EPILOG

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Nathaniel – Fünf Jahre später

Diese Ratssitzung war die erste, an der die Septas des Landes, die Berater des Königs und die Minister sowie ihre Amtsnachfolger teilnahmen. Nate hatte sich dazu entschieden, dass die »Schüler«, wie er sie gern nannte, von nun an an den Sitzungen teilnehmen sollten, um in alles, was im Land vor sich ging, einbezogen zu werden und möglichst viel zu lernen auf ihrem Weg zu zukünftigen Ministern dieses Landes. So wie er selbst hatte lernen dürfen. Von dem wohl besten König, den Sirion jemals gehabt hatte.

»Seid Ihr zufrieden, wie es im Armenviertel von Samara vorangeht, Majestät?«, fragte Adrian gerade. Es ging um das Viertel, in dem auch das Waisenhaus von Samara lag. Um das Viertel, aus dem er selbst kam. Es wurde seit Jahren erneuert und seine Bewohner waren darüber ungemein glücklich.

Nicht zuletzt war dieser Umstand Zephyr zu verdanken. Ausgerechnet ihm. Nate hätte es nie für möglich gehalten, aber sein einstiger bester Freund war zu Celestes Vertreter geworden. Da sie nicht mehr in Samara zu Hause war, sondern an Nates Seite, übernahm Zephyr vertrauensvoll sämtliche Aufgaben in der Region, die die Königin ihm auftrug. Er hatte sich von der dunklen Seite abgewandt und zurück ins Licht gefunden. Ganz wie Nate. Und der König war von Herzen dankbar, dass er Zephyr wieder als seinen Freund bezeichnen konnte.

»Ich bin begeistert und hoffe, dass Ihr weiterhin solche Fortschritte macht«, pflichtete Nate dem Lord bei.

Nate sah seine Ratsmitglieder an. Einen nach dem anderen. Noah, der damals bereits der Lehrling von Lord Edwin gewesen war, hatte mittlerweile den Posten des Finanzministers inne, nachdem sein Lehrmeister vor zwei Jahren verstorben war. Der Halbbruder des Königs machte seine Sache mehr als gut. Auch das hätte er nie für möglich gehalten: Nate hatte ihn in sein Herz geschlossen. Die Halbbrüder verstanden sich ausgesprochen gut und Nate wollte gar nicht daran denken, dass er einst mit dem Gedanken gespielt hatte, die Beziehung zu Noah aufzugeben.

Neben Lord Lamont saß Elio, der gerade einige wichtige Unterlagen über die wirtschaftliche Lage des Landes mit dem Lord durchging. Elio besaß ein Talent für den Handel, das Nate ihm noch vor einigen Jahren nicht zugetraut hätte. Auch dass er sich mit Lamont verstand, hatte Nate mehr als überrascht. Denn trotz allem, was geschehen war und sie alle zusammengeschweißt hatte, hatte sich der Lord nicht verändert.

Nate spürte einen Blick auf sich und sah in die belustigten blauen Augen von Marco. Der ehemalige Soldat saß zwischen Lord Venn und seinem Onkel, dem Admiral. Noch hatte sich Nate nicht entschieden, ob er Marco eines Tages als Emirs Nachfolger sehen wollte oder als den von Venn. Marco besaß so viele Talente, dass Nate sich kaum entscheiden konnte. Doch das Grinsen, das auf Marcos Gesicht lag, entlockte Nate beinahe ein Knurren. Er wusste genau, warum Marco ihn so ansah. Der König hatte den Morgen mit seinen Patenkindern verbracht. Zwei wilde kleine Quälgeister, die rein zufällig Marcos und Malias Kinder waren. Nate war eigentlich viel zu geschafft für diese Ratssitzung.

Der Blick des Königs wanderte weiter zu Lady Marin. Sie würde bald ihr Amt als Ministerin niederlegen und sich in ihre Heimat zurückziehen. Nach allem, was geschehen war, wünschte sich Marin Ruhe und Frieden. Und Nate hatte ihr diesen Wunsch nicht ausschlagen wollen. Er hatte nur darauf bestanden, dass sie ihre Nachfolgerin vorher in ihren Aufgaben unterwies. Und das hatte sie getan. Makena war bereit, das Amt der Ministerin für soziale Angelegenheiten anzutreten. Er hatte diese Entscheidung bewusst getroffen und damit zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Celeste hatte ihre beste Freundin vermisst. Und Nate hatte das Strahlen in ihren Augen mehr als genossen, als er ihr verkündet hatte, welche Position er für Makena vorgesehen hatte, denn die ehemalige Zofe war aufgrund ihres Einfühlungsvermögens und ihres unbändigen Tatendrangs für dieses Amt mehr als geeignet.

