Dienstag, 5. November
Ich dachte, dass Eefje es vielleicht schön fände, wenn ich ihr etwas vorlesen würde, denn sie war immer so eine fanatische Leserin. In ihrem Zimmer habe ich drei Bücher gefunden, die noch ungelesen aussahen.
Doch das war gar nicht so einfach. Die Abteilungsleiterin wollte mich erst nicht in Eefjes Zimmer lassen. Daraufhin bin ich zur Stelwagen gegangen, habe ihr die Situation auseinandergesetzt und darum gebeten, ein paar Bücher aus ihrem Zimmer holen zu dürfen. Das war die richtige Taktik – ich habe sogar einen Schlüssel bekommen, was eigentlich gegen die Regeln sein dürfte.
En passant hat mir unsere Direktorin mitgeteilt, dass das Zimmer bis zum 1. Januar leer übergeben werden müsse, wenn Eefjes Zustand sich nicht erheblich verbessert.
»Na, jetzt legen Sie die Regeln aber ganz schön locker aus.«
»Wenn nötig, nutze ich den Spielraum, der mir zur Verfügung steht.«
Eefje nickte, als ich vorschlug, ihr vorzulesen. Sie konnte wählen aus Jacoba von Simone van der Vlugt, Die Einsamkeit der Primzahlen von Paolo Giordano und Sarahs Schlüssel von Tatiana de Rosnay. Beim Letzten nickte sie. Ich hoffe, dass es kein allzu düsteres Buch ist. Im Nachhinein bin ich froh, dass sie sich nicht Jacoba ausgesucht hat, ein Buch über die mittelalterliche Gräfin Jakobäa von Bayern. Da lautet der erste Satz des ersten Kapitels nämlich: »Der Tod schwebt schon im Zimmer.« Das wäre ein unguter Anfang gewesen.
Ich habe in einer halben Stunde siebzehn Seiten vorgelesen. Das Buch hat 331. Wir haben also genug Worte für ungefähr zwanzigmal Vorlesen.
Nach dem Lesen fragte ich sie, ob es ihr gefallen habe. Sie nickte.