Kapitel 12

Dicht gefolgt von Eustace, ging ich zurück ins Haus und lief geradewegs nach oben in mein Schlafzimmer, wo ich mich auf den Bettvorleger kniete, den Bettüberwurf anhob und die Schuhschachtel herauszog. Lennys Abschiedsbrief lag ganz zuunterst, unter den Postkarten, die er mir aus den Staaten geschickt hatte. Immer hatte er die langweiligsten Bilder ausgesucht, die er finden konnte: Autobahntankstellen, Service Stations, wie sie in Amerika genannt wurden, oder welche von Restaurants mit Namen wie McCrud's Diner, auf denen grell bunte Speisen auf Plastiktabletts abgebildet waren.

Ich faltete den Zettel auseinander. Es ist komisches Papier, grau und leicht glänzend, wie das Papier, in das Fish & Chips eingewickelt werden. An ein paar Stellen hat Lenny so fest mit dem Kugelschreiber aufgedrückt, dass es gerissen ist.

Meine geliebte Alice,
bitte vergib mir, dass ich dich unglücklich gemacht habe. Es hat keinen Sinn mehr, ich weiß, ich kann nicht zurückkommen, die Verzweiflung und all das ist zu viel. Ich liebe dich.

Lenny

Gib nicht den Kamelen die Schuld, ich wollte es ...

Die Handschrift ist kaum lesbar und wird immer mehr zu einem Gekritzel. Am Ende stehen fünf oder sechs Worte, die überhaupt nicht zu entziffern sind. Die Polizisten, die mich befragten, haben steif und fest behauptet, ich hätte mich verlesen und das Wort Kamel könnte da nicht stehen, und ich versuchte ihnen zu erklären, was es bedeutet, doch sie glaubten mir nicht, und wir hatten diese aberwitzige Unterhaltung, die sich nur im Kreis drehte. Ich war fix und fertig und kapierte erst hinterher, dass sie annahmen, »Kamele« sei ein Codewort für Heroin oder so etwas, und deswegen ihr Bestes taten, um mich in die Falle zu locken. Wenn es wahr gewesen wäre, hätten sie dazu vermutlich keine fünf Sekunden gebraucht, weil ich viel zu benommen war, um irgendwas zu erfinden, und ein Anwalt war nicht in der Nähe. Schließlich gaben sie auf. Wahrscheinlich haben sie beschlossen, dass ich genau so verrückt bin wie Lenny.

Gib nicht den Kamelen die Schuld. Vielleicht bedeutete es mehr, als ich gedacht hatte. Das, was ich am Ende nicht lesen konnte – hieß es, dass er versucht hatte, ihnen die Schuld zu geben, vor sich selbst leugnete, Kittys Tod verursacht oder sie umgebracht zu haben, oder was?

Die Verzweiflung und all das ... Nein. Ich hatte Lenny geliebt. Ich hatte ihn so sehr geliebt. Er konnte niemanden umgebracht haben. Es war einfach unmöglich. Und warum überhaupt Kitty? Wenn es Kitty war. Es könnte ja auch jemand anders in Lennys Auto gewesen sein. Ist es nicht, sagte eine Stimme in meinem Kopf. Du weißt, dass sie es ist.

Vielleicht hatten sie gestritten, und sie war in seinem Wagen davongebraust und hatte einen Unfall gehabt, und niemand wusste etwas davon. Ein Unfall. Das könnte ich akzeptieren. Nur, dass Lenny mir erzählt hat, er hätte das Auto verkauft. Warum sollte er lügen? Ich wusste, dass er mit Kitty zu der Party gegangen war, er hatte kein Geheimnis daraus gemacht, warum also ...? Vielleicht war er verwirrt gewesen, durcheinander. Nach seinem großen Auftritt mit Kitty hatte ich nicht viel von ihm gesehen, aber nüchtern war er nicht gewesen.