Der Platz neben Pim, dem Minister für Recht, war leer. Sein Nachfolger hatte etwas Wichtigeres zu tun. Und befand sich in diesem Moment vermutlich in Nates Gemächern, was dem König missfiel. Nur zu gern würde er mit ihm den Platz tauschen.

Drei weitere Männer und Frauen waren in das Amt als Minister aufgestiegen: Tamina, die Frau von Lord Chalid, die eine Schule in Silvina führte, war nun die Ministerin für Bildung. Nate hatte nach dem Krieg dafür gesorgt, dass jedes Kind des Landes unterrichtet wurde. Er wollte ihnen allen den Grundstein für ihre Zukunft legen. Eine gute Zukunft.

Neben Tamina saß Lyndon, Linnéas Vater. Er bekleidete das Amt des Ministers für Landwirtschaft. Als Besitzer eines Gutshofs und etlicher Felder in Silvina wusste er vieles über den ertragreichen Anbau von Nahrung und die weitsichtige Bestellung der Felder. Nicht jede Provinz in Sirion war schließlich so fruchtbar wie Silvina. Unter Lyndons kluger Führung war jedoch mittlerweile jede Provinz dazu in der Lage, sich selbst zu versorgen, falls das notwendig sein sollte.

Zu guter Letzt war ein Heiler aus der Lehrstätte von Lord Chalid zu ihrem Kreis hinzugestoßen. Der neue Minister für Gesundheit arbeitete derzeit daran, mehr Ärzte im Land ausbilden zu lassen.

Nate war zufrieden mit der Umsetzung seiner Visionen. Und auch wenn sämtliche Ämter für die Regierung des Landes wieder besetzt waren, gab es doch Leerstellen, die niemand würde je wieder restlos füllen können. Mara, die oberste Septa von Sirena, war nicht mehr am Leben. Ihren Platz hatte jemand eingenommen, der in Nates Augen mehr als würdig war: Nami scherzte gerade mit Malia, die Nate für diese Entscheidung wohl für immer dankbar sein würde. Malias ehemalige Zofe hatte sich von den Qualen, die die Atheos ihr angetan hatten, erholt und das Lächeln auf ihrem Gesicht sagte deutlich, dass die Schatten auch von ihrer Seele verschwunden waren.

Auch Zahira, die Septa von Sohalia, hatte die Schrecken, die geschehen waren, glücklicherweise hinter sich gelassen. Lange Zeit hatte sie sich die Schuld an allem gegeben, was geschehen war. Weil sie Selena als Tochter des Mondes berufen hatte. Doch auch sie hatte eingesehen, dass sie die Verirrungen der Mondschwestern nicht hätte vorhersehen können.

Nate dachte an die Ereignisse von vor fünf Jahren zurück. Viel war seitdem geschehen und doch wurde der König an manchen Nächten noch von Albträumen geplagt. Albträume, in denen er eisblaue Augen sah. Zu wem diese Augen gehörten, war ihm nicht klar. Es konnten Selenas Augen sein. Aber auch die von Ayla. Die eine der Schwestern war tot, die andere saß im Gefängnis von Samara.

Die Prozesse hatten direkt nach Nates vollkommener Genesung stattgefunden. Und sie hatten ihm alles abverlangt. Ein Teil von ihm hatte die beiden Atheos auf der Stelle hinrichten lassen wollen, sowohl Ayla als auch Sadik. Doch er hatte sich dagegen entschieden. So viel Blut war vergossen worden, zu viel Schrecken war über das Land gekommen, so viel Brutalität war verübt worden. Also hatte er Ayla nur weggesperrt. Allerdings in das dunkelste Loch, das es im Gefängnis von Samara gab. Er hatte sich dabei an Sadiks Worte erinnert, dass die Gefangenschaft für ihn schlimmer gewesen sei als der Tod. Ein Teil in Nate hoffte, dass es auch Ayla so erging. So würde sie für das, was sie getan hatte, zumindest büßen.

Nate hatte sie seit ihrer Verurteilung durch den Kronrat nicht mehr gesehen. Manchmal dachte er darüber nach, sie zu besuchen, um mit eigenen Augen zu sehen, wie es ihr jetzt ging, ob sie gar die Vergangenheit bedauerte. Aber noch fehlte ihm dazu der Mut. Ayla hatte schreckliche Dinge getan und Nate hatte Sorge, das Bedürfnis zu verspüren, ihr an die Gurgel gehen zu wollen. Er brauchte noch Zeit, um damit abzuschließen. Irgendwann würde er vielleicht stark genug sein, um Ayla erneut gegenüberzutreten.

