Slm Ijn
Corps Thuringia in Leipzig
£'
Otto Julius Bierbaum
Pasing, S/S ißO^
VORWORT
Die aus dem Jahre igo4 stammende Studentenkomödie, die ich hier meinen Freunden vorlege, kennzeichnet sich in ihrem Untertitel als ein weiterer Versuch meiner Feder, der gegenwärtigen Opernbühne zu dienen. Während ich aber in den Bühnenspielen „Lobetanz^\ „Gugeline^^ und „Die vernarrte Prinzeß^'' frei erfundene Stoffe rein phantastischer Art bearbeitet habe, baut sich die Handlung des „Musenkrieges'' auf der Überlieferung von etwas wirklich Geschehenem auf. Es ist das der Leipziger Studententumult vom Jahre iy6y, der durch seine Erwähnung in Goethes „Dichtung und Wahrheit'' allgemein bekannt geworden ist.
Ein ganz objektives Bild dieser Vorgänge, die man unter dem Namen der Meisenkrieg (sächsisch Meesenkrieg) zusammenfaßte, weil es sich um einen „Krieg" der Studenten gegen die „Meisen", näfnlich die Leipziger Stadtsoldaten (Defensioner) handelte, hat Professor Dr. Witkozvski im Goethe-
Jahrbuch verö^entlicht. Ich hin Herrn Professor Witkowski aber noch außerdem zu besonderem Danke verbunden, weil er die Güte gehabt hat, mir Einblick in seine Exzerpte aus den Akten zu gewähren, die die Grundlage zu seiner interessanten Arbeit bilden. Er wird es mir, denkeich, verzeihen, daß ich mit dem Stoff reichlich frei umgesprungen bin. Vom Text zu einer komischen Oper wird man historische Exaktheit kaum verlangen, und die Historie, die der hier vorliegende behandelt, gehört überdies zu denen, die an sich mehr kurios als bedeutend sind und es daher wohl zulassen, daß man an ihnen das Recht der poetischen Lizenz mit einigem Übermute ausübt.
Kein Kunstwerk, und sei es selbst von naturalistischen Absichten eingegeben, kommt ohne poetische Lizenz aus. Je weniger es sich bestrebt, Realitäten abzuschildern, um so größer wird seine poetische Freiheit sein dürfen. Doch hat auch diese Freiheit ihre Gesetze. Sie gehen aus dem Stil hervor, dessen Sinn ja eine neue Gesetzmäßigkeit ist: die Gesetzmäßigkeit einer künstlerischen Realität, die andere V or aus Setzungen, andere Perspektiven, einen engeren Rahmens hat, als die Realität des Lebens.
Im vorliegenden Falle hat sie auch einen anderenRhythmus: sie singt, statt zu sprechen, — ihre Worte tanzen. Es ist ein Spiel.
Das Leben ist — leider keins. Also wird ein Spiel umsomehr erfreuen, je weniger es sich bemüht, reales Leben vorzutäuschen, und je mehr es sich darauf beschränkt, eben als Spiel zu wirken, als „eine kleine Welt für sich^\ wie Goethe seinen Opernzuschauer von der Oper sagen läßt, „in der alles nach gewissen Gesetzen vorgeht, die nach ihren eigenen Gesetzen beurteilt, nach ihren eigenen Eigenschaften gefühlt sein will".
Sollte der „Musenkrieg" das Glück haben, einen Tondichter zu finden, der ihm die Musik bescheert, auf die er berechnet ist, so wird er, in seinem innersten Gesetz sinnfällig geworden, von der Bühne her hof entlich als so eine „kleine Welt" wirken, angesichts der, wieder mit Goethe zu reden, nur der „gemeine Liebhaber", der „ganz ungebildete Zuschauer"^ sich am „Unwahrscheinlichen" stößt. Die Leser aber bitte ich, schon die tanzenden Worte des Textes musikalisch zu lesen und jedenfalls nicht zu vergessen, was ich, als ich sie tanzen ließ, nie vergessen habe: daß sie einem Spiel zu dienen haben, dessen Seele und Gesetz Musik ist.
Zur Vorstellung der männlichen und •weiblichen Hauptpersonen füge ich ein paar Schilderungen aus dem Zachariäschen Renommisten hei.
Für die Herren v. Saling und Oehmichen dies:
„Ein weißer seidener Strumpf umwickelte
das Knie. Der Schuh, ein Meisterstück von seines
Schusters Müh, Erhob in schwarzem Glanz mit Band besetzte Kanten, Und Schnallen schimmerten von böhmschen
Diamanten. Le Grand trat ins Gemach; ein lumpichter
Franzos, Doch in der seltenen Kunst, das Haar zu
kräuseln groß. Ein weißes Puderhemd floß zu des Stutzers
Füßen. Le Grand baut das Toppee und läßt sich
Locken schließen. Ein dicker Staub von Mehl, der still im
Püster lag, Schießt ungestüm heraus, und trübt den
heitern Tag. Der Putz half sein Toppee mit klugen
Fingern türmen,
Und setzte sich darauf, es tapfer zu beschirmen.
Den weißen Hals umgab ein schwarzes seidnes Band,
Das sich beiseinemKinn in eineSchleife wand;
Ein neuer Modesamt aus aschenfarhger Seide,
Voll Laubwerk schön gewebt, dient ihm zum Oberkleide.
Ein breitgewirktes Gold umgab der Weste Rand,
Und Atlas hieß der Stoff, aus welchem sie entstand.
Sie war noch prächtig neu; die Farbe glich den Lüften,
Wenn sie der Frühling leert von rauhen Winter duften.
Ein schwarzer Atlas war der Hüften enget Kleid.
Das Uhrband schimmerte mit goldner Herrlichkeit.
Um seinen Degen war ein weißes Band geschlagen.
Zum Zeichen, nie damit ein Blutduell zu wagen.
Sein Rohr aus Indien ziert ein besonderer Knopf,
Aus Meißner Porzellan ein Frauenzimmerkopf.''
Für die jungen Damen dies:
„Ein dunkelbraunes Haar, mit Puder vorn
bestäubt. Das ein durchglühter Stahl in runde Locken
treibt^ Fließt in den Nacken hin; die Scheitel bis
zur Stirne Bedeckt ein leichter Schmuck von zart-
gewebtem Zwirne. Die Haube schließt nicht an, und fließt
aus dem Gesicht, So wie ein Strahlenschein den Heiligen
umflicht. Gefärbte Federn blühn wie Blumen an der
Seite; Ein dickes, goldnes Band, von der gehörigen
Breite, Das hinten zierlich sich in eine Schleife legt, Wird an den Spitzen oft vom sanften West
bewegt. So wie ein Flügelpaar am Kopf des Götterboten, Wenn er bald Kuppler ist, und bald Furier
der Föten. Von ihrem freien Hals hängt eine Perlenschnur, So schön von Wachs gemacht, als wie die
von Natur. 12
Ein zartes Palatin, zu dünn, etwas zu decken,
Ist doch bemüht, die Brust verrätrisch zu verstecken.
Ein großer Blumenbusch, von Seide nachgemacht.
Beschattet ihre Brust in falscher Frühlingsfracht.
So wie ein Perser sich in langen Armein zeiget.
Wenn ei im Trauerspiel auf unsere Bühne steiget.
So hängt um ihren Arm, an einem zarten Flor,
Ein zarteres Geweh aus ihrem Kleid hervor.
Ihr Schuh ist niedrig, stumpf, mit auf-gesteifter Lasche,
Und eine Schnalle strahlt anstatt des Bandes Masche''. Für den Renommisten im Allgemeinen: „Die Ungezogenheit sprach aus den wilden Blicken,
Die große Peitsche hing schief über seinen Rücken,
Der kurze Rock verriet ein schmutziges Oberhemd,
Und seine ganze Tracht war widerlich und fremd''.
Einzelheiten für ihn und die Leipziger
ergeben sich aus Folgendem:
„Sei nur ein Leipziger; verwirf die schlechte Tracht,
Die dich hier lächerlich und Schönen schrecklich macht.
Dein Zopf verwandle sich in einen schwarzen Beutel;
Kein Hut bedecke mehr den aufgeputzten Scheitel;
In Jena ließ dir nur ein kurzer Ärmel schön.
Weit besser wird dir hier ein langer Aufschlag stehn.
Dein ungekämmtes Haar gleicht einem Sperlingsneste ;
Wie häßlich läßt dir nicht die leichte gelbe Weste.
Sie, die jetzt spöttisch kurz um deine Hüften schlägt,
Sei länger aus Grisett und stark mit Gold belegt.
Die Reuter laß allein die schweren Stiefel drücken;
Wie kann ein Mädchen nicht ein seidener Strumpf entzücken!
Dein Degen werde klein, und knüpf um ihn ein Band,
Zum Zeichen, daß du dich zu meinem Reich
bekannt. Verabscheu von nun an die ungezogenen
Händel; Sprich zierlich und galant, und rieche
nach Lavendel. Vergiß den Rauchtobak, der hier noch schmauchend glimmt. Und nimm davor Rappee, wie ihn der
Stutzer nimmt'"''.
0. J. B.
FIGUREN DES SPIELS
Franz von Saling \
j-T r\ 1 ■ 1 { Studenten
Hans Uehmichen J
Der Herr Rektor
Amalie, dessen Tochter und Oehmichens Geliebte
Sophie, Schauspielerin und v .SalingsGeliebte
Der jensche Renommist
Ein junger Fuchs
Schreege senior, ein reicher Bürger
Schreege junior, dessen Sohn, Oberoffizier der Stadtsoldaten
Jettchen, die Tochter der Stubenwirtin V. Salings und Oehmichens
CharUtte } ^^'?>^'^^^'^'^
Ein Pedell
Ellebein, Schneidermeister
Wo ff, Bücherantiquar
Der Graf von Luxenburg
Ein Student
Ein zweiter
Ein dritter
Eine Schenkwirtin
Ein Läufer
Ein Feldwebel der Stadtsoldaten
Studenten. Professoren. Stadtsoldaten.
Schenkmädchen. Bürger und Bürgermädchen.
Kinder.
Ort der Handlung: In und um Leipzig Zeit: lyöy
Der I. Akt spielt in v. Salings und Oehmi' chens gemeinsamer Wohnnng, der 2. in Händeis Kuchengarten in ReudnitZf der J. in Hohmanns Hof, der 4. vor einem Wirtshaus an der Landstraße nach Dresden.
ERSTER AUEZUG
Die gemeinsame Wohnung Salings und Oeh-michens, ein geräumiges Zimmer, das zur Abhaltung eines „Hospizes^' hergerichtet erscheint, d. h. es ist in der Mitte der Szene eine lange Tafel aufgeschlagen, umstellt von etwa 20 hochlehnigen Stühlen. Große Bowlenterrinen, Gläser, brennende Kerzen, Pfeifengestelle mit langen Tonpfeifen u. dgl. m. stehen darauf. Im übrigen zeigt die Wohnung eine gewisse Eleganz im Stile der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts. Das etwas stutzerhafte Wesen des Leipziger Studenten jener Zeit kommt in der Ausstattung zum Ausdrucke, doch fehlen auch Degen und Pistolen an den Wänden, sowie Büchergestelle nicht. Links und rechts an der Hinterwand große Kleiderschränke; rechts und links an den Seitenwänden Toilettentische mit Spiegeln. Türe in der Mitte, Fenster rechts und links.
ERSTE SZENE
V. Saling. Oehmichen. Jettchen.
Jettchen macht sich an der Tafel zu schaffen,
V. Saling steht links am. Spiegel^ Oehmichen
sitzt rechts am Spiegel.
Oehmichen (indem er sich die Haare pudert, für sich hin). Teures Mädchen, blühe du, Blüh zu meinem Glücke! Lächle stets mir zärtlich zu Mit verliebtem Blicke.' Und kommt auch her Chagrin, malheur Et grand douleur, Wir weichen nicht zurücke! Pardieu vallera! Pardieu vallera! Wir weichen nicht zurücke!
J ettchen. Wir weichen nicht zurücke!
V. Saling (sich die Jabots abstaubend, für sich).
Die Friquette,
Die Brünette
Sei bei jedem Burschenschmaus I
Pereat, wer sie tuschieret
Und sich über sie mokieret^
Pereat sein ganzes Haus!
J ettchen. Pereat sein ganzes Haus!
V. Saling. Jettchen! Jettchen!
Jettchen (eilt zu ihm).
V. Saling. Scharmantestes Mädchen!
(stellt sich parodistisch in Positur), Wie sieht Herr v. Saling wieder mal aus?
J ettchen (knixend, halb ernst, halb schalkhaft). Wie immer und toujours: Der reine Gott Amour, Bloß noch stattlicher nur!
V. Saling (ihr zeremoniell eine Bürste überreichend). Einem solchen Adonis den Rock zu bürsten, Erfüllt dich, hoff ich, ein heißes Dürsten. Ich seh^s, ich fühFs, wie dich entflammt Das dreimal hohe, heilige Amt: Bürste, mein Mädchen, bürste den Samt!
J ettchen
(um ihn herumtänzelnd, indem sie den
Rock bürstet).
O himmlische Gnade, o seliges Amt,
Ich bürste, ich bürste, ich bürste den Samt!
Oehmichen.
Jettchen.' Jettchen.'
Jettchen.
I ja! I ja!
Oehmichen.
Jettchen! Jettchen!
Jettchen.
Gleich hin ich da! (knixt vor S., der sie ans Kinn faßt) Ihre ergebenste Dienerin!
V. Saling. Hat die Mamsell ein samtiges Kinn!
Jettchen (läuft tveg).
V. Saling.
Husch fort! Husch hin!
(summt) Die Friquette, Die Brünette Sei bei jedem Burschenschmaus!
Jettchen (vor Oemichen knixend). Ihre ergebenste Dienerin!
Oehmichen. Jettchen, schwöre einen Schwur, Schwör''s bei deiner Ehre!
Sitzt mir gerade die Frisur, Oder sitzt sie quere P Wie ich zupfe, richte, rücke. Die verteujelte Perücke Bäumt sich immer wilder nur.
Jettchen (die Frisur musternd).
Schön ist sie und ä la cour. Nach der Mode wohl toupiert.
(Schnuppernd.) Ach, und wie pomadisiert! Jel Der feinste Feilchenduft/
(Macht sich an der Frisur zu schaffen.) Vielleicht noch hier ein bißchen auf gepufft. Vielleicht noch da ein Strähnchen festgelegt^ Und nun muß ein jeder schwören. Daß ein Heer von Hoffriseuren Herrn Oehmichen die Haare pflegt.
Oehmichen (sie in die Backen kneifend).
Grübchen in den Backen, Den Schelmen im Nacken. Ich dank der Mamsell. (Es klingelt.)
Jettchen. Es klingelt.
Oehmichen. Es klingelt.
V. Saling. Es klingelt.
Alle drei. Es klingelt.
Oehmichen und v. Saling. So ö-ffne doch schnell!
J ettchen (geht, die Tür draußen zu öfnen, hinaus).
V. Saling. Ach, wenn sie es wäre!
Oehmichen. Ach, wenn sie es wäre!
V. Saling und Oehmichen. Ich stehe auf Posten in Amors Gewehre Toujours en vedette und immer bereit 7jum fröhlichsten Kriege, zum holdesten Streit. Ach, wenn sie es wäre! In Amors Gewehre Auf Posten zu stehen ist Seligkeit.
J ettchen (öfnet die Türe und läßt Sophie ein).
ZWEITE SZENE
V. Saling. Oehmichen. Sophie.
Sophie. Guten Abend! Guten Abend! 24
V. Saling. Fiekchen! Fiekchen!
Sophie. Franz der Fränze!
Oehmichen (mit einer Verbeugung). Daß ich die Frisur ergänze Zieh diskret ich mich zurück.
V. Saling. Seid bedankt dafür, Herr Bruder.
Oehmichen. Andermal lacht mir das Glück. (Allgemeine Verbeugung. Er geht ab.)
DRHTE SZENE
V. Saling. Sophie.
V. Saling (Sophie stürmisch umarmend). Fiekchen! Fiekchen! Sophinette!
Sophie (scheinbar abwehrend).
Ruhe! Anstand! Nicht so wild!
(Saling läßt sich nicht stören.) Will der Herr mich endlich lassen?
V. Saling. Nein, das will er nicht, beim Himmel!
Sofhie. Will er nicht, so wird er müssen!
V. Saling.
Müssen muß er nie, doch küssen,
Küssen, küssen muß er stets,
Jls ein rechter Studio,
Denn das Küssen, denn das Küssen^
Denn das Küssen ist das A,
Und das Küssen ist das O
Des Studentenalphabets.
Siehst du, Sophinette, so (küßt)
So und so und so und so
Von dem A (küßt) bis zu dem O (küßt)
So (langer Kuß),
So geht
Das Studentenalfhabet.
Sophie.
Ach, das süße A und O,
Ach, das holde A-B-C,
Das man nicht erst lernen muß.
Aber ach, es kommt das W
Auch drin vor, — das macht Verdruß.
Franz, bald kommt der Abschiedskuß.
