Ich fing beinahe an zu lachen, denn sie sah aus wie eine Spielzeugpistole. Er musste sie in der Tasche gehabt haben, aber der Anzug war so verknittert, dass ich die Beule nicht bemerkt hatte.
»Soll das ein Witz sein?«
Er schüttelte den Kopf. »Du wirst jetzt genau tun, was ich dir sage, Bunny Alice, denn wenn du es nicht tust ...«
Er kam ein paar Schritte auf mich zu und blieb stehen. Alles schien plötzlich stehen zu bleiben, und mein Gehirn fühlte sich an wie ein großer, leerer Raum. Irgendwann hörte ich ein metallisches Klicken, sah seinen Daumen etwas herunterdrücken, wie ich es aus Filmen kannte. Der Hahn. Er hatte die Pistole entsichert.
Die Waffe – und Jack – kamen näher. Eustace hüpfte hin und her, weil er unbedingt wollte, dass ich die Tür öffnete. Ich sah zu ihm hinunter, dann auf die Waffe und in Jacks Gesicht Erkannte schlagartig, welcher Gedanke ihm jetzt durch den Kopf ging, und sprang – zu langsam – vor, um Eustace zu schützen. Jack war schneller. Er fasste nach Eustaces Halsband und zog ihn rückwärts zu sich. Das Knurren des Hundes wurde zu einem Würgen, als Jack das Lederhalsband drehte, um seinen Griff zu verstärken.
»Nein, Jack, bitte!«
»Halt den Mund.«
Eustace scharrte auf dem Steinboden, wollte weglaufen. während Jack den Lauf der Waffe in seinen Hinterkopf bohrte. Verängstigt und flehend schaute der Hund mir in die Augen.
»Es ist gut, Süßer, es ist gut«, flüsterte ich. »Jack, sieh ihn dir an. Das kannst du nicht tun. Bitte, er ist alles, was ich habe.« Ich bekam die Worte kaum heraus.
Jack sah zu mir auf. »Die ist echt«, sagte er. »Wenn du nicht ...«
»Alles, was du willst. Tu ihm nur nicht weh.«
»Alice, geht es dir gut da drinnen?«
Jack nickte in Richtung Tür. »Sag ihr, dass du kommst.«
»Entschuldige, Trudy, ich bin gleich bei dir ...«
Jack sagte: »Setz deine Sonnenbrille auf.«
Ich sah mich in der Küche um. »Wo ...«
»Da, auf der Anrichte. Mach schon. Okay, steck nur kurz den Kopf raus, und sag ihr, du hast Kopfschmerzen – Migräne – und dass du kein Licht verträgst.«
»Aber wenn ...«
Eustace jaulte auf, als Jack ihm einen heftigen Stoß mit der Waffe versetzte. »Tu es!«
»Okay, okay, ich gehe ja schon. Bitte lass ...«
»Warte. Sag ihnen, sie sollen eine Zeitung holen. Auf dem Tisch liegen fünfzig Pence. Gib sie ihnen. Sie können sie durch den Briefkastenschlitz stecken und das Restgeld behalten. Kapiert?«
Ich nickte.
»Dann hol das Geld.« Eustace fing wieder an zu würgen, als Jack ihn hinter die Tür zerrte, sich neben ihn hockte, eine Hand am Halsband, und ihm mit der anderen Hand die Waffe an den Hinterkopf hielt. Der Hund legte sich zitternd auf den Boden.
Jack beäugte mich kritisch. »Gut, reiß dich zusammen. Putz dir die Nase. Dein Gesicht könnte auch ein Taschentuch vertragen. So ist es besser. Und jetzt mach die Tür auf, genau wie ich es dir gesagt habe, und denk erst gar nicht darüber nach, Alice, ich meine es ernst. Ich bringe ihn um.«
Ich nickte. Mit großen, verängstigten Augen sah Eustace zu mir hoch. »Alles wird wieder gut«, sagte ich so sanft wie möglich zu ihm, dann wandte ich mich ab und öffnete die Tür.
Trudy und Lee Boyle standen nebeneinander davor, von zwei nervös wirkenden Ponys flankiert.
»Entschuldigt, dass es länger gedauert hat. Ich fühle mich nicht besonders wohl.«
»Was ist denn mit dir passiert?«, fragte Trudy.
