Freitag, 31. Mai

Eefje und ich hatten gestern Nachmittag einen Termin mit dem Anwalt im Ruhestand, Victor Vorstenbosch (einundsiebzig). Ein ziemlich affektierter, von sich selbst eingenommener Mann, der sich, wie er selbst zugab, »zu Hause zu Tode langweilt«. Er freute sich auf die Aussicht, wieder mal etwas tun zu können. Sein altes Büro rufe ihn nicht mehr an, und das gefalle ihm nicht, das dürften wir schon wissen. Er wolle sich gern noch mal als schlauer alter Fuchs beweisen. Kurzum, er hatte so richtig Lust und wollte noch diese Woche alle Dokumente, die irgendwie mit der Betriebsführung unseres Heims zu tun hatten, bei der Direktion anfordern, unter Berufung auf das Gesetz der Öffentlichkeitspflicht staatlicher Einrichtungen. Diese Anfrage würde er in seinem eigenen Namen stellen. Eefje machte die kluge Anmerkung, dass unser Heim keine öffentliche Einrichtung war und dass dieses Gesetz daher vielleicht nicht das passende war. Ja, da habe sie schon recht, gab Victor zu. Er würde das bei seiner Suche nach den Vorschriften und Statuten im Hinterkopf behalten.

Wir sollen die schriftliche Anfrage in ein paar Tagen bei ihm zu Hause einsehen, denn er hat im Lauf der Jahre sein Vertrauen in die Menschheit ziemlich weit heruntergeschraubt. »Das Briefgeheimnis in Altenheimen ist nicht viel wert, und sicher mailen geht erst recht nicht.«

Wir sind mitten in einem Spionageroman gelandet! Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, dass wir ein paar saftige Skandale zutage fördern.

Herr Schansleh, ein netter Mann aus dem dritten Stock, war bis zu seiner Übersiedelung ins Heim ein passionierter Taubenzüchter. Er kam nicht darüber hinweg: Da hatte ein Chinese 310000 Euro für eine belgische preisgekrönte Taube gezahlt. »Unglaublich, unglaublich«, wiederholte er immer wieder. Edward fragte sich, ob nicht die Gefahr bestehe, dass so eine teure Taube es sich nicht doch mal einfallen ließ, bei ihren Freunden auf dem Amsterdamer Hauptplatz einzuziehen. Oder dass sie von einem Jäger abgeschossen wurde, der sie zu Pastete verarbeitete.

»Ja, manchmal verschwinden Tauben tatsächlich spurlos«, sagte Schansleh düster. Er hatte im Lauf der Jahre selbst zig Tauben verloren.