V. Saling.
Ahschiedskuß? Mein teures Kind! Frevle nicht! Mit ernsten Sachen Muß man keine Scherze machen; Was mir das jür Worte sind! 26
Sophie.
Mir ist es nicht zum Scherzen, Das Weh sitzt schobt im Herzen Und beißt mich bitterlich.
V. Saling.
Du machst mir Angst; was ist denn ? Sprich F Mir wird, weiß Gott, ganz jämmerlich, Seh^ ich mit ernster Miene dich. (Rückt ihr einen Stuhl her. Sie setzt sich.)
Sophie.
Ja, Franz, es muß geschieden sein!
Von Dresden lief die Nachricht ein:
Ihr habt das Spiel verloren.
Gewonnen die Professoren.
Mit Siegeln viel ein Mordsdekret
Kam an, in dem zu lesen steht:
Sintemalen und alldieweilen
Laut vielen Beschwerden
Der hochgelehrten
Und hochwohllöblichen Fakultät
Der Gottes-Gelahrsamkeit
Es zum Himmel stinkt und schreit.
Daß die sittenlosen
Herren Studiosen
Der Leipziger Universität
Mehr in die Komödie, als in die Kollegien
eilen: Und sintemalen und alldieweilen
Darunter sowohl die Moralität
Wie die Honorare der Professoren leiden:
Haben wir also beschlossen zu entscheiden^
Und es wird ausdrücklich dekretiert:
Es fallen im Komödienhaus
Von sieben Komödien fünfe aus,
Es wird bloß noch Sonntags und Mittwochs
agiert. (Pause.) Wie schmeckt dem Herren die Pastete P
V. Saling.
Der Teufel hole solche Dekrete!
Da wird nichts draus!
Eher ziehen wir alle
Nach Jena oder Halle!
Denn der civis academicus
Hat ein Recht auf Kunstgenuß.
Die Komödie steht täglich frei.
Sophie.
Das ist aus und vorbei.
Der Direktor kann sich hier nicht halten,
Bleihfs nicht beim alten.
V. Saling. Es bleibt dabei!
(Läuft aufgeregt hin und her.) Eher, ich schwöre Bei meiner Ehre, Eher soll alles kopfüber geh'n^ 28
Eher, ich schwöre
Bei meiner Ehre,
Sollen in unserem Pleiß-Athen
Alle hochwerten
Gottes gelehrten
Auf den Perücken spazieren geh^n,
Als daß sie euch uns verlassen seh'n!
Sophie. Was soll denn geschehen?
V. Saling. Geduld, mein Kindl Wir werden zeigen, was Burschen sind. Sadonc! Sadoncf Der Kampf beginnt!
(Es klopft. Oehmichen steckt den Kopf zur Tür herein.)
VIERTE SZENE
V. Saling. Sophie. Oehmichen. Amalie.
Oehmichen (führt Amalie, verschleiert, herein. Mit einer Bewegung des Kopfes auf diese hin).
Herr Bruder, einen Augenblick!
V. Saling. Jetzt ziehen diskret wir uns zurück.
(Allgemeine Verbeugung, v. Saling und Sophie ab.)
FÜNFTE SZENE
Oehmiche?i. Amalie.
Oehmichen. Mein teures Mädchen, du bei mir? Kauniy daß das Glück ich fasse. (Will sie umarmen.)
Amalie. Ach, Liebster, lasse.' lasse.' Mich führt die Angst und Not zu dir.
Oehmichen. Sag^ mir, was dich bedrücket. Sag' mir, was dich bewegt, Daß so mit bangem Zagen Dein süßes Herze schlägt. Sieh, diese Brust entzücket Der Glaube, den sie hegt. Daß Malchen alle Klagen Still in ihr niederlegt.
Amalie. Ach Gott, es steht geschrieben, Ich werde niemals dein. Ich soll tnich von dir trennen Und lieF doch dich allein. All unser Treu und Lieben Wird Weh und bittre Pein, O Schmerz, nicht auszunennen, Es soll geschieden sein. 30
Oehtnichen. Malchen.' Mein Malchen! Geschieden
wir F Was ist denn geschehen? Ich kann's nicht
fassen!
Amalie. Der Vater will tiichts mehr wissen von dir, Weil in den Streit dti dich eingelassen.
Oehmichen. In den Streit mit den Meisen? Amalie. (nickt)
Oehmichen. Was soll denn das heißen? Ist das nicht jedes Burschen Recht? Hat sich die Bande nicht erfrecht Gegen die ganze Universität, Indem sie uns Studenten beleidigt? Wenn wir uns wehren Nach Burschenehren, Sollte Senat und Fakultät, Dein Vater^ der Herr Rektor^ voran. Für uns stehen Mann für Mann, Die wir die gute Sache verteidigt.
Amalie. Ach Gott, er ist ja außer sich. Wütet und wettert ganz, fürchterlich, Will alle konsiliieren,
Dimittieren und relegieren.
Und mich, und mich.
Mich will er, ein Exempel zu statuieren.
Mit dem Leutnant der Meisen verloben.
Oehmichen. Herr Gott im Himmel oben. Mit dem Meisenhäuptling dich/ Dich, dich, dich, Dich will er mit dem verloben. Dem Drillmeister Jämmerlich! Das ist ja zum Lachen.'
Amalie. Viel mehr zum Weinen; Der Vater, du weißt es, tut, was er spricht.
Oehmichen. Laß uns nur machen! Das tut er nicht! Jetzt kommt's zum Krachen, Jetzt kommt^s zum Krieg! Und wenn ganz Leipzig zusammenbricht. Wir leiden's nicht und duldeyi's nicht. Und unser wird der Sieg.
SECHSTE SZENE
V. Saling. Oehmichen. Amalie (es klopft).
V. Saling. Herr Bruder, sie kommen. 32
Oehmichen. Wohl! Abschied genommen!
Amalie. Wie ist mir beklommen!
Oehmichen. Kind, fürchte dich nicht! Wir wollen's schon machen! Jetzt kommt es zum Krachen, Jetzt kommt es zum Krieg. Und Malchen, Malchen heißt der^Sieg (er führt Malchen hinaus).
SIEBENTE SZENE
(erst V. Saling allein. Dann Oehmichen mit den übrigen).
V. Saling.
Und Fiekchen, Fiekchen heißt der Sieg. Zweierlei Namen, einerlei Ziel. Sadonc! Sadonc! Es beginne das Spiel!
Stimmen von draußen.
Hospiz! Hospiz! Wir fangen einen Spitz! Wir fangen hundert Meisen, ',sf ^^ij Die wollen wir in die Pleißen, Die woWn wir in die PH, hurra. Die woWn wir in die Pia, hurra, 3 33
Die woWn wir in die PH, Pia, Plei, Ja in die Pleißen schmeißen/ (unter Oehmichens Führung treten die Studenten auf).
Die Studenten. Hospiz/ Hospiz/ Und Ründadinellula/ Ründa, ründa, ründa, ründa, R ü ndadinellula.
V. Saling und Oehmichen (nehmen an den Tischen Platz und schlagen mit den Degen auf den Tisch). Ad loca, werte Herr'^n/ Ad loca, werte Herren/
Die Studenten (verteilen sich an der Tafel). So hätten wir denn ein Gläschen gern.
V. Saling. Die Füchse schenken ein, Sollen wohl beflissen sein!
Die Füchse (aus den Terrinen in die Gläser schenkend). Beflissen wie die Bienen, Senioribus zu dienen.
Die alten Studenten. Schenkt ein/ Schenkt ein/ Schenkt ein/ 34
Der jensche Renommist. Sa lustig, Courage getrunken/ Wer singt ein lustig Rundd.'P Laßt trauern die kühlen Hallunken! Wir sind ja deswegen nicht da.
Alle. Wir sind ja deswegen nicht da. Ründa, ründa, ründa, ründa, Ründadinellula.
Ein jutiger Fuchs. Zuerst sei allen Scharmanten Ein brausendes Vivat gebracht Zum Trotz allen Basen und Tanten! Es halle und schalle mit Macht!
Alle. Es halle und schalle mit Macht! Runda, ründa, ründa, ründa, Ründadinellula.
V. Saling. Ein Ründa den Burschen voll Ehre, Die den Degen zu führen gewöhnt, Ein Ründa der adligen Wehrei Zum Orkus, wer sie verhöhnt!
I
Alle. Zum Orkus, wer sie verhöhnt! Ründa, ründa, ründa, ründa, Ründadinellula.
Oehmichen. Der Herrgott soll genaden Die sich wider uns erfrecht. Den schuftigen Stadtsoldaten, Dem giftigen Meisengeschlecht/
Alle. Dem giftigen Meisengeschlecht! Ründa, ründa, ründa, ründa, Ründadinellula.
Der jensche Renommist (in höchster Wut).
Beim Mars, ihr Herren,
Das hör ich gern.
Beim Mars, das tut mir hene!
Gibt's Keilerei
Und Holzerei,
Bin ich dabei.
Beim Mars, dabei.
Denn ich, ich bin aus Jene!
In bellis resonat fum, fumf
Tara tantara fumpumi
Zeigt mir eine Meise,
Daß ich sie zerreiße!
Ich bringt sie alle alleine um!
Die Füchse. In bellis resonat pumpum! Tara tantara fumpum! Er bringt sie alle alleine um^ Ha ha! ha ha! ha ha!
Der Renommist
Was lachen die Gecken?
WolVn sie mich necken,
Werd' ich ein -paar ins Stiefelrohr stecken.
Die Füchse. Huhu! Huhu!
Oehmichen. Füchse in Ruh'! Wollt ihr euch streiten, Verschiebfs, ihr Herren, auf andre Zeiten. Jetzt gilt's, daß wir alle zusammenstehn. Ich frag' euch, ihr Herr'n, was soll geschehn? Soll'n wir's uns weiter gefallen lassen, Ein Spott der Meisen zu sein auf den Gassen? fragen wir länger die Hudelei Der lor sperr er ei?
Wollen wir weiter den Torgroschen blechen Diesen impertinenten, frechen Gamaschenknechten ? Verträgt sich das mit den Burschenrechten?
Alle, Nein! nein!
Offen sollen die Tore sein! Keinen Torgroschen mehr! Keinen Torgroschen mehr! Pereat die Meisen!
Der Renommist, Ich werde sie alle miteinander zerreißen, Ich ganz allein!
Die Füchse. In bellis resonat pum, fumJ Tara tantara ■pumpuml Er bringt sie alle alleine um. Huhu/
Der Renommist.
Himmel, Bombe und Kartaune! Jungens, bringt mich nicht in Laune/
V. Saling. Füchse in Ruh\' Laßt euer keckes Necken sein/ Schenkt lieber fleißiger ein/
Die Füchse. Beflissen wie die Bienen, Senioribus zu dienen.
Alle. Schenkt ein/ Schenkt ein/ Es muß zu hohen Werken, Den schwachen Leib zu stärken. Gar viel getrunken sein.
Der Renommist. Drum, Herr Bruder, du sollst leben/ A bonne amitie/
Laß dir noch ein frisch Glas geben, Sauf, daß jeder seV/
Alle. Weil wir hier beisammen sein, Ei, so laßt uns lustig sein/ ß
A bonne amitie Die Gläser in die Höh'! OVs Bier sei oder Wein, A bonne amitie/
V. Saling. A bonne amitie!
Und auf der werten Musen Gunst! Ein Vivat jeder freien Kunst, Die uns das Herze rührt Und in die Freude führt/
Alle. Ein Vivat jeder freien Kunst/
V. Saling. Drum bringen wir als rechte Musensöhne, Entzündlichen Gemüts für allesFreie, Schöne, Wohl auch ein Hoch aus vollem Herzen aus Dem, das uns allen wert ist, dem Komödien-haus/
Alle. Sadonc/ Sadonc/ Hoch das Komödienhaus/
V. Saling. Jedoch, ihr Herren, das Vivat gilt nicht viel: Aus ist's in Pleiß-Athen mit dem Komödien-spiel.
Die alten Studenten. Aus?
Die Füchse. Wie?
V. Saling. Aus ist's in Pleiß-Athen mit dem Komödien-sfiel.
Alle. Da schlage doch ein Wetter drein! Das soll nicht sein! Das darf nicht sein!
V. Saling. Wie ich euch sage: es ist aus. Geschlossen das Komödienhaus.
Alle. Nimmermehr! Nimmermehr!
V. Saling. Nach Dresden ziehfs auf Nimmerwieder-kehr.
(Von der Straße wildes Gelärm: Burschen heraus! Burschen heraus!)
Oehmichen. Horcht! Burschen heraus!
Alle. Was ist!" Was istP
V. Saling
(zum Fenster hinaus).
Komm einer herauf! Hier ist ein Hospiz.
Alle (durcheinander). Was ist geschehen? Was ist geschehen? 40
Ein Student (hereinstürzend). Burschen heraus.' Burschen heraus! Die Meisen haben uns überfallen! Zweie verwundet! Zehne gefangen! Wir machen sie frei! Wir machen sie frei!
Alle. Zur Stadtvogtei! Zur Stadtvogtei!
(Von unten wieder). Burschen heraus! Burschen heraus!
Die Studenten (legen die Mäntel an, tun die Degen um).
Oehmichen. Sadonc! Sadonc! Es sei! Es sei! Nieder die Antiburschici! Den Scharmanten unsere Liebe, Stadtsoldaten unsere Hiebe, Losungswort: Kramhamhuli!
Alle
wiederholen dies als Schlußchor und stürzen
dann ab.
ZWEITER AUEZUG
In Händeis Kuchengarten inReudnitz.
Ein fVirischaftsgarten mit einer großen geschorenen Wandellaube, die sich in einem Halbbogen links und rechts nach dem Hintergrunde zu zieht. Zwischen dieser Laube sind eine Anzahl weißgedeckter Kafeetische aufgestellt. Der Haupttisch in der Mitte wird von einigen Professoren eingenommen. Durch die Wandellaube bewegen sich, in der anmutig-koketten Tracht ihrer Zeit, verschiedene Gruppen von Bürgermädchen sowie Bürger, Studenten, Komödianten und Komödiantinnen usw. Der Kuchenbäcker Han del geht mit seinen Kellnerinnen servierend hin und her; auch eine Anzahl Kinder sind spielend auf der Bühne.
ERSTE SZENE
Eine Schar Jungen
(Degen aus Holz an der Seite, sich in der
Art von Studenten betragend).
Die Meisen, die so schüchtern sein. Geraten nicht in Rage; 4»
Allein^ allein,
Gibt Schreege ihnen Branntetoein,
So kriegen sie Kurage.
Haha, hoho!
Kuri, kuro J
So kriegen sie Kurage.
Ründa, ründa, ründa, ründa
Ründadinellula.
Ein Pedell (mit einem spanischen Rohre).
Wollt ihr wohl gleich stille sein?/ Stille, sag'' ich, stille/ Oder ich steck' alle ein/
Die Jungen.
Allein, allein.
Gibt Schreege ihnen Branntewein,
So kriegen sie Kurage.
Der Pedell. Stille, stille, stille, stille/ Infamichte Bagage/
Die Jungen.
Haha/ hoho/ Kuri/ kuro/ So kriegen sie Kurage. (Sie drehen lange Nasen und rennen in dem Wandelgang links fort. Der Pedell toütend hinter ihnen her.)
ZWEITE SZENE
Chor der Studenten.
Wie die Alten sungen,
Ründadinellula,
Zwitschern schon die Jungen,
Wer weiß, wie das geschah.
Kaum stand das Lied am schwarzen
Bret, Hat^s schon die ganze Stadt gekräht: Herr Schreege, Herr Schreege, Zieh ah, Schieb ab Im Hunde trab. Geh deiner Wege!
Der Pedell (aus der Wandellaube rechts hervorstürzend).
Ruhe, Ruhe, meine Herren!
Der hohe Senat
Hat laut Mandat
Verboten, dieses Lied zu plärren,
Wasmaßen und weil Herr Schreege
Gehört zum Magistrat.
Die Studenten (lachend),
Herr Schreege, Herr Schreege,
Zieh ab.
Schieb ab
Im Hundetrab,
Geh deiner Wege!
Die Fenster schmissen wir dir schon ein In Stube, Saal und Kammer, Du kriegst von deinem Branntezvein Den allerschönsten Jammer. Klirr, krach, pardauz, fardanz! Nicht eine Scheibe ist mehr ganz. Das kommt davon, Ist man Patron Der Meisenarroganz.
DRITTE SZENE
DerRektor,Schreege sen.u.Schreegejun. (kommen durch die Wandellaube rechts).
Der Pedell (seine Kollegen von hinten herwinkend).
Hierher zu mir.' Hierher zu mir! Zu Hilfe, zu Hilfe, zu Hilfe!
Die Studenten.
Alterchen, wo brennt's, wo brennt^sP Haha, haha, haha!
Der Pedell (während seine Kollegen mit ihm die Studenten zurückzudrängen sich bemühen).
Seine Magnifizenz
Und Hochwohlgeboren Herr Schreege sind da !
Die Studenten (ihre Hüte ziehend). Wir machen unsere Reverenz: (ironisch) O hä! 0 häJ
Denn nicht nur seine Magnifizenz., Nein, auch Herr Schreege sind da. Herr Schreege, Herr Schreege, Der große Wundermann, Der mit ein hißche?i Branntezvein Jus Meisen, die so schüchtern sein, Helden machen kann.
