1997 inszenierte ich in Tokio die Oper CHUSHINGURA. Shigeaki Saegusa, der Komponist, hatte mich lange gedrängt, die Welturaufführung seines Werks zu übernehmen. Chushingura ist die japanischste aller japanischen Geschichten: Ein Feudalherr wird beim Ausrichten einer Zeremonie provoziert und beleidigt. Er zieht sein Schwert. Dafür wird er gezwungen, Seppuku, rituellen Selbstmord, zu begehen. Siebenundvierzig seiner Gefolgsleute rächen ihn zwei Jahre später, indem sie den Adeligen, der ihren Herrn zu Unrecht beleidigt hat, nachts überfallen und töten. Sie wissen, dass sie für diese Tat sterben werden. Ohne Ausnahme begehen alle siebenundvierzig Getreuen am selben Tag Selbstmord.
Shigeaki Saegusa ist ein in Japan sehr angesehener Komponist, zur Zeit der Inszenierung hatte er eine eigene Fernsehshow, man wusste von unserer Arbeit. Abends trafen sich die engsten Mitarbeiter zum Essen an einem langen Tisch. Saegusa kam verspätet, außer sich vor Aufregung. Herzog-san, sagte er. Der Kaiser habe signalisiert, er wolle mich zu einer Privataudienz einladen, falls die Anspannung so kurz vor der Premiere nicht zu groß sei. Ich antwortete: Um Himmels willen, ich weiß überhaupt nicht, was ich mit dem Kaiser anfangen könnte, das würde nur ein leerer Austausch formeller Floskeln. Ich spürte, wie sich die Hand meiner Frau Lena in meine krallte, aber es war zu spät. Ich hatte abgelehnt.
Das war ein Fauxpas, so furchtbar, so dumm, dass ich noch heute für ihn in den Erdboden versinken möchte. Um den Tisch waren alle Anwesenden zu Salzsäulen erstarrt. Niemand schien mehr zu atmen. Alle Blicke waren gesenkt, von mir abgewandt, eine lange Stille brachte den Raum zum Frösteln. Ich dachte, jetzt hat ganz Japan zu atmen aufgehört. Da, in die Stille hinein, eine Stimme: Wen denn, wenn nicht den Kaiser, ich sonst in Japan treffen wolle? Ohne zu denken, sagte ich: Onoda.
Onoda? Onoda?
Ja, sagte ich, Hiroo Onoda. Eine Woche später traf ich ihn.