Saufbolle

»Was gibt’s Neues?«, fragte ich den Mentor, als ich ihn am späten Nachmittag endlich erreichte.

»Es klappt nicht, chola

Reflexartig fuhr meine Hand zum Kopf, um ein nicht mehr vorhandenes Haar aus der Stirn zu streichen, dann betastete ich die kahle Stelle am Hinterkopf.

»Was klappt nicht?«

»Uns fehlt die Energie, es klappt nicht«, sagte der Mentor gerade laut genug, dass ich ihn noch verstand.

»Warum?«

»Warum …«, sagte er ausdruckslos, allerdings mit einer Spur Sarkasmus in der Stimme, als müsste ich wissen, warum.

»Aber du hast doch gesagt, dass wir zu dritt nach Montevideo fahren. Du hast gesagt, wenn ich mir die Haare schneiden lasse, können wir fahren.«

Ich sah den gewaltigen Strom von Montevideo vor mir, wie er Unmengen von Wasser in die Luft sprühte, während er an uns vorbeischoss, wie der Sprühnebel unsere Haare und Kleidung durchnässte, was mich daran erinnerte, dass ich schnelltrocknende Sachen hätte einpacken sollen und vielleicht auch eine Regenjacke. Ich besaß zwar keine, aber das schien momentan unerheblich.

»Wir hören, was wir hören wollen«, sagte er leise.

»Das verstehe ich nicht. Ich habe gemacht, was von mir verlangt wurde. Wir hatten einen Deal!«

Der Mentor ließ meine Worte einsinken, und ich wünschte mir sehr, ich hätte sie zurücknehmen können.

»Es sind die kleinen Dinge, die uns umbringen«, sagte er nach einer Weile niedergeschlagen. »Nie die großen Handlungen. Die werden dank unserer kleinbürgerlichen Erziehung sofort korrigiert, wir bleiben engherzig und kleinlich. Nur wenige haben den Mut, Tabus zu brechen oder Außergewöhnliches zu tun. Aber die kleinen Dinge.« Er johlte, als würde er ein Pferd zurück in den Stall treiben: »Ho, ho, ho, die kleinen Dinge sind es, die unseren Geist zerstören. ›Gibst du mir dieses, geb ich dir jenes.‹ Krämer! Händler! Söldner! Rechnen alles bis auf den kleinsten Cent auf. Einem Krieger schreibe ich jederzeit einen Blankoscheck, keiner hätte es mehr verdient. Aber nicht einer Krämerseele.«

Krämerseele; seit meiner Großmutter hatte das niemand mehr zu mir gesagt.

Ich musste daran denken, wie meine Großmutter mit mir, als ich fünf Jahre alt gewesen war, zum jährlichen Gesundheitscheck zu unserem Hausarzt gegangen war. Wir saßen im Wartezimmer, und sie wurde ungeduldig, weil ich mich seit mehr als einer Stunde weigerte, mir Blut abnehmen zu lassen. Ich konnte den Grund dafür nicht benennen. Aber auch wenn ich es gekonnt hätte, wäre ich nicht in der Lage gewesen, überzeugend darzulegen, dass das Problem nicht bei mir, der Fünfjährigen, lag, sondern beim Arzt. Unabhängig vom Grund unseres Besuchs kam er jedes Mal mit einem harmlosen Lächeln, einen Arm hinter dem Rücken, ins Sprechzimmer, um dann eine unerträglich schmerzhafte Penizillinspritze in meinen nackten Po zu rammen. Die Weigerung, das noch länger mitzumachen, war keine bewusste Entscheidung gewesen, ich hatte wohl einfach genug.

Während wir im Wartezimmer saßen, wies meine Großmutter den Flur hinunter auf den Arzt, der sich mit einer Krankenschwester unterhielt, und sagte, sie würden gerade nach einer Zwangsjacke suchen, in die sie mich stecken könnten, falls ich nicht nachgeben würde. Aber ich blieb standhaft. Ich wusste auch gar nicht, was eine Zwangsjacke sein sollte. Als meine Großmutter merkte, dass sie so nicht weiterkam, schlug sie einen anderen Kurs ein. Sie bestach mich, zuerst mit Kleingeld, einem Zehncentstück, einem Vierteldollar, einem Silberdollar, und als auch das nicht funktionierte, wechselte sie zu Papiergeld, zwanzig, fünfundzwanzig, fünfzig Dollar, was ich stur ablehnte. Während die genannten Summen immer größer wurden, kam mir irgendwann eine magische Zahl in den Sinn, die runde Summe von hundert Dollar, auch wenn ich keine Vorstellung davon hatte, was hundert Dollar bedeuteten. Ich wartete, bis meine Großmutter schließlich die magischen Worte aussprach.