(Indem sie sich zurückziehen.) Die Meisen, die so schüchtern sein. Geraten nicht in Rage, Allein, allein.
Gibt Schreege ihnen Branntezvein^ So kriegen sie Kurage.
Der Rektor,Sehr eege sen.u. Schreege jun. (kommen nach vorn).
Schreege sen. Widerwärtig! Unerhört! Wie mich dieses Lied empört. Kann ich gar nicht sagen. Ich haFs satt, Die ganze Stadt Singt's seit dreien Tagen.
Der Rektor. Es ward verboten am schwarzen Brete, Es ward verboten durch Dekrete. 46
Schreege jun. Doch zu vertilgen ist's allein Durch Stadtsoldatenbajonette, Das schändliche Lied vom Branntewein.
Der Rektor. Herr Schreege, mußte es denn sein. Daß Ihr von diesem Feuernaß Spendetet ein ganzes Faß?
Schreege sen. Es mußte sein!
Der Geist der Ordnung hat's erfodert, Daß Heldenmut ist aufgelodert Zum Kampfe gegen Rebellion. Wie aber sollte Heldenmut sich regen In Seelen, die der Vorsicht pflegenP Dem Menschenkenner ist es klar. Daß hier durchaus vonnöten war Die allergrößte Portion. Nicht wahr, mein Sohn?
Schreege jun. Das ist so unbezweifelbar. Mein Herr Rektor, Das ist so mond- und sonnenklar. Mein Herr Rektor, Wie meine Liebe, die ich schwor, Mein Herr Rektor, Hochdero holdem Töchterlein.
Der Rektor. Sie soll, beim Xeus, die Eure sein Als Preis des Siegers nach dem Kampfe.
Schreege jun.
Aus Schwertgeklirr und Pulverdampfe,
Beim Gott der Schlachten schwör'' icVs hiety
HoV ich der Damen schönste mir
Als Braut und holde Beute ein.
Auf mein Gefühl
Wirkt dieses Ziel
Viel stärker noch als Branntewein.
(Militärisch salutierend.) Mich ruft der Dienst, mich ruft die Pflicht^ Mich ruft der Ordnung Sache. Erleuchtet von der Liebe Licht, So eiP ich auf die Wache. (Ab.)
Schreege sen. (nachrufend). Vergiß mir auch den Branntwein nicht!
Der Rektor und Schreege sen.
(begeben sich zum Professorentisch, wo sich
alles zu ihrer Begrüßung erhebt; sie lassen
sich dort nieder).
VIERTE SZENE
Schneidermeister Ellebein und eine
Schar Bürger (treten aus dem Wandelgang links heraus auf die Szene, lebhaft gestikulierend und sich unterhaltend, wobei offenbar der Schneidermeister das Hauptwort führt). 48
Schneidermeister Ellebein (wie alle übrigen Bürger stark sächselnd). Natürlich, Herr Schreege, der hat gut reden. Der hat die Studenten ja nicht mehr von-
neeten. Weil er sei Schäfchen im trockenen hat. Der feijt auf die Bürger und feift auf
die Stadt. Aber was mir sein, uns tufs weh, Und am kitzligsten Fleckchen: im Port-
monnaie. Hab' ich recht, na, he?
Ein Bürger. I nu ja, nee nee.
Die Übrigen. I nu ja, nee nee.
Ellebein. Ich hin heite am schwarzen Brete gewesen. Da haV ich eich schaurige Sachen gelesen:
(leise) Sie wollen nach Halle und 'Jene reesen. Das heißt: die Universität aujleesen, — Und mir, meine Herren, mir zahlen die
Spesen. (Sehr jämmerlich.) Meine scheenen Rechnungen alle: hadjeh!
Ein Bürger. Ei, ei, ei, ei, herrjemerschnee!
Die Übrigen. Herrjemerschnee, herrjemerschnee I
Ellebein. Na, trink mer noch e Schälchen Heeßen! Das einzige, was noch treesten kann Bei diesen Xeiten, diesen beesen, Den schwergefriejten Handwerksmann, Is ganz alleene der Gaffee.
Die Übrigen. Ja, trink mer noch e Schälchen Heeßen! Das einz'ge, was noch treesten kann Bei diesen T^eiten, diesen beesen, Den schwergefriejten Handwerksmann, Is ganz alleene der Ga^ee.
Ein Teil von ihnen. I nu ja, nee nee.
Ein anderer Teil. Ei herrjenturSchnee!
(Gehen nach hinten und nehmen an einem Tische links Platz.)
FÜNFTE SZENE
Nachdem die Bürger abgetreten sind, kommen von rechts zwei Bürgermädchen, yeanette und Charlotte, spazierend herbei, wahrend von links in eiligem Lauf Jettchen auftritt.
J ettchen. Ach Jeanettchcn! Ach Jeanettchen! 50
J eanette. Was denn, was denn, was denn^ Jettchen?
Jettchen. Ach Charlottchen! Ach Charlottchen!
Charlotte. Was denn, was denn, du mei Gottchen!
Jeanette und Charlotte. Warum denn so echauffiert F
J ettchen. Wie, ihr wißt nicht, was fassiert? Die Studenten, die Studenten . . .
Charlotte. Was denn . . .
J eanette. Was denn . . .
J ettchen. Die Studenten Werden alle relegiert.
J eanette.
Werden? . . . Alle?
Charlotte.
J ettchen. Relegiert!
Charlotte. Ach mein Wilhelm, ach Herrgottchen! 4* 51
J ettchen. Ja, dein Wilhelm auch. Charlottchen.
Jeanette. Wie, mein Emil soll von mir?
J ettchen. Alle müssen fort von hier. Alle, alle, alle, alle, Teils nach Jena, teils nach Halle, — Alle werden relegiert.
Charlotte und Jeanette. Jettchen, ich bitte dich, sfaße nicht so!
J ettchen. Spaßen? Ich danke schön. Spaßen, oho! Mir ist's zum Weinen und nicht zum
Scherzen, Denn es beginnen die Tage der Schmerzen Allen Scharmanten mit liebenden Herzen. Grausame Tücke, Bosheit im Blicke,
Schleudert den schrecklichen, tödlichen Blitz; Alle die Lieben Werden vertrieben:
Wilhelm und Emil, Max, Karl, Otto, FritZy Thomas und Theodor, Ignaz und Isidor, Peter und Paul, Kuno und Kilian, Kaspar und Kajetan, David und Saul, 52
Anton und Adalbert,
Konrad und Kunibert,
Klemens und Klaus,
Dietrich und Theobald,
Viktor und Willibald,
Alle, ach alle, müssen hinaus!
Bloß die Professoren bleiben ... 0 Graus !
Martin und Michael,
Heinz, und Emanuel,
Alex und Augustin,
Finzenz und Cölestin,
Richard und Hugo, Hermann und Franz,
Wenzel und Blasius,
Kurt, Anastasius,
Ludwig und Julius,
Emmerich, Ferdinand, Georg und Hans,
Noch einen Abschiedskuß! —
Wehe, ach Weh!
Wolfgang und Felix und Rudolf, ade!
Alle ade!
(Es haben sich nach und nach noch viele andere Mädchen herbeigefunden, die mit steigender Erregung Jettchen angehört haben.)
SECHSTE SZENE
Chor der Scharmanten. Alle ade? Gott, 0 Gott, nee, Das gibst du nicht zu.
Wenn die Studenten Aus Leipzig verschzvänden^ Was wäre denn nuF Dann reisen wir alle Nach Jene und Halle!
Jettchen (gemacht gleichgültig). Ach, man bleibt ja nicht allein. Denn auch unter Kaufmanns dienern SolVn galante Herren sein.
Charlotte. Fi donc, fif Ein Kommis?.' Bald bin ich dem Theologen, Wenn er geistlich küßt, gewogen, Bald gefällt mir der Jurist, Bald gelingt^s dem Mediziner, Aber keinem Kaufmannsdiener, Wenn er noch so artig ist.
Chor der Scharmanten. Wenn er noch so artig ist.
Jettchen. So ist's recht. — Ich tat bloß so. Denn die Herzen der Scharmanten, Schlagen — trotz Pastor und Tanten Nur dem Bruder Studio. Darum, Schwestern, auf zur Tat! Zeigen wir den Professoren:
Noch ist Leipzig nicht verloren, Weil es seine Mädchen hat. Mögen sie nur dekretieren, Dimittieren, relegieren — Aber wir woWn konspirieren, Bis das Blättchen sich gedreht, Nicht mehr sticken, stricken, nähen. Nicht mehr hinterm Ladentisch stehen — Prosit, hohe Fakultät!
(Sie hat das letztere schon zum Pro-fessorentisch hingewandt gesungen. Jlle drehen sich ebenfalls dorthin um und wiederholen vom Vers „Mögen sie nur dekretieren^^ bis zum Worte „Fakultät^'' direkt ins Gesicht der Professoren, denen sie dazu lange Nasen drehen.)
SIEBENTE SZENE
(Ein Tisch rechts ist mittlerweile von Studenten besetzt worden, darunter alle die im ersten Aufzug aufgetretenen.)
Die Studenten.
Es leben die Scharmanten,
Die Grazienverwandten,
Die kühn auf unserer Seite stehn.
Die Bürger.
Da stehn sie nicht alleine. Wir ziehen auch nicht Leine, Mag^s drüber oder drunter gehn.
Bürger, Studenten und Mädchen.
Noch ist Leipzig nicht verloren.
Mögen alle Professoren
Auch auf ihren Köpfen stehen.
Hahaha, hahaha,
Vivat academia!
Der Rektor.
Hat sich alles denn verschworen,
Ist denn alles außer Rand und Band?
Zucht und Sitte, sind sie denn verloren,
Fürchtet niemand mehr der Ordnung Hand?
Wohl, so muß sie niederfallen
Furchtbar als der Strafe Faust,
Strafe künd' ich, Strafe allen/
In der Ordnung heiligen Hallen
Hat noch nie
Anarchie
Ungestraft gehaust.
Die Studenten (leise). Losungswort: Krambambulil
Oehmichen.
Wir sind Studenten und keine Knaben Und wollen Genugtuung, Herr Rektor, haben! Die akademische Freiheit ist verletzt Von denen, die der Herr da (auf Schreege sen.
zeigend) auf uns hetzt. Und sein ditto hochnäsiger Sohn. 56
Die Studenten. Satisfaktion, Satisfaktion! Der junge Schreege wird abgesetzt!
Der Rektor (auf Oehmichen weisend). Des Herren Gründe kenn' ich schon. Ihm winkt die Relegation. Und jedem, der So keck wie er Schürt und eifert, wühlt und hetzt,
V. Saling. Aber wer Hin und her
Horcht und lauert, lügt und fetzt: Der, ja der Kriegt zum Lohn Eine Ehrendotation.
Die Studenten. Hahaha, hahaha!
V. Saling. Und der Meisengeneral . . .
Die Studenten. Hahaha, hahaha!
V. Saling. Der kriegt im Senatorensaal Aus Marmorstein Und Elfenbein Ein Ehrenmal.
Die Studenten. Hahaha, hahaha!
V. Saling. Das hat als Dekoration Und schönstes Ornamente Unten am Postamente Ein Schreegejaß voll Branntewein.
Die Übrigen.
Ein Schreege-, ein Schreege-, ein Schreegejaß
voll Branntewein.
Der Rektor (macht verzweifelte Anstrengungen, zum Worte zu kommen; ebenso gestikulieren die übrigen Professoren heftig. Schließlich verlassen sie zornig und unter andauerndem Getümmel die Szene).
Die Studenten. Herr Schreege, Herr Schreege, Zieh ab. Schieb ab Im Hundetrab Geh deiner Wegel
Oehmichen.
Das Feld ist leer, wir sind allein. Kinder, laßt uns lustig sein! Fließt auch hier Nicht Wein noch Bier Und fehlt's an Musikanten, Sß
So sind doch freundlich gegenwärtig Und zum Tanze willig, fertig Unsre reizenden Scharmanten, Und zum Tanze singen wir.
Die Mädchen.
Das ist lustig, das ist nett!
Stellt euch auf zum Menuett!
(Alles formiert sich zu Tanzfiguren.
Darunter auch Amalie und Sophie, die aus
der Laube links heimlich heraustreten,
nachdem die Professoren abgegangen sind.)
Menuett
(in Abteilungen teils im Chor, teils solo
gesungen).
Ach, wie wird mir wohl und weh, Süße Dame, süße Dame, Wenn ich Ihre Augen seh\ Die der reine Thunder sind. Und den Busen, weiß zvie Schnee.
Und die kleinen Füße — oh! Süße Dame, süße Dame, Seh' ich sie, so wird mir so — Ach, ich weiß nicht, wie mir wird: Halb und halb, halb bang, halb froh.
Und die Wädchen und das Knie, Süße Dame, süße Dame, Hände, Locken, Lippen . . . nie Sah ich, was mich so entzückt —, Ach mein Gott: ich liebe Sie!
Was so um Sie fliegt und weht, Süße Dame, süße Dame, Tanzt und auf und nieder geht: Spitzen, Schleifen, Seide, Samt, Ach, es macht mich ganz verdreht.
Dürft' ich nur der Höschen Rand, Süße Dame, süße Dame, Küssen und das Sammetband Streicheln über Ihrem Knie, Selig wäre Mund und Hand.
Oder sind Sie grausam? Nein! Süße Dame, süße Dame! Schönheit kann nicht grausam sein, Wenn sie Liebe leiden sieht: Phillis läßt den Schäfer ein.
(Im Verlaufe des Tanzes hat es zu dämmern begonnen. Schon während der letzten Figur ist der Marsch der heranziehenden Meisen von weitem hörbar geworden. Genau, wie das Menuett zu Ende ist und vor jedem Mädchen, das sich zum Kusse über ihn beugt, ein Student kniet — V. Saling vor Sophie, Oehmichen vor Amalie — erscheint die Meisenwache (ofenbar angetrunken) von rechts auf der Szene, Schreege jun. an der Spitze. Die Wache marschiert mit Musik vorn über die Bühne. Wie die Musik der Meisen an der linken Kulisse angelangt ist,befindetsichSchreegefun., 60
der mit lächerlichem Leutnantsstolze marschiert ist, gerade in einer Linie mit dem Paare Oemichen — Amalie. Wie er diese erblickt, gibt es ihm einen Ruck.)
ACHTE SZENE
Schreege jun. Bataillon — halt!
(Die Musik bricht mitten in einer Passage ab; nur ein Flötist bläst einen lächerlichen Lauf weiter.)
Schreege jun. (wütend). Aus.' Aus! Aus!
Der Feldwebel der Stadtsoldaten:.
Herr Hauptmann, mit Verlaub, Unser Fleetiste ist taub.
(Rennt zum Flötisten und nimmt ihm die Flöte vom Mund.) Hör auf mit dem Gequieke, Aus ist jetzt die Musike.
Studenten, Bürger und Mädchen. (Schreege jun. nachahmend.) Aus! Aus! Aus! (Alle stehen in spannungsvoller Erwartung.)
Schreege jun. (erregt). Ich fordere Sie alle auf: Nach Haus!
Der jensche Renommist.
In bellis resonat pum, fumf Der Herr hat das Delirium.
Die Studenten (in zwei Chöre geteilt).
Er trank, es kann tiicht anders sein.
Vom väterlichen Branntezvein.
Der braust ihm nun im. Schädel rum
Hin-um, her-um
Rings-um, scheib-um,
Und drum
Hat er nun das Delirium.
Deli-rium.
Oehmichen. Silentium!
(Zu Schreege jun.) Mein Herr General, Es macht mir Qual, Doch muß ich konstatieren: Sie haben uns, Herr Peter Duns, Gar nichts zu kommandieren.
Schreege jun. (wütend).
Wir sprechen uns an anderm Ort!
(Zu Amalie.) Mein Fräulein, Sie geleit^ ich fort, Errette Sie aus dieser Horde Mit militärisches Eskorte. 62
Amalie. Ich danke sehr, Herr Kapitän, Ich kann allein nach Hause gehn.
Schreege jun. Sie wollen meinen Schutz verschmähnP
Amalie. (schmiegt sich an Oehmichen).
Oehmichen. Sie sehn: Sie zvill in meinem Schutze stehn!
Schreege jun. Mein Fräulein, ich bitte, bei meinem Portefee, Schonen Sie, Teure, Ihr Renommee. Dieser Geselle Wird relegiert Und auf der Stelle Von mir arretiert.
Amalie. In diesem Falle Kann es geschehn, Daß wir alle Mit Ihnen gehn.
Gern laß ich von Ihnen mich eskortieren. Wenn meinen Bräutigam Sie arretieren.
Oehmichen (lustig). Ich bitte sehr, Herr Kapitän, Meine Braut mit mir zu kompromittieren.
Schreege jun. Hölle und Teufel! Das Blatt soll sich drehn!
(Kommandierend.) Bataillon — Marsch!
Oehmichen. Herr Kapitän, Auf Wie der sehn!
Alle. Herr Kapitän, Auf Wie der sehn!
