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Neue Freunde

Als Flora daheim ankam, war ihre Mutter schon in der Küche mit dem Geburtstagskuchen beschäftigt. Flora durfte ein bisschen mithelfen, aber vor allem wollte sie natürlich von dem leckeren Teig naschen.

»Den Rest schaffe ich alleine«, meinte ihre Mutter, als sie die Backform in den Ofen schob. »Schließlich soll der Kuchen noch eine Überraschung sein. Und das Wohnzimmer ist jetzt topgeheimes Geheimgebiet! Da packe ich nämlich gleich deine Geschenke ein.«

Bei dem Gedanken an die hoffentlich vielen Päckchen wurde Flora ganz kribbelig. Würde sie die neuen Turnschuhe bekommen, die sie so gerne haben wollte? Und was war mit dem Rest ihrer Wunschliste? Doch sosehr Flora ihre Mutter auch löcherte, sie verriet kein Sterbenswörtchen.

»Papa, kannst du mir mit meinem Geschenk helfen?«, fragte Felix da und zog Herrn Faltin in sein Zimmer. »Betreten verboten!«, rief er Flora noch zu, bevor er die Tür mit einem lauten Wums zuschlug.

Flora stand etwas verloren auf dem Gang herum. Sie beschloss, schon mal Zoes Matratze für morgen herzurichten, denn an ihrem Geburtstag hatte sie für so was absolut keine Zeit. Da musste sie schließlich ihre Geschenke auspacken, ganz viel Kuchen essen, und dann wollten sie ja noch nach Federstein. Das würde ein toller Tag werden! Aber richtig perfekt wäre er erst, wenn sie es heute Nacht schafften, Moritz zu helfen.

Flora atmete erleichtert auf, als schließlich alle ins Bett gingen. Ihre Mutter schaute noch mal schnell zu Flora rein.

»Schlaf gut in dein neues Lebensjahr«, wünschte sie ihr leise. Flora nickte und lächelte. Wenn ihre Mutter wüsste …

Flora zählte die Minuten auf ihrem Wecker, bis es endlich ganz still war. Dann zog sie sich leise an und schlich nach draußen. Sie kletterte über den wackligen Zaun am Ende des Gartens, lief über die Wiesen und musterte dabei suchend den Waldrand. Da löste sich ein Schatten aus den Bäumen, und Goldwing kam angeflogen. Dahinter sah Flora etwas Weißes zwischen den Stämmen aufblitzen – Moritz! Gemeinsam machten sich die drei auf den Weg. Flora war dankbar um die dicht stehenden Tannen. Sie schützten sie vor fremden Blicken, auch wenn so spät vermutlich niemand mehr unterwegs war.

Als sie die Farm erreicht hatten, hielten sie sich erst eine Weile versteckt. Aber in dem alten Bauernhaus waren die Lichter erloschen, und auch das Stallgebäude lag verlassen da. Flora verwandelte Goldwing und betrat mit Moritz die Wiese. Je näher sie dem Stall kamen, desto langsamer wurde er. Flora ging zu ihm und legte den Arm um seinen Hals. Sie ahnte, wie schwer es Moritz fiel, hierher zurückzukehren. Zögernd folgte er ihr, doch als sie die Stalltür zur Seite schieben wollte, stellte sie erschrocken fest: Sie war verschlossen!

Alarmiert blickte Flora hoch zu Goldwing, die flügelschlagend in der Luft verharrte.

»Ich schau mich mal um«, raunte sie Flora zu und flog los. Flora versteckte sich mit Moritz neben dem Stall, damit die Hoppes sie vom Haus aus nicht sehen konnten, falls sie zufällig aufwachten. Trotzdem hatte sie ein mulmiges Gefühl im Bauch und war froh, als Goldwing nur wenig später zurückkehrte.

»Da ist ein Spalt zwischen Dach und Stallwand, durch den ich reinkommen kann«, berichtete sie.

Flora fiel ein Stein vom Herzen. Was für ein Glück!

»Wartet am besten am Waldrand auf mich«, fuhr Goldwing fort und rief auch Moritz ein paar kurze »Huhs« zu, bevor sie wieder verschwand.

Schnell gingen Flora und Moritz zurück und standen schweigend nebeneinander. Moritz trat unruhig von einem Bein aufs andere, und Flora wünschte sich, sie könnte mit ihm reden. Aber sie war ja selbst ganz nervös. Warum dauerte das denn so lange?

Da tauchte Goldwing endlich wieder auf. Noch bevor sie auf einem der Zweige gelandet war, rief sie Flora zu: »Es ist alles gut!«

»Juhu!«, jubelte Flora und schlug sich sofort die Hand vor den Mund. Nicht, dass sie die Hoppes aufweckte. Glücklich strahlte sie Goldwing an. »Dann kann Moritz also wieder zurück?«

Goldwing nickte. »Die Alpakas waren richtig froh, dass es Moritz gut geht. Sie hatten sich schon Sorgen gemacht. Und jetzt haben sie auch verstanden, dass er nicht trödelt, um sie zu nerven. Ein paar haben sogar gemeint, sie würden sich gerne mal eine Geschichte anhören. Und mit Bruno hab ich zum Schluss unter vier Augen gesprochen. Er ist eigentlich ganz nett, fühlt sich eben nur für alles verantwortlich, weil er der Älteste ist. Er sieht Moritz nun anders und will genauso wie die anderen, dass er zurückkommt.«

»Das ist ja super!« Flora riss vor Freude beide Arme in die Luft. Und auch in Moritz’ Augen trat ein Leuchten, als Goldwing ihm alles erzählte. Glücklich strahlte er die kleine Eule an. Sie wollte mit ihm hier warten, bis er morgen früh zurück in den Stall konnte. Flora drückte Moritz zum Abschied noch mal ganz fest an sich. Bald schon durfte er seine Geschichten erzählen – so viele er wollte!

Goldwing begleitete Flora bis zum Waldrand und landete auf einem Baumstumpf, damit Flora sie verwandeln konnte.

»Nur noch ein paar Stunden, dann kann ich dir gratulieren«, freute sich die Eule. »Ein kleines Geschenk habe ich auch für dich.«

»Aber du hast mir doch schon was geschenkt«, erwiderte Flora. Und als Goldwing sie fragend anschaute, fügte sie lächelnd hinzu: »Na, dass es Moritz wieder gut geht!« Sie drückte Goldwing einen Kuss genau zwischen ihre puscheligen Ohren. »Du bist eben die beste Zaubereule der Welt. Selbst, wenn es diesmal gar keine Magie gebraucht hat.«

Goldwing nickte. Sie fuhr mit ihrem Flügel über das Freundschaftsband an Floras Handgelenk und schaute Flora glücklich an.

Nun würde auch Moritz Freunde haben. Was gab es Schöneres?