»Ich geb dir hundert Dollar, wenn du dir Blut abnehmen lässt.«

»Okay«, sagte ich sofort.

Aber anstatt einen Hundertdollarschein aus ihrem Portemonnaie zu nehmen und in meine Hand zu legen, wurde sie böse und sagte: »Krämerseele. Keinen Cent kriegst du von mir. Und wenn du nicht auf der Stelle ins Arztzimmer gehst und dir verdammt noch mal Blut abnehmen lässt, rede ich nie wieder ein Wort mit dir.«

Nicht nur die plötzliche Verwandlung meiner Großmutter erschreckte mich, sondern auch meine gemischten Gefühle. Das kannte ich nicht. Einerseits war ich schwer enttäuscht, weil ich nicht erfahren würde, wie ein Hundertdollarschein aussah. Andererseits schämte ich mich, obwohl ich nicht wusste, was eine Krämerseele war.

»Ich wusste nur, dass ich auf keinen Fall eine sein wollte«, sagte ich am Telefon zum Mentor. »Am Ende hat dieser Arzt mir Blut abgenommen und mir die Penizillinspritze gegeben, und meine Großmutter hat ihren Teil der Abmachung nicht nur eingehalten, sondern mehr als erfüllt. Sie hat mir keinen einzigen Cent gegeben und tagelang kein Wort mit mir gesprochen.«

»Sie hatte recht«, sagte der Mentor. »Du bist eine Krämerseele.«

»Ich hatte recht! Der Arzt war ein Quacksalber. Das wusste ich schon, als ich noch gar nicht wissen konnte, dass er auch der Drogendealer meiner Mutter war. Er hat mir Codein gegen Menstruationsschmerzen verabreicht und zwar Jahre, bevor ich meine Tage hatte, und Chloralhydrat gegen Schlaflosigkeit, worunter ich überhaupt erst litt, nachdem ich das Zeug genommen hatte.«

»Du hättest es nicht nehmen müssen.«

»Ich habe ihm geglaubt, ich war ein Kind. Alle haben Rezepte von ihm bekommen, sogar meine Großeltern.«

»Früher war früher und heute ist jetzt, und jetzt musst du das Gelände räumen.«

»Ich bin gerade erst eingezogen«, sagte ich und dachte an meinen Koffer unter dem Bett, fertig gepackt, aber ohne Reiseziel.

»Ich meine das nicht wörtlich, babosa. Wir müssen uns ändern, jetzt.«

»Ich habe schon alles geändert, als ich hierherkam.«

»Schwachsinn, Schwachsinn!«, rief er ins Telefon und lachte wie verrückt. »Wir sind so enttäuscht, ständig enttäuschen uns alle, nicht wahr?«

Ich wollte erwidern, dass es nicht darum ging, dass mich ständig alle enttäuschten, sondern dass er mich jetzt enttäuschte. Aber etwas hielt mich davon ab. Stattdessen erzählte ich ihm die Geschichte von Arthur James und der goldenen Flöte. Denn offensichtlich hatte er die versprochene Reise nach Montevideo ebenso wenig ernst gemeint wie Arthur James die versprochene goldene Flöte.

»Ich hatte jedes Recht, enttäuscht zu sein.«

»Warum? Weil du die goldene Flöte verdient hattest?«

»Er hatte es mir versprochen. Es war nicht meine Idee gewesen.«

»Und du hast ihm geglaubt?«

»Warum hätte ich ihm nicht glauben sollen?«

»Niemand hat irgendetwas verdient. Wir verdienen nichts. Darum geht es. Und selbst wenn andere alles bekommen, ohne etwas dafür zu tun, ist das nicht dein Schicksal. Du wirst immer arbeiten müssen für das, was du bekommst.«

»Das tue ich. Mir hat noch niemand jemals etwas geschenkt«, sagte ich voller Selbstmitleid.

