Grund flach.

Linus legte sich keine derartigen Beschränkungen auf. »Meine Güte, habt ihr lange gebraucht, um das zu schnallen. Wir ermitteln hier schon seit Stunden.« Nun, er sagte natürlich »Jüte« und »schschnalllnn« und »Schschtunden«, was den Eindruck, den er auf die Polizisten machte, sicher nicht verbesserte.

Erstaunlicherweise wies ihn niemand zurecht.

»Nun, jetzt sind wir jedenfalls hier«, sagte Neumann. »Frau Hansen, nehme ich an?« Er blickte zu Sara.

»Ja, woher wissen Sie das?«

»Der Gerichtsmediziner erwähnte Ihren Namen.«

Jetzt dämmerte es. »Er hat das Gift in der Wasserflasche identifiziert.«

»Nein.«

»Nein?«

Der Polizist verzog keine Miene.

»Aber wieso …?«

»Der Rechtsmediziner erwähnte etwas von Spielkarten, die ihm irgendwie in die Finger gekommen waren – das meine ich wörtlich. Was auch immer da drauf war, hat ihn umgehauen und auch das nicht bloß im übertragenen Sinne. Die Karten sind jetzt in der Toxikologie. Und wir sind hier.« Er lächelte.

Aus Saras Gesicht war sämtliches Blut gewichen. Sie fühlte, dass sie plötzlich kalkweiß sein musste. »Die Karten«, flüsterte sie. »Oh mein Gott.«

Mads Richardsen wischte sich hektisch die Hände am Tisch ab. »Jemand hat die Karten vergiftet?« Er sprang auf.

»Das ist momentan die Vermutung«, sagte Neumann.

Und nun sagte Sara es doch. »Er war’s« – und zeigte auf den Dealer. »Weil Joel Dixon mit seiner Verlobten geschlafen hat.«

Jetzt redeten alle durcheinander. »Ist das wahr?«, fragte Johann Konrad.

»Das wollte ich dir doch eben gerade erzählen, Sara!«, motzte Linus. »Ich hatte es längst herausgefunden!«

»Wir nehmen das gerne alles auf dem Revier auf«, sagte Neumann. »Beruhigen Sie sich.«

Wahrscheinlich hörte Sara das Murmeln von Espen-Langer nur, weil sie in den vergangenen Stunden derart konzentriert möglichst alles in ihrer Umgebung registriert hatte. »Aber warum gerade bei uns im Hotel?«, flüsterte die Managerin.

Nur Lars Janssen, der Dealer, blieb stumm.