Die Stadtsoldaten (abmarschierend, angetrunken lachend). Nach Hause, meine Herren! Nach Hause, meine Herren! Wir tun jetzt alleweile Die Tore sperren.
Und wer jetzt nicht nach Hause geht. Der kommt dann ganz gewiß zu spät Und muß drei Groschen zahlen.
Die Studenten. (mit den Mädchen und Bürgern hinter ihnen
herziehend). Wir wollen euch was malen, "Ja malen!
(Es ist mittlerweile ziemlich dunkel geworden. Während noch von weitem der Meisenmarsch verklingt, haben die Kellnerinnen die Tischdecken usw. von den Tischen genommen und weggetragen. Dann treten aus dem Wandelgange links Oehmi-64
chen und Amalie heraus, eine Weile später von rechts Sophie und v. Saling.)
Amalie. Mein Teurer, ach, wir werden^s büßen müssen.
Oehmichen. Mit lauter heißen Küssen Und sonst mit nichts, mein süßes Kind.
A malie. Der Vater, ach, wird unversöhnlich sein.
Oehmichen. Hab keine Angst, du wirst am guten Ende mein.
Sophie. Welch ein Spaß, das ist famos! War' ich ein Studente bloß, Daß ich mitspektakeln könnte/ Ach, war' ich doch ein Studente!
V. Saling. Liebes Kind! Da war' am Ende Schließlich doch der Jammer groß, Denn heute geht der Teufel los, Der in Blute wäscht die Hände.
Sophie (mit gespieltem Schrecken). Halt mich, Franz, ach mir wird schwach! Blutige Hände, ach, ach, ach! Laß mich gleich zu Bette gehn. Denn ich kann kein Blut nicht sehn.
V. Saling.
Auf der Straße in der Nacht Wütet heut die Männerschlacht!
Sophie.
Doch die Mädchen, sachte, sacht Werden erst ins Bett gebracht.
V. Saling. Schar je Meisenbajonette J
Sophie. Nein! Nein! Nein! Ich geh^ zu Bette,
V. Saling. Blanker Degen Hieb und Stoß!
Sophie. War'' ich schon zu Bette bloß!
Amalie. Könnt' ich dich schützen, wie möcht^ ich^s so gerne!
Oehmichen. Schutz bist und Trost du mir auch aus der Ferne.
Amalie. Möchte so gerne dir nahe mich halten, Wehren den bösen und rauhen Gewalten Als dein Genosse in Not und Gefahr. t6
Oehmichen. Bist mir im Herzen ja immer zu Hause, Mitten in Kampfesgelärm und Gebrause BleiF ich der holdesten Hilfe gewahr.
Sophie. Du meinst im Ernst, ich soll nach Hause
gehn Und hinter dichten Fensterläden stehn, Vielleicht in süßer Angst das Spinnerädchen
drehn. Indessen unten vor der Türe Man dir zerzaust die Coi^ure? Nein, nein, mein heldenmütiger Franz: Gehst du zu Balle, hin ich mit heim Tanz.
V. Saling. Ich bin entzückt: mein Mädchen hat Courage! Indes: bei so gefährlicher Avantage Sind seidne Unterröckchen nicht am rechten Ort.
Sophie. Die tu* ich ab und leg^ ich fort. Ist es denn wahr: Die Hose macht den
Mann — Ei nun, mein Franz, so zieV ich Hosen an Und häng^ mir an die Seite Als klirrendes Geschmeide Den Degen. Aus der Scheide Zieh ich ihn tapfer dann,
Wenn ich mit seinem Hiebe Der Auswahl meiner Liebe Hilfe erweisen kann.
V. Saling.
Bei allen Helden Griechenlands, Bei allen Lorbeern, allen Rosen: Dies Wort ist wie ein Siegeskranz.: Sophie kommt in Hosen Zum blufgen Männertanz.
(Zu Oehmichen.) Hans! Hans! Hans! Hans! Sieh hier, den ich erwähle. Den Leibfuchs meiner Seele: Sophie kommt in Hosen Heuf nacht zum Meisentanz.
Sophie (ihm den Degen aus der Scheide ziehend)
Gib deinen Degen! Gib!
(Mit graziösen Fechterbezoegungen.) Hieb und Stich! Stich und Hieb! Ei, ich will die Meisen jagen! Hast du deinen Leibfuchs lieb, Will er sich für dich auch schlagen^ Und bei jedem Hieb und Stich Ma foi! denkt er an dich.
V. Saling. Schon manchen Leihfuchs sah ich. Doch keinen so wie den. 68
Oehmichen. Dies Faktum, das bejah^ ich.
Afualie. Du sollst ein zweites sehn: Denn wie Sophie in Hosen, Kann ich in Hosen gehnl (Ihm den Degen aus der Scheide ziehend.) Gib mir deinen Degen, gib/ Hieb und Stich, Stich und Hieb Will auch ich wohl wagen. Hat mich auch mein Leibbursch lieb?
Oehmichen. Mdlchen/ Malchen.'
Amalie. Stiih und Hieb! Hieb und Stich! Und bei jedem Stich und Hiebe Denke ich an unsere Liebe, Denkt dein Leibfuchs nur an dich.
Oehmichen und v. Saling. Leibjuchs, Leibfuchs!
Amalie und Sophie. Leibbursch! Leibbursch!
Alle vier. Und bei jedem Stich und Hiebe Denken wir an unsere Liehe
D,nkt dein | [^^^^^^^[j^ ] nur an dich.
Aber den Meisen, aber den Meisen, Aber den Meisen geht's fürchterlich.
Oehmichen und v. Saling. Denn wir schwören ...
Amalie und Sophie. Denn wir schwören . ..
Alle vier.
Schwören heim hohen Cerevis, Mond und Sterne sollen es hören:
Eh' ich meinen l j .J, , > ließ.
Laß ich mich in Stücke reißen! Rache, Rache allen Meisen, Allen Antiburschicis!
Vorhang.
DRITTER AUFZUG
In Hohmanns Hof Die Szene hat den beigegebenen Grundriß
Der Laden des Antiquars Wopf
§•0 2 "
Sie stellt den langen Hof eines der großen Leipziger Durchhäuser vor, der als Durchgang dem öffentlichen Verkehre freisteht. Den Hintergrund bildet die eine Hoffront
dieses Hauses; links und rechts sind die überwölbten Durchgänge zu den Straßen zu denken. Im Erdgeschoß hinten links ein Buchantiquariat; davor ein Tisch mit aufgestellten Büchern; rechts eine Gosenstube; davor Tische und Stühle. Im Einbau der Mitte befindet sich in der Höhe des ersten Stockes links und rechts je ein Balkon. Links wohnt derRektor^rechtsHerrSchreege. In der Mitte des Ganzen ein großes Haustor. Im übrigen große Fensterfluchten bis hoch hinauf. Einige der Fenster sind schon erleuchtet, hinter anderen werden während des Aktes die Lamfen angezündet. Ein faar Öllaternen geben ein sfärliches Licht. Es ist gegen g Uhr abends. An den Tischen vor der Gosenschenke sitzen Bürger, darunter Ellebein, und trinken. Der Antiquar Woff ist beschäftigt, den Büchertisch zu leeren. Vor dem Haustor patrouillieren Pedelle. Zuweilen überschreiten Bürger, Mädchen, Stutzer usw. die Bühne.
Der Pedell (zu Woff vortretend).
Noch so spät beim Büchersortieren? Das Geschäft scheint zu florieren,
Wopf. Hd'm Se die Giete, mich nicht zu vexieren! TreVm Se, mit wem Se woWn, Ihren Spott! Ich für mei Teil, ich mache Bankrott. 72
Der Pedell Ah er, Herr Woff, ein Mann wie Sie! . . .
Woff.
Kaufen doch Sie die ganze Philosofhie Und Theologie Und Zoologie Und Philologie
Und Mathematik und Mediziji Und Jurisprudenz,.' Seit heute früh Muß ich bloß immer den Beitel ziehn. Die Herren Studenten sind wie besessen. Ich glaube, sie denken, ich kann Bücher fressen.
Cicero, Livius, Xenophon, Tacitus, Sophokles, Aschylus, Alles auf -es und -us Schleppen sie her.
Ich habe keinen Platz, keinen Platz haV
ich mehr! Was irgendwo und irgendwann Irgend ein gelehrter Mann feiler Müh und Fleiße schrieb, Schleppen sie heran. Und es heißt nur immer: gib. Gib, gib, gib nur, gib! Mein Laden ist voll, mein Beitel ist leer. Und ihr seid schiild daran.
Wieso?
Der Pedell. Wopf.
Na ja!
Wenn ihr alle Studenten dimittiert,
Exkludiert,
Konsüiiert^
Relegiert,
Abschubiert,
Wer bleibt denn dann übrig, daß er studiert?
Ah!
Ich seVs vor mir,
Bald sitz' ich hier.
Ach, wehe mir.
Alleine,
Ich unglückseliges tragisches Wurm,
Und weine, ja weine
Auf einem riesigen Bücherturm
Und starre in meines Beitels Leere
Wie in ein tiefes, tiefes Grab,
Der ich von Büchern zwar eine schwere
Menge, doch keine Käufer hab^ —
Mi — miserere, miserere!
(Währenddessen sind vom Tische rechts die Bürger herübergekommen.)
Die Bürger. Herr Wopf hat recht, wie immer. Schlimm ist's und wird noch schlimmer. Und das warum P Weil der Senat Hartschädlig ist und obstinat! 74
Der Pedell.
Es weiß ein jeder Mann, Herr IVopf,
Sie sind ein kluger und gelehrter Kopf,
In dem es durch Erfahrung helle;
Auch sind Sie ein redlicher Bürgersmann,
Auf den die Obrigkeit zählen kann,
Und kein Rehelle.
Drum isfs nicht recht von Ihnen,
Mit desperaten Mienen
Der Rebellion zu dienen
Durch mangelnde Zuversicht
In die Weisheit der Professoren,
Die noch nie den Blick verloren
Für das, was recht und nicht.
Die Bürger.
Es scheint, der Herr Pedelle Ist nicht vollkommen helle. Man ist noch kein Rebelle, AI acht man ein sauer Gesicht, 7.U dem, was jetzt geschieht.
Der Pedell.
Erbostes Räsonnieren Ziemt braven Bürgern nicht, Vertrauen und parieren Ist oberste Bürgerpflicht.
Ellebein. Jowohl, und Geld verlieren!
Wofj. Und schließlich bankrottieren!
Die Bürger. Das wollen wir nicht! Das wollen wirnicht! Wir halten''s mit den Studenten.
Der Pedell. Notwendig ist es, daß die Herde Von räudigen Schafen gesäubert werde! Das hohe Universitätsgericht Gilt nur den schlechten Elementen.
(Er hat dies kaum %n Ende singen können, weil die Bürger ihm zornig vor dem Munde herumfuchteln, indem sie ihn schließlich zu den übrigen Pedellen hindrängen.)
Die Bürger. Herrje, wie klug der spricht! Seht doch das Schafsgesicht! Was andres weiß er nicht: Bezahlen und parieren ist oberste Bürgerpflicht. (Sie gehen wieder zu ihren Gosentischen und trinken.)
Wo Pf (indem er Buch um Buch in seinen Laden
trägt). Cicero, Livius, Xenophon, Tacitus, Sophokles, Aeschylus, Alles auf -es und -us 76
Schleppen sie her.
Ich habe keinen Platz, keinen Platz, hab' ich mehr. (Man hört aus der Entfernung das Gaudeamus. Mehrere Fenster werden erleuchtet. Im Verlaufe des Folgenden erscheinen, zum Teil schon im Nachtgewande, Gestalten an den Fenstern. Schließlich, wenn sich unten die Szene gefüllt hat, sind alle Fenster besetzt.)
Eine Schar Jungen
(in Reih und Glied, mit Bewegungen^ als
trommelten sie).
Es kommen die Studenten, Bidiwumm, bidiwumm, bidiwumm! Mit Fackeln in den Händen, Bidiwumm, bidiwumm, bidiwumm! Von Lichtern eine Kette, Bidiwumm, bidiwumm, bidiwumm! Heut gehn wir nicht zu Bette, Bidiwumm, bidiwumm, bidiwumm!
(Sie marschieren ganz nach rechts und drängen sich dort am Ausgange zusammen. Einige werden von Frauen an den Ohren genommen und weggezogen.)
Bürgermädchen.
Wenn die Funken von den Fackeln stieben, Sind Studenten doppelt zum Verlieben, Denn es läßt sich doppelt schön und kühn,
TVenn im Glanz von ungezählten Lichtern In herusten Heldenangesichtern Feurig wilde Liebesaugen glühn.
(Sie gehen gleichfalls bis nach rechts und stellen sich dort auf, den herannahenden Studenten zuwinkend. Diese kommen, Oeh-michen, Amalie, Saling und Sophie in einer Reihe voran, mit Fackeln hereingezogen, die letzte Strophe des Gaudeamus singend.)
Pereat tristitia, pereant osores, Pereat diabolus, quivis antiburschius, Atque irrisores!
(Beim Schluß des Liedes werfen sie in dem freien Raum vor dem Einbau in der Mitte die Fackeln zusammen, die von den wütenden Pedellen sogleich ausgetreten werden. Dann verteilt sich die Menge der Studenten links und rechts so, daß der Mittelraum, wo sich Saling, Oehmichen, Sophie und Amalie — diese beiden in Studententracht — aufstellen, frei bleibt.)
V. Saling (zu den Pedellen)»
Wir entbieten Seiner Magnifizenz
Alle schuldige Reverenz
Und lassen sie bitten, uns ihr Ohr zu leihn.
Der Pedell. Das kann nicht sein. 78
r. Saling. Warum ?
Der Pedell. Seine Magnifizenz halten ein Konsilium Mit den Herren Dekanen.
Der jensche Renommist. Teufel! Das sind jaule Fische! Der Herr Rektor sitzt zu Tische Bei Rotwein und Fasanen.
Die Studenten. Qa donc! Qa donc! Qa donc! Bei Rotwein und Fasanen.
Der Renommist (zum Pedell). Bei meinem alten Hieher, Bei meinem alten Flaus, Ich bitte sehr, mein Liebery Ruft ihn heraus!
Die Studenten. Heraus! Heraus! Heraus!
Der Pedell. Ich sagte es schon: es kann nicht sein.
Der Renommist. Teufel, Hölle und Branntewein, So schmeißen wir ihm die Fenster ein! Leibfuchs, reich mir einen Stein!
Ein Fuchs (an Wopfs Büchertische). Darfs auch ein Band Pandekten sein?
Der Renommist (nimmt das Buch, um es zu schleudern).
Oehmichen.
Nicht doch! halt ein!
Der Renommist. Welche Wonne! Die Pandekten, Die mich oft verteufelt neckten. Werden nun von meiner Hand Endlich richtig angewandt. Eins, zwei, drei, Fenster entzwei!
(Will werfen; andere Studenten nehmen gleichfalls trotz Wopfs verzweifelter Gegenwehr dicke Bücher zur Hand.)
Oehmichen (hält ihn fest). Des Herren Rektors Fensterscheiben Laßt intakt und heile bleiben; Wollt ihr durchaus schmeißen, schmeißt Dort hinein
(auf Schreeges Fenster weisend) Dort wohnt ein Biedermann, der Schreege heißt.
Die Studenten. Qa donc! Qa donc! So soll es sein. Schmeißt dem Schreege die Fenster ein! 80
Der Renommist. Halt! Laßt mich der erste sein! Herr Schreege, mit hochdero Permittenz, Ein ergebener Gruß der Juris-prudenz! (Er wirft.)
Ein anderer Student. Mit einem Bande Livii Grüßt Dominum Schreege die Philologie. (Wirft.)
Ein dritter. Auch die Medizin will zurück nicht stehn: Achtung.' Es kommt ein Band Galen. (Wirft.)
Andre Studenten
(indem sie gleichfalls werfen, so daß ein
Geklirre von Fensterscheiben entsteht).
Alle Fakultäten Sind allhier vertreten. Pardauz! Pardauz! Pardauz! Herr Schreege! Herr Schreege! Wie schmecken die Pasteten?
Wopf. O Gott, 0 Gott, 0 Gott, Jetzt bin ich schon bankrott. (Die Balkontür beim Rektor wird geöffnet.)
Oehmichen. Schluß! Schluß! Schluß! Es kommt der Herr Magnificus!
Die Stude7iten. Silentium! Silentium! Für den Herrn Magnificum!
Der Rektor
(tritt mit einer Anzahl Professoren, sowie Schreege sen. auf den Balkon. Er hat einen roten Kopf vor Zorn und ist äußerst erregt). Quos ego! sag' ich, und noch einmal: Ouos ego! Welch ein Skandal! Kraft meiner Würde und Autorität Gebiet' ich im Namen der Universität, Daß jeder sofort nach Hause geht Citissime!
Die Professoren und Pedelle. Citissime!
Die Studenten (fortissimo und ganz kurz). Nee!
V. Saling. Wir bitten devotissime. Uns allerhuldvollst anzuhören, Denn wir haben uns zu beschweren Und werden nicht eher nach Hause gehn. Als bis uns Satisfaktion geschehn.