Bei Sadik hatte Nate es geschafft. Der ehemalige Atheos befand sich mittlerweile in Lacrima. Jenem Ort, den er einst selbst zerstört hatte. Sadik hatte tiefe Reue gezeigt und verbrachte dort eine Zeit der seelischen Reinigung. Maras Tod hatte ihn verändert und er näherte sich tatsächlich wieder den Göttern und ihrem Glauben an. Offenbar brauchte er etwas, was seinem Leben Sinn gab. Und Nate war froh darüber. Nicht unbedingt wegen Sadik. Sondern wegen Mara. Sie war durch die Hand der Atheos gestorben, doch sie hatte Sadik geliebt. Sie hatte es verdient, dass die Liebe ihres Lebens Frieden fand. Und so bestand die Chance, dass sie ihn eines Tages in den Armen ihrer Götter wiedersehen würde.

»Ihr scheint nicht bei der Sache zu sein, Majestät«, bemerkte Noah mit einem Schmunzeln auf den Lippen.

Nate hob eine Augenbraue. Die Andeutung eines Grinsens lag auf dem Gesicht seines Bruders. Und er hatte recht. Nate war nicht bei der Sache gewesen.

»Das liegt vermutlich daran, dass die Königin nicht anwesend ist.« Nike warf dem König einen vielsagenden Blick zu. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah Nate tadelnd an.

Makena, Nami und Malia kicherten, Nate verdrehte nur die Augen. Er war der König und immer noch machten seine Freunde Scherze auf seine Kosten. Würde das niemals ein Ende finden? Doch wo sie eben von Celeste gesprochen hatten, verspürte er auf einmal den dringenden Wunsch, sie sofort zu sehen. Er setzte einen unschuldigen Blick auf und fragte, fast beiläufig:

»Sind wir hier fertig?«.

Nike schüttelte den Kopf, wohl wegen seiner Ungeduld. Emir schien sein Verhalten ebenfalls zu amüsieren, denn der Admiral versuchte offensichtlich, sein Lachen hinter einem Husten zu verbergen und fing sich dafür einen belustigten Seitenblick von Nike ein.

Nate beobachtete diese Interaktion noch immer mit Erstaunen. Seine Leibwächterin hatte ihm nach dem Krieg endlich die Wahrheit erzählt. Die Wahrheit über Theos Vater. Seitdem er von Nikes Sohn wusste, hatte er vermutet, dass dieser das Kind eines Mannes war, der in der Rangliste weit über Nike stehen musste. Und dass sein Vater aus Sirena kam, denn der Junge besaß die typischen sirenischen Attribute: dunkle Haare, blaue Augen und gebräunte Haut. Doch dass es sich bei Theos Vater um Emir handelte, hätte Nate niemals erwartet. Und dabei ergab es so viel Sinn. Emir war immerhin Nikes Vorgesetzter gewesen, bevor sie gezwungen worden war, ihren Dienst in der Armee zu quittieren, weil sie ein Kind erwartet hatte. Ein uneheliches Kind, wohlgemerkt. Eine Tatsache, die ihr Vater, Lord Lamont, am liebsten unter den Tisch gekehrt hätte. Was auch der Grund dafür war, dass Nike und Theo so lange getrennt voneinander gelebt hatten. Doch Nate hatte sich diesem tragischen Mutter-Sohn-Gespann angenommen und mit Lord Lamont gesprochen. Dieser hatte endlich eingesehen, dass es keine Schande war, die Nike mit der Geburt ihres Sohnes über seine Familie gebracht hatte. Ob seine Leibwächterin und der Admiral nun offiziell ein Paar waren, war dem König nicht bekannt und es ging ihn auch nichts an. Alles, was zählte, war Theos Glück. Und der Junge schien glücklich, als Nate ihm das letzte Mal begegnet war.

»Vielleicht sollten wir ihm erlauben, seine Auserwählte zu suchen. Er ist mit seinen Gedanken ohnehin woanders«, lachte Malia leise und sah Nate grinsend an.

Sie mochte die Rolle seiner besten Freundin einnehmen, doch Nate konnte dem Drang, ihr die Zunge herauszustrecken, nur schwer widerstehen. Doch er beherrschte sich. Immerhin war er nun König.

