Ich hörte, wie das Vorhängeschloss aufgeschlossen wurde, das Quietschen der Tür, als sie aufging, doch ich machte die Augen nicht auf.
»Alice.« Jacks Stimme an der Tür.
Ich hielt die Augen fest geschlossen und rollte mich noch mehr zusammen. Hatte keinen Willen, wollte mich nicht bewegen, nicht schreien, nicht kämpfen, gar nichts. Fühlte mich völlig leer. Wartete darauf, dass Jack hereinkam, aber das tat er nicht. Er sagte wieder meinen Namen. »Alice. Sieh mich an.« Seine Stimme klang flach.
Langsam, ganz langsam hob ich den Kopf und starrte ihn an. Er stand auf der Schwelle, eine Decke in der Hand. Da drunter ist die Pistole, dachte ich benommen. Die Decke soll den Schuss dämpfen.
Ich zog mich in eine sitzende Position hoch. Es kostete unendlich viel Kraft.
»Kannst du aufstehen?«
»Ich ...« Ich fand die Worte nicht.
»Lass mich dir helfen.«
Ich starrte auf die Decke. »Es ist gut. Ich werde nicht ...« Er kam auf mich zu. »Für dich«, sagte er und hielt mir die Decke entgegen, als wäre sie ein Geschenk. »Ich habe sie für dich mitgebracht.«
Keine Pistole. Er hatte die Pistole nicht in der Hand. In der Tasche. Sie ist in seiner Tasche. Er wird mich nicht umbringen. Nicht jetzt. Aber später. Später ... Ich muss mit ihm sprechen. Ihn dazu bringen, dass er sich erinnert, wer ich bin. Ihm sagen ... was? Sag danke. Danke für die Decke.
»Danke.«
»Hier.« Er ragte vor mir auf und legte mir die Decke um die Schultern. Ich roch Kognak. Er machte ein komisches Geräusch. Würgte. »Ich will ...« Ich konnte ihn kaum verstehen. »Ich will dir nicht wehtun.«
»Du hast Lee umgebracht. Ich habe es gehört.«
Jack antwortete nicht. Ich schaute an ihm vorbei in den Hof. Es war dunkel. Von der Küchentür fiel etwas Licht auf den Hof, und auf den Pflastersteinen war ein dunkler, flacher Umriss. Etwas war darüber gelegt. Tücher. Säcke. Lee. Jack hatte ihn mit Säcken zugedeckt.
Eustace kam um die Hausecke, sah mich, setzte sich schwanzwedelnd in meine Richtung in Bewegung, blieb plötzlich stehen und schwenkte nach ...
»Nein! Eustace!« Ich wollte schreien, aber es kam nur ein Krächzen heraus. Der Hund schaute kurz zu mir herüber, dann senkte er wieder den Kopf, schnüffelte an den Säcken, steckte seine Nase darunter und ... »Nein!«
Ich stand taumelnd auf, schob mich an Jack vorbei und stolperte auf den Hof. Eustace hatte Lees Kopf halb freigelegt, und ich sah sein schwarzes Haar und etwas – einen Klumpen? An der Seite, neben dem Ohr. Gelblich. Dicht. Flüssigkeit auf dem Pflaster. Eustace leckte daran. Blut? Ja, aber ... das Zeug ... das Zeug war ... Mein Gott, es war ...
»Nein! Aus! Hör auf!« Ich wollte den Hund wegziehen, doch mein Körper weigerte sich, mir zu gehorchen. »Jack, hilf mir! Um Himmels willen, tu etwas.« Dann war er neben mir und riss an Eustaces Halsband. Der Hund knurrte, wandte den Kopf und versuchte zu beißen. »Bring ihn rein, schaff ihn ins Haus.«
Eustace fletschte die Zähne, als Jack ihn rückwärts in Richtung Küche zog, hineinzerrte und die Tür zuschlug.