Der Rektor. Verruchter Hohn! Satisfaktion
Wird man von euch zu nehmen wissen. Die aller Ordnung Band zerrissen. 82
Schreege sen. Und mir die Fenster eingeschmissen.
V. Saling. Man wird uns dennoch hören müssen, Ansonsten diese gute Stadt Ihre Studenten gesehen hat. Verwehrt man uns modum satisfactionis, Den wir mit aller Ksverenz Vorschlagen Eurer Magnifizenz, Wählen wir modum secessionis Und ziehen aus in corfore.
Die Studenten. Leipzig ade! Leipzig ade!
Die Mädchen. Gott, 0 Gott, nee! Gott, o Gott, nee!
Die Bürger. Herrjemerschnee! Herrjemerschnee!
Alle. Nein, nein, nein. Das darf ja doch nicht sein. Das darf ja doch, das darf ja doch, Das darf ja doch nicht sein!
Der Rektor (bestürzt und in Angst geratend). Obwohl und obgleich und obzwar Es ein Novum ist ganz und gar. Mit Leuten, die rebellieren, Auctoritate zu parlamentieren,
Leiht euch der Universität Rektor Hier sein Ohr.
Schreege sen. Das kommt mir ganz unpassend vor.
Oehmichen. Punctum primum: Die Stadtsoldatenf
Die Bürger. Punctum primum/ Punctum primum/
Die Studenten. Punctum primum/ Silentium/
Oehmichen. Leipzigs die schöne Stadt, berühmt Durch Wissenschaft und Handel, Galanten Lebenswandel Und alles, waf sich ziemt, Leipzig, die Perle von Sachsen, Wo die schönsten Mädchen zvachsen, Ein Garten, hold durchblümt, Leipzig, mit einem Worte, Der schönste aller Orte, Wo man die Weisheit pflegt Und alles Schöne hegt. Hat leider einen Schaden, Den es mit Unmut trägt: Das sind die Stadtsoldaten.
Die Studenten. Ventre bleu/ Pardieu/ 84
Das sind die Stadtsoldaten, Die es mit Unmut trägt. Fort damit! Fort damit! Fort mit Schaden!
Oehmichen.
Drum haben wir geschworen, Sie sollen nicht an den Toren Uns weiter molestieren, Es soll auf das Spazieren Nicht eine Steuer stehn, Wir wollen ungeschoren Aufs Land spazieren gehn.
Die Studenten.
Wir wollen ungeschoren Aufs Land spazieren gehn. Torgroschen weg! Torgroschen ab! Wir bringen die Meisen auf den Trab!
Amalie. Und Herr Schreege junior, Der Meisen würdiger Kapitän, Soll auf dem hölzernen Pferde reiten Draußen vor dem Tor, Ein abschreckendes Beispiel für alle Zeiten!
Die Studenten. Qa donc! Qa donc! Das soll geschehn! Auf dem hölzernen Pferde soll er reiten! Hussa, galopp, wir wollen ihn reiten sehn Für seine Niederträchtigkeiten!
S5
Oehtnichen. Dies, Herr Rektor, ad quod die Meisen! Wollt ihr uns Satisfaktion verheißen P
Die Studenten. Satisfaktion/ Satisfaktion/
Der Rektor. Die Stadtsoldaten, als Institution Der magistratlichen Autorität, Unterstehn nicht der Universität, Doch soll ad quod eine Petition Eingereicht werden. Was ist die zweite der Beschwerden P
V. Saling. Punctum secundum: Das Komödienhaus/
Die Bürger. Punctum secundum/ Punctum secundum/
Die Studenten. Punctum secundum/ Silentium/
V. Saling. Die Wissenschaft ist eine schöne Dame, Und wir verehren sie, Sei Medizin, Jurisprudenz ihr Name, Philosophie, Theologie. An jedem Tage sieht zu ihren Füßen Man der Studenten ausgedehnten Kreis Sie mitErgehenheit und voller Andacht grüßen. Gebückt in Fleiß. 86
Es rascheln die Papiere, Die flinke Feder kreischt; Studiere, studiere! Die Ehrbegierde heischt.
Die Studenten. Es rascheln die Papiere, Die flinke Feder kreischt; Studiere! Studiere! Die Ehrhegierde heischt.
Die Bürger. Denn die Wissenschaft ist eine schöne Dame^ Und sie verehren sie. Sei Medizin, Jurisprudenz ihr Name, Philosophie, Theologie!
Die Mädchen. An jedem Tage sieht zu ihren Füßen Man der Studenten ausgedehnten Kreis Sie mitErgebenheit und vollerAndacht grüßen^ Gebückt in Fleiß. Ja!
Studenten, Bürger und Mädchen. Es rascheln die Papiere, Die flinke Feder kreischt. Studiere! Studiere! Die Ehrbegierde heischt.
Der Rektor.
Dagegen ist durchaus nichts einzuwenden^ Denn zum Studieren seid ihr ja Studenten, Doch seV ich nicht, worauf ihr wollt hinaus!
Die Studenten. Punctum secundum: Das Komödienhaus/
V. Saling.
So wird der Wissenschaft von uns an jedem
Tage Gebotene Huldigung ergebenst dargebracht, Doch stellt sich jeden Abend uns die Frage: Wem huldigen wir z,ur Nacht?
Die Studenten. Wem huldigen wir zur Nacht?
Die Bürger.
Wem . . .
Die Mädchen.
Wem . . .
Bürger und Mädchen. Wem huldigen sie zur Nacht?
Der Rektor. Ha!
Schreege sen. Ja!
Alle. Wem huldigen sie zur Nacht?
V. Saling. Ein jeder weiß, wenn abends breit Der dunkle Schleier niedersinkt, Das ist die sehr willkommene Zeit, Wo Venus lächelt, Bacchus winkt. 88
Doch wurden wir schon oft gewarnty
Zu folgen diesem Winken:
Der Teufel ist^s, der euch umgarnt
Beim Lieben und heim Trinken.
Herr Rektor, sprecht,
Hab' ich nicht rechtP
Der Rektor. Nun ja doch, ja, es ist bekannt. Zur Nacht begibt sich allerhand. Was besser sich nicht begehen sollt'. Doch sagt nun, wo hinaus ihr wollt. Ich kenne mich nicht aus.
Die Studenten. Punctum secundum: Das Komödienhaus.'
V. Saling (tartüffisch). Ach ja, die Nacht ist epinös, Des Menschen Sinnen und Trachten bös Von Anfang an.
Darum bedenkt ein weiser Mann, Der Tugend noch im Herzen hegt. Wie er das Garn vermeiden kann. Das Satanas des Abends legt. Und weicht des Bacchus Winken aus Und bleibt, wo Venus lächelt, unbewegt, — Und geht in das Komödienhaus, Wo jener Dame Schwester hold regiert. Die er am Tage adoriert. Eine nicht minder hochgeborene Dame: Kunst ist ihr Name.
Herr Rektor, sprecht. Wer so tut, tut er recht?
Der Rektor. Wer so tut, ist des Teufels Oberknecht! Statt seinen Stricken aus dem Weg zu gehn. Hilft er sie drehn. Denn die Komödienspielerei Ist des Teufels Seilerei.
Die Studenten. Komödie frei! Komödie frei! Jeden Tag Komödie frei! Punctum secundum: Komödie frei!
Sophie. Ich bin zwar nur ein junger Fuchs, Doch das, mein Herr Professer, Von der Komödie weiß ich hesser: 'i ist keine Teufelei! Drum wollen wir sie behalten. Es bleibe, wie^s war, beim alten!
Studenten, Bürger, Mädchen. Komödie frei! Komödie frei! Alle Tage Komödie frei!
Der Rektor. Nein! Nein! Nein!
Der Renommist. Schmeißen wir ihm die Fenster ein! Eins, zwei, drei! Alle Fenster entzwei! 90
(Die Studenten stürzen sich über Wopfs Büchertisch und bewa-ffnen sich mit Büchern. Tumult. Wopj versucht vergeblich, seine Bücher zu retten, zoährend sich die Mädchen daran beteiligen, die Studenten mit Büchern zu versehen. Die Pedelle stürzen auf einen Wink des Rektors nach links ab. Inmitten dieses Gewoges, leise)
Der Rektor
(zu Schreege sen.).
Kommt denn nicht endlich nun Ihr SohnP
Schreege sen.
(gleichfalls leise).
Mich dünkt, mich dünkt, ich hör'' ihn schon/
(Man hört Trommelgewirbel.)
Der Rektor
(etwas lauter).
Beim Zeus.' Ein höchst ivillkommener Ton!
Die Bürger ^•(halb laut, wie im Gemurmel). Die Meisen! Die Meisen! Jetzt heißt es: retiriert!
(Sie drücken sich nach rechts, die Mädchen in den Ausgang schiebend; die Jungen verschwinden desgleichen von der Bühne.)
Die Mädchen. Die Meisen! Die Meisen! Wenn jetzt nur nichts passiert!
Stimmen aus den Fenstern. Die Meisen/ Die Meisen Kommen anmarschiert.
V. Saling. Holla, Burschen, Front formiert!
(Die Studenten nehmen Front gegen den Eingang links: Saling, Sophie, Oehmichen, Amalie und der Renommist dem Eingang am nächsten, aber doch so, daß links die Bühne bis zur Hälfte frei bleibt.) Der Renommist (auf seinen Kopf deutend). Dies ist das Haupt, das kommandiert.' Ha!
In bellis resonat: pum! pum! Tara tantara pum! pum!
Die Studenten. Ha!
Tara tantara pum! pum! Bellum, bellum, bellum, bellum^ Bellum in tyrannos!
Die Stadtsoldaten. (voran die vier Pedelle, dann Schreege jun. mit gezogenem Degen, marschieren mit geschulterten Geu)ehren herein; unter Trommel-getvirbel, das aber bald abbricht).
Schreege sen. (mit der Serviette winkend). Ha, nun sollen sie*s erfahren! Emil, treibe sie zu Paaren! 92
Schreege jun. (kommandierend). Bataillon — Halt! Fällt das — Gewehr!
Der Renommist (farodistisch kommandierend). Achtung — Chargiert Die Literatur!
Die Studenten (holen zum Wurf mit den Büchern aus).
Oehmichen.
Ei, guten Abend, Herr Kapitän! Wir freuen uns sehr, Sie schon wieder zu sehn!
Freege jun. Ich fordre Sie auf, den Hof zu räumen!
Oehmichen. Beliehen der Herr Kapitän, zu träumen? Wir wollen noch nicht zu Bette gehn. Nein, lieher hei unsern Feinsliebchen stehn. Haben Sie eins, Herr Kapitän, So rat' ich auch Ihnen, zu ihm zu gehn.
Amalie. Ach Gott, ach Gott, sie weint wohl schon Lange um ihren Seladon.
Sophie. Das muß ein böses Schmerzen sein: Hat einen Liebsten und sitzt allein,
Oehmichen. Oder hat sie euch sitzen lassen? Sucht sie doch! Sucht sie doch! Wer weiß, wohin sie sich verkroch. Ich rat'' euch, besser aufzupassen.
Schreege jun. Euch sperr'' ich heute noch ins Loch.
(Kommandierend.) Vorwärts, marsch, attackiert! Dieser da wird arretiert.
(Auf Oehmichen weisend, der nun, und mit ihm Amalie, Sophie und v. Saling, den Degen zieht.) Vorwärts, marsch!
(Die Stadtsoldaten setzen sich mit vorgehaltenem Bajonette in Bewegung.)
Der Renommist. Bataillon — Feuer!
(Er wirft ein Buch auf die Stadtsoldaten, die Studenten tun dasselbe, indem sie rufen) Bellum, bellum, bellum, bellum. Bellum in tyrannos!
(Dann setzen sie sich mit den Degen zur Wehr.)
Die Mädchen. Hu, hu, hu,
'j geht wie im Kriege zu! 94
Stimmen aus dem Fenster. Oh! oh! oh! Benimmt man sich denn so?
Die Bürger.
Fort! Fort! Fort! Gefährlich wird der Ort.
Die Stadtsoldaten. Stecht die Racker! Spießt die Racker! Stecht sie! Spießt sie! Haut sie!
(Dies alles durcheinander und wiederholt in einem allgemeinen Tumult, währenddessen die Studenten zurückgedrängt werden. Am heftigsten wehren sich die zwei Paare, wobei V. Saling Sophie, Oehmichen Amalie schützt. Schließlich ergreifen die Studenten die Flucht, verfolgt vom Gros der Stadtsoldaten, so daß nun, ganz nach rechts gedrängt, nur noch die zwei Paare, bedrängt vonSchreegejun. und etwa zehnStadtsoldaten, das Feld behaupten. Als letzter ist)
Der Renommist (geflohen, mit heftigem Gebrüll). Kommt heraus! Kommt heraus! Ich blase euch die Puste aus!
v. Saling. Vorsicht, Leibfuchs! Halte dich hinter mir! Flieh doch, flieh!
Sophie. Ohne dich nie! Das ist lustig!
Schreege jun. (auf Oehmichen eindringend). HaV ich dich, den Mädchenentführer! Warte, Bursche! HaV ich dichP Gebt euch! Gebt euch!
Oehmichen. Leibfuchs! Laufe! Rette dich!
Amalie. Stich und Hieb! Hieb und Stich! Ich bleibe bei dir.
(Sie werden umzingelt.)
Schreege jun. Entwaffnet die vier! Haltet sie fest! Und dann in Arrest!
(Die vier werden entwaffnet und jedes von zwei Stadtsoldaten festgehalten.)
Schreege jun. (nach hinten gehend, den Degen zum Balkon hinauf salutierend).
Ich melde gehorsamst: wir haben gesiegt!
Die Ordnung triumphiert,
Der Aufruhr unterliegt.
Die Frechsten der Frechen sind arretiert
Und werden gleich, wie sich^s gebührt. Gemeinsam in Arrest geführt.
(Dopfeiquartett: Rektor, Schreegesen.^ Schreegejun., Wofj mit den Pedellen hinten; die zwei Paare mit ihrer Einrahmung von Stadtsoldaten vorn, der Rampe entlang.)
Rektor und Schreege sen. Heil dem ruhmbedeckten Krieger^ Überwinder, Held und Sieger Über Trotz, und Rebellion!
Wopj. Meine schönen, schönen Bücher! Wie die wilden Wüstentiger Schleppten sie sie mir davon.
Schreege sen. Wie der Kriegsgott selber stieg er Kühn voran dem Bataillon.
Rektor. Und er werde drum mein Schwieger-, Ja, beim Zeus, mein Schwiegersohn!
Wopf. Meine lieben, schönen Bücher, Ach, sie schleppten sie davon!
Schreege jun. Schönster Lohn für einen Krieger, Wird für seinen Kampf und Sieg er Des Herrn Rektors Schwiegersohn.
V. Saling und Sophie. Hört (loch, hört, der kühne Sieger Glaubt, er hat Amalien schon.
Oehmichen und Amalie. Einen alten Besen kriegt er, Doch Amalien nicht zum Lohn,
(Ensemblesatz): Schreege sen. Wie der Kriegsgott selber stieg er Kühn voran dem Bataillon. Heil dem Sieger! Heil dem Sieger!
Rektor.
Und er werde drum mein Schtvieger-, Ja, beim Zeus, mein Schwiegersohn. Heil dem Sieger! Heil dem Sieger!
Wopf. Meine schönen, schönen Bücher, Ach, sie schleppten sie davon Wie die wilden Wüstentiger.
Schreege juti. Welch ein Lohn für einen Krieger! Solch ein hoher Siegeslohn Ward noch niemals einem Sieger.
Die zwei Paare. Einen alten Besen krieg'' er. Doch Amalien nicht zum Lohn, Dieser aufgeblasene Sieger!
Der Rektor.
Und nun soll Amalie dir Bräutlich mit ergebenen Händen Selbst den Siegeslorbeer spenden. (Nach hinten rufend.) Schickt Amalien heraus!
Amalie. Ach, wie hange wird es mir! Achy mein Gott, wie wird das enden?
Oehmichen. Mutig, Leihfuchs, uns Studenten Geht zum Heile alles aus.
Der Rektor (dem ein Diener eine Mitteilung gemacht
hat). Wie? Amalie nicht zu Haus?! (Pause. Der Rektor blickt bestürzt umher).
Schreege jun. (auf Oehmichen weisend).
Dort steht der Verführer und seine Komplicen.
Der Rektor. Er soll es beim Herkules fürchterlich büßen, Und alle, die mit ihm verbunden sind. Im Karzer interniert sie! Mit Ketten kopuliert sie! Doch erst bekenn' er: Wo ist mein Kind?
Die zwei Paare. Wir danken sehr der strengen Magjiifizenz
Für diese höchstwillkommene, Erfreuliche Sentenz,., Zwar faßt zum Kopulieren (auf die Stadtsoldaten mit dem Koffe weisend) Uns nicht die Assistenz, Doch sicher ist das eine: Wohl ist uns im Vereine, Wir bleiben gern zusammen In Permanenz.
Der Rektor. Laßt euren Hohn! Bekennet: Wo ist mein Kind.' Wenn ihr den Ort mir nennet, Straft man euch lind. Bedenkt es wohl Es steht bei euch. Bekennet ihr Den Ort sogleich.