Das musste der Grund für seine Rückkehr nach Ivar gewesen sein. Er hatte mir gesagt, er wollte irgendwo hin, wo es ruhig war, um nachzudenken. Über seine Karriere, hatte er gesagt. Nach Amerika war er fest entschlossen, nicht mehr mit Jack zusammenzuarbeiten, aber das Problem war, dass er nie allein gearbeitet hatte. Das hatte keiner von beiden. Lenny versicherte mir immer wieder, dass er wunderbar allein zurechtkommen würde, aber in Wirklichkeit hatte er schreckliche Angst davor. Und er war einsam. Jack war sein bester Freund, sie hatten alles zusammen gemacht, und er vermisste ihn, obwohl er derjenige war, der ihn zurückwies. Ich versicherte Lenny immer wieder, dass er es allein super schaffen würde, aber was wusste ich schon? Er wollte glauben, dass er solo zurechtkam, doch ich denke nicht, dass er es wirklich glaubte, nicht in seinem tiefsten Innern.

Don Findlater war strikt gegen ihre Trennung. Er hatte Lenny zum Mittagessen eingeladen, um mit ihm über alles zu reden. Wieder im Biagi – ich war erstaunt, dass sie uns nach Lennys Auftritt überhaupt noch reinließen, aber Don musste es ausgebügelt haben, denn niemand machte auch nur eine Anspielung. Lenny hatte darauf bestanden, mich mitzuzerren, und als Findlater uns durch die Tür kommen sah – sein Gesicht! Lenny hatte an dem Tag schreckliche Laune, und Findlater funkelte mich immer wieder wütend an, als wollte er mich am liebsten mit seiner Gabel erstechen. Es war furchtbar.

Dann hatten sie dieses lächerliche Gespräch, bei dem Lenny behauptete, dass er eine Idee für eine eigene Serie hatte und selbst das Drehbuch dazu schreiben würde, Findlater ihm jedoch permanent erklärte, dass er weiter mit Jack arbeiten sollte, er hätte eine Tournee für sie und ein TV Special und so weiter. Ich saß da und hielt das alles für blanken Unsinn, denn wenn Lenny tatsächlich eine Idee für eine Serie hatte, hatte er mir nichts davon erzählt, und ich glaubte nicht, dass die Fernsehleute mit ihm zu tun haben wollten, nachdem er live gebeichtet hatte, dass er Alkoholiker war.

Dann fing Findlater wieder damit an, dass sie größer als die Summe ihrer Teile waren, und Lenny sagte: »Wenn du deine Teile zusammenzählen würdest, Don, würde was Falsches rauskommen, also warum verschwindest du nicht einfach?« Und das war's dann eigentlich, nur dass Findlater daraufhin richtig boshaft wurde und prophezeite, dass Lenny von Glück sagen könne, wenn er im Kindertheater in der Provinz auftreten dürfe. Danach stürmte er aus dem Lokal, überließ es uns, die Rechnung zu bezahlen, und Lenny saß da und bestellte einen Wodka nach dem anderen. Jedes Mal, wenn ich fragte, ob wir jetzt gehen könnten, schrie er mich an, so dass ich ihn schließlich sich selbst überließ. Einer der Kellner musste ihn mit dem Taxi nach Hause bringen lassen.

Lenny sagte, er würde es nicht mehr ertragen, wieder auf Tournee zu gehen. Ich versuchte ihm klar zu machen, dass er nicht in schäbigen Hotels oder sonstigen Kaschemmen auftreten musste, aber er wollte es nicht hören. Und wenn ich ehrlich bin, war ich die Letzte, die wollte, dass er durch ganz England tingelte, denn selbst damals träumte ich immer noch meinen dummen, kleinen Traum vom Leben auf dem Land.

Kurz danach fragte Lenny Marcus Deveraux, ob er das Cottage haben konnte, um dieses Drehbuch zu schreiben, von dem er geredet hatte. Bis heute weiß ich nicht, ob er wirklich eine Idee für eine Serie hatte, denn als ich seine Sachen sortiert habe, war nichts dabei, das aussah wie Notizen, oder ob er es nur aus einer Laune heraus zu Findlater gesagt und anschließend gedacht hatte, es wäre wohl besser, sich irgendwas auszudenken. Wie auch immer, zwei Tage später rief er mich aus der Dorfkneipe an, klang unglaublich betrunken und sagte, er hielte es nicht aus, und flehte mich an zu kommen, was ich tat.

