Blau

Meine Tochter war dreizehn, als sie von der Elementaryschool nach Hause kam und mir erzählte, dass sie ein halb verhungertes Kätzchen in der Einfahrt vor unserem Haus gefunden hatte. Sie sagte, sie habe es in ihre Schultasche gesteckt und mit zur Schule genommen. Ihre Klassenlehrerin, die ehrenamtlich für eine Tierklinik arbeitete, habe ihr gesagt, das Kätzchen müsse untersucht und geimpft werden, und vorgeschlagen, sie beide in der Mittagspause zum Tierarzt zu fahren. Meine Tochter bettelte nicht darum, das Kätzchen behalten zu dürfen, als sie nach Hause kam. Sie gab mir einfach die Quittung, auf der die Adresse der Tierklinik stand, und sagte: »Wir müssen uns beeilen. Sonst schaffen wir es nicht, sie rechtzeitig abzuholen. Sie machen um fünf zu.«

Ich wusste nicht besonders viel über Tiere oder darüber, wie man sich um sie kümmerte. In meinem Leben hatten sie bisher keine Rolle gespielt. Im Übrigen wusste ich auch nicht besonders viel darüber, wie man sich um Kinder kümmerte. Das Mädchen, mit dem ich an der Thayer Avenue wohnte, hatte ich nicht zur Welt gebracht. Sie war eines Tages in meinem Leben aufgetaucht, und von diesem Tag an kümmerte ich mich um sie.

Vielleicht war es auch umgekehrt.

Schon in den ersten Tagen bewies meine Tochter, dass es ihr mit dem Versprechen ernst war, das sie, wie sie mir erzählte, ihrem »Schützling« gegeben hatte. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, die Katze noch einmal untersuchen zu lassen, weil sie immer noch krank aussah. Ich hätte nicht einmal den Unterschied zwischen krank und gesund bemerkt. Aber meine Tochter rief eine ambulante Tiermedizin an und bat darum, jemanden vorbeizuschicken, der sich die neue Hausbewohnerin anschaute. Hätte sie das nicht getan und die Tierpflegerin die Katze nicht an den Tropf gehängt, um sie zu rehydrieren, wäre das Tier gestorben.

Innerhalb von wenigen Tagen hatte das Kind seiner Katze zweimal das Leben gerettet.

Auf der Rückfahrt von der Tierklinik hatte ich meiner Tochter noch versichert, das Ganze würde nur vorübergehend sein. »Wir machen keine Gefangenen«, sagte ich im Auto. »Lass die Katze laufen, sie ist nicht einsam.« Das enge Verhältnis zwischen Menschen und ihren Tieren war mir immer absurd vorgekommen.

»Diese Katze ist mir zugelaufen, und das bedeutet, dass ich für sie die Verantwortung habe«, gab meine Tochter zur Antwort. »Ich muss mich um sie kümmern.«

Sie sagte öfter solche oder ähnliche Dinge, und das brachte mich dazu, sie eines Tages zu fragen, wer sie sei.

Ohne zu zögern, sagte sie: »Ich bin ein vierundachtzigjähriger Chinese.«