Oehmichen. Jawohl, jawohl. Es steht bei mir.
Der Rektor. So sprecht.' So sprecht.'
Oehmichen. Ihr habt ganz recht. Es steht bei mir. loo
Rektor. Laßt euren Spott, Oder, bei Gott!
Ich schicke euch mit eurem trotzigen Sinn^ Bedenkt es wohl, ich schicke euch dahin, Wo Ratten und Mäuse sind.
Oehmichen. Ihr meinfs nicht gut mit eurem Kind.
Rektor. Nun ist's genug, nun reißt mir die Geduld. Mit Spott und Hohn verdoppelt ihr die
Schuld. Hinweg mit ihnen in Arrest! Bindet die Frevler, bindet sie jest!
Schreege sen. und jun. Bindet die Frevler, bindet sie jest!
(Die Stadtsoldaten binden v. Saling mit Sophie und Oehmichen mit Amalie zusammen).
V. Saling und Oehmichen.
Reichlich schief ist es gegangen, Mit gefangen, mit gehangen Heißt es, lieber Leibfuchs jetzt.
Amalie und Sophie. Bin ich gern mit dir gegangen, Ließ ich gern mit dir mich fangen, .Halt' ich aus auch bis zuletzt. (Sie werden abgeführt.)
lor
Die Stadtsoldaten (sie eskortierend). Heisa, wie die Meisen sangen. Wie die scharfen Schnäbel klangen, Das hat euch wohl nicht ergetztl
Die zwei Paare. Miteinander treu gegangen Und in Treue mitgegangen, Treue, Treue bis zuletzt.
Wofj. Werd' ich je Ersatz erlangen Für die Bücher, die die Rangen Wie die Tiger mir zerfetzt F
Rektor, Schreege jun. und sen. Ha, so soll in Eisenspangen Jeder Übermütige prangen. Der der Ordnung Band verletzt!
Alle (dasselbe zusammen).
Vorhang.
VIERTER AUFZUG
Ein links und rechts vom Gehölz begrenztes wiesiges Gelände, an dem hinten die von Bäumen eingefaßte Landstraße vorüberjührt. An der Landstraße, etwas nach links zu, wo sie sich leicht nach vorn wendet, ein Wirtshaus. Etwa von der
Mitte ab steigt der Erdboden sanft nach rechts zu an. Auf diesem Hügel lagern die im Auszug begriffenen Studenten, bis in das Gehölz rechts hinein, wo ihre weitere Masse zu denken ist. Zwischen ihnen und dem Wirtshaus lebhaftes Hin und Her von Bier bringenden Schenkinädchen und einzelnen Studenteji, die selbst ihre Kommilitonen mit Speise und Trank versorgen. Die Führer der Studenten, darunter der Renon' -mist, sitzen an einem Tische vor dem Wirtshaus. Der Fuchs aus dem ersten Akte bedient sie.
Der Renommist
(zur Wirtin des Gasthauses mit bombastischer Wichtigkeit).
Jawohl, Frau Wirtin, bei meinem Bauche Und bei Silen mit seinem Schlauche, Sowie bei eurer Bauernjauche, Die mit dem Titel Bier ihr kühn beehrt: Dies ist ein Tag, der höchst bemerkenswert, Und groß die Ehre, die Euch widerfährt. Denn heute, hier, vor Eurer Fuhrmanns falle. Entscheidet sich^s, ob Leipzig oder Halle In Zukunft ist der große Musenherd, Wo man am Feuer der drei Fakultäten Der Weisheit Suppe kesselweise kocht. Und wo die Seele aller Universitäten: Die Burschenfreiheit, niemals unterjocht, 104
Trotz Manichäerwut und andrer Schwulitäten Mit heldenhafter Faust auf ihre Rechte focht. (Schlägt auf den Tisch, renommistisch.) Tara tantara fum! fum! Ad loca! Silentium!
(Mit großem Selbstgefühl.) Gleich erscheint vor meinem Sitze Hier,
Den Herrn Rektor an der Spitze, Hier,
Das ganze Direktorium Der Universität, Um beim Bier Hier mit mir Xu beraten, wie es geht: Bleiben oder gehen wir?
Ein Teil der Studenten (lustig).
Wir gehen, wir gehen. Das Wetter ist so schön. Die Welt sich anzusehen, Ist allerhöchst amön.
Ein andrer Teil (keck).
Wir gehen, wir gehen, Die Schulden lassen wir Getrost in Leipzig stehen Als Burschensouvenir.
Die Füchse (munter^ jedoch mit ei?iem Tone von Bedauern). Wir gehen, tvir gehen, Jedoch mit Facherie, Daß wir nicht wiedersehen Fanny, Sophie, Marie.
Alle Studenten. Wir gehen, wir gehen, Die Meisen bleiben da. Die Perle der Armeen: Prost Mahlzeit, Lifsia!
Die Wirtin. I nee, Herr Dokter, i nee, i nee. Das is ja nich die Meechlichkeet!! Was wäre Leipzig ohne UhnifersetätP — E Damengränzchen ohne Gaffee/ Das gann nich sein! I nee, i nee! Bilden Se sich nor das nich ein!
Der Renommist (mit Größe). Es wird geschehn! Bei meinem Bauch!
Der Fuchs (desgleichen). Bei meinem auch! Ihr werdet sehn!
Der^ Renommist. Wir gehn! io6
Der Fuchs. Wir gehn!
Die Studenten. Wir gehn!
Der Renommist. Fuchs, bring Bier!
Der Fuchs (laufend und dann bringend). Citissime! Citissime! Hier! Hier! Hier!
Einzelne Studenten (in Gruppen durcheinander). Fuchs, bring Bier!
Einzelne Füchse (in Gruppen durcheinander).
Citissime! Citissime! Hier! Hier! Hier!
Der Renommist (das Glas erhebend). Sic vivamus, wir Studenten, Leben alle Tage luohl, Leben absque Komplimenten, Irinken uns stets toll und voll. Sic vivamus, du und ich.
(Mit dem Fuchs anstoßend.) Der Fuchs. Sic vivamus, du und ich!
lOff
Der Renommist. Unser Fleisch ist liederlich. Der Fuchs. Unser Fleisch ist liederlich.
Der Renommist. Und wer uns was dawider spricht. Dem schlagen wir ins Angesicht Und sprechen noch dazu:
(Anstoßend zum Fuchs.) Trink zu! Trink zu! Trink zu!
Der Fuchs. Trink zu! Trink zu! Trink zu! (Der Renommist trinkt.)
Die übrigen Studenten und Füchse (in Gruppen wie vorhin wiederholen in derselben Gliederung das Lied).
Der Renommist. Sing, bet und geh auf Gottes Wegen, Verricht das Deine nur getreu.^ Hof au] des Himmels reichen Segen, So wird er in Dir werden neu.
Alle Studenten, einschließlich des Renommisten und der Füchse (wie vorhin in Gruppen bei gleicher Gliederung). Sic vivamus, wir Studenten etc. io8
(Auf der Landstraße hinten von rechts erscheinen während der letzten Takte, immer drei Arm in Arm, voran J ettchen, Jeanette und Charlotte, die Scharmanten, alle in Reisetracht, Strohhüte auf, kleine Bündel in den Händen.)
Jettchen, Jeanette und Charlotte (ihre Bündel schwingend). Bon jour! Bon jour! Bon jour! Geführt von Gott Amour Sind wir euch nachgezogen; Und hat uns nicht betrogen Der brave Gott Amour, Vielmehr auf rechte Spur Geführt mit Pfeil und Bogen.
Die Scharmanten. Bon jour! Bon jour! Bon jour! (Ad libitum das Ganze.)
Die Studenten. Bon jour! Bon jour! Bon jour! Es leben die Scharmanten, Die nie von uns sich wandten! Bon jour! Bon jour! Bon jour! Es lebe Gott Amour!
J ettchen (vor denRenommisten hintretend, salutierend) .
Dem Studentencolonele Melden wir uns zum Afpelle: Le bataillon, rdtatatd (nach Trommlerart). . .
log
Die Scharmanten. Le bataillon, rdtatatd!
J ettchen. Le bataillon des demoiselles . ..
Die Scharmanten. Le bataillon des demoiselles ...
J ettchen. Le bataillon des demoiselles Ist zur Stelle, Rdtatatd. ..
Die Scharmanten. Rdtatatd! Rdtatatd!
J ettchen. Le bataillon des demoiselles — Ist da!
Die Scharmanten. Rdtatatd., rdtatatd., Le bataillon des demoiselles — Tjur Stelle, zur Stelle, Ist da!
Die Studenten. Rdtatatd, rdtatatd, Le bataillon des demoiselles — Ist zur Stelle Rdtatatd, Rdtatatd, Ist da! — Hurra! HO
Der Renommist (mit einiger Verlegenheit).
Ich diente, ich bekenn es, nie Der großen Göttin Galant'rie, Drum fehlt mir wohl das rechte Pli, Willkommen Sie zu heißen; — So soll mein Fuchs, der das versteht, Mich aus galanter Schwulität Mit Fuchsenanmut reißen.
Der Fuchs (sich in galante Positur setzend, sehr höflich und mit Ausdruck).
Ich grüße, die da kamen.
Die hochverehrten Damen, —
In aller Bursch^ und Füchse Namen
Begrüßt ich mit Entzücken sie
Und beuge hier
Vor so viel Schönheit, Huld und Zier
Mein ganz verehrungsvolles Knie
Als ein Student und Kavalier.
(Läßt sich auf ein Knie nieder.)
Und steh nicht eher auf, als wie.
Bis daß mich aufhebt, die die Wertste mir, —
Sie ist ganz sicher da, — o komm, Marie!
Eine der Scharmanten
{läuft aus der Reihe und auf den Fuchs
zu, den sie küssend aufhebt).
Die übrigen Studenten (sofort anschließend an das Lied des Fuchses), Wir grüßen, die da kamen. Die hochverehrten Damen, Wir grüßen voll Entzücken sie Und beugen unsre Knie
(knien nieder) Vor so viel Schönheit, Huld und Zier. Seht her, seht hier: Da liegen wir
(die Arme ausbreitend, etwas farodistisch) Salva venia im Dreck Und singen, wie im Pfändersfielerkreise, Die wohlbekannte, alte Weise: Wir liegen hier und schneiden Speck, Wer uns lieb hat, holt uns weg.
Die Scharmanten (lassen einander los und eilen, eine jede ihren Liebhaber suchend, in die Menge der Studenten, dabei im Hin- und Hertrippeln Fragmente des Liedes aus dem zweiten Akte durcheinanderwirbelnd).
Thomas und Theodor,
Ignaz und Isidor,
Peter und Paul,
Kuno und Kilian,
Kaspar und Kajetan,
David und Saul,
Martin und Michael,
Heinz und Emanuely
Alex und Augustin, Finzenz und Cölestin, Richard und Hugo, Hermann und Franz, Wenzel und Blasius, Kurt, Anastasiur, Otto und Julius,
Enterich, Ferdinand, Georg und Hans, — Schnell einen Kuß/ Und noch einen Kuß!
(Bei diesen letzten Zeilen allgemeines Küssen, Aufheben der Studenten: und Umarmung.)
J ettchen (mit einer Art kokett heroischem Air).
Mit diesem Kuß besiegeln wir den Schwur, Den feierlichsten, höchsten aller Schwüre, Den auf mein Samthalsband bei Gott Amour Ein jedes Mädchen von Tournüre Der ganz verwaisten Lindenstadt Geschworen hat:
Wir gehen auf die Reise Mit dem Studentenheer, Es sieht die blasse Pleiße Nicht ihre Nymphen mehr,
Ruft sie nicht die zurücke. Zurücke die geschwind, Die unser Lust und Glücke Und unser Leben sind. 8 113
Es wandern die Scharmanten Mit den Studenten aus. Nur alte Basen und Tanten Bleiben verhockt zu Haus.
Die Scharmanten und die Studenten (indem sie sich nach der Melodie des Liedes wie zu einem Tanze hin und her bewegen). Es wandern die Scharmanten Mit den Studenten aus. Nur alte Basen und Tanten Bleiben verhockt zu Haus.
Der Fuchs (immer im Tanztakt). Mit den Grazien im Vereine^ Musensöhne, wandern wir An die Saale, an die Leine, Weiter, weiter, bis zum Rheine Und zum Guadalquivir.
Die Studentefi und Scharmanten (tanzend). Tanzend, tanzend wandern wir An die Saale, an die Leine, Weiter, weiter, bis zum Rheine Und zum Guadalquivir.
Der Renommist und die bemoosten H äupter (Bässe, nicht mittanzend, dafür trinkend). Aber wir
Halten wandernd uns beim Weine 114
Und beim Bier An der Saale, an der Leine Und natürlich auch am Rheine Und am Guadalquivir.
(Die übrigen tanzen weiter, während die Bürger unter Führung Ellebeins und Woffs mit allen Anzeichen der Erschöpfung und Desperation auftreten, in den Händen Rechnungen schwingend).
Ellebein.
Das sind, weeß Kneeppchen, niedliche Flänz-
chenl Se machen e Dänzchen! Se machen e Dänzchen! Sollte man's glau'mF Ich traue meinen Augen kaum!
Wopf (mit komischen Wutpathos).
Beim Herkules!
Beim Sophokles!
Thukydi-, Xenokra- und Sokrates!
Beim Livi-, Plini-, Tacitus!
Kofernikus und Grotius!
Als plenipotentiarius
Der Creditorum
Studiosorum
Gebiet^ ich Schluß
Und noch einmal Schluß
(fast pfeifend vor Zorn) Schlufi, Schluß, Schluß Fidelitatis! Und rufe: satis, Quantum satis Hilaritatis, Expensis nondum compensatis!
(Seine riesige Rechnung schwingend.) Dal Da! Da.' Ein Hauptwort heißt pecunia!
Die Bürger
(ebenfalls Rechnungen schwingend).
Ja! Ja! Ja!
Wie steht's denn mit pecunia?
Wir möchten gern quittieren,
Denn dazu sind wir da,
Nicht bloß zum Kreditieren,
Ja! Ja! Ja!
Die Miete, die Kleider,
Die Bücher, der Wein,
Der Tobak und so weiter.
Will all' bezahlet sein.
Ei ja, ei ja.
Und auch die Baria,
Die wollen auf Heller und Pfennig
Mit Zinsen bezahlet sein.
Der Renommist (seine Hosentaschen umkehrend). Vanitas! Vanitatum vanitas! Siehst du was, so nimm dir was! Ii6
Die Studenten (alle ebenso). Vanitas! Vanitatum vanitasi Siehst du was, so nimm dir was!
Wopf und Ellebein. Wie? . . . das? . . . wäre? Jst das Burschenehre? Geht man auf die Reise Nichtbezahlth abenderweise ?
Der Renommist. Meine Herren, farole d'honneur, Schulden zahlen ist zwar nicht Angenehm, doch Bürgerpflicht, Und wir täten^s, meine Herren, Auch — gewissermaßen — ge^n, Doch ein Wort heißt force majeure
Wopf.
Wieso ? Wieso ? Wieso?
Ellebein. Die Bürger.
Der Renommist
(gelehrt und würdig tuend, mit Dozententon).
Wir befinden uns in statu, quo.
Nach Cicero,
In seinem Buche von den Pflichten,
Der Mensch mit nichten
Seine Schulden bezahlen muß!
Wenn nämlich ex fenatibus
Ihn höhere Gewali vertreibt.
Wobei sodann.
Wie jedermann.
Sich wiederum bei Cicero
Libro secundo und tertio
Belehren kann.
Die Pflicht zur Bezahlung bei der Macht
verbleibt (Secundum jus/), Die eben ex fenatibus Das schuldenhabende Individuum, Gleichviel, warum,
Vertrieben, verbannt oder ausgewiesen hat. Dieser Fall aber hat bei uns statt. Uns gegenüber habt ihr euer Recht verloren. Es tut uns leid. Daß ihr jetzt angewiesen seid Auf Rektor, Senat und Professoren. DWum lege jeder seinen Wisch Vertrauensvoll auf diesen lisch. Ich werde ihn der Magnifizenz -präsentieren, Hofend zu Gott, sie werde ihn saldieren.
Wopf. O, wehe! O, ohJ
Ellebein. O, wehe! O, oh!
Wopf und Ellebein. Dann steht die Sache krumm. Ii8
Die Bürger. Warum? Wieso P Wieso? Warum!
Wopf. Zitiert ein Studente den Cicero^ Bedeutet das desferatio Und Caput mortuum.
Die Bürger (sich an die Stirn fassend). Ach so! Ach so! Ach so!
Der Renommist (mit Salbung). So kommt denn her zu mir und leget Auf diesen Tisch, der ganz von Biere
schwimmt. Die schwere Qual, die euer Herz erreget^ Den tiefen Gram., der euer Herz ergrimmt. Vielleicht, daß es das Herz des hoh'n Senats beweget Und ihn "zur Milde und Versöhnung stimmt. Erblickt er diesen Riesenschuldenhaufen, Der unbezahlt verfault, wenn wir von dannen laufen.