Von außen fand ich das Cottage richtig hübsch, bis ich hineinkam und den Saustall sah. Kleider, leere Flaschen, Aschenbecher und all das. Man konnte den Fußboden nicht sehen. Wie Lenny es geschafft hat, das Cottage in achtundvierzig Stunden so zuzurichten, weiß ich nicht. Kaum dass ich angekommen war, hatte er mich gewissermaßen an das Sofa gefesselt und ließ mich nicht mal meine Tasche auspacken. Ich sagte immer wieder, dass ich aufräumen wollte, weil das Chaos mich wahnsinnig machte, aber Lenny hatte die Arme um mich gelegt, und jedes Mal, wenn ich versuchte aufzustehen, sagte er: »Ich will dich festhalten, ich will dich sehen«, und zog mich wieder aufs Sofa.

Er murmelte dauernd irgendwas in mein Ohr, hauptsächlich Sachen über Amerika, wie etwa das Filmstudio versucht hatte, Laurel und Hardy aus ihnen zu machen. Das meiste ergab ehrlich gesagt überhaupt keinen Sinn, und gelegentlich verfiel er in Schweigen und döste ein, aber sobald ich versuchte, seinen Griff zu lockern, wachte er auf und fing erneut an zu reden. Es war, als würde man auf ein Riesenbaby aufpassen. Schließlich war er damit einverstanden, dass wir ins Bett gingen. Ich war erschöpft, doch jedes Mal, wenn ich gerade am Einschlafen war, rüttelte er mich wach und redete weiter. Ich wünschte, ich könnte mich erinnern, was er alles gesagt hat, aber das meiste war zusammenhangloses Zeug, und ich hatte selbst damals keinen Schimmer, was er meinte. Irgendwann muss ich dann doch noch eingeschlafen sein, denn als ich am nächsten Morgen aufwachte, war das Erste, was ich sah, diese weit aufgerissenen Augen, die mich anstarrten, dann erst hörte ich seine Stimme und dachte, mein Gott, er hat die ganze Nacht nicht aufgehört.

Als er sah, dass ich wach war, sagte er: »Du hast mich allein gelassen. Du bist eingeschlafen.« Es klang vorwurfsvoll, aber ich dachte, es sei ein Witz, und erwiderte: »Dafür sind Betten da, wenn du dich erinnerst.«

»Nein, verdammt, ich erinnere mich nicht. Ich habe seit sechs Monaten nicht eine Nacht anständig geschlafen. Ich habe dich gebeten, hierher zu kommen und dich um mich zu kümmern, aber alles, was du kannst, ist umkippen.«

»Lenny, ich war völlig zerschlagen. Lass mich einen Tee kochen, deine Tabletten suchen und ...«

Er packte mich an den Haaren: »Du verlässt mich nicht!«

»Bitte lass mich los, du tust mir weh ... Ich werde dich nicht verlassen. Ich will doch nur einen Tee kochen, mehr nicht. Liebling, bitte lass los, es dauert nur einen Augenblick.«

»Ich komme mit.«

Lenny folgte mir auf Schritt und Tritt durch die Küche, während ich Wasser aufsetzte und versuchte, mich zurechtzufinden. So ging es die nächsten zwei Tage. Am Ende kam ich mir vor wie eine Schlafwandlerin; ich versuchte aufzuräumen, Lenny war immer ein paar Schritte hinter mir, stieß sich an den Möbeln, warf Sachen um, verschüttete seinen Drink und klammerte sich an meinen Kleidern, Haaren und Beinen fest.

Wir waren beide erschöpft, und ich hatte keine Ahnung, was ich machen sollte. Es gab kein Telefon im Cottage, und Lenny würde mich niemals lange genug aus den Augen lassen, damit ich eins suchen konnte. Ich dachte die ganze Zeit, irgendwann muss er doch mal schlafen, doch das tat er nicht. Ich sagte zu ihm: »Warum legst du dich nicht hin?«, und er beschuldigte mich, dass ich ihn aus dem Weg haben wollte, damit ich mich zurück nach London zu irgendeinem Liebhaber schleichen konnte, der nur in seiner Phantasie existierte.

