Wenige Monate nachdem das Kätzchen zu uns gekommen war, sahen meine Tochter und ich zufällig eine alte streunende Katze. Für uns stand außer Frage, dass sie die Mutter unseres Kätzchens sein musste. Sie hatte genau die gleichen Merkmale: graublaues Fell, weiße Smokinghemdbrust, weiße Pfoten. Allerdings war diese alte Katze von den vielen Würfen, die sie im Laufe der Jahre gehabt haben musste, sehr korpulent geworden. Sie hatte auch außerordentlich lange und sehr weiße Schnurrbarthaare, die sie wie eine alte Konförderiertengeneralin aussehen ließen, und von da an nannten wir sie die Generalin.
»Von ihr hat unser Kätzchen seine Foltermethoden!«
Da gab es die überraschenden Angriffe auf die Zehen am frühen Morgen oder das Kriegsgeheul, das sich anhörte, als wären ihre Stimmbänder an einen Verstärker angeschlossen. Der Schrei war so unerträglich, dass wir gezwungen waren, Tag und Nacht ein Fenster offenzulassen, damit sie kommen und gehen konnte, wie sie wollte.
Meine Tochter bestand darauf, dass das Kätzchen ein Halsband mit Namensschild in Form eines kleinen pinkfarbenen Herzens trug, um nicht verloren zu gehen. Das bedeutete, dass wir das Halsband irgendwie am Hals befestigen mussten. Das bedeutete auch, dass wir uns einen Namen einfallen lassen mussten.
»Sie ist Sophie«, sagte meine Tochter.
»Zweifellos«, sagte ich, ohne zu zögern.
Der Name passte perfekt. Und ich kannte mich mit Namensgebungen aus. Ich machte das nicht zum ersten Mal. Nachdem das kleine Mädchen zu mir gekommen und klar geworden war, dass sie bleiben würde, fiel es mir zu, ihr einen Namen zu geben. Ich nannte sie Lola. Das war der Name des gütigsten Menschen, der mir je begegnet war.
Sophies Name hingegen war inspiriert von einem Film, den Lola und ich gesehen hatten, bevor sie Englisch sprechen konnte. Es handelte sich um den Zeichentrickfilm eines französischen Filmstudenten, der vor dem Disney-Hauptfilm lief. Der Film war etwa fünf Minuten lang und aus nervös zittrigen Bleistiftstrichen komponiert, die sich unaufhörlich bewegten. Es gab nur zwei Figuren, eine sehr liebenswürdige, senile alte Dame und ihre Katze Sophie. Die alte Dame verwöhnte und verhätschelte ihre Katze maßlos, ständig hieß es Sophie hier, Sophie da, bis die Katze, wahrscheinlich eine Siamesische, eines Tages völlig ausrastete. Am Ende des Films war nur noch die alte Dame zu hören, die auf einer schwarzen Leinwand verzweifelt um ihr Leben kreischte: »Sophie!!! Sophie!!!« Das kleine Mädchen und ich lachten, wir lachten uns schlapp, und wenn es zwischen uns überhaupt jemals eine Sprachbarriere gegeben haben sollte, war sie damit augenblicklich überwunden. Wir hatten genau den gleichen Sinn für Humor.