Ich konnte mich nicht bewegen. »Wie konntest du nur?«
»Alice.« Jack war wieder neben mir. »Komm. Ins Haus.«
»Zweimal. Du hast es zweimal getan.«
Er sagte nichts. Ich riss den Blick von Lees Kopf los und drehte mich um, um ihn anzusehen.
»Du musstest ihn nicht umbringen.«
Jack wandte den Kopf ab. »Es tut mir Leid.«
»Er war noch ein Kind. Warum, Jack? Warum hast du ihn getötet?«
»Es tut mir Leid ... ich ... ich bin völlig verzweifelt, Alice.«
Plötzlich war ich ganz ruhig. Der Schock wahrscheinlich. »Jack, wir müssen die Polizei rufen.«
Er starrte mich an.
»Die Polizei. Wir müssen sie über Lee informieren.«
Er schüttelte den Kopf. Ich versuchte es noch einmal. »Ich weiß, dass das Telefon nicht funktioniert, aber im Dorf ist eins und ...«
»Nein.«
»Jack, wir müssen es tun.«
»Ich habe nein gesagt und das meine ich auch.« Seine Hand wanderte zu seiner Tasche. Ich wich einen Schritt zurück.
»Okay, okay. Keine Polizei. Aber bring ihn wenigstens irgendwo hin. In den Stall. Leg ihn ins Heu. Bitte, Jack. Ich werde ... ich helfe dir.«
Er schüttelte den Kopf. »Geh ins Haus.«
»Warte.« Ich nahm die Decke von den Schultern. »Nimm die. Wickel ihn ein. Den Kopf.«
»Na gut.«
»Kannst du das Licht anlassen? Im Stall. Lass ihn nicht im Dunkeln.«
»Wenn du das willst. Geh jetzt.«
Ich sah mich nicht um. Eustace begrüßte mich stürmisch, als wäre nichts geschehen, und ich setzte mich aufs Sofa, starrte auf den Teppich und wartete auf Jack. Als er hereinkam, schaute er mich nicht an, sondern ging direkt zum Spülbecken und wusch sich die Hände. Als er sich umdrehte, sah ich einen dunklen Fleck auf seinem Jackett und seinem Hemd.
»Das ist Kaffee. Du hast den Becher nach mir geworfen, schon vergessen?«
»Wirklich?« Ich stand auf. »Ich muss die Tiere füttern.«
»Ich komme mit.«
Mühsam schleppte ich mich zur Scheune, Jack immer neben mir, und erledigte schweigend, wie ein Roboter, die abendliche Routinearbeit, und die ganze Zeit stand ein Teil von mir hinter mir und beobachtete die Szene. Beinahe bewundernd. Ein äußerst seltsames Gefühl. Es musste an der Erschöpfung liegen, denn als wir zurück in die Küche kamen, um Eustace zu füttern, war mir schwindlig, ich schwankte und war kaum in der Lage, mich aufrecht zu halten.
Ich füllte den Wassernapf für Eustace und sank auf einen Stuhl am Küchentisch. Jack zog die Vorhänge zu und setzte sich mir gegenüber. Wir starrten einander an. Ich hatte das Gefühl, nie wieder aufstehen zu können.
»Es tut mir Leid. Das mit dem Kind.«
»Lee. Sein Name ist Lee. Warum bist du nicht gegangen, Jack? Als du ... als ich im Stall war? Warum bist du nicht einfach gegangen?«
»Ich wusste nicht, wohin«, sagte er tonlos. »Das ist das Ende. Ich bin nicht nur wegen des Films hierher gekommen. Ich wollte dich wirklich sehen.«
»Warum?«
»Du glaubst wahrscheinlich, ich erinnere mich nicht mehr daran, aber als ich gestern Abend sagte, dass ich dich geliebt habe, meinte ich das ernst.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Es tut mir Leid. Es ist alles ... außer Kontrolle. Alles. Als Susie starb, war es, als würde sie dafür bezahlen. Für alles, was ich getan habe ... sie war der Preis.« Er hielt inne, senkte den Kopf und streckte mir die Hand entgegen. »Bitte, Alice. Ich fühle mich so schuldig.«
Ich rührte mich nicht.
