Prolog

Es war am Freitag, dem 18. Mai 1565, als jene Ereignisse ihren Ausgang nahmen, die Malta zur berühmtesten Insel des Mittelmeers machen sollten. Mit Entsetzen sahen die Wachen der beiden maltesischen Forts St. Elmo und St. Angelo, wie sich der Horizont verdunkelte, als die größte Seestreitmacht, welche die Welt je gesehen hatte, auf die Küste Maltas zuhielt. Es waren mindestens vierzigtausend Mann auf zweihundert Schiffen, die der Herrscher in Istanbul, Sultan Süleyman der Prächtige, entsandt hatte. Süleymans Bemühungen, ein Weltreich aufzubauen, waren 1529 vor Wien gescheitert, doch ihm gehörten bereits große Teile Ungarns und Persiens, der arabischen Halbinsel, Nordafrikas, die gesamte Balkanhalbinsel und Mesopotamien. Nun hatte er entschieden, den wichtigsten Brückenkopf für die Eroberung Südeuropas einzunehmen: Malta.

Man würde leichtes Spiel haben, so hatte man in Konstantinopel angenommen, denn den vierzigtausend osmanischen Soldaten standen lediglich siebenhundertfünfzig Ordensritter des Johanniterordens, sechshundert spanische Soldaten und achttausend maltesische Kämpfer gegenüber. Doch man hatte nicht mit dem unerschütterlichen Heldenmut der Ordensritter gerechnet.

Angeführt wurden sie von dem bereits siebzigjährigen Ordensgroßmeister Jean de la Valette-Parisot – nach ihm wurde später Maltas Hauptstadt Valletta benannt – einem Mann von unbeugsamer Charakterstärke. 1541 war er bei einer Seeschlacht von den Mohammedanern gefangen genommen worden und ein Jahr lang Galeerensklave gewesen. Er hatte nur durch pure Willenskraft überlebt. Danach hatte er sich bis zum Flottenkommandeur hochgearbeitet. 1557 wurde er zum Großmeister des Johanniterordens ernannt. Da er mit einem Angriff der Osmanen rechnete, hatte er unverzüglich damit begonnen, Malta zur Festung ausbauen zu lassen. Eine Vorgehensweise, die sich nun als äußerst weise und vorausschauend herausstellen sollte.

Der Krieg erwies sich als ein Inferno von Danteschen Ausmaßen. Wochenlang feuerten die osmanischen Truppen täglich sechstausend bis siebentausend Kanonenkugeln gegen das Fort St. Elmo. Zusätzlich versuchten Mineure, wie auch schon vor Wien, die Mauer durch Unterhöhlung zum Einsturz zu bringen. Von den hundertfünfzig Ordensrittern in St. Elmo überlebten nur neun. Der osmanische Kommandant ließ sie kreuzigen. La Valette ließ im Gegenzug die Köpfe türkischer Gefangener in Kanonen laden und auf die Feinde abfeuern. Immer wieder warf er sich selbst an vorderster Front in die Schlacht, um die Moral aufrecht zu erhalten. Für die Ritter galten zwei Regeln: Wer noch gehen kann, gilt als unverletzt und Der Tod ist jeder anderen Handlung vorzuziehen . Manche Ritter, die sich kaum noch aufrecht halten konnten, ließen sich auf Stühlen zur Schlacht tragen.

Anfang September traf ein Heer von achttausend Mann aus Sizilien zu ihrer Unterstützung ein. Die Osmanen, von der Hitze Maltas, der Ruhr und riesigen Verlusten geschwächt und – zweitausend Kilometer von ihrer Heimat entfernt – am Ende ihrer Vorräte, überschätzten die Heeresstärke der Sizilianer und zogen ab. Vierundzwanzigtausend ihrer Leute waren gefallen.

Auf maltesischer Seite waren in den vier Monaten der Belagerung zehntausend Menschen umgekommen, darunter 250 Ordensritter. Städte und Burgen waren völlig zerstört.

Dennoch war es die größte Niederlage Süleymans des Prächtigen. Er war von den »Söhnen Satans« besiegt worden. In unbändigem Zorn befahl er, eine neue Expedition für das nächstes Jahr vorzubereiten. »Ich werde sie selbst gegen diese verfluchte Insel führen. Und ich schwöre bei den Gebeinen meiner Väter – möge Allah ihre Gräber erleuchten – dass ich keinen von ihnen verschonen werde.« Doch so weit kam es nicht mehr. Ein Jahr später war Süleyman tot.

Die Osmanen versuchten nie wieder, Europa auf dem Seeweg zu erobern. Von Papst Pius IV. erhielt der Johanniterorden – der sich später Malteserorden nannte – den Ehrentitel »Schild der Christenheit« und noch zweihundert Jahre danach schrieb der Philosoph und Dichter Voltaire: »Nichts ist so berühmt wie die Belagerung Maltas.«

Die winzige Insel Malta hatte unter Führung der katholischen Malteserritter geradezu Übermenschliches geleistet. Sie hatten das größte Reich Europas besiegt und damit das Abendland gerettet.

Es sollte nicht das letzte Mal gewesen sein ...