Lee machte ein wissendes Gesicht. »Kater.«
»So ungefähr.«
»Hast du gespuckt?«
»Lee –ee ...« Trudy verdrehte die Augen. »Lass es. Wir sollen dir von Dad ausrichten, dass der Schmied am Montag nicht kommen kann. Dafür kommt er Freitag.«
»Dein Telefon geht nicht«, sagte Lee. »Dad wollte anrufen.«
»Ja, es ist kaputt. Danke, dass ihr gekommen seid.«
»Kein Problem. Hast du eine Cola?«
»Leider nicht. Nur Wasser.«
»Nee ...« Lee schüttelte den Kopf. »Schon okay. Komm, Trude.«
»Könntet ihr mir einen Gefallen tun? Mir eine Zeitung aus dem Laden holen? Ich gebe euch das Geld.«
Ich hielt ihnen das 50-Pence-Stück entgegen. »Wenn ihr wollt, könnt ihr den Rest behalten. Kauft euch eine Cola dafür.«
Lee steckte die Münze in die Tasche. »Echt nett, Alice. Was willst du?«
»Wie?«
»Welche Zeitung?«
»Ach ja, richtig.« Jack hatte nichts gesagt. »Den Mirror, wenn es noch einen gibt. Oder den Express. Ist mir egal.«
»Alles klar«, sagte Trudy. »Du siehst aus, als ob du ins Bett gehörst.«
»Ja, stimmt, danke.«
Ich wollte die Tür schließen, aber Lee sagte: »Ted hat uns erzählt, dass der Typ, mit dem du gestern im Dorf warst, früher im Fernsehen war.«
»Ja, das stimmt.«
»Mein Dad kennt alle berühmten Leute. Als wir in London waren, ist er immer in ihren Häusern gewesen und so.«
»Das ist schön«, sagte ich lahm. Hinter der Tür hörte man ein heftiges Scharren, gefolgt von würgenden Geräuschen.
»Ist das dein Hund?«, wollte Trudy wissen. »Hört sich ein bisschen komisch an.«
»Hat er auch einen Kater?«, fragte Lee. »Trinkt er Bier?«
»Wer, Eustace?«
»Ja, wie der Hund im Pub. Der trinkt Bier, ich hab's gesehen.«
»Hast du nicht«, sagte Trudy. »Du warst noch nie im Pub.«
»War ich wohl. Ich hab gesehen, wie er ein ganzes Glas getrunken hat.«
»Lügner.«
»Hört mal, ich schaue lieber mal nach Eustace. Steckt die Zeitung einfach durch den Briefschlitz.«
Trudy sah mich prüfend an. »Ist wirklich alles okay mit dir, Alice?«
»Ja, ehrlich. Ich brauche nur ein paar Stunden Schlaf, dann geht's mir wieder gut.« Ich lächelte sie an. »Eigene Schuld. Macht das Tor zu, wenn ihr geht, ja?«
»Klar. Bis dann.« Eilig schloss ich die Tür, nahm die Sonnenbrille ab und legte die Hände vors Gesicht. Ich sah Jack durch die Finger mit Eustace auf dem Boden sitzen. Der Hund jaulte und wollte zu mir, doch Jack ließ das Halsband nicht los. »Wenn sie weg sind«, sagte er.
Wir lauschten den klappernden Geräuschen im Hof, hörten, wie das Tor zufiel, dann Lees Stimme: »Tschüs, Alice«, und schließlich das Donnern der Hufe auf der ausgetrockneten Erde, das sich langsam entfernte, bis es ganz verklungen war.
»Sie sind weg.«
»Schlaues Mädchen.« Jack ließ den Hund los und stand auf. Eustace raste auf mich zu, und ich setzte mich auf den Boden und umarmte ihn. »Alles okay, Baby, alles okay. Ich lasse nicht zu, dass er dir was tut. Jack, bitte nimm die Pistole runter. Er zittert am ganzen Körper.«
»Da ist er nicht der Einzige.« Jack steckte die Pistole in die Tasche. »Kann ich was zu trinken haben?«
Ich schaute durch den Raum, dann zu Eustace, der das Kinn auf mein Knie gelegt hatte. Der Schrank schien weit weg zu sein.