»Lenny und ich hatten alles: Geld, Erfolg, Mädchen, was wir wollten. Und wir hätten es auch in Amerika geschafft, wenn Lenny nicht die Nerven verloren hätte.«
»Der Film war nicht gut. Das hast du selbst gesagt.«
»Ja. Aber wenn Lenny hundertprozentig dabei gewesen wäre, hätte es gut gehen können. Er war immer durch den Wind – unsicher –, aber er konnte damit umgehen. Sogar damals, bei der Geschichte im Fortune, ist es gut gegangen. Und dann sitzt er im Fernsehen und erzählt jedem, dass er Alkoholiker ist ... ich habe mein Bestes getan, aber ich konnte ihn nicht stoppen, er hörte einfach nicht auf zu reden. Himmel.«
Er verfiel in Schweigen, und ich versuchte, mich zu erinnern. »Das war nach ... nach Kitty, oder?«
»Ja. Ein paar Monate. Du bist abgehauen, und er brach zusammen. Danach war der Teufel los. Man bat mich um einen Kommentar. Was zur Hölle sollte ich sagen? ›Es ist gut, dass wir in die Staaten gehen, weil uns in diesem Land niemand auch nur einen Pisspott geben würde?‹ Ich erklärte ihm, dass er uns ruiniert hatte. Weißt du, warum er dir die Schuld gegeben hat? Weil er damit nicht leben konnte.«
»Ich will wissen, was mit Kitty passiert ist, Jack.«
»Lenny hat sie nicht ernst genommen. Die Drohungen, meine ich. Er dachte, sie versucht es nur, glaubte, sie würde Ruhe geben, wenn er ihr ein paar Geschenke kaufte, sie wichtigen Leuten vorstellte, die ihr helfen konnten ...« Jack verdrehte die Augen. »Sie wollte Schauspielerin werden. Lenny dachte, das wäre es. Ich habe ihm immer wieder gesagt, dass es so nicht funktionieren würde, aber ich hatte keine Ahnung, dass er sie zu dieser Party mitbringen würde. Und ich wusste nicht, dass du auch da sein würdest. Das Haus war voller Menschen, wenn du dich erinnerst, und Lenny und Kitty waren mit seinem Auto unten am See.«
»Aber warum hat sie niemand gesehen? Aus dem Haus? Leute waren zum Schwimmen da unten, überall Autos ...«
»Sie waren auf der anderen Seite, hinter einem Hügel. Da gab es Bäume. Egal, ich bin erst viel später runtergegangen. Außerdem wusste ich nicht, wo sie waren. Ich war im Haus, und Lenny hat mich gesucht. Er war in einem schrecklichen Zustand. Er sagte ... Kitty hätte sich beim Knutschen im Auto den Kopf gestoßen, und er konnte sie nicht wach bekommen. Er quasselte nur davon, dass er glaubte, sie sei tot, und was er tun sollte. Herrgott noch mal, das war alles, was ich aus ihm herausbekam. Ich versuchte ihn zu beruhigen, sie war bestimmt nur bewusstlos, aber als wir da unten waren – beim Auto –, konnte sogar ich sehen, dass sie hinüber war. Ich wusste nicht, was wir machen sollten, also lösten wir die Handbremse, und dann ... das war's.«
»Ich glaube dir nicht.«
»Herrje, du hast gefragt, und ich hab's dir erzählt. Mehr war da nicht.«
»Warum warst du so sicher, dass sie tot war?«
»Alice, sie hat nicht mehr geatmet. Ich schwöre es.«
»Warum habt ihr keinen Arzt geholt?«
»Denk nur mal eine Minute nach, ja? Denk an diese Party. Die Polizei hätte einen Heidenspaß gehabt. Mehr Drogen, als du je gesehen hast. Wir hätten das Haus nie sauber gekriegt, und jeder hätte es erfahren. Die Frau hat uns erpresst, schon vergessen?«
»Aber du hast behauptet, ihr hattet ihr schon Geld gegeben.«
»Lenny nicht. Ich habe doch gesagt, er dachte, sie meint es nicht ernst. Ich habe ihm andauernd gesagt, dass sie es todernst meint, aber er wollte nicht hören. Er war völlig neben der Spur. Aber du kannst es dir nicht vorstellen ...«
