Die Nacht wälzt sich in Fieberträumen, und schon beim Erwachen, wie ein kaltes Frösteln, ist die Landschaft ein zum Tag verwandelter, statisch knisternder Traum, der nicht vergehen will, zuckend wie schlecht verkabelte Neonröhren zucken. Seit dem Morgen flackert der Urwald in den rituellen Qualen einer elektrischen Verzückung. Regen. Das Gewitter ist so weit entfernt, dass der Donner nicht zu hören ist. Ist es ein Traum. Ist es ein Traum. Ein breiter Pfad, links und rechts dichtes Unterholz, faulende Blätter auf dem Boden, das Laub tropft. Der Dschungel verharrt in Starre, in geduldiger Demut, bis das Hochamt des Regens zu Ende zelebriert ist.
Dann dieses, als wäre ich selbst dort: Der Lärm von wirren Stimmen aus der Ferne; freudige Rufe kommen näher. Aus dem unbestimmten Dampf des Dschungels nimmt ein Körper Gestalt an. Ein junger philippinischer Mann kommt den leicht abschüssigen Pfad heruntergeeilt. Seltsam, beim Laufen hält er, was einmal ein Regenschirm war, jetzt nur noch ein Gerippe aus Draht und zerrissenem Stoff, mit der Rechten über dem Kopf und in der Linken ein großes Bolo-Messer. Dicht hinter ihm eine Frau mit einem Säugling im Arm, dann sieben oder acht weitere Dorfbewohner. Was die freudige Erregung veranlasst hat, ist nicht auszumachen. Sie eilen vorüber, nichts weiter geschieht. Die stetigen Tropfen aus den Bäumen, der stille Pfad.
Er ist nichts als ein Pfad. Und dann, auf seiner rechten Seite, direkt vor mir, bewegen sich einige der faulenden Blätter am Boden. Was war das? Ein Moment der Reglosigkeit. Dann beginnt sich ein Teil der Wand aus Blättern vor mir, etwa in Augenhöhe, zu bewegen. Langsam, sehr langsam, nimmt ein Blätter-Mann Form an. Ist er ein Geist? Was ich die ganze Zeit gesehen habe, aber nicht erkannte, obwohl direkt vor meinen Augen, ist ein japanischer Soldat. Hiroo Onoda. Selbst wenn ich gewusst hätte, wo er unbewegt stand, hätte ich ihn nicht gesehen, so vollständig ist er getarnt. Er nimmt die nassen Blätter von seinen Beinen, dann die grünen Zweige, die er sorgfältig an seinem Körper befestigt hat. Er greift nach seinem Gewehr im dichten Gestrüpp, neben dem er auch seinen getarnten Rucksack versteckt hat. Ich erkenne einen Soldaten etwas über fünfzig Jahre alt, drahtig; jede seiner Bewegungen außerordentlich vorsichtig. Seine Uniform besteht nur aus zusammengenähten Flecken, der Kolben seines Gewehrs ist mit Rindenstreifen umwickelt. Er horcht sorgfältig, verschwindet dann lautlos in die Richtung, in die die Dorfbewohner gelaufen sind. Vor mir ist noch immer der lehmige Pfad, jetzt aber neu, anders, dennoch derselbe, bloß erfüllt von Geheimnissen. War es ein Traum.
Der Pfad, etwas tiefer gelegen, hat sich hier verbreitert. Der Regen ist kaum noch ein Rieseln. Onoda studiert Fußabdrücke im Lehm, beständig horchend, beständig auf der Hut. Seine Augen, wach, schweifen ununterbrochen über die Umgebung. Die Stimmen der Vögel haben eingesetzt, unaufgeregt, als gäben sie ihm die Versicherung, dass Gefahr derzeit nur ein Wort in einem Lexikon ist, ein mysteriöser, diskreter Zustand der Landschaft. Auch das Summen der Insekten ist gleichmäßig. Ich beginne, mit Onoda zu hören, dass das Summen nicht aggressiv ist, nicht in Aufruhr. Von ferne das Rauschen eines Baches, obwohl ich noch keinen Bach gesehen habe, als würde ich die Geräusche wie Onoda zu übersetzen beginnen.