»Schwachsinn, Schwachsinn!«

Er begann, mir eine Geschichte zu erzählen, die ich schon öfter gehört hatte. Das erste Mal in dem kubanischen Restaurant, in dem er jeden Tag dasselbe zum Mittag aß, Steak, Reis, Kochbananen, cafecito, und einige Tage später noch einmal im Kurs, während er eine Übung vormachte. Er hielt die Handteller einander zugewandt vor dem Solarplexus und bewegte sie so, als rollte er einen kleinen, unsichtbaren Ball zwischen ihnen hin und her. Mit dieser Bewegung hatte er das Tanzstudio betreten und war dann im Raum herumgegangen mit einem verschlagenen Blick, der an einen Comic-Bösewicht erinnerte. Wenn der Ball größer wurde, öffnete er weit die Arme, und wenn er schrumpfte, führte er die Hände nah vor seiner Brust zusammen, als würde er eine unsichtbare Kraft zusammenstauchen. Währenddessen erzählte er von einem alten Mann und einer alten Frau, die er von seinem Zimmerfenster aus beobachtet hatte, als er noch in Downtown in der Nähe von Skid Row gewohnt hatte, in einem Zimmer mit giftgrünen Wänden und Neonlicht.

»Sie waren Saufbolle«, sagte er, wobei er das d am Ende unterschlug. »Jede Nacht, auf die Minute genau zur selben Zeit, liefen beide über den leeren Parkplatz vor meinem Fenster. Er ging voran, sie hinter ihm her, so.« Er ahmte die beiden pantomimisch nach, schlurfte an mir vorbei und lächelte breit. »›Was, du kleiner Kurzer!‹, schrie sie hinter seinem Rücken. ›Schwachsinn, Schwachsinn‹, schrie er zurück. Und damit machten sie so lange weiter, bis sie außer Sicht waren: ›Was, du kleiner Kurzer!‹, ›Schwachsinn, Schwachsinn!‹«

Der Mentor wiederholte den unsinnigen Dialog schneller und immer schneller, während er durch das Studio ging. Der Kurs lachte, obwohl die Geschichte auch den anderen nicht neu sein konnte. Ich sah zu Claudine, die ebenfalls lachte und sich dann zu ihrer lachenden Mutter umdrehte und sie anstarrte.

»So sind wir«, sagte der Mentor. »Wir haben ein oder zwei Tricks parat oder, wenn wir sehr, sehr einfallsreich sind, vielleicht drei. Mehr nicht. Und die verwenden wir wieder und wieder für den Rest unseres Lebens. Soll es das gewesen sein? Ist das alles? Mios dios, sind wir arm.«

»So sind wir«, sagte er auch am Telefon. »Wir, die wir uns endlos wiederholen, endlos langweilig.« Er klang genervt. »Der alte Mann und die alte Frau. Er läuft ein paar Schritte vor ihr her, ach was, keiner von beiden läuft; sie schlurfen!«

Ich konnte kaum glauben, dass er mir fast wortwörtlich schon wieder dieselbe Geschichte erzählte.

»Beide schleppen eine Einkaufstüte, die Tüten sind schwer, sie schleifen fast über den Boden, und die ganze Zeit schreit sie ihn von hinten an. Das ist ihr Ritual«, sagte er, »Saufbolle, die beiden.« Und dann imitierte er mit offensichtlichem Genuss die Stimme der Frau, wobei er jedes Wort in die Länge zog, als würde er zum Schlag ausholen.

»Was, du kleiner Kurzer! Schwachsinn, Schwachsinn! Was, du kleiner Kurzer! Schwachsinn, Schwachsinn! Was, du kleiner –«

Ich fragte mich, wann er den Schlusspunkt setzen würde und ob die Geschichte, die noch immer genauso unsinnig klang wie die beiden vorigen Male, jemals Sinn ergeben würde, und ehe ich ihm die Frage stellen konnte, die mich seit Beginn unseres Telefonats quälte, nämlich ob die Reise überhaupt geplant oder auch nur Schwachsinn, Schwachsinn gewesen war, spürte ich einen Schlag, der mir fast die Luft nahm. Es war, als hätte mich der kleine Ball, den der Mentor im Kurs zwischen seinen Händen geformt hatte, direkt in den Solarplexus getroffen.