»Ich will nicht ... Du ...«
»Er wird's aushalten.« Jack setzte sich an den Tisch. »Ich rühre mich nicht von der Stelle. Mach schon, sei ein Schatz und finde was Anständiges zu trinken für mich.«
Ich rappelte mich auf und ging, Eustace an meine Fersen geheftet, durchs Zimmer. Dabei hatte ich ständig das Gefühl, auf einem Drahtseil zu laufen. Ich betrachtete die staubigen Reste in Lennys Hausbar. Scotch, Canadian, Bourbon, Rye ... Wie konnte ich es schaffen, den Alkohol in den Ausguss zu schütten, ohne dass Jack es merkte? Irish, Gin, Wodka, Rum ... »Kognak?« Ich hielt die Flasche hoch.
»Gute Idee«, sagte Jack, als wäre es ein Vorschlag von mir gewesen. »Nimm dir auch einen«, fügte er hinzu. »Du siehst aus, als könntest du es gebrauchen.«
Ich schenkte uns beiden einen ein und setzte mich aufs Sofa. Kurz darauf plumpste Eustace neben mich. »Das ist besser, nicht wahr«, sagte ich. Ich streichelte ihn. Er rollte sich zusammen und beobachtete Jack wachsam.
»Prost!« Jack hob das Glas. »Du warst klasse, Alice. Ich bin überrascht, wie gut du lügen kannst.«
Schweigend saßen wir die nächsten Minuten da und tranken. Der Kognak brannte in meiner Kehle. Jack holte Zigaretten hervor, zündete zwei an und reichte mir eine. Meine Angst fing an, sich in Wut zu verwandeln. Wie konnte er so ruhig sein, so lässig, nach dem, was er gerade getan hatte? Ich hatte Mühe, meine Stimme unter Kontrolle zu halten. »Warum tust du das, Jack?«
»Keine Ahnung. Ich bin fix und fertig. Tut mir Leid, Alice, aber als du gesagt hast, dass du mit Val geredet hast, dachte ich ...«
»Ich habe gesagt, es ist nicht die Polizei. Ich habe es dir gesagt.«
»Ich ... ich habe Panik gekriegt, das ist alles.«
»Was machst du mit einer Pistole?«
»Oh, es ist nur ... du weißt schon.«
»Nein, Jack, ich weiß nicht. Man fuchtelt nicht mit einer tödlichen Waffe herum und behauptet, es sei nichts. Du hättest mich umbringen können, oder einen von uns. Es ist gefährlich, Herrgott noch mal.«
»Ich hab dir doch gesagt, ich bin am Ende.« Er griff nach der Flasche. »Willst du noch einen?«
»Nein. Du musst zur Polizei gehen, Jack.«
»Ich kann nicht.« Jack goss Kognak in sein Glas und leerte es in einem Zug. »Dazu ist alles schon zu weit gegangen.«
»Was ist zu weit gegangen? Hör mal, nichts von alledem hat irgendetwas mit mir zu tun, und ich ...«
»O doch, das hat es, Bunny Alice. Du bist ein Teil davon, ob es dir gefällt oder nicht.«
»Nein, hat es nicht. Es ist allein dein Problem, und du musst damit klar kommen. Mir kannst du dafür keine Schuld geben. Mir ging es gut, Jack, ich habe mein Leben genossen, und dann kommst du daher. Ich habe dich nicht eingeladen, und dann ... das alles ... und ...« Ich spürte, wie sich meine Augen mit Tränen füllten, deshalb stellte ich mein Glas ab und suchte in meiner Tasche nach einem Taschentuch.
»Hey!« Jack stand auf. Eustace schoss vom Sofa und raste in die Diele.
»Du hast ihn erschreckt.«
»Keine Sorge. Er ist ein Hund, verdammter Mist.«
»Ich liebe ihn.« Tränen brannten in meinem Gesicht. Ich wischte sie mit dem Handrücken ab.
»Weiß ich. Was hast du mit meinem Taschentuch gemacht?«
»Oh, es ist da drüben.« Ich deutete mit dem Handgelenk zur Anrichte. »Auf dem ... der Dingsda.«
»Ach ja.« Er holte es und setzte sich neben mich. »Bitte sehr. Na also. So ist es besser, oder?«
»Nein.« Ich schluchzte ins Taschentuch. »Nein, verdammt noch mal, das ist es nicht.«
»So schlimm ist es nun auch wieder nicht.« Ich spürte, wie Jack seinen Arm bewegte, und beugte mich vor, um zu verhindern, dass er ihn um meine Schultern legte.