Die Bürger (feierlich die Hände emporhebend, indem
sie etwas vortreten). So laßt uns denn mit gläubigem Vertrauen Von unsern Forderungen Schicht auf Schicht Zu einem Turm auf diesem Tische bauen! Weh, wehe uns, wenn er zusammenbricht.
(Sie begeben sich, indes die Melodie dieses Liedes sich zu einer Art grotesken Trauermarsches ausbaut, in melancholischer Prozession zu dem Tische, wo dann jeder unter Gesten der Beklommenheit seine Rechnung ^ niederlegt. Dann gehen sie alle nach links, wo sie sich, den Studenten den Rücken zuwendend, mürrisch aufstellen )
Die Studenten (leise, spöttisch, auf die Bürger deutend),
Wenn's donnert, zuemi's donnert. Kriecht Karo unter''s Kanapee Und winselt und winselt Herrje, herrjemine.
Die Scharmanten (do.).
Wenn^s donnert, wenn's donnert, Kriecht Karo unteres Kanapee Und winselt und winselt. Herrje, herrjemine.
Studenten und Scharmanten. Oioi oioi oioi oil Oioi oioi oi/
Jettchen (ironisch).
Pfui, wie könnt' ihr ihn verhöhnen, Wo er doch so traurig scheint. Laßt uns lieber ihn versöhnen^ Bis er sich hat ausgeweint. 120
(For die Bürger hintretend, mit neckischer
Einladung.) Karo, Karo, komm hervor. Und ich kraue dich am Ohr!
Die Studenten (ebenso). Karo! Karo!
Die Scharmanten (ebenso). Karo! Karo!
Die Scharmanten und die Studenten Karo, Karo, komm hervor, Und wir krauen dich am Ohr!
Die Bürger (zornig sich umwendend). Bande! Bande! Welche Schande!
Z,u dem Schaden auch noch Spott! O du lieber, lieber Gott!
Die Studenten und Scharmanten. Oioi oioi oioi oi! Oioi oioi oi!
Der Renommist (der sich mit den älteren Studenten an diesem Spiele nicht beteiligt hat, legt die HandübersAuge u.sieht gespannt nach rechts). Silentium! Silentium! Silentium profundissimum! Denn meine Augen sahen: Sie nahen, ja, sie nahen, Seine Magnifizenz und das Kollegium!
Die Studenten. Silentium/
Die Scharmanten. Silentium.'
fFopf (krähend). Silentium !
(Absolute Stille. Der Rektor und die Professoren, sowie Schrcege sen. und jun. kommen von rechts in feierlicher Amtstracht, die Theologen in schwarzen, die Juristen in roten, die Philosophen in blauen, die Mediziner in (grünen Talaren, alle mit großen weißen Mühlsteinkrausen und Baretten in der Farbe der Talare; der Rektor mit einer großen goldenen Halskette^ die Dekane mit kleineren. Alle haben besonders große Perrücken auf und spanische Rohre mit silbernen Knöpfen in der Hand. Auch die begleitenden Pedelle tragen festliche, etwas pompöse Tracht. Eine ge-<. schlossene, schwarze Sänfte bildet den Schluß. Sir birgt die vier Arrestanten. Der Rektor entsteigt mit den Dekanen einer prunkvollen Senatskutsche oder -Sänfte, während anzunehmen ist, daß die übrigen Kutschen und Sänften hinter der Szene halten).
Der Rt^ktor (nachdem er mit seinen Begleitern bis zum Tische des Renommisten [der ihn mit den 122
übrigen stehend, den Hut in der Hand, erwartet] gelangt ist),
Quod felix, faustum, fortunatunique sit! Ich denke, die Herrn überlegen ihren Schritt!
Der Renommist. Mit aller schuldigen Reverenz.^ Sowohl für Eure Magnifizenz, Wie für alle hochwürdigen und -weisen Dekane und Professoren: wir reisen.
Die Studenten. Wir reisen! Wir reisen!
Die Scharmanten. Und wir, wir reisen mit!
Der Renommist. Es sei denn, puncta Discordiae cuncta
Werden nach unserm Sinne geschlichtet. Ad primum die Meisen . . .
Der Rektor (mit einer die Rede abschneidenden gebieterischen Bewegung, ihm ins Wort fallend). Saiis superque, es wird darauf verzichtet, Nochmals das Unerhörte anzuhören! Auch wird darüber von höherer Stelle gerichtet: (Das Barett abnehmend, feierlich.) Auf unser untertänigstes Beschwören
Haben Seine Kurfürstliche Gnaden aller-
huldreichst dezidiert: Es werde ein Commissarius Extraordinarius Als plenipotentiarius, Mit vollster Vollmacht ausstaffiert. Von Dresden nach Leipzig envoyiertj Auf daß er als Justitiarius In dieser Sache judiziert. Und ist es Serenissimi Genauester Wille, daß das judicatum Des Commissarii
Geachtet werde als ein Ultimatum Und also respektiert. Daß niemand, wenn es enuntiatum. Dagegen appelliert.
(Setzt sein Barett auf, worauf sich auch alle übrigen bedecken.)
Der Renommist. Ah! Ah! Ah! Vivat Saxonia!
Die Studenten. Ah! Ah! Ah! Vivat Saxonia!
Wopf. Ah! Ah! Ah! Nun gibt's pecunta!
Die Bürger. Ah! Ah! Ah! Nun gibt's pecunia! J24
J ettchen. Ah! Ah! Ah! Nun bleiben wir wohl da!
Die Scharmanten. Ah! Ah! Ah! Nun bleiben wir wohl da!
Der Renommist (seinen Degen ziehend und seinen Hut daransteckend). Landesvater ! Schutz und Rater! Es lebe unser August hoch!
Die Studenten (wie er). Landesvater ! Schutz und Rater! Es lebe unser August hoch!
Der Renommist (den Degen schwingend). Ausbund auserlesener Prinzen! Herr der sächsischen Provinzen! Ehr'' und Hoheit krönen dich!
Die Studenten. Ausbund auserlesener Prinzen! Herr der sächsischen Provinzen! Ehr'' uud Hoheit krönen dich!
Ein Läufer (von links, atemlos). Quartier, Quartier, Quartier Für Seine Exzellenz!
Quartier, Quartier, Quartier Für seine Exzellenz/ Der Graf von Luxenburg Is alleweile hier!
Der Renommist (schon in der Weise des bekannten Liedes) Der Graf von Luxenburg P
Die Studenten und die Scharmanten
(in derselben Melodie). Der Graf von Luxenburg? Der Rektor. Es ist der KommissariusI
Die Studenten und Scharmanten (wieder in der Melodie mit anschließendem
Gelächter auf dieselbe Weise). Der Graf von Luxenburg? Hahahahal Hahahaha . . .
(Indessen erscheint links, in einer Reisekutsche, von anderen Hofleuten begleitet)
Der Graf von Luxenburg (ein älterer jovialer Herr, und hebt grüßend
seinen Hut). Bon jour!
Die Studenten tind Scharmanten (in einer Art brausender Huldigung, die Degen, die Scharmanten dieHüte,schwingend). Der Graf von Luxenburg Hat air sein Geld verjuckt, juckt, juckt, 126
Der Graf von Luxenburg
Hat air sein Geld verjuckt.
Hunderttausend Taler
In einer Nacht verjuckt, juckt, juckt.
Hunderttausend Taler
hl einer Nacht v er juckt!
Der Rektor (nach wütenden Blicken auf die Studenten). Verzeihung, Eure Exzellenz, . . .
Der Graf (jovial, sofort die Mädchen durch sein Lorgnon musternd). Bon jour, Magnifizenz! Bon jour, mesdames, bon jour, messieurs! Sie sind recht heiter, wie ich seV; Das macht mich nicht fache. Auch freut es mich, die Herren Studiosen In einem ganzen Flor von Rosen Und zwischen Grazien zu seVn. Ich war gefaßt auf gründe misere. Ich irrte mich. Bei meiner Ehre: Ich freu' mich, daß ich mich geirrt. Weil sicher so die schreckliche Afaire Anmutiger geschlichtet wird. — Zuerst die Damen! Was ist Ihr Begehr? Was führt derPleißeNymphen denn hierher? Jettchen (auf die Professoren weisend). Diese Herren, diese dort. Jagen unsre Liebsten fort,
Und das wollen wir nicht leiden! Nein^ wir wollen sie nicht meiden! Lieber geh^n wir auch mit fort.
Die Scharmanten. Nein, das wollen wir nicht leiden. Lieher geh^n wir auch mit fort.
Der Graf (der sich auf einen für ihn herbeigebrachten Sessel niedergelassen hat, um den sich nun. Jettchen voran, die Scharmanten gruppieren). Par dieu! Das ist ein schlimmer Fall! Herr Rektor, denken Sie! Die Grazien all* WoWn sich vom Musensitz, entfernen! Wo soll'n die Herren Studenten dann Die Grazie erlernen P
(Streichelt Jettchen die Wangen.)
Der Rektor. Wir sandten, Rektor und Senat, Genau, ausführlich Referat. Zwei Punkte sind . . .
Der Graf. Ich bin im Bilde!
Der Rektor (eifrig, fast folternd). Sie führen Rebellion im Schilde! Vier faßten wir auf frischer Tat, Den Degen in der Hand, die Rädelsführer^ Debauchenmacher und Mädchenentführer! 128
Die Studenten (in Abteilungen durcheinander). Sie haben nichts verschuldet, Mit Unrecht Haft erduldet. Wenn sie nicht frei gleich werden, So zieh'n wir Alle fort!
Der Graf
(sich die Ohren zuhaltend).
SilenceJ Silence! Ich versteh'' kein Wort/
Die Bürger (ebenso in Abteilungen, durcheinander). Wir müssen bankrottieren, V erhungern, fallieren ; Wer soll uns denn bezahlen. Schickt man die Herren fort!
Der Graf
(wie vorhin).
Stlence! Silence! Ich versteh'' kein Wort!
Die Scharmanten (ebenso in Abteilungen durcheinander). Ach Gott, wenn sie verreisen, Muß unser Herz verwaisen; Wir wollen es nicht leiden, Geh^n lieber auch mit fort.
Der Graf
(sich zu seinen Begleitern zurückwendend).
Messieurs! Ich rufe Sie zu Zeugen auf:
Mit Amors Bolzen wird mein Herz berannt!
Ist jede einzelne, parbleu, nicht höchst scharmant ? IndeSy ich lasse der Gerechtigkeit den Lauf.
(TjU den Scharmanten.) Ihr schönen Kinder! Euer Temperament Gereicht euch sehr zur Ehre und nimmt ein Für diese jungen Herren, für die ihr brennt — Jedoch ein eigentliches Argument Kann eure liehenszoürdige Liehe doch nicht sein. (Zum Rektor.) Mein ehrenwerter Herr Rektor! Einstweilen kommt mir's ganz so vor: Studenten, Bürgerschajt und Damenflor Pfeifen alle auf einem Rohr, Und dessen enragierte Melodie Klingt nicht sehr enragiert für Sie.
Der Rektor
(mit kaum zurückgehaltenem Arger, fast
bissig). Es lehren die Berichte Der Schreiber der Geschichte, Daß Rebellion zu jeder Zeit Den Pöbel hatte auf ihrer Seif Und das C-eschlecht, von dem es heißt, Es sei an und für sich zumeist Rerum novarum cupidissima.
J ettchen (die Arme einstemmend). Was sagt er denn da? 130
Was soll denn das seinF
Schimpft er uns jetzt gar auf Latein F
Die Scharmanten. Fi doncJ Fi donc! Fi donc! Das finden wir nicht fein. Weiß einer nicht mehr wie und wo Zitiert er bekanntlich den Cicero.
Die älteren Studenten. Wer weiß mir zu raten, Wo finde ich, wo In Schobern und Schwaden Das trockenste Stroh ? Liebwerte Kameraden, Ach, sagt es mir, wo?
Die Füchse
(sehr hoch, fast krähend). Im Ci — cero/
Alle Studenten. Im Cicero, Im Cicero, Im Cizacizacicero/
Der Graf (der mit Mühe ein Lachen niederkämpft,
mit der Hand abwinkend). AssezI Assez! Assez! Das Wort hat Seine Magnifizenz!
Der" Rektor (sehr böse). Nun seh'n wohl Eure Exzellenz, Wie ganz erschrecklich weit
Der Jugend Zügellosigkeit
Bereits gedieh.
Wenn selbst die hohen Classici
Vor ihrem Spott nicht sicher sind,
Wer ist dann sicher noch vor Hohn und
Missetat und Infamie P Mir selber. Euer Gnaden, raubten sie das
Kind! (Auf Schreege jun. deutend.) Und diesem wackeren Herren hier. Der Stadtsoldaten Oberoffizier, Die zugelobte Braut. Kein Biedermann ist sicher seiner Haut!
(Auf Schreege sen. deutend.) Dem Herrn hier warfen sie die Fenster ein. Die ganze Stadt erfüllt ein ungeheures
Schrein Von Schelmenliedern und Spöttereien!
(Immer zorniger werdend.) Tags schwärmen sie vors Tor hinaus^ zu
tanzen. Dann gilt's, die Stadtsoldaten zu kuranzen. Und kaum, daß abends die Laternen
brennen. Beginnt ein wildes Ins-Theater-Rennen. Doch ins Kolleg,
Da finden sie so eilig nicht den Weg. P oh pudor! ruf' ich, und me Hercule! Sodom-Gomorrhas Zeit ist wieder in der
Näh\' 132
Schreege jun. und sen.
(sehr lammfromm tuend). Juy so ist es, ja, so ist es, Und der Grund des ganzen Zwistes Ist der böse Geist der Zeit, Der nichts will als Lustbarkeit.
Der Graf (mit Ironie). Allerhöchst bedauerlich! Schauerlich! Höchst schauerlich!
Die beiden Schreege (die Ironie nicht bemerkend). Freilich, freilich! Unverzeihlich
Ist das Wesen dieser "Jugend, Der die Tugend nur ein Wort.
(Giftig.) Doch die Schlimmsten von den Schlimmen, Deren Tat das Herz ergrimmen Macht und laut nach Rache schreit: Ganz verworfene Höllenschlünde Und des Frevels Urausbünde
(auf den geschlossenen Wagen deutend) Die sind dort.
Der Rektor. Sie haben alles ausgeheckt, Sie haben die andern angesteckt! Mag sonst immr Milde walten. Diese müssen ohne Gnade Ihrer Frevel Lohn erhalten.
Z)tV Studenten. Nein/ Nein.' Nein,' Freigelassen soWn sie sein. Wir wollen keine Gnade, Wir wollen unser Recht allein. Wir stehen alle für sie ein. Frei, frei, frei. Frei solln sie sein!
Die Scharmanten. Frei, frei, frei. Frei soll'71 sie sein.
Der Graf. So bringt mir denn die Schwerverbrecher her! Bei meinem Portepee, mich selbst verlangt
es sehr. Die Schrecklichen zu sehn. Um die sich allem Anschein nach In diesem Streit und Ungemach Die Leidenschaften dreVn.
Die Pedelle (öfnen die schwarze Sänfte und führen die Vier herbei. Sophie und Amalie gehen Hand in Hand mit gesenktem Kopfe voran, Oehmichen und v. Saling, erhobenen Hauptes und unter Lächeln die Kommilitonen mit Handbewegungen grüßend, hinterdrein).
Die Studenten (die Degen schwingend). Pro salute horum virorum, 134
Pro salute horum aviicorum, Pro salute amicitiae! Pereaty wer sie tuschieret Und sich über sie mokieret, Pereat sein ganzes Haus!
Der Graf. Eh bien, messieurs! Was wissen Sie zu
sagen Auf Ihrer Herren Professoren Klagen? Was trieb Sie an, sich also zu vergehenP
Sophie und Amalie (sinken in die Knie, nehmen die Perücke ab und sehn dem Grafen schüchtern-schelmisch ins Gesicht). Verzeihung, Exzellenz: — detn Liebsten beizustehen/ Der Graf (■perplex, das Lorgnon an die Augen führend). Alle guten Geister! Was muß ich seVn? (Erhebt sich galant und ergreift Sophiens
und Amaliens Hand, sie aufzurichten). Ma foi, zwei allerliebste Kinder!
(Zum Rektor, sich niedersetzend.) Es sehen Ihre armen Sünder, Hochwürden Herr Rektor, nicht eben sündlich aus! (Zu den beiden Mädchen, auf ihre Kleidung deutend.) Nun aber sagt mir bloß: wie kommt ihr in den FlausF
(Sich vor den Kopf schlagend.) Richtig: die Liehe.' Natürlich! Jedoch: Ihr führtet den Degen, drum führte sie
euch ins Loch. Warum, um Gotteswillen, habt Ihr, die ihr wohl zum Krieg der Liebe, Jedoch zum Krieg der Waffen nicht begahty Den zarten Arm mißbraucht zu Stich und Hiebe F
Der Rektor, Schreege sen. und jun. (einander ansehend).
Sonderbar, höchst sonderbar! Dieses Studiosenpaar, Welches neue Ärgernis, Ist feminini generisP
Der Renommist. Viele Wörter sind auf-is Feminini generis. Als zum Beispiel Dorilis!
