Eine japanische Flagge weht über einem großen Zelt. Ein Mann kann darin aufrecht stehen. Daneben das Zelt Suzukis. Onoda ist im Schilfgras bei dem Zusammenfluss der beiden Bäche gut versteckt. Er bewegt sich nicht. Nichts, keine philippinischen Soldaten, keine Reporter, es ist offensichtlich kein Hinterhalt. Suzuki kriecht aus seinem Zelt und beginnt, sich die Zähne zu putzen, fast genau an der Stelle, an der Onoda ist, ohne ihn zu bemerken. »Keine Bewegung«, sagt Onoda ruhig, sein Gewehr direkt auf den Hinterkopf Suzukis gerichtet.
»Onoda«, sagt Suzuki, »Hiroo Onoda.«
»Sie haben Ihr Wort gehalten. Drehen Sie sich um.«
»Ich habe Ihren kommandierenden Offizier aus Tokyo bei mir«, sagt Suzuki in die Mündung des Gewehrs hinein, »Major Taniguchi.«
»Und sonst?«
»Niemand sonst. Nur eine Abteilung des philippinischen Elite-Armeekorps erwartet Sie am Hügel Fünfhundert.«
»Bewaffnet?«, will Onoda wissen.
»Ja, aber sie werden ihre Waffen Ihnen zu Ehren präsentieren.«
»Wo ist mein kommandierender Offizier?« Onoda ist vorsichtig. »Ich muss von einer Kriegslist ausgehen.«
»Herr Major«, ruft Suzuki, »könnten Sie bitte heraustreten. Leutnant Onoda ist hier.«
Aber der Major lässt sich nicht blicken, er hat seine Stiefel noch nicht an. Onoda nimmt Aufstellung beim Eingang des großen Zelts. Von innen nesteln Hände an dem Verschluss. Taniguchi tritt heraus, ein alter Mann, leicht gebeugt, weißhaarig, achtundachtzig Jahre alt.
»Leutnant«, sagt er, »ich erkenne Sie. Sie sind ein erwachsener Mann geworden.«
Onoda salutiert, tritt zwei Schritt zurück und präsentiert sein Gewehr.
»Erkennen Sie mich?«, fragt Taniguchi.
»Herr Major, ja.« Onoda nimmt noch straffer Haltung an.
»Ich werde Ihnen jetzt die Anweisungen des Armeehauptquartiers verlesen.« Taniguchi trägt gar keine Uniform, lediglich ein Armeehemd und eine Schirmmütze der Spezialeinheiten. Formell hält er ein Blatt Papier mit beiden ausgestreckten Händen vor sich. »In Übereinstimmung mit dem kaiserlichen Kommando haben die vierzehnte Armee und alle anderen japanischen Einheiten jegliche Kampfhandlungen eingestellt. Einheiten unter dem Kommando der Speziellen Kampfführung beenden hiermit sofort alle Feindseligkeiten. Sie begeben sich unter das Kommando der philippinischen Streitkräfte und befolgen deren Anweisungen.«
Onodas Gesicht ist reglos. Er salutiert.
»Leutnant, Ihr Krieg ist zu Ende.« Weil Onoda wie erstarrt ist, fragt Taniguchi nun in ganz persönlichem Ton: »Leutnant, wie fühlen Sie sich?«
Onodas leeres Gesicht verrät nichts, erscheint wie in Totenstarre. Er antwortet mit steinernem Gesicht: »Herr Major, ein Sturm tobt in mir.«
»Wegtreten, Leutnant«, sagt Taniguchi. »Der Form halber habe ich hinzuzufügen, dass dieser Befehl nun in Kraft tritt, heute, null achthundert Uhr am neunten März 1974.«
Als habe ihn ein Keulenschlag von hinten in die Kniekehlen getroffen, geht Onoda in die Hocke. Der Major ist überrascht. »Was ist mit Ihnen, Leutnant?« Aber Onoda hat es die Sprache verschlagen.
»Sprechen Sie«, ermuntert ihn Taniguchi.
»Wenn dies heute der neunte März ist«, sagt Onoda fassungslos, »dann bin ich mit meinem Kalender um fünf Tage hinterher.«
»Sie sind neunundzwanzig Jahre hinterher«, antwortet Taniguchi.
Auf dem Weg zur Anhöhe Fünfhundert bittet Onoda, einen Umweg machen zu dürfen. Er will sein Schwert aus dem Versteck im Baumstamm holen. Das Schwert ist in bestem Zustand, ohne jeden Hauch von Rost. Die Sonne blitzt auf der Schneide. Bis zum letzten Moment, so wird Onoda später eingestehen, habe er gehofft, der Major werde sich ihm vertraulich zuwenden und ihm erklären, dies alles sei nur eine Theaterinszenierung gewesen, man habe nur seine Standhaftigkeit auf die Probe stellen wollen.