»Wir gegen den Rest der Welt, Alice.« Er stand auf, ging zum Fenster, zog die Vorhänge zu und setzte sich wieder. »Ist das nicht gemütlich?«
»Gemütlich?« Ich starrte ihn an.
Er lächelte mir zu. »Ich könnte hier leben. Ich könnte mich sogar irgendwann an deinen alten Hund gewöhnen.«
»Wovon redest du da? Hier leben? Du hast mich gerade mit einer Pistole bedroht, schon vergessen?«
»Ja, aber ich würde nie ... das weißt du doch.«
»Wirklich nicht?«
»Alice, du kennst mich. Ich werde manchmal wütend, aber ...«
»Du hast es ernst gemeint. Wie vorhin auch schon.«
»Hey, komm schon.« Meine Schultern verspannten sich, als er den Arm um mich legte. Mein ganzer Körper schmerzte. »Küss mich.«
»Nicht, Jack.«
»Schon gut.« Er bewegte sich nicht. Ich glaubte nicht, dass er die Pistole nicht benutzen würde, und wollte ihn nicht aufregen, damit er sie nicht wieder aus der Tasche zog, deshalb bewegte ich mich auch nicht.
»Warst du wirklich glücklich?«, fragte er.
»Wann?«
»Stimmt es, was du vorhin gesagt hast? Dass du dein Leben genießt.«
»Ja.«
»Bist du sicher?«
»Na ja, ich bin gut zurechtgekommen, und das war ...« Ich wischte mir die Augen ab. Jack zog mich an sich, so dass mein Kopf an seiner Brust lag, und verstärkte seinen Griff, damit ich nicht abrutschte. Mein ganzer Oberkörper war unbequem verdreht, und sein Leinenjackett kratzte an meiner zerschrammten Wange. Er legte mir die Finger seiner freien Hand unters Kinn und drehte meinen Kopf zu sich hoch. »Tut mir Leid, dass ich dich geschlagen habe. Tut es sehr weh?«
»Ich werd's überleben.«
Keine gute Wortwahl. Ich warf einen Blick auf die Beule in seiner Jackentasche. Leider die falsche Seite. Vielleicht, wenn es die andere Tasche gewesen wäre. Plötzlich fragte ich mich, ob die Waffe immer noch entsichert war. Konnte sie einfach losgehen, wenn er dagegenstieß oder so was?
»Ich habe deine ganze Jacke nass gemacht.« Ich entzog mich ihm, doch er ließ meine Schulter nicht los.
»Ein paar Tränen wird es schon aushalten. Na komm, wisch dir die Tränen ab. Wir müssen nachdenken.«
»Wir? Du brauchst Hilfe, Jack.«
»Du kannst mir helfen, Alice.« Er strich mir übers Haar. »Du hast so ein großes Herz. All die Tiere, um die du dich kümmerst ... da ist doch bestimmt auch noch Platz für mich?«
»Jack ...« Ich versuchte, mich ihm zu entziehen, aber er ließ nicht los.
»Nein, schon gut, schon gut. Na komm, erzähl mir, was du zu deinem – zu Jeff gesagt hast.«
»Er war nicht da.«
»Hat er eines von diesen Dingern, die Anrufe aufzeichnen?«
»Nein«, log ich.
»Gut. Was ist mit Val?«
»Nur – dass du wütend warst, mehr nicht.«
»Wie klang sie?«
»Sauer. Sie wollte nicht mit mir reden.«
»Das ist kein Wunder. Sie hatte schon immer was gegen dich.«
»Warum? Sie kennt mich doch kaum.«
Ich spürte, wie Jack die Achseln zuckte. »Weiß der Himmel.«
Ich überlegte. Im Sitzen war es unmöglich, die Waffe zu erwischen, ohne dass es auffiel, und ich konnte ihm wohl kaum auf Schritt und Tritt durch die Küche folgen, wenn er aufstand. Trotzdem hätte ich dann eine größere Chance. Und wenn er ein paar Drinks intus hatte, würde er es noch weniger merken. Ich wusste, dass es gefährlich war, aber mir fiel nichts Besseres ein.
