Dies würde der letzte Wahlgang sein. Großmeister Johan van Hoogstraaten konnte es förmlich fühlen. Es gab drei Kandidaten und alle drei hatte er höchstpersönlich ausgesucht. Da war zunächst Kardinal Azzoparveli, der Kardinal von Malta. Wenn er sich quergestellt hätte, wäre es sehr schwer, wenn nicht unmöglich geworden, das Konzil auf Malta zu organisieren. Doch hier hatte es stattfinden müssen, wenn Johan van Hoogstraaten als Großmeister der Malteserritter eine herausgehobene Rolle einnehmen wollte. Es war eine wundervolle Idee gewesen, Azzoparveli den Floh ins Ohr zu setzen, er selbst könne Papst werden, auf diese Weise hatte er sich geradezu ein Bein ausgerissen, um all das hier zu ermöglichen. Van Hoogstraaten musste innerlich bei dem Gedanken lächeln, dass sich Azzoparveli selbst für papabile hielt. Sicher, der Kardinal war erzkatholisch und ebenso konservativ, durchaus auch intelligent und überaus sympathisch, aber andererseits auch erschreckend naiv, jemand, der überzeugen wollte, aber nicht befehlen konnte. Kein Mann, der ein Machtwort sprechen würde, egal, wie sehr ihn viele dafür hassen würden. Er wäre ein Papst für ruhige Zeiten und nicht für eine Phase der Geschichte, in der das Kirchenschiff mit sicherer Hand durch fürchterliche Stürme gelenkt werden musste. Solche schwachen Päpste hatte man in den letzten siebzig Jahren zur Genüge gehabt. Sie waren ja die Hauptursache für die Situation, in der sich die Kirche befand. Nein, Azzoparveli war ein Mann, den jeder mochte, aber niemand für geeignet halten würde.
Dann war da Antony Muir, der Erzbischof von Chicago. Ein Mann von großer Bescheidenheit, der zahlreiche bedeutende theologische Schriften verfasst hatte. Manche sagten, dass man ihn nach seinem Tode sehr wahrscheinlich mit dem überaus seltenen Ehrentitel Kirchenlehrer auszeichnen würde. Er war absolut papabile, viele hielten ihn für visionär. Außerdem sah er mit seinen silbergrauen Haaren und seiner Adlernase wie die Idealbesetzung eines Papstes aus. Allerdings hatte er auch einen sofort ins Auge springenden Nachteil, der seine Wahl mit absoluter Sicherheit verhindern würde: Er war Amerikaner. Ein Amerikaner als Papst, das konnte sich einfach niemand vorstellen.
Und somit würde nur der dritte Kandidat übrigbleiben: Johan van Hoogstraaten selbst.
Im ersten Wahlgang hatten alle drei Kandidaten in etwa gleich viel Stimmen erhalten. Ein Umstand, der van Hoogstraaten keineswegs aus der Ruhe brachte. Es war Usus, dass bei einer Papstwahl niemand gedemütigt werden sollte. Darum gaben viele im ersten Wahlgang und oft auch noch im zweiten oder dritten jenen Kandidaten, von denen sie annahmen, dass sie chancenlos waren, ihre Stimme. Dies hatte dazu geführt, dass Erzbischof Muir im ersten Wahlgang gar über vierzig Prozent der Stimmen erhalten hatte. Eindeutig, weil er bereits neunundsiebzig war und als der aussichtsloseste der drei Kandidaten galt. Vierzig Prozent waren weit entfernt von der nötigen Zweidrittelmehrheit, aber der Schreck darüber, aus lauter Mitgefühl versehentlich um ein Haar den falschen Mann gewählt zu haben, war wohl vielen in die Glieder gefahren und hatte sie vorsichtig werden lassen. Im zweiten Wahlgang hatte Muir nur noch fünfzehn Prozent der Stimmen erhalten. Weitere fünfunddreißig waren auf Azzoparveli entfallen und etwa fünfzig Prozent auf van Hoogstraaten. Damit war die Sache klar, der Gewinner stand fest und es war nur noch reine Formsache, ihn im nun folgenden dritten Wahlgang endgültig zu bestätigen. Er war selbst überrascht und fast ein wenig enttäuscht, dass es so schnell gegangen war. Äußerlich unbewegt sah er zu, wie die Bischöfe und Kardinäle an die zwölf im Raum platzierten Wahlurnen traten und ihre Stimmzettel einwarfen »Eligio in Summum Pontificem ...«
Bald würde es soweit sein. Großmeister van Hoogstraaten konnte bereits spüren, wie die göttliche Gnade über ihn kam.