Warnung des Mannes mit den Socken an den Händen

Im Nachhinein gibt es immer Zeichen. Viele. Aber gerade jene Zeichen, die rückblickend so offensichtlich erscheinen, bleiben im Moment ihres Auftauchens vage. Sie verschmelzen mit der Landschaft oder verflüchtigen sich wie Nebel am Mittag.

Im Herbst kann die Hitze in Los Angeles glühend sein. Es wird heißer als an den heißesten Spätsommertagen, aber weil die Tage kürzer sind, kühlt es schneller ab. Die Nächte dauern bis in die frühen Morgenstunden, und wenn der Dunst des Meeres auf die Wüstenwinde trifft, verwandeln die kälteren Schichten der Luft ihn in Nebel.

Manchmal hängt der Nebel tagelang über dem Westen der Stadt.

An einem dieser nebligen Tage im September kam der Mann mit den Socken an den Händen die Thayer Avenue entlang auf unser Haus zugelaufen. Ich stand in der Einfahrt. Sophie duckte sich auf den Gehweg und verfolgte die Krähen, die um diese Zeit in großer Zahl nach Los Angeles kommen. Sie waren zu groß, als dass Sophie sie hätte jagen können. Das Gefieder schimmerte metallen, obwohl die Sonne nicht schien. Ich trank eine Tasse Gyokuro-Tee und lauschte ihrem Gekrächz, als ich ihn sah.

Mein erster Impuls war es, Sophie zu schnappen und ins Haus zu gehen. Der Mann war ziemlich harmlos. Die Nachbarn kannten ihn alle. Wenn er vorbeikam, hörten sie sich schulterzuckend seine Weltuntergangsprognosen an. Aber mich verstörte sein Anblick jedes Mal, auch wenn sein Auftauchen folgenlos blieb, es passierte nichts. Er vermittelte mir jedoch das Gefühl, dass etwas passieren könnte, wie eine Temperatur, die sich wärmer oder kälter anfühlt, als das Thermometer anzeigt. Der Mann war blass und hager und lang, obwohl er nicht besonders groß war. Er trug einfache graue Hosen und ein weißes langärmeliges Shirt, das ihm aus der Hose hing. Alles an ihm hing, auch die Socken, die von seinen Händen zu tropfen schienen und die aussahen wie die natürliche, sogar notwendige Ausstattung eines Schlafwandlers.

Ich erwischte Sophie nicht rechtzeitig.

Langsam kam er auf mich zu. Es sah aus, als transportierte ihn ein Förderband. Ich bemerkte, wie meine Nachbarin ins Haus ging. Vor einer Weile hatte sie mir erzählt, dass er sie angeschrien habe, weil sie ihre Katze draußen ließ, und seither wollte sie ihm nicht mehr begegnen.

Sophie legte ihren Kopf dicht an den Asphalt, sie führte ihre Schlangenimitation auf. Ich stellte mich vor sie.

»Lass deine Katze nicht frei herumlaufen«, schrie er aus wenigen Metern Entfernung.

Er besaß selbst Katzen und hatte sich schon früher darüber beschwert, dass unsere Katzen in das Territorium seiner Katzen eindrangen. Ich beschloss, die Sache ein für alle Mal zu klären, nicht nur für mich, auch für meine Nachbarn, und antwortete mit der ganzen Autorität, die ich aufbringen konnte: »Die Katzen dieser Straße können tun und lassen, was sie wollen.« Meine Stimme zitterte.

»Es gibt Kojoten im Viertel«, schrie er. »Die fressen die Haustiere, die haben schon viele gefressen. Wenn du deine Katze liebst, sperr sie ins Haus.«

Wie verzweifelt rang er die Hände mit den hängenden Socken.

»Ja, Sie haben völlig recht, wir müssen gut aufpassen«, sagte ich und klang nun bestimmter. »Von den Kojoten habe ich auch schon gehört.«

»Sie sind da«, sagte er. »Sie beobachten dich.«

»Selbstverständlich werden wir die Katzen drinbehalten«, sagte ich, obwohl wir das ganz sicher nicht tun würden.

Ich ging in den Garten zurück, wo Sophie unter den Lavendel gekrochen war. Ich wusste, dass es Kojoten in der Stadt gab, dass sie bis in die Wohnviertel vordrangen. Das gehörte zu den Sagen über L. A.: Die Stadt breitete sich immer weiter aus und verdrängte die Tiere aus ihren natürlichen Habitaten. Sie kamen aus den Canyons auf die Grundstücke, wo sie Haustiere und Kinder anfielen, aber ich hatte noch nie gehört, dass sie so weit vorgedrungen waren; nach Westwood oder Century City. Wir wurden von mehreren großen Boulevards umschlossen, und ich war sicher, dass sie es auf keinen Fall bis hierher schaffen würden.

Zumal die Worte eines Mannes, der mit herabhängenden weißen Socken an den Händen durch das Viertel lief, nicht besonders glaubwürdig waren.

Nachdem es passiert war, erlaubte ich mir nicht, an die Büchse mit Katzenfutter zu denken, die halb geöffnet nahe der Stelle gelegen hatte, an der ich Sophie an jenem Morgen gefunden hatte, oder daran, dass sie wie ein Köder ausgesehen hatte.

Den Gedanken, dass nicht die Kojoten meine Katze getötet hatten, erlaubte ich mir nicht. Das wäre entsetzlicher gewesen, als zu glauben, dass sie es getan hatten.

Wenn die Kojoten sie getötet hatten, gab es einen Trost. Ich konnte mir einreden, die Hexer seien in Form von Kojoten zurückgekehrt und hätten Sophie geholt, nachdem ihr Auftrag, auf uns aufzupassen, erfüllt war.

Ich konnte mir das einreden, weil ich am Morgen darauf im Canyon einem Koyoten begegnet war, den ich, anstatt ihn zu überfahren, davonkommen ließ.

Der Mentor hatte häufig von Kojoten erzählt, sie gehörten zu den Sagen der Hexer.

Und es gab den Nebel, der nach Sophies Tod aufgezogen war, derselbe Nebel wie damals, als alle gegangen waren.

Es mussten die Kojoten gewesen sein.

Sie hatten sie nach Hause geholt.