Sein Glas war leer. Er wird mich nicht daran hindern, aufzustehen und ihm nachzuschenken, dachte ich.
»Noch einen Kognak?«, fragte ich und entwand mich seinen Armen.
»Warum nicht?«
Ich reichte ihm die Flasche und setzte mich an den Tisch. Jack füllte sein Glas auf und klopfte neben sich aufs Sofa. »Komm wieder her.«
»Gleich.«
»Val hat den Film verbrannt, weißt du? Im Ofen.« Er grinste. »Ich habe ihr gesagt, sie soll ihn anzünden und über den Zaun schmeißen. Rache für den Dildo, den die alte Tweedziege zu uns rübergeworfen hat. Eine klasse Geschichte, wirklich.«
»Ich kenne sie. Lenny hat sie mir erzählt.«
»Ach ja richtig, das hat er. War euer erstes Date, oder? Liegt schon eine ganze Weile zurück.«
»Woher weißt du das?«
»Weil er es mir erzählt hat, Bunny Alice. Er hat mir erzählt, wie lustig es war und wie du gelacht hast und wie süß du warst, als du dich über seinen Dad so aufgeregt hast. Das war natürlich auch eine tolle Geschichte.«
»Es war furchtbar. Das Zeug hat ihn am Ende umgebracht.«
»Wen umgebracht?«
»Seinen Vater. Der Phosphor oder was das war.«
»Hat er dir das erzählt?«
Ich nickte. »Berufskrankheit.«
»Lennys Vater ist gestorben, weil seine Leber kaputt war«, sagte Jack. »Er war Al-ko-ho-li-ker, Schätzchen. Wie sein Sohn.«
»Aber warum ...?«
Jack verdrehte die Augen. »Mitgefühl. Funktioniert jedes Mal.«
»Ich meine später.«
Jack machte ein nachdenkliches Gesicht. »Meine Vermutung ist, dass er seinem Vater ein bisschen Würde lassen wollte. Wollte sich nicht so an ihn erinnern. Und wahrscheinlich lag es an der Art, wie sein Vater gestorben ist. Er war in der Küche, als ihn der Schlag getroffen hat, verstehst du, ist mit dem Kopf in den Hundenapf gefallen, in den mit dem Wasser. Sie hatten einen ziemlich großen Hund, und es war eine von diesen Plastikwaschschüsseln. Du weißt schon, wo das Wasser eine Handbreit hoch steht. Er ist ertrunken. So hat man ihn gefunden: mit dem Gesicht nach unten im Hundenapf. Ich meine, was für eine Art zu sterben.«
»Das hätte er mir doch erzählen können.«
»Nein.« Jack zuckte die Achseln. »Das erinnerte ihn alles zu sehr an sein Zuhause, war zu nah. Ich meine, was hätte er sagen sollen? ›Wenn ich groß bin, ersäufe ich mich in Marinade wie Papa?‹ Wo sind meine Zigaretten?«
Er stand auf und begann singend in der Küche umherzuwandern: »Keine Ahnung, wohin er geht, aber wenn er ankommt, bin ich froh. Ich trete in Vaters Fußstapfen – Ja! – Ich folge dem lieben Dad, oho. Gott, dieses Haus ist ein Saustall. Wo – sind – meine – verdammten – Zigaretten!«
»Weiß ich doch nicht. Wo du sie liegen gelassen hast.«
»Oben.« Er sah mich mit scharfen Augen an und schüttelte den Kopf. »O nein, Bunny Alice, das wirst du nicht tun. Wo ich hingehe, wirst du auch hingehen.« Seine Hand glitt in die Tasche. Die Tasche.
»Komm. Du zuerst.«
Wir gingen nach oben. In seinem Zimmer herrschte ein ziemliches Chaos: schmutzige Kleider, Aschenbecher, leere Gläser und Pillenflaschen lagen überall auf dem Boden verstreut. Die Bettdecke war zurückgeschlagen und das Laken ganz zerknittert und schmuddelig. Susies Urne lag neben dem Kopfkissen. Ich betrachtete Jack in seinem verknautschten Anzug und sah ihn vor mir, wie er, vollständig angezogen, mit der Urne im Arm, auf seiner Seite des Bettes lag. Unerträglich. Dann fiel mein Blick auf den grünen Schuhbeutel, der leer an einem Haken hinter der Tür hing. Vielleicht war die Waffe da drin gewesen.