»Dann willst du mir also erzählen, dass es ein dummer Unfall war?«
»Ja.«
»Und dann hast du dir Kittys Schlüssel geschnappt und hast Val in ihre Wohnung geschickt, um die Kopien von dem Film zu holen?«
»Ja, wie ich es gesagt habe.«
»Und was ist mit Danny Watts?«
Jack schwieg. »Was?«
»Sein Name stand auf Lennys Liste.«
Jack zuckte die Achseln. »Die halbe Unterhaltungsbranche stand auf der Liste.«
»Du hast ihn erwähnt. Gestern Abend.«
»Ich dachte, du erinnerst dich vielleicht an ihn, mehr nicht. Er war nur ein Bekannter von uns.«
»Ich bin nicht von gestern, Jack. Er hat den Film gedreht.«
»Wie kommst du darauf?«
»Der Zeitungsausschnitt.«
»Welcher Zeitungsausschnitt?«
»Heute Morgen habe ich ihn bekommen. Ich habe gesagt, es sei eine Rechnung, erinnerst du dich? Du weißt, wovon ich rede, Jack. Er war wie der andere. Der, den du versucht hast vor mir zu verstecken.«
»Und da stand was über Danny Watts drin?« Er klang erstaunt. Ich habe es missverstanden, dachte ich. Falsch kombiniert. Es war nicht Val ... oder ... oder ... er wusste nicht, dass sie Bescheid weiß. »Wo ist er? Gib ihn mir.«
Ich zog ihn aus der Hosentasche. Er schnappte ihn sich und las.
Als er fertig war, sagte ich: »Du hast ihn umgebracht. Erschossen. Du musst dir eine Waffe besorgt haben, du ...«
»Hör mir verdammt noch mal zu, Alice! Hör mir einfach einen Augenblick zu, ja? Ich wusste nicht, was ich tat. Als ich zu ihm gegangen bin, ja, da hatte ich eine Waffe, aber ich habe ihn nicht ... Ich weiß nicht, ich war wütend. Ich meine, Monat für Monat hat er mir Geld abgenommen, und jedes Mal, wenn ich ihn sah, dachte ich: Verflucht, warum bist du am Leben? Was gibt dir das Recht zu leben, wenn meine Tochter tot ist?« Er senkte den Kopf und starrte wieder auf den Zeitungsausschnitt.
»Es gibt keine Gerechtigkeit. Gut, ich habe alles vermasselt, aber ich dachte ... ich dachte ... Irgendwas muss ich richtig machen, damit tue ich jedem einen Gefallen. Nicht gleich – ich habe einfach den Überblick verloren, aber hinterher dachte ich: Was soll's ...« Er verstummte, dann blickte er verwirrt zu mir hoch. »Das kann sie nicht ...«, murmelte er. »Sie weiß es nicht.«
»Du meinst Val?«
»Ja.«
»Sie hat die Ausschnitte geschickt, oder?«
Er nickte.
»Warum, Jack?«
»Ich weiß es nicht«, sagte er hilflos.
Wir schauten uns einen Moment lang an, dann wanderte Jacks Blick über meinen Kopf, als würde er mit jemandem sprechen, der hinter mir steht. »Ich dachte wirklich, dass wir nach der Geschichte mit Kitty in Sicherheit waren. Lenny wollte zur Polizei gehen, aber ich erklärte ihm, dass man das Auto nie finden würde. Ich redete mit ihm, Val redete mit ihm, wir sagten immer wieder, dass es ein Unfall war und wir sie eigentlich kaum kannten. Wussten nicht mal, wie sie richtig hieß, bis Val in ihre Wohnung ging – sie hat einen Brief gesehen oder so und erzählte, dass sie gar nicht Kitty hieß, sondern irgendwie anders.«
»Gail.«
»Ja, genau. Aber von Danny Watts hatten wir keine Ahnung, bis Lenny einen Anruf bekam ... drei, vier Wochen nach der Party. Danny wollte wissen, wo Kitty ist, dann sagte er, er habe eine Kopie von dem Film und wir müssten zahlen. Ein Darlehen nannte er es. Wollte eine Filmfirma gründen. Sagte, wenn wir nicht mitmachen, geht er zur Polizei.
