Dienstag, 29. Januar

Gestern Abend um Viertel vor sieben saßen fast alle Bewohner vor dem Großbildschirm im Gemeinschaftsraum bereit. »Oh, oh, was wird Beatrix wohl in ihrer Geburtstagsansprache sagen?« Und man höre und staune: Sie tritt ab. Ansonsten war ihre Rede ein bisschen enttäuschend. Die schlicht gestrickte Frau Groenteman fragte sich, ob die Königin jetzt wohl ins Altenheim geht.

Das Zimmer der gerade verstorbenen Frau De Gans ist eilends ausgeräumt worden, um es zum Monatsersten, nächsten Freitag, wieder vermieten zu können. Geschäft ist Geschäft, und Geld ist Geld. Die einzige Tochter des Gänschens bekam drei Tage, um die Sachen ihrer Mutter abzuholen und irgendwo einzulagern oder den ganzen Schotter gleich der Heilsarmee zu überlassen. Alternativ hätte sie einen weiteren Monat Miete zahlen müssen.

Sie hatte jemanden kommen lassen, der in den Gelben Seiten damit warb, ganze Haushalte für einen sehr guten Preis aufzukaufen, aber nach einem Blick auf die Hinterlassenschaft ging er sofort wieder. »Das ist die Mühe nicht wert.« Sehr subtiler Mann.

Zugegeben: Frau De Gans hatte weder Geld noch Geschmack.

Schließlich hat die Tochter sich ein paar Erinnerungsstücke ausgesucht und den Rest gratis einem Secondhandshop mit gemeinnütziger Ausrichtung überlassen. Sie hatte Frau Stelwagen um drei Tage Aufschub gebeten, aber keinen einzigen bekommen.

»Tut mir leid, es ist mir wirklich sehr unangenehm, ich würde es auch gern anders machen, aber ich muss mich an die Regeln der Direktion halten«, antwortete die Stelwagen scheinheilig. Wir sollten Anja mal fragen, ob das stimmt. Wenn das Heim die Räumung selbst organisieren muss, schicken sie den Angehörigen eine Rechnung von mindestens fünfhundertachtzig Euro, dabei ist das grade mal eine Stunde Arbeit.

Frau De Gans würde sich im Grab umdrehen, wenn sie das alles wüsste. Im Grab, in dem sie noch nicht mal liegt. Gestern Mittag bot sich Gelegenheit, Abschied zu nehmen, sozusagen der letzte Tag zum Anschauen. Die knallharten Gesetze des Seniorendschungels: anschauen und angeschaut werden. Heute Mittag wird sie begraben.

Sonntagmorgen saßen sämtliche Heimbewohner am Fenster und jubelten über den Regen. Endlich schmolz der Schnee weg! Sonntagmittag war es noch zu gefährlich, aber gestern haben die Rollatoren wieder massenweise die Straßen unsicher gemacht.

Und ich gebe zu, auch ich habe innerlich gejubelt, als ich meinen Spaziergang gemacht habe.