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Spannende Neuigkeiten!
Kaum war Flora mit ihrer Mutter wieder zu Hause, klingelte das Telefon. Es war Zoe! Sie wollte Flora nur schnell sagen, wann ihre Mutter sie morgen bei ihnen vorbeibringen würde. Und dann hatte sie noch Neuigkeiten, die sie Flora sofort erzählen musste. Der kleine Kauz, den sie damals im Stadtpark gerettet hatte, war nämlich auf Burg Federstein gelandet!
»Was??« Flora glaubte, sich verhört zu haben. »Woher weißt du das denn?«
»Ich habe mit meiner Mutter die Nummer von der Vogelstation herausgefunden, zu der ihn die Polizisten gebracht haben«, erklärte Zoe. »Ich wusste doch, dass du an ihn denkst, und auch ich wollte wissen, wie es ihm geht.«
Flora hätte Zoe am liebsten durch den Hörer gezogen und an sich gedrückt. Wie lieb von ihr! Sie kannte Flora wirklich gut. Denn tatsächlich war ihr der kleine Waldkauz nicht mehr aus dem Kopf gegangen.
»Die Leute von der Vogelstation haben ihn ein paar Tage aufgepäppelt«, berichtete Zoe nun weiter. »Am Anfang hat er wohl schlecht gefressen und war sehr scheu. Sicher hat er auch seine Familie oder überhaupt andere Käuze vermisst. Aber gestern ist er zu den Luftingers gekommen, und die sind ja spezialisiert auf Eulen. Da geht es ihm bestimmt gut. Sie sollen ihn auswildern, damit er im Wald leben und dort ein neues Zuhause finden kann.« Zoe legte eine kurze Pause ein: »Rate mal, wie sie ihn genannt haben«, fragte sie dann.
»Keine Ahnung«, erwiderte Flora nach kurzem Nachdenken. Da kam sie sowieso nicht drauf. Aber so wie Zoe klang, musste der Name auf jeden Fall lustig sein.
»Johann!«, erklärte Zoe und kicherte. »Weil er im Johann-Wolfgang-von-Goethe-Park gefunden wurde.«
Flora dachte, dass sie diesen Namen eigentlich nicht sehr passend fand. Was hatte denn dieser süße Kauz mit einem Dichter zu tun, der vor Hunderten von Jahren gelebt hatte? Aber das war ja eigentlich egal, denn das Wichtigste war, dass es Johann gut ging. Floras Herz krampfte sich zusammen, als sie sich vorstellte, wie der arme Vogel einsam und ängstlich in seinem Käfig saß.
»Sobald du da bist, gehen wir nach Federstein und besuchen ihn«, verkündete sie entschlossen. Ob Johann sie wohl wiedererkannte?
»Na ja, vorher darf ich dir vielleicht noch schnell zum Geburtstag gratulieren?«, fragte Zoe.
Ein Lächeln huschte über Floras Gesicht. »Klar, das darfst du!«
Gleich nach dem Mittagessen hatte sich Flora mit Miri auf dem Reiterhof verabredet. Doch kurz bevor sie loswollte, rief Miri an und sagte ab, weil ihr was dazwischengekommen war. Auf Floras Nachfrage, was sie damit meinte, druckste sie nur komisch herum, sie müsse irgendetwas »dringend erledigen«. Flora war sauer und legte mit einem knappen »Tschüss« auf. Warum verriet Miri denn nicht, was los war?
»Sei nicht traurig, dann klappt es eben ein anderes Mal«, versuchte Frau Faltin, sie zu trösten. Doch Flora starrte nur wütend zu Boden. Darum ging es gar nicht! Sie fand es unmöglich von Miri, sie so kurz vorher mit irgendwelchen laschen Ausreden zu versetzen. Das machte man nicht unter Freunden!
»Warum kommst du nicht mit mir zum Laden?«, schlug Frau Faltin vor. »Magda hat erst gestern gesagt, dass Zorro dich vermisst. Du warst schon länger nicht mehr mit ihm spazieren. Er würde sich bestimmt riesig freuen.«
Bei dem Gedanken an den übermütigen schwarzen Labrador der Mühlenbesitzer war Flora gleich ein bisschen milder gestimmt und merkte: Auch sie vermisste Zorro!
Also fuhr sie mit ihrer Mutter zu der alten Dorfmühle, in deren Laden Frau Faltin arbeitete. Kaum waren sie angekommen, schoss Zorro über den Hof. Aufgeregt stemmte der Labrador die Pfoten in Floras Bauch und schaute hechelnd zu ihr hoch. Sie sah die Freude in seinen Augen und fand, dass es aussah, als ob er lachte.
Schnell holte Flora noch die Leine, und dann ging es los. Zorro zog ganz schön, und Flora war froh, als sie ihn bei den Wiesen loslassen konnte. Wie ein Pfeil schoss er davon, bis er plötzlich verharrte, den Kopf witternd in die Luft hielt und dann weiterraste, immer mit der Nase am Boden.