Die Zigaretten lagen auf der Kommode. Jack nahm sie und stopfte sie in die Tasche – die andere Tasche –, dann schaute er aufs Bett. »Warte.« Er griff nach der Decke, zog sie über die Urne und stopfte sie fest.
»Soll ich dir helfen?«
Ich dachte, er hätte mich nicht gehört, doch nach einer Weile sagte er: »Nein, lass es. Geh.«
Wir gingen wieder hinunter in die Küche. Ich setzte mich an den Küchentisch und stützte den Kopf in die Hände, während Jack einen weiteren Kognak trank, herumwanderte und völlig grundlos Dinge anhob und wieder hinstellte. Tu etwas, sagte eine leise Stimme in meinem Kopf. Du bist auf dich allein gestellt. Niemand wird dich retten. Tu etwas. Aber was? Ich war erschöpft.
Jack setzte sich mir gegenüber und beugte sich vor, die Arme auf dem Tisch. »Lenny hat von dir geschwärmt, weißt du. Wohlgemerkt, das tat er beim ersten Mal immer. Oh«, sagte er theatralisch, »ich vergaß. Es war ja gar nicht das erste Mal, oder? Ich glaube, euer erster Beischlaf fand in einem Heuschober statt. Sehr passend, wie ich immer fand.«
»Jack«, sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen. »Das ist nicht fair.«
»Das kannst du laut sagen, Bunny Alice. Siehst du, ich kenne all deine kleinen Geheimnisse.«
»Hör auf.«
»Es war alles deine Idee, weißt du.«
»Unsinn.« Ich sah auf. »Du sagst immer wieder, dass alles meine Schuld ist oder meine Idee war, und ich habe keinen blassen Schimmer, wovon du redest.«
»Weißt du nicht mehr? Dein erstes Date mit Lenny – nachdem du eingeführt worden warst, meine ich. Du hast es vorgeschlagen.«
»Ich habe was vorgeschlagen?« Noch während ich das sagte, hörte ich Lennys Stimme in meinem Kopf. Hast du das schon mal gemacht? Mit zwei Männern gleichzeitig geschlafen? Und ich hatte gesagt – o Gott – ICH HATTE GESAGT: Nein, willst du es ausprobieren? »Ich weiß nicht, wovon du redest«, wiederholte ich.
»Das weißt du sehr wohl!«
»Nein!« Ich hatte es nur gesagt, mehr nicht. Ich hatte es nicht tun wollen. Es war nur eine Unterhaltung. Die Menschen sagen die ganze Zeit Dinge, oder nicht, und das heißt nicht ...
»Ich dachte nur, du und Lenny, du weißt schon, die Art, wie ihr eure Freundinnen geteilt habt, und ich wusste nicht ... Ich dachte, das meinte er damit, aber er war richtig geschockt, als ich es gesagt habe. Es sollte kein Vorschlag sein, nur ... Herr im Himmel! Wenn ich gewusst hätte, dass es eine so große Sache werden würde, hätte ich den Mund gehalten.«
»Du hast dich mit deinen eigenen Waffen geschlagen, Schätzchen. Du hast uns die Idee in den Kopf gesetzt.«
»Du brauchst mich nicht, um dir Ideen in den Kopf zu setzen, Jack. Und was das Filmen angeht, das habt ihr euch ganz allein ausgedacht.«
»Haben wir nicht.«
»Sag bloß. Dann bist du also rein zufällig mit zwei anderen Leuten und einer Filmkamera im Bett gelandet? Das kannst du deiner Großmutter erzählen.«
»Wir wussten nicht, dass wir gefilmt werden.«
»Wofür hast du die Kamera gehalten?«, fragte ich. »Einen Kleiderständer?«
Jack seufzte. »Wir konnten sie nicht sehen.«
»Verstehe ich nicht.«
»Ein durchsichtiger Spiegel. Der älteste Trick der Welt.«
»Dann wart ihr gar nicht ... dann ...« Eine Woge der Erleichterung durchlief mich – bis mir dieses breite, triumphierende Grinsen wieder einfiel. »Kitty wusste Bescheid, oder?«
Jack nickte nachdrücklich mit weit offenen Augen. »Ja, sie wusste Bescheid.«