Die Studenten. Hahaha, hahaha, Vivat hoch Grammatica!
Ellebein. Das sind mir Studiosen!
Die Bürger. Wer hätte das gedacht! Wopf. Xwei Mädchen in Hosen! 136
Die Bürger.
Jetzt wird es Licht, gebt acht!
J ettchen (sich die Hände reibend). Ich ahne was, ich merke was, Und das macht mir Pläsir!
Die Scharmanten (zu Sophie und Amalie), So sprecht doch nur, so sagt doch nur! Denn wir vergehen schier.
Sophie (knieend). Mich hat Herr Gottfried Heinrich Koch, — Sie kennen ihn doch F
Der Graf. Natürlich!
Sophie. Als muntre Liebhaberin engagiert.
Der Graf. Aha!
Sophie. Man nennt mich Sophinette, Ich habe als Soubrette Das Publikum der Lindenstadt, Soweit es Sinn fürs Schauspiel hat, In mehr als zwanzig Rollen, Ohne mir schmeicheln zu wollen, Rechtschafen enchantiert.
f-, Saling (vortretend^ mit Verbeugung).
Vor allem aber mich!
Der Graf. Und das begreife ich.
Sophie. Nun aber, ich bitte, denken Sie sich. Auf einmal heißt es Schluß und aus. Ein Sündenpfuhl ist das Komödienhaus! Ist das nicht fürchterlich?
Der Graf. Beruhigen Sie sich!
Die Studenten und Scharmanten. Ja, es ist fürchterlich!
Sophie. Es kündete dem Personal Der tiefgebeugte Prinzipal: Bald spielen wir zum letzten Mal, Wir müssen Athen an der Pleißen Verlassen und Weiterreisen. Da gab es Tränen ohne Xahl, Und das zumal Beim jüngeren Damenpersonal.
Der Graf. Das ist begreiflich!
Sophie. Denn, wissen Sie, Herr Graf, man hat -Spielt man in einer Studentenstadt J3S
Con animo
Und ist nicht selbst von Holz und Stroh —
Gewöhnlich ein zartes Herze ade au.
Der Graf. Xu deutsch einen Schatz; — Das ist auch überall anderswo Nach meiner Erfahrung ebenso.
Sophie. Jedoch an einem Musenplatz Ist's meistens ein Bruder Studio; Der meine und ich —.• Wir lieben uns fürchterlich,
V. Saling. Ganz fürchterlich!
Sophie. Drum haben wir^s uns geschworen Trotz Rektor und Professoren: Es bleibt, zvie's war, wir ziehen nicht auSy In Leipzig bleibt das Komödienhaus! Und alle Burschen von Ehre Griffen wie wir zum Gewehre.
V. Saling. Für die Kunst und für die Liebe Xogen wir zu Stoß und Hiebe Unsem Degen fleckenlos; Da wir in Begeisterung brannten Gegen Mucker und Pedanten, War geheiligt Hieb und Stoß.
Die Studenten (dasselbe).
Der Graf (während v. Saling seinen Arm um Sophie
gelegt hat).
Das erste Paar der Frevler ist vernommen:
Ihre frolata haben sich gedeckt
(die beiden küssen sich)
Wie jetzo Mund und Mund — durchaus
perfekt. Nun mag das zzüeite an die Reihe kommen. (Winkt).
Oehmichen (tritt vor).
Der Graf. Zuerst^ Herr Inkulpat, die Dame!
Amalie (schlägt die Hände vors Gesicht).
Der Graf
(sehr liebenswürdig).
Nur Mut, mein Kind, — wie ist Ihr Name ?
Amalie (schüttelt den Kopf).
Der Graf (gütig). Sie nennten, wie mich deucht, ihn lieber
nicht? So leisf ich auf den Namen denn Verzicht. Schönheit braucht Namen nicht noch Stand. 140
'Jedoch, mein Kind, das müssen Sie mir sageUj Warum, pardon, Sie jetzo — Hosen tragen, Und dann: wie kam der Degen in die kleine Hand?
Amalie (die Augen zu ihm aufschlagend). Ein junger Student mein Liebster war; Der Vater willigte ein, Wir sollten, wol über manches Jahr, Jedoch wir sollten einmal ein Paar, Ach Gott, und ein glückliches sein.
Der Rektor (sehr dringlich einfallend). Exzellenz!
Schreege sen. und jun. (ebenso). Herr Graf/ Herr Graf!
Der Graf (ärgerlich). Ruhe, wenn ich bitten darf!
Die Scharmanten. Sie sollten, wohl über manches Jahr, Jedoch sie sollten einmal ein Paar, Ach Gott, und ein glückliches sein.
Amalie. Da entbrannte der grimmige Meisenstreity Mein Liebster ergrif Partei, Für das Burschenrecht zum Kam-pfe bereit. Da tat meinem Vater sein Jawort leid. Weil mein Schatz ein Aufrührer sei.
Der Rektor (wie vorhin). Exzellenz !
Schreege sen. und jun. (wie vorhin). Herr Graf.' Herr Graf!
Der Graf (wie vorhin). Ruhe, wenn ich bitten darf! Die Studenten.
Für das Burschenrecht zum Kam-pfe bereit; Da tat ihrem Vater sein Jawort leid. Weil ihr Schatz ein Aufrührer sei.
Amalie. Er versprach mich dem Meisenkapitän 7jum Lohn für seinen Sieg. Doch ich wollte lieber zugrunde geh''n. Nur nicht den, nur nicht den, nur nicht
den, nur nicht den. Drum zog ich mit in den Krieg.
Der Rektor und die beiden Schreege
(gestikulieren heftig und versuchen zum
Grafen zu gelangen).
Die Studenten und die Scharmanten (halten sie zurück).
Studenten, Scharmanten und Bürger. Doch sie wollte lieber zugrunde gfh^n
(auf Schreege jun. weisend). Nur nicht den, nur nicht den, nur nicht
den, nur nicht den, 142
Drum zog sie mit in den Krieg,
Hurra!
Drum zog sie mit in den Krieg!
Der Rektor
(hat sich, unterstützt durch die Pedelle,
vorgearbeitet).
Exzellenz! Gerechtigkeit!
Ein Frevel, der zum Himmel schreit!
Es ist mein Kind, das er verführt!
Schreegi- jun.
Ich bitte, Exzellenz, diktiert Die Strafe ihm, die ihm gebührt. Er hat mir meine Braut entführt!
Studenten, Scharmanten und Bürger
(in höchstem Trubel). Doch sie wollte lieber zugrunde geh^n
(auf Schreege jun. weisend). Nur nicht den, nur nicht den, nur nicht
den, nur nicht den! Drum zog sie mit in den Krieg, Hurra! Es lebe hoch, es lebe hoch, hoch lebe Amalia!
Der Graf (sich erhebend).
Pardieu, messieurs, der Fall ist kompliziert. Ich ward hierher Als Kommissär
Z«r Schlichtung eines Streites zwischen Professoren Und Studiosen envoyiert. Jedoch, was jetzo meine Ohren Und meine Augen inturbiert, Sind alles nur Affaires d^amour,
Und auch in dieser Haupt- und Staatsaktion Mit Schwertgeklirr und andrer Emotion Spielt jener kleine Gott die Hauptfigur: Der schönen Venus hinterlistiger Sohn. Hoch schlug, so hörten wir, die Flamme Empor der Rehellion,
Bedroht erschien die höchstehrwürdige Amme Der Wissenschaft durch ihre Jünger schon — Doch lausch'' ich näher, hinter aW den Jon Von Recht und Unrecht, Streit und Widerstreit, Klingt mir ins Ohr die Indikation, Die meist am Platze ist seit Evas Zeit: Cherchez la femmel
(Zu den Professoren.) Ihr, werte Herren, weil ihr die Alten seid. Wollt offenbar davon nichts wissen. Denn hinter euch liegt nun schon ziemlich weit Wie leider mir, zu nicht geringem Leid! Der angenehme Drang nach den gewissen Gefühlen blindverzückter Seligkeit, Die ehemals wohl euch auch hingerissen. Doch, liebe Herr''n, bedenkt, die Jugend fühlt Die süße Hitze noch ganz ungekühlt 144
Und ist mit Recht des Feuers noch beflissen^ Das ungehändigt in den Adern wühlt. Drum lieht sie alles, was das Feuer sfeist: Den Tanz vorm Tor, Spiel im Komödienhaus. Glaubt mir, das Feuer löschtet ihr nicht aus. Und blieset ihr hinein gleich mit dem heiligen
Geist. TorgToschen, Stadtsoldaten und Dekrete Gegen Komödienspiel, was helfen sieP Es findet Hans doch immer seine Grete^ Und alles wirkt nur als Tracasserie! Exempli gratia: Die beiden Paare da. Was hat die ganze Brouillerie Im Grunde eigentlich erreicht? — Daß noch verliebter und verschlung'ner sie Jetzt, als vordem — wie hier Figura zeigt. Beim Pfeil Cupidos! Höchstgelehrte Herren, Wir täten gut, uns weiter nicht zu sperren!
(Mit Betonung.) Man wünscht an höchster Stelle, Pleiß-Athen Im Friedenspalmenschmuck wie sonst zu sehnt
(Leicht, aber bestimmt.) Ich sehe keinen Grund dagegen ein: Das junge Volk scheint schlimmer nicht zu sein Am Pleißenstrand, als wo die kaffeegelbe Sanftmütige Elbe Ihre Wogen rollt;
Es hat sich 'mal ein bißchen ausgetollt Und wird, wenn ihr^s in eurer Weisheit wollty Euch sicher gerne um Verzeihung bitten,
Daß es die Linie des Respektes Durch allzu feurig unkorrektes Benehmen unbesonnen überschritten. Dafür sollt ihr,
(mit kaum merklicher Ironie) wie sich^s versteht, In voller Freiheit und Autorität Euch väterlich geneigt erklären, Nochmals Gehör ihm zu gewähren In punctis ligitantibus
(höflich, aber deutlich): Wobei euch Serenissimus
(nimmt den Hut ab, worauf alle übrigen das gleiche tun) Empfiehlt, mit Milde zu verfahren Und in dem Streite mit der Stadtmiliz Verbriefte Freiheit akademischer Justiz Mit aller Festigkeit zu wahren.
(Setzt seinen Hut auf und läßt sich wieder auf den Sessel nieder.)
V. Saling und Oehmichen. Der Graf von Luxenburg, er lebe hoch, er lebe hoch!
Studenten, Scharmanten und Bürger. Der Graf von Luxenburg, er lebe dreimal hoch!
V. Saling und Oehmichen. Den Krieg hat er beendet. Studenten, Scharmanten und Bürger. Er lebe hoch! Er lebe hoch! 146
V. Saling und Oehmichen. Und Friede uns gespendet. Studenten, Schartnanten und Bürger. Er lebe dreimal hoch!
Alle (wiederholen das Ganze).
V. Saling (vor den Rektor hintretend). Vivat der Magnificus/ Machten wir ihm auch viel Verdruß, Wird er uns pardonnieren, Bitten wir ihn recht höflich drum, Vallaleri, vallerum, pum, pum, Wollen's auch nie mehr probieren.
Die Studenten.
Vallaleri, vallerum, pum, pum, Wollen's auch nie mehr probieren.
Der Rektor. Also denn: absolvo vos. War eure Keckheit auch unerlaubt groß. Es sei vergessen, was geschah!
Die Studenten. Vivat academia, Vivant projessores! Vivat membrum quodlibet, Vivant membra quaelibet, Semper sint in fiore!
Die beiden Schreege (nachdem sie während dieses Chorliedes eifrig auf den Rektor eingesprochen hahen^ immer auf Oehmichen und Amalie hinweisend). Aber der da, Der Debaucheur da, Ist auch dessen Verbrechen vergessen? Weh, weh, weh, Magni-, Magnijice!
Die Studenten.
Pereat Schreegolium, Pereant philisti, Schreege atque schreeguli, Schreege atque schreeguli, Nobis odiosil
Der Rektor (der schon während dieses Chorliedes durch Achselzucken angedeutet hat, daß er ihnen
nicht zu Willen sein kann). Was geschehen ist, ist geschehen. Meine werten Herr''n, Sie seh^n: Die öffentliche Stimme Erschallt in lautem Grimme. Das beste ist, wenn Sie nach Hause geh'n,
Oehmichen und Amalie.
Herr Schreege hat uns arretiert, Ei schönen Dank, Herr Schreege! 148
Das Schicksal hat uns kopuliert,
Nun geVn Sie Ihrer Wege.
Im Karzer wurden wir getraut,
Sie suchen sich wohl eine andre Braut,
Herr Schreege! Herr Schreege!
Die Scharmanten
(Rübchen schabend). Atsch, ätsch, ätsch! Die Sache, die ging latsch! Der schöne Meisenkapitän Muß ohne Braut nach Hause geh^n. Atsch, ätsch, ätsch! Die Sache, die ging latsch!
Die beiden Schreege (zum Rektor). Sie wären^s imstande und lassen uns ziehen Und pardonnieren auch sie und ihn?
Der Rektor. Ich pardonniere. Ja, ich pardonniere sie! Ich konstatiere, Jüy ich konstatiere Ein fait ac-com-pli.
Der Graf. Das hat noch nie geschadet, es zeigt den
klugen Mann, Wer mit Verzeihung billigt, was er nicht ändern kann.
Oehmichen und Amalie
(zum Rektor, nie der knie end).
Mit glückerregten, wonniggleichen Schlägen
Dankt dir, o Vater, unser Herz, und
schwört. Daß es, erfüllt von deinem Vatersegen^ Nun dir wie uns voll Seligkeit gehört.
Der Rektor
(hebt beide auf; sie küssen ihm die Handy
er küßt sie auf den Mund).
Der Graf, So ist besiegelt denn der Friedensschluß Mit einem väterlichen Dopfeikuß. Xwei Paare sind der löbliche Efeki Des Musenkriegs, der uns so sehr erschreckt^ Und wieder zeigt es sich, daß der Patron Cupido oftmals krause Wege geht. Wenn ihm der Sinn auf^s Heiratstiften steht. Für diesmal wählte er Rebellion Und stellte, o der ganz infame Trofft Für vier Verliebte alle Professoren Und Studiosen auf den Kopf. Er wäre wert, man zög^ ihn an den Ohren. Indessen schließlich hat er'*s gut gedreht: Der Bürger kriegt sein Geld, die tapferen
Scharmanten Behalten ungestört die teueren Amanten, Und wenn der nächste Tag in's schöne
Sachsen geht. Wird das Colleg so voll wie die Komödie sein. 150
(Auf die beiden Schreege blickend.) Allein, allein: Was seh'' ich da?
Zwei wackere Bürger steh'n beiseit\ Tapfre Verfechter der Obrigkeit, Denen, so scheint's, zur Unzufriedenheit Gereicht, was hier geschah. Das darf nicht sein! ff'er für die Ordnung ficht, Den läßt die Regierung ohne Belohnung nicht. Und hat er fVunden dabei emffah'n, fVird ihm ein Pflaster darauf getan. Es ist mir eine angenehme Pflicht, Den beiden Ordnungskämpen ohnegleichen Den Lohn für ihren Bürgersinn Auf allerhöchsten Befehl zu überreichen. (fVinkt einem seiner Begleiter, der ihm ein Etui übergibt.) Hier, meine Herren, nehmen Sie hin, JVas Serenissimus Ihnen schickt. (Gibt Schreege sen. und jun. einen Orden.)
Schreege sen. Wir sind, wir sind . . .
Schreege jun. O Gott, wir sind . . .
Schreege sen. und jun. Exzellenz, wir sind beglückt.
Studenten, Scharmante und Bürgsr (in Abteilungen mit leisem Hohn). Sie sind, sie sind, O Gott, wie sind Die Schreeges nun beglückt!
Doppelsextett. Der Rektor und der Graf. Kann er auch die Braut nicht haben. Gibt es doch noch andere Gaben.
Jettchen und der Renommist (dasselbe)^
Wopf und Ellebein. Können wir nur Bezahlung haben. Brauchen wir keine anderen Gaben.
Schreege jun. und sen.
Kann { \ auch die Braut nicht haben.
\ er \
Gibt es doch noch andere Gaben.
Oehmichen und Amalie. Darf ich nur mein Malchen Darf ich meinen Hans nur Brauch^ ich keine anderen Gaben.
\ haben.
V. Saling und Sophie. Darf ich nur mein Fiekchen \ l l Darf ich meinen Franz nur f ''
Brauch^ ich keine anderen Gaben. 152
Alle Paare des Sextettes.
Jeder kriegt, was ihm gebührty Amor hat es gut geführt.
Schlußchor.
Alle.
Jeder kriegt, was ihm gebührt,
Amor hat es gut geführt;
Der den Musenkrieg erregt.
Horcht, wie er die Flügel schlägt:
Surr, surr, surresum,
Der Musenkrieg ist aus und um.
Der Renommist (mit höchstem Stimmenauf wand).
Tara tandara, pum, pum/
Alle. Aus — und — um/
(Forhang.)
PT Bierbaum, Otto Julius
2603 Der Musenkrieg
I25MB
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