S cheiße, Scheiße, Scheiße!
Wenn ich bloß nicht so besoffen wäre!
Dann würde ich nicht nur wissen , dass das eine extrem beschissene Idee war, sondern ich würde auch danach handeln! Aber dieser Kerl reizte mich, wann immer ich auf ihn traf!
Von klein auf hatte ich an seinem und Sawyers Rockzipfel gehangen, war ihnen überallhin gefolgt, er war mein Held gewesen!
Ich hatte zu ihm aufgesehen, hatte immer wieder versucht, seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Da ich nicht halb so viel Hirn hatte wie Marcus, hatte ich wieder und wieder versucht, ihn zu reizen und herauszufordern. Er sollte mich bemerken, verdammt noch mal und das hatte sich in den letzten Jahren nicht geändert.
Doch mittlerweile war er Arzt!
Himmel, er stand so weit über mir! Ich war ein besserer Barkeeper in der Kneipe meines Vaters, also nichts, was auch nur im Entferntesten etwas wert war oder Prestige bedeutete. Mann, ich war so winzig im Verhältnis zu Marcus und er war so … süß. Er war betrunken und immer noch unerreichbar für mich.
Und genau das reizte mich noch mehr, verdammt nochmal!
Also hatte ich mich so schnell es ging von meinem Bruder verabschiedet und war ihm hinterhergerannt. Nicht, dass ich gewusst hätte, was ich ihm sagen sollte, aber ich war so betrunken, dass ich nicht mehr klar denken konnte oder wollte! Ich wollte diesem hochnäsigen Eichhörnchen das Fell gegen den Strich kämmen. Ich wollte ihm zeigen, dass ich mich nicht von seiner gestelzten Art einschüchtern ließ. Wie er sich immer so grüblerisch, schweigsam und beobachtend im Hintergrund hielt und ich mir wie unter dem Mikroskop vorkam!
„Hey Wiesel! Warte mal! Ich glaube, du hast etwas verloren!“, ich weiß, das war nicht der netteste Satz, den man sagen konnte. Aber Marcus brachte einfach immer das Schlechteste in mir hervor.
Doch ich erreichte eine Reaktion von dem aalglatten Doktor.
Verdammt, er war immer noch süß und betrunken und …
„Was willst du, Mason? Ich vermisse nichts?!“
Marcus wankte ein wenig, wie er so vor mir stand, die Arme vor der Brust verschränkt.
Natürlich fehlte dem perfekten Doktor nichts, wie sollte es auch sein, dass er etwas anderes als perfekt war?!
„Also sag schon, was ist so wichtig, dass du mich davon abhältst, endlich in mein Bett zu kommen?“
Ich schüttelte kurz den Kopf, um die überaus unwillkommenen Gedanken von Marcus in seinem Bett oder am besten noch in meinem Bett loszuwerden. Das durfte doch nicht wahr sein! Mein halbes Erwachsenenleben hatte ich mich dagegen gewehrt. Doch in einem kleinen Winkel meines Kopfs hatte ich immer gewusst, dass ich Marcus wollte! Dieser Typ zog mich an, mehr als jeder andere Mann, den ich je kennengelernt hatte.
Es musste eindeutig am Bier liegen, denn das, was ich jetzt tat, war das allerallerallerletzte. Aber ich kam gegen den inneren Drang einfach nicht an! Ich trat einen Schritt näher an Marcus heran, so nah, wie wir uns nie gewesen waren und dann presste ich meine Lippen auf seine! Marcus machte einen Ton, der halb nach Überraschung, halb nach Unglaube klang, doch dann öffnete er mir für einen wundervollen und intensiven Moment seinen Mund, lud mich ein, gab sich mir hin und schien mich, das, uns wirklich zu wollen! Er krallte sich an meiner Jacke fest und schob sich näher an mich heran! Er schmeckte nach Bier und Mann, verboten und einladend!
Irgendwas in meinem Hirn klickte ein, so als wäre dieser Kuss ein Versprechen auf so viel mehr, auf alles! Doch das musste der Alkohol sein, der aus mir sprach! Mit Sicherheit war dies nur ein blöder, unbedeutender und besoffen-unbeholfener Kuss. Eine Art Rache dafür, dass Marcus immer so aus dem Ei gepellt war, immer perfekt und glattgebügelt! Aus keinem anderen Grund hatte ich ihn geküsst! Natürlich war Marcus auch auf seine Art sexy und heiß, aber – scheiße! Wir redeten von Marcus, dem besten Freund meines Bruders, dem Mann, der mir noch nicht mal die Tageszeit sagte, wenn es nicht sein musste.
Und doch fühlte er sich gut und richtig in meinem Arm an, so als würde er genau dorthin gehören. Als wäre er …
Bevor ich den Satz zu Ende denken konnte und damit meinen Körper und meinen Geist auf eine Idee bringen würde, die überaus überaus überaus schlecht war, schien Marcus‘ Verstand seinen Dienst wieder aufzunehmen. Er beendete den Kuss, versetzte mir einen heftigen Stoß gegen die Brust und wischte sich mit einer Miene, die ich nicht deuten konnte, mit dem Handrücken über den Mund.
Er starrte mich einen Moment an und sagte dann: „Sag mal, Mason, spinnst du? Was sollte das? Wenn das einer deiner doofen Scherze sein sollte, dann bist du dieses Mal etwas zu weit gegangen! Ich … ich …“, er brach ab und wischte sich erneut über die Lippen. Gerade so, als wollte er meinen Geschmack loswerden. Dann starrte er mich wieder an und schüttelte nach einer gefühlten Ewigkeit den Kopf, als konnte und wollte er einfach nicht begreifen, was gerade zwischen uns passiert war. Und ich starrte zurück wie ein Idiot, wie einer, der zu blöd war zu begreifen, was los war. Hätte er mich angeschrien oder gelacht, dann hätte es mich vielleicht nicht so getroffen. Doch er war wie immer total beherrscht und sah mich an, als wäre ich ein kleiner dummer Junge.
„Es ist wohl das Beste, du gehst nach Hause und schläfst deinen Rausch aus, Mason, und dir zuliebe werde ich deinem Bruder nichts hiervon erzählen. Ich weiß, dass er dich mag und ich kann mir gar nicht vorstellen, was er von dir denkt, wenn er erfährt, wie … übergriffig du warst.“
Dann drehte er sich weg und ging weiter als wäre nichts geschehen.
Ich blieb stehen wie ein begossener Pudel, denn mein Hirn schien mir mitteilen zu wollen, dass ich gerade meinen Gefährten gefunden und direkt wieder verloren hatte!
Doch das war unmöglich, oder?
Wenn Marcus mein Gefährte war, dann musste er es doch auch gespürt haben? Das war keine einseitige Sache!
Ich brauchte Antworten, doch ich wusste nicht, mit wem ich darüber reden konnte.
Und vielleicht war das ja auch alles nur die Einbildung eines besoffenen Hirns!
Marcus, das Eichhörnchen, konnte unmöglich mein Gefährte sein!