Lenny hat mich mitten in der Nacht angerufen, so habe ich es erfahren. Ich bekam kein vernünftiges Wort aus ihm heraus, aber er bestand darauf, dass er mit mir über Kitty reden musste, also bin ich zu ihm gefahren. Er musste getrunken haben, bevor Danny anrief, und er war ...« Jack schüttelte den Kopf und sah mich an, als fiele ihm gerade wieder ein, dass ich da war.
»Es war ein Albtraum. Ich versuchte herauszubekommen, was Danny zu ihm gesagt hat, aber er konnte sich nicht erinnern. Oder sagte irgendwas, und fünf Minuten später behauptete er das Gegenteil. Es war erbärmlich – als würde man mit einem Kind reden. Er hatte mich kommen lassen, weil er über Danny Watts reden wollte, aber hauptsächlich schwafelte er davon, wie sehr du ihm fehlst und dass alles gut wäre, wenn du zu ihm zurückkommst und er mit dem Trinken aufhören und dich heiraten würde und alles würde wunderbar werden, und ich riss mir die Haare aus, um ihn dazu zu bringen, mir von diesem Anruf zu erzählen.
Ich habe ihm Löcher in den Bauch gefragt, um herauszukriegen, was Danny gesagt hat, doch er antwortete nicht, quasselte nur von dir, und ich wusste, dass er mir irgendwas verheimlichte. Ich meine, Danny hatte nur den Film und die Information, dass wir auf der Party waren. Lenny hätte es abstreiten können, aber er sagte ihm, dass wir zahlen würden. Hat es praktisch zugegeben. Er dachte, wir geben Danny das Geld, und dann würde der einfach verschwinden. Er hat es einfach nicht kapiert! Wenn er nicht so besoffen gewesen wäre, hätte ich ...«
»Was hast du getan?«
»Ich hab ihm erklärt, dass er ein dummes Arschloch ist und dass ich die Nase voll davon habe, ihn seit Jahren immer wieder aus dem Dreck zu ziehen. Und weißt du, was er gemacht hat? Er fing an zu heulen. Jammerte, er sei zu nichts gut, hätte alles vermasselt und ich sei wohl besser ohne ihn dran. Als wäre ich ein beschissener Wellensittich, den er fliegen lassen will.«
»Es war sein Auto. Im See.«
»Das wusste Danny nicht. Niemand hat uns gesehen, Alice. Das war das Dumme. Wir hätten davonkommen können. Danny wusste gar nichts, aber Lenny ... Weiß der Himmel, was er zu ihm gesagt hat. Er konnte einfach die Klappe nicht halten. Immer redete er davon, dass wir zur Polizei gehen müssen, dass er dir alles erzählen will. Wenn er dich heiraten will, müsstest du wissen, worauf du dich einlässt, und so weiter ...«
»Er hat mir nichts erzählt, Jack. Ich hatte keine Ahnung. Das schwöre ich.«
»In Amerika habe ich mir vor Angst in die Hose geschissen. Deswegen bin ich ihm immer nachgegangen. Er wollte nicht mehr mit mir darüber reden, und ich hatte Angst. Ich sah ihn vor mir, wie er sich in irgendeiner Bar besäuft und wer weiß wem die ganze Geschichte erzählt. Ich konnte ihm nicht trauen. Himmelherrgott, ich habe nicht mal Val erzählt, dass Danny uns erpresst.«
»Aber woher ...«
