Steckbrief: Jorge Vásquez Viaña
Geboren in La Paz, am 5. Januar 1939, stammt aus einer angesehenen bolivianischen Familie. Sohn des bekannten Schriftstellers und Historikers Humberto Vásquez Machicado und der Elvira Viaña Canedo. Schließt seine Schulbildung an der La Salle Schule in La Paz ab, reist 1957 nach München und studiert dort Geologie. 1958 gründen sein Bruder Humberto und er in der Bundesrepublik eine »Gesellschaft bolivianischer Studenten«, zu deren Präsident Jorge gewählt wird. Sein Interesse an Politik bringt ihn in Verbindung zu mehreren intellektuellen Gruppen; seine marxistische Überzeugung festigt sich. In der Bundesrepublik heiratet er Rosa Zaunseder. Drei Kinder: Jana, Tupac und Antonio.
Nach seiner Rückkehr nach Bolivien, 1962, tritt er in die Kommunistische Partei ein und wird Herausgeber der offiziellen Parteizeitung Unidad. Mitglied der Militärkommission der Partei. Um das Leben der Proletarier kennenzulernen, geht er als Lehrer an die Schule der Eingeborenengemeinde von Collana. Mit mehreren anderen Kameraden, unter ihnen die Brüder Coco und Inti Peredo, reist er 1965 zur ideologischen Schulung und zur militärischen Ausbildung nach Kuba.
Im Juli 1966 kehrt er nach Bolivien zurück. Zwischen August und September hilft er das Guerillaunternehmen vorbereiten. Er arbeitet rastlos bei dem Ausbau der Operationsbasis mit und kommt zeitig nach Ñancahuazú. Der Gefangene Choque Choque berichtet von seiner eisernen Disziplin, seiner hohen Intelligenz und seiner Führungsrolle im Basislager. Gibt Unterricht in Guerillatheorie, ist bei seinen Kameraden im Lager sehr beliebt. Sie sehen in ihm den zukünftigen Führer der bolivianischen Revolution und Nachfolger Che Guevaras, falls dieser, wie geplant, nach Anlaufen der Guerilla, das Land wieder verlassen würde.
Wird am 27. April 1967 in der Umgebung von Monteagudo verwundet. Wandert durch die Gegend, allein, ohne Karte. Ein Bauer entdeckt seine Spuren, macht Meldung auf der Polizeiwache in Monteagudo. Zusammen mit der Polizei überwältigt er Vásquez, der mit einer automatischen Waffe in der Hand, ausgestreckt im hohen Gras liegt. Der Bauer schießt auf Viaña. Der Polizeioffizier nimmt dem Bauer die Waffe weg und erklärt: »Den wollen wir lebendig.‹‹
Nach erster Hilfe wird der Verwundete in Camiri in das Hospital der Nationalen Petroleum Gesellschaft eingeliefert.
Am 11. Mai Eintragung auf der Krankenkarte: 11 Uhr. Patient wird auf Tragbahre von Dr. Antuñez und Armee-Offizieren zu einem Ambulanzwagen geschafft.
Protokoll über ein Gespräch zwischen Viaña und Dr. Manfredo Kempff Mercado, Senator der Legislative und Freund der Familie des Guerilleros.
Kempff: Warum hast du dich da nur hineingeritten?
Vásquez: Wegen der Dieberei, der Ausbeutung und der Ungerechtigkeit überall. Unser Land wird dem Imperialismus auf einem Tablett serviert.
Kempff: Aber damals, in den Tagen der MNR, war doch alles viel schlimmer, und du hast nicht bei den Guerillas mitgemacht?
Vásquez: Stimmt, damals gab’s noch keine Gorillas. (Gemeint sind bolivianische Offiziere, die für ausländische Interessen kämpfen.)
Kempff (nach einem Augenblick des Nachdenkens): Wenn dein Vater dich sehen könnte … dem wäre das bestimmt nicht recht.
Vásquez: Mein Vater hat zu seiner Zeit auch an einer Guerilla teilgenommen. Ich denke, er wäre stolz auf mich. Ich kämpfe, weil ich verhindern will, dass man unser Land an die Fremden verkauft.
Senator Kempff verspricht, alles zu tun, was in seiner Macht steht, um Vásquez zu helfen. Der Verwundete meint, er möge sich nicht um ihn sorgen.
In den folgenden Tagen - Verhöre. Der Gefangene gibt nichts preis. Brüche an beiden Händen.
Den wollen wir lebendig ...
Ein Agent des CIA erklärt: »Dieser Mann ist zu intelligent, als dass wir ihn leben lassen dürfen.« Empfiehlt, ihn bei passender Gelegenheit umzulegen.
Besuch des CIA-Agenten »Doktor« Eduardo Gonzáles bei dem Kranken, gibt sich als Journalist der Linken aus, zeigt gefälschte Papiere, weiß Einzelheiten über die Guerillaorganisation.
Vásquez lässt sich täuschen. Bestätigt, dass Che in Bolivien ist. »Ich war mit ihm in Ñancahuazú zusammen, bin verwundet und gefangen genommen worden, hab ihn dann nicht mehr gesehen ... Debray muss wissen, wo er jetzt steckt.«
Dona Elvira Viaña erfährt vom Schicksal ihres Sohnes. Sie kommt nach Camiri, erbittet von den Militärs Besuchserlaubnis. Eine Nonne verrät Jorge, dass seine Mutter in der Stadt ist. Er schickt ihr eine Nachricht, fordert sie auf, nach La Paz zurückzukehren. »Mich werden sie bald umbringen.«
Die Mutter darf ihn schließlich sehen, jedoch nur vom Flur aus, ohne das Zimmer, in dem er liegt, zu betreten.
Eines Nachts kommen hohe Offiziere nach Camiri. Sie ordnen an, Vásquez sei zu erschießen. Nachdem mehrere Versuche, ihn zu töten, fehlgeschlagen sind, wird er unter Bewachung des Leutnants Torres in einem Jeep nach Choreti gebracht. In dem kleinen Ort unterzeichnet der Gerichtsoffizier Florencio ein Protokoll, demzufolge Vásquez angeblich entkommen sein soll.
Am nächsten Morgen sehen Männer, auf deren Aussage Verlass ist, die Leiche von Vásquez in einen alten Militärmantel gehüllt. Sie wird auf dem Flugplatz in einen Hubschrauber verladen. Die Armee beharrt darauf, der Gefangene sei aus dem Armeehospital von Camiri entflohen.
Einer wird liquidiert