Als er mich plötzlich von hinten um die Taille fasste und sozusagen in den Schwitzkasten nahm, brachte das das Fass zum Überlaufen. Wir verloren beide das Gleichgewicht, und ich schlug mit dem Kopf an den Rahmen der Schlafzimmertür. Plötzlich verstand ich, was es hieß, Sterne zu sehen. Er ließ mich immer noch nicht los. Ich versuchte seine Finger aufzubiegen, doch er quetschte mich an die Wand und redete unablässig völligen Unsinn an meinem Ohr. »Du darfst mich nicht verlassen, du weißt nicht, was geschieht. Du bringst Pech, Alice, seit ich dich kenne ... du bist zu gut zu mir, du machst mich hilflos ...«

»Du trinkst zu viel, das ist der Grund.«

»Du wolltest Jack immer mehr als mich.«

»Das ist nicht wahr, Lenny. Bitte lass mich los. Ich kriege keine Luft.«

»Ich liebe dich, Alice. Du solltest nicht in meiner Nähe sein, aber ich liebe dich.«

»Ich liebe dich auch, Lenny, aber ich kriege keine ...«

»Lügnerin!«

Er ließ mich mit einer Hand los, und ich versuchte mich umzudrehen, um ihn anzusehen, aber er war zu schnell. Es ist seltsam, an was man sich erinnert: Vor mir an der Wand war ein Lichtschalter in Brusthöhe, auf den muss ich hinuntergeschaut haben, denn im nächsten Moment verschwamm er vor meinen Augen, und mein Kopf wurde hoch- und zurückgerissen, als Lenny mich bei den Haaren packte, dann spürte ich, wie er mir mit der flachen Hand auf den Kopf schlug, und drehte gerade noch das Gesicht weg, um nicht mit der Nase an die Wand zu schlagen.

Der Schmerz explodierte, als mein Ohr sich an der Seite des Türrahmens verfing. Ich war sicher, dass ich mich übergeben würde. Mühsam presste ich die Hand vor den Mund, und ich muss ein würgendes Geräusch von mir gegeben haben, denn sein Griff lockerte sich. Eine Sekunde lang war Platz zwischen uns, und ich hechtete ins Schlafzimmer, schlug die Tür hinter mir zu und – ich weiß bis heute nicht, wie – schloss sie ab.

Ich hatte kaum Zeit, den Schlüssel umzudrehen, da warf sich Lenny mit aller Kraft gegen die Tür. Gott sei gedankt für alte Häuser, denn wenn die Tür aus Sperrholz gewesen wäre, hätte er sie in null Komma nichts gesprengt. Dann fiel ich auf Hände und Knie und würgte und würgte, während er mit den Fäusten an die Tür hämmerte und immer wieder rief: »Was hast du mir angetan?«

Ich muss neun oder zehn Stunden in dem Zimmer gewesen sein, und ich erinnere mich an jede Einzelheit: die gestrichene Holzdecke, die wie ein Ruderboot von innen aussah, mit den Balken, die sie wie Sitzbänke durchzogen (um einen von ihnen hat Lenny später den Gürtel geschlungen), der grüne Teppich, der nach altem Hund müffelte, kaum dass ich ihn gesaugt hatte, das große Bettgestell aus Messing, die berühmte chinesische Dame an der Wand. Es gab ein hübsches Fenster, drei Scheiben, zu schmal für mich, um hindurchzukommen, weshalb ich die Vorhänge zuzog, mich im Halbdunkel zurücktastete und an der Seite des Schranks gegenüber der Tür zusammenbrach. Ich hörte nicht auf zu zittern. Meine Kopfhaut fühlte sich an, als hätte Lenny die Hälfte meiner Haare ausgerissen, aber mein Gesicht tat nicht allzu weh. Erst als ich wieder in London war, sah ich die Blutergüsse, aber wahrscheinlich hatten sie sich da erst zu ihrer vollen Pracht entwickelt. Ein einziger Gedanke beherrschte mich: Wenn ich diesen Raum verlasse, wird er mich umbringen.