Nate erhob sich und blickte die Mitglieder seines Kronrates an. Mit strenger Stimme sagte er:

»Ich werde mich jetzt zurückziehen und auch ihr solltet die Arbeit für heute niederlegen. Morgen ist ein wichtiger Tag und der will gebührend gefeiert werden«, verkündete der König. Doch dabei lächelte er. Und das spiegelte sich in den Gesichtern aller Anwesenden wider. Denn Malia hatte recht: Nate wollte zu seiner Frau. Und es gab niemanden in diesem Land, der ihn jetzt noch davon abhalten würde.

***

Celeste

Eine Hochzeit in Solaris wurde immer groß gefeiert. Gerade, wenn es sich um eine Hochzeit in den adligen Kreisen handelte. Celeste hatte alle Hände voll zu tun, denn der Bräutigam war einer, der auf Perfektion achtete. Und damit der Königin inzwischen gewaltig auf die Nerven ging. Er war nervös, das wusste Celeste selbst. Sie wäre es bei ihrer eigenen Hochzeit auch gewesen, wenn sie nicht direkt davor einen Krieg geführt hätte.

»Passt es?«, wollte sie wissen und pustete sich eine der kirschroten Locken aus der Stirn, während sie darauf wartete, Makenas neuestes Werk zu begutachten. Auch wenn sie inzwischen nicht mehr als ihre Zofe tätig war, war sie noch immer Celestes beste Freundin und hatte mit Freuden diesen Auftrag übernommen. Zumindest hielt die Freude so lange, bis besagter Bräutigam an allem etwas auszusetzen hatte.

»Ich weiß nicht«, antwortete die Stimme hinter dem Paravent.

Celeste verdrehte die Augen. Wenn Makena schon wieder etwas würde ändern müssen, würde sie das Handtuch schmeißen.

»Dir ist bewusst, dass die Hochzeit schon morgen ist, oder?«

Ein Zischen war die Antwort.

»Danke. Ich weiß, wann meine eigene Hochzeit stattfindet.«

»Lass mal sehen«, lenkte Celeste versöhnlich ein. Vermutlich machte er sich ganz umsonst Sorgen und sah blendend aus. Wie immer.

Und es stellte sich heraus, dass sie recht hatte. Die bestickte Weste saß wie angegossen und die engen Lederhosen betonten seine schlanke Figur.

»Du siehst umwerfend aus, Kiah«, Celestes Stimme war sanft.

Doch auf Kiahs Stirn saß eine Sorgenfalte und er betrachtete missmutig seine Kleidung in dem bodenhohen Spiegel.

»Findest du nicht, dass es zu viel ist?« Er betastete die Stickereien an der Weste und zupfte an den weiten Ärmeln seines weißen Hemdes herum.

»Nein, es passt perfekt zu dir.« Wäre es weniger imposant, würde es nicht zu ihm gehören. Die goldenen Ornamente der Weste waren ineinander verschlungen und wenn man genau hinsah, konnte man verschiedene filigrane Motive erkennen.

»Ist das die Wahrheit?« Die Sorge war deutlich in seiner Stimme zu hören und in seinen hellblauen Augen zu sehen.

Celeste erhob sich und kam auf ihn zu. »Ja, das ist es.« Sie legte ihm eine Hand auf die Wange und mit der anderen glättete sie seine abstehenden Haarsträhnen, die vom ständigen Durchfahren in alle Himmelsrichtungen abstanden.

Sie verpassten in diesem Moment eine Sitzung des Kronrates. Und Celeste war sich nicht mehr sicher, ob sie nicht doch lieber an der Sitzung teilgenommen hätte. Vermutlich war Kiah, der bald das Amt des Justizministers übernahm, anstrengender als jedes Problem, dem sich Sirion stellen musste. Doch das Lächeln, das sich nun auf seinem Gesicht ausbreitete, war es wert, hier zu sein und noch dazu so geduldig.

»Danke«, wisperte Kiah.

Ein helles Lachen drang aus Celestes Kehle.

»Dafür, dass ich dir sage, wie gut du aussiehst? Dafür musst du dich nicht bei mir bedanken.«

Doch der blonde Schönling schüttelte den Kopf. »Dafür, dass du meine Treuzeugin bist.«

Die Königin grinste. »Dann wolltest du nicht lieber Nate als Trauzeugen haben?«

Kiah lachte leise und hob abwehrend die Hände. »Seien wir ehrlich, er hat keine Ahnung von Stil und Mode. Er als Treuzeuge wäre eine Katastrophe.«

Celeste fiel in Kiahs Lachen mit ein.