»Nicht die anderen enttäuschen uns, preciosa, wir sind es, wir sind die Enttäuschung, wir sind zu perfekt, um es auch nur zu versuchen. Statt zu handeln, sind wir damit beschäftigt, uns zu beschweren, uns unendlich selbst zu bemitleiden, weil alle anderen uns wehtun, uns enttäuschen und verraten. Aber für jemand anderen auch nur einen Finger zu rühren? Du machst wohl Witze! Wir erwarten, dass uns alles auf dem Silbertablett serviert wird. Warum? Weil wir es verdient haben? Weil wir so wundervolle Wesen sind? Nein, wir sind Versager – mangels Alternative.«

Ich öffnete die Küchentür, um Luft hereinzulassen, setzte mich auf den Treppenabsatz und sah zu, wie die Wolken sich in verzerrte Trickfilmgesichter verwandelten, enttäuschte Gesichter, das Gesicht meiner Mutter, und knapp unterhalb des Himmels, am weißen Palisadenzaun vor mir, webte eine Spinne ihr Netz zwischen den weißen Planken, pünktlich zu Halloween.

»Nimm ein Streichquartett und eine Spinne, beide haben acht Beine, aber deshalb sind sie noch lange nicht ein und dasselbe«, sagte der Mentor, als hätte er das Gleiche gesehen wie ich. »Wir sollten uns über den Unterschied im Klaren sein. Ich kann unendlich viele Standpunkte in mein Denken mit einbeziehen, aber ab einem bestimmen Punkt funktioniert es nicht mehr, da hört die Intersubjektivität auf. Wie soll ich einem ungebildeten Menschen etwas erklären? Der Geist muss beweglich genug sein, um das Unfassbare zu erfassen, muskulös genug, um sich problemlos zwischen verschiedenen Welten bewegen zu können. Aber dazu sind wir nur in der Lage, wenn wir uns bilden, wenn wir komplexe Texte lesen, die wir uns nicht ausgesucht haben, wenn wir die tieferen Sprachschichten auf der zellulären Ebene verstehen. Nur so lässt sich begreifen, dass es nie eine gute Idee ist, schnell Synonyme zur Hand zu haben. Nur dann können wir Tacheles reden.«

Die Luft war klar und kalt geworden, die Sonne stand niedrig, und die Blätter an den Bäumen leuchteten orange und rot. Statt die längere Strecke durch den Holmby Park und über die Hilgard Avenue zur UCLA zu nehmen, ging ich auf direktem Weg den Westwood Boulevard zum Universitätscampus hinauf und fragte mich zur Murphy Hall durch, wo sich das Studentensekretariat befand. Als ich ankam, war das Büro bereits geschlossen.

Neben dem Eingang hing eine Übersicht, auf der die einzelnen Institute aufgelistet waren. Ich rief den Mentor an.

»Ich bin an der UCLA

»Ausgezeichnet!«, flüsterte der Mentor verschwörerisch.

»Soll ich ans Altphilologische Institut gehen? Sagen mochte ich schon immer.«

»Ja!«

»Oder soll ich Mittelalterliche Literatur studieren?«

»Ja! Ja!«

»Was von beidem?«

»Ja! Mach das!«

»Ich weiß nicht. Vielleicht sollte ich ans Institut für Filmwissenschaften gehen, dann könnte ich meinen Abschluss nachholen.«

»Nein, chola, nein, das geht nicht. Das würde ich dir nicht raten.«

»Also, was soll ich dann studieren?«

»Ja, ja, ja, mach das! Egal, was. Was immer du dir aussuchst, ist dein Anfang.«

Ich schaute auf die Liste der Institute. Das Institut für Deutsche Sprache und Literatur war in der Royce Hall, die sich in einem der Backsteingebäude befand, an denen ich gerade vorbeigegangen war.

Auf dem Weg dorthin war mir, als geschähe etwas Außergewöhnliches. Aber ich wagte nicht, mir Hoffnungen zu machen.

In der Royce Hall betrat ich eine hohe und stille Eingangshalle. Ich durchquerte sie eilig und folgte den Schildern zum Institut für Deutsche Sprache und Literatur die Treppe hinauf. Es war schon später Nachmittag, und als ich an mehreren geschlossenen Türen vorbeiging, neben denen Schilder mit deutsch klingenden Namen hingen, dachte ich, dass ich wahrscheinlich umsonst gekommen war. Aber dann sah ich am Ende des Flurs eine geöffnete Tür. Es war das Zimmer der Sekretärin. Ich klopfte leicht an den Türrahmen.