»Alice, es tut mir Leid. Bitte mach die Tür auf. Ich werde dir nichts tun, Liebling. Ich verspreche, ich tue dir nichts.«

»Nicht, solange du da bist.«

Ich hörte einen dumpfen Schlag und ein Scheppern. Er musste sich auf den Boden gesetzt haben, denn seine Stimme kam jetzt von weiter unten.

»Du hast gesagt, dass du mich liebst. Ich weiß, dass ich es nicht verdiene, ich weiß.«

»Ich liebe dich wirklich, Lenny.«

»Wenn du mich liebst, machst du die Tür auf.«

»Nein, Lenny, ich kann nicht. Ich kann einfach nicht ...«

»Nicht weinen, Liebling. Nicht mehr weinen. Komm raus und rede mit mir. Du bist so hübsch, so ein hübsches Häschen.«

»Nein, Lenny.«

Er schlug gegen die Tür. »Herrgott noch mal, hör auf, so kindisch zu sein. Oh, Scheiße.«

Es klang, als hätte er etwas verschüttet. »Bei Beschädigung des Inventars fünf Shilling extra. Solche Hinweise hingen immer in den Pensionen an der Tür. Nasses Bett oder Matratze fünf Shilling extra. Wir fragten, haben Sie denn hier viele Aphib...Amphi... diese hüpfenden Ficker ..., aber die dumme Kuh hat den Witz nicht verstanden. Jetzt lachst du, oder? Wenigstens habe ich dich zum Lachen gebracht. Mach die Tür auf, Liebling, ich tue dir nichts.«

»Nein, Lenny.«

Er donnerte wieder gegen die Tür. »Komm raus

»Lass mich einfach in Ruhe, Lenny.«

»Das alles ist allein deine Schuld.«

»Ich weiß nicht, wovon du redest. Geh weg, Lenny, bitte

»Ich sage dir, was du bist, Alice, du bist eine verlogene Schlampe, und es war deine Schuld. Ich zähle jetzt bis drei, und wenn du dann nicht die Tür aufmachst, wirst du es bereuen. Eins ...«

»Ich werde nicht mehr mit dir reden, Lenny.«

»Zwei ...«

»Ich werde nicht ...«

»Drei!«

Er fing erneut an, die Tür zu bearbeiten. Sie war zwar massiv, aber bei jedem Schlag schien die ganze Wand zu wackeln. Ich rollte mich auf dem Boden zusammen und hielt mir die Ohren zu.

»Alice, komm da raus!« Er hörte nicht auf – manchmal schmeichelte er mir, manchmal schrie er mich an. Hin und wieder ging er weg, holte sich was zu trinken, nur um dann weiterzumachen ... Ich sagte mir die ganze Zeit, irgendwann muss er einschlafen, das kann er nicht ewig durchhalten, aber es dauerte sehr lange.

Ich zog eine Decke vom Bett und wickelte mich hinein. Und dann muss ich eingedöst sein, denn als ich aufwachte, fühlte ich mich schrecklich, feucht und verschwitzt. Aber – alles war ruhig. Trotzdem wartete ich beinahe noch eine Stunde, ehe ich es wagte, den Kopf zur Tür rauszustecken. Lenny lag neben der Tür, mit dem Rücken an der Wand, die Füße ausgestreckt, den Kopf auf der Brust, und schien in einer anderen Welt zu sein.

Ich dachte, er wäre im Tiefschlaf, aber er musste irgendwas genommen haben, vermutlich alles durcheinander, denn nachdem ich meine Tasche geholt und meine Sachen eingesammelt hatte und gerade gehen wollte, drehte ich mich auf der Schwelle noch einmal um, um noch einen Blick auf ihn zu werfen, und da starrte er mir direkt ins Gesicht. Ich erschrak fürchterlich, aber ich hätte keine Angst haben müssen. Seine Augen waren zwar offen, doch sein Blick war glasig und leer, und sein Gesicht hatte diesen stumpfen Ausdruck. Kein Leuchten mehr. Ich glaube nicht, dass er mich überhaupt erkannte.

Das war das letzte Mal, dass ich ihn lebend gesehen habe.