»Zorro, hiiier!«, rief Flora, doch Zorro drehte sich nicht einmal um. Oje, er musste irgendeine Spur aufgeschnappt haben! Vielleicht von einem Hasen? Schon stürzte sich Zorro hinter einen Baum und tauchte kurz darauf … mit einer Papiertüte auf! Er hielt sie mit den Vorderpfoten fest und begann, sie zu zerreißen.
»Nein, Zorro. Aus!« Flora raste los. Von wegen Hase! Sie kannte keinen Hund, der so verfressen war wie Zorro. Gerade rechtzeitig zog sie ihn weg, bevor er in ein verschimmeltes Brötchen beißen konnte.
Enttäuscht schaute er Flora an und blickte auf das Stück vertrocknete Wurst, das herausgefallen war.
»Das ist doch eklig«, sagte Flora angewidert, aber Zorro schien da anderer Meinung zu sein. Wenn sie ihn losgelassen hätte, wäre die Wurst sicher mit einem Happs in seinem Maul verschwunden.
Flora leinte ihn wieder an und ging weiter. Was für eine unglaublich feine Nase Zorro hatte! Auf so viele Meter Entfernung hatte er diesen Leckerbissen gerochen. Wenn er doch auch vermisste Kauzeltern finden könnte, dachte Flora und seufzte. Vielleicht haben sie ja irgendeine Spur hinterlassen? Ob Goldwing die wohl riechen könnte? Aber Flora hätte sie sowieso nicht in den Stadtpark bringen können. Er war ja viel zu weit weg. Doch womöglich hatte Goldwing eine andere Idee, wie sie Johanns Eltern finden konnten? Flora brannte darauf, ihr zu erzählen, dass der kleine Kauz auf Federstein gelandet war.
Tatsächlich begannen Goldwings Augen sofort zu leuchten, als Flora ihr später im Garten die Neuigkeiten verkündete.
»Wirklich, hier bei uns auf Federstein?«, fragte sie ungläubig. »Was für ein Zufall!«
»Na ja, nicht unbedingt«, meinte Flora. »Die Luftingers sind ja spezialisiert auf Eulen. Das ist schon klar, dass Johann hier besser geholfen werden kann als auf einer Vogelstation, die sich vermutlich eher um verletzte Tauben kümmert. Die Luftingers sollen ihn auswildern, damit er wieder in Freiheit leben kann.«
»Super! Dann kann ich mich um ihn kümmern«, freute sich Goldwing.
Flora nickte. »Das wäre gut, denn er vermisst sicher seine Familie. Der Arme! Ich will ihn auf jeden Fall gleich morgen mit Zoe besuchen. Und wer weiß? Vielleicht kannst du mit deinen Zauberkräften sogar seine Eltern finden?«
Goldwing schaute Flora verwundert an, doch dann nickte sie. »Ja, schon möglich. Da muss ich mal drüber nachdenken. Aber wir haben schließlich schon viel geschafft, sogar das Vermächtnis der Ureule bewahrt und damit Athenaria gerettet«, stellte die kleine Eule voller Stolz fest.
»Ja, genau!«, bestätigte Flora. Da fiel ihr wieder ein, was ihr heute beim Filzen durch den Kopf gegangen war. »Wir haben nur noch nicht herausgefunden, woher die Ureule ihre Zauberkraft bekommen hat.«
Goldwing hob den Kopf und blickte schweigend in den Himmel. »Ich glaube, es gibt nicht auf alle Fragen eine Antwort.«
»Könnte sein«, gab Flora zu. »Aber auf diese vielleicht doch? Irgendwann, eines Tages?«
»Du lässt nicht locker, was?«, fragte Goldwing, und Flora hörte das Schmunzeln in ihrer Stimme. »Eines Tages kann viel sein, doch wer weiß das schon. Heute, morgen und übermorgen – das ist erst einmal spannender, oder?«
Nun musste auch Flora schmunzeln. Das stimmte natürlich. Schließlich war übermorgen ihr Geburtstag! Voller Begeisterung erzählte sie Goldwing von den lustigen Alpakas und wie lieb sie waren. Außer zu dem armen Moritz. Der tat auch Goldwing leid, und sie ließ sich von Flora erklären, wo die Farm lag. Da wollte sie demnächst mal vorbeifliegen und nachsehen, ob sich der Neuling nun besser eingelebt hatte.
»Moritz soll Freunde finden, denn ohne Freunde ist doch alles nur halb so schön«, wünschte sich Flora.
Goldwing trippelte auf ihrem Zweig ein bisschen näher und drückte den Kopf gegen Floras Bauch. Ihre Augen schienen noch ein bisschen heller zu leuchten, als sie zu ihr hochblickte.
»Und mit dir als Freundin ist alles hundertmal so schön«, sagte sie leise.
Flora lachte. Mit Goldwing als Freundin war es sogar tausendmal so schön!