»Ich weiß es nicht! Ich konnte es ihr nicht sagen. Nachdem sie diesen Film gesehen hat, habe ich sie angefleht, mir zu helfen, und sie sagte, wenn sie uns hilft und in Kittys Wohnung geht ... sie zwang mich, ihr zu versprechen – keine Weibergeschichten mehr. Ich musste es versprechen, wenigstens das war ich ihr schuldig, und ich sah keinen Ausweg. Sie sagte zu mir ... ich hätte ihr Leben ruiniert, und ich habe ihr versprochen, dass ich mein Leben in Ordnung bringen würde, versprach, mit in Urlaub zu fahren, nach Ägypten, sie wollte immer schon die Pyramiden sehen. Aber die Sache mit Lenny ... die habe ich ihr nie erzählt, Alice. Ich konnte es nicht.«
»Das verstehe ich nicht. Du hast gesagt, du hättest sie verlassen.«
»Habe ich auch. Als Susie krank wurde. Ich weiß nicht, was passiert ist, ich war ... ich musste weg. Ich konnte es nicht ertragen, dort zu sein, sie anzuschauen, zu wissen, dass ich nichts tun kann und alles meine Schuld ist. Ich weiß, was ich über Val gesagt habe, aber ich kam einfach nicht damit zurecht, Alice. Ich habe mich abgekapselt, doch Lenny war nicht mehr da, und es gab niemanden, mit dem ich reden konnte. Ich fühlte mich so allein und ... Ich wusste nicht, was ich tun sollte.«
»Aber du hast doch Freunde.«
»Nicht wie Lenny. Ich hatte ihn verloren, Alice. Sogar bevor er starb, war er schon jenseits von Gut und Böse. Er wollte nicht ... wollte nicht ... Es war alles so ein verfluchtes Chaos. Keine richtige Arbeit, Alice. Wie ich dir gesagt habe: hier und da ein Job. Nichts Großes. Und Danny wollte Geld, und Val rief immer an, um mir zu sagen, welche Therapien Susie brauchte: psychiatrische Behandlung, Homöopathie, Geistheiler. Von einem Quacksalber zum nächsten, und ich konnte nicht nein sagen. Dann wollte Rosie auf die Kunsthochschule gehen, und ich hatte Schulden, hatte bei Findlater Geld geliehen, konnte die Wohnung nicht mehr bezahlen.«
»Bist du deswegen zu ihr zurückgegangen? Wegen Geld?«
»Zum Teil. Und Val zuliebe. Sie wollte es. Weiß Gott, warum, aber sie wollte es.«
»Sie liebt dich immer noch, Jack.«
Er schüttelte den Kopf. »Das ist vorbei – schon lange. Meine Schuld. Aber ... ach, ich weiß nicht. Ich habe diesen Traum, Alice. Es ist immer derselbe. Von Lenny, der sagt, er wartet auf mich. Er sieht so glücklich aus. Mein Gott, wie ich ihn vermisse.«
»Ich auch.«
Einen Augenblick lang war Stille, und dann sagte Jack: »Zieh es für mich an, Alice.«
»Was?«
»Das Kostüm. Ich habe es auf dem Speicher gesehen. Ich will, dass du es anziehst.«
»Das Bunnykostüm?«
»Bitte. Komm schon.« Jack packte mich am Arm und zog mich hoch.
»Warum?«, fragte ich verwirrt. »Ich kann nicht.«
»Doch, du kannst.«
»Nein, Jack, das ist furchtbar, es ist ...«
»Tu es. Für mich.«
Er griff in die Tasche und zog die Pistole heraus.
Er will alles ausblenden, dachte ich. Die Vergangenheit zurückholen. In der er sicher war, erfolgreich, glücklich. Wenn er überhaupt je glücklich war.
»Hast du Kerzen?«, fragte er.
»In der Anrichte. Soll ich eine auf den Tisch stellen?«
»Ich will überall welche. Neues Spiel, Bunny Alice. Wir machen das Licht aus.«
Er lächelte. Ich muss mitspielen, dachte ich. Ich habe keine Wahl.