»Ich bin nicht sicher, ob ich hier richtig bin«, sagte ich, etwas außer Atem, in meinem besten Deutsch. »Ich würde gern wieder studieren, und weil ich in Deutschland gelebt habe und Deutsch spreche, dachte ich, ich könnte vielleicht hier studieren, aber ich weiß nicht …«

Ich versuchte, meine üblichen Fehler zu vermeiden, die daher rührten, dass ich nie Grammatikunterricht gehabt hatte. Immerhin war meine Aussprache nicht schlecht.

»Warum nicht?«, sagte die Sekretärin. »What do you have to lose? Bewerben Sie sich einfach!«

»Ist es dafür nicht zu spät? Ich meine, das Semester hat schon angefangen.«

»Das weiß man nie«, sagte sie. »Am besten, Sie reden mit Professor Rheingold. Er ist der richtige Ansprechpartner und er ist auch noch in seinem Büro.«

Bevor ich protestieren konnte, stand sie auf, kam um den Schreibtisch herum und zog mich an der Hand über den Flur, fast wie das Kind, das mich im Kindergarten jeden Morgen vom Spielplatz abgeholt und in den richtigen Raum gebracht hatte.

»Professor Rheingold, ich habe hier eine angehende Studentin. Sie spricht perfekt Deutsch. Haben Sie einen Moment Zeit?«

Der Professor musste früher einmal gut ausgesehen haben, eine Narbe lief quer über seine Wange, vielleicht war er dem Klischee entsprechend in einer schlagenden Burschenschaft gewesen. Wir unterhielten uns eine Weile auf Englisch, er sprach mit einem starken Akzent. Ich fragte ihn, wie lange er schon in den USA war, und er antwortete, seit über fünfundzwanzig Jahren, wodurch sich die Frage, ob er vorhabe zu bleiben, erübrigte. Schließlich versprach er mir, dass ich, sollte ich mich sofort bewerben und meine Zeugnisse einreichen und den Zulassungstest ablegen, nicht nur zu den Graduate Studies zugelassen werden würde, sondern auch als Teaching Assistant arbeiten könnte.

Zu Hause rief ich sofort noch einmal den Mentor an und erzählte ihm von dem Angebot, das meine Hoffnungen weit übertraf. Es war die reine Magie, Sesam, öffne dich. Und als ich den kalten Schauer spürte, mit dem sich die Enttäuschung ankündigte, an etwas geglaubt zu haben, das nie eintreffen würde, sagte er: »Das hier ist eine ganz andere Liga, preciosa. Dir wurde die Tür geöffnet, und du bist hindurchgegangen.« Er brach in eines seiner typischen Lachen aus. Er verfügte über ein ganzes Archiv unterschiedlicher Lachen, aber diesmal klang es wie die reine Freude.

»Du wirst schuften bis zum Umfallen«, sagte er, bevor er auflegte, »aber du wirst es gar nicht merken, es wird einen neuen Menschen aus dir machen.«

Am nächsten Morgen rief ich im Jesuite College an, das wegen der ausstehenden Zahlungen mein Bachelorzeugnis noch zurückhielt, und wurde mit einer Frau namens Dorothy in der Buchhaltung verbunden. Ich erklärte ihr, dass ich einen Zahlungsplan mit ihr ausarbeiten wolle, um die Tausende von Dollar, die ich dem College noch schuldete, nach und nach abzustottern. Ich erklärte ihr, dass ich unerwartet die Chance bekommen hätte, noch einmal ganz neu anzufangen, mein Leben zu ändern, eine Wissenschaftlerin zu werden, und deshalb mein Abschlusszeugnis bräuchte, bevor die Schulden beglichen seien, jetzt. Ich gab ihr mein Wort darauf, dass ich alles vollständig zurückzahlen würde, wenn nötig auch mit Zinsen, aber es sei eilig, die Tür stehe jetzt offen und ich wisse nicht, für wie lange, und ehe ich fertig war, sagte sie aus dem Blauen heraus: »Ich hebe die Sperre Ihrer Akten auf, Sie können Ihre Zeugnisse sofort abschicken.«