»Vielen Dank auch, Kiah«, erklang da eine vertraute Stimme von der Tür. Nate lehnte im Türrahmen, die Arme vor der Brust verschränkt.

Celeste hielt den Atem an. Noch immer schlug ihr Herz schneller, wenn sie ihn sah. Ein Grinsen umspielte die Lippen des Königs und sie musste an sich halten, nicht sofort zu ihm zu laufen und ihn zu küssen.

»Du weißt, dass ich recht habe«, protestierte Kiah.

Nate schnaubte und betrat den Raum. Er taxierte Kiahs Erscheinung und grinste dann. Doch bevor er etwas sagen konnte, warf Celeste ihm einen bitterbösen Blick zu. Wenn er dem zukünftigen Bräutigam nichts Nettes zu sagen hatte, sollte er gefälligst den Mund halten.

Ihr Ehemann schien den Wink zu verstehen und biss sich auf die Unterlippe.

»Du siehst gut aus, Kiah. Und da ich zuvor deinem Bräutigam einem Besuch abgestattet habe, kann ich sagen, dass ihr morgen ein schönes Paar abgeben werdet.«

Bei der Erwähnung seines Verlobten drehte sich Kiah zu Nate um.

»Du hast Yanis gesehen? Wie sieht er aus? Welche Farben trägt er? Er wollte es mir partout nicht verraten.«

Celeste lachte leise. Auch sie wusste, was Yanis morgen tragen würde, hatte dieses Geheimnis aber für sich behalten.

»Entspann dich, Linnéa weiß, was sie tut. Im Gegensatz zu mir hat sie offenbar Ahnung von Mode«, stichelte Nate. Doch seine Anmerkung schien Kiah keinesfalls zu beruhigen. Linnéa war Yanis’ Trauzeugin und hatte mit Celeste die Planung der Hochzeit in die Hand genommen.

»Kannst du mir nicht einen kleinen Hinweis geben? Bitte, ich sterbe vor Neugierde«, quengelte Kiah und bedachte Nate mit einem flehenden Blick. Doch der König blieb hart und schüttelte den Kopf.

»Nein, kann ich nicht und jetzt raus hier! Ich will mit meiner Frau allein sein.«

Kiahs Augen wurden groß. »Ich bin schon weg.« Er raffte seine Kleidung zusammen und ging zur Tür. »Viel Spaß, Kinder, und tut nichts, was ich nicht auch tun würde.«

Celeste lachte leise, als sie ihm nachsah, und wandte sich dann Nate zu. Der verdrehte die Augen.

»Warum muss die Anprobe in unseren Gemächern stattfinden?«

Er kam auf sie zu und legte seine Arme um sie. Celeste lehnte sich gegen seine Brust.

»Damit du ihn jederzeit hinauswerfen kannst.«

Die Antwort war ein verführerisches Grinsen und ein schneller Kuss auf die Lippen.

»Wie war dein Morgen mit Marina und Levin?«, fragte sie dann.

Nate stöhnte auf und Celeste musste sich auf die Zunge beißen, um nicht lauthals loszulachen.

»Für ihre mangelnde Größe sind die beiden zwei enorm große wandelnde Nervensägen.«

»So schlimm?«

»Keine Ahnung, wie Malia und Marco es aushalten tagein, tagaus, aber ihre Kinder sind kleine Teufel. Ständig hecken sie etwas aus«, brummte Nate. Celeste fuhr ihm beruhigend über den Arm.

»Na ja, es sind Malias Kinder, was hast du erwartet?«

Nate sah sie mit zusammengekniffenen Augen an.

»Vielleicht, dass Marcos Gene sich durchsetzen? Er ist immerhin ruhig und besonnen.«

Celeste zuckte mit den Schultern. Zugegeben: Die dreijährigen Zwillinge waren Wirbelwinde. Immer, wenn sie die Hauptstadt besuchten, hielten sie den gesamten Palast auf Trab. Die Königin liebte es. Das Kinderlachen, das durch die Flure drang, und ihre strahlenden Gesichter, wenn sie sich über etwas freuten. Und Malia stand das Muttersein ausgezeichnet. Die Tochter des Meeres liebte ihre Kinder von ganzem Herzen. Obwohl Malia selbst als Kind etwas anderes kennengelernt hatte, hatte Celeste nie daran gezweifelt, dass sie eine hervorragende Mutter sein würde. Und Marcos Liebe war der Schlüssel dazu.

»Ich bin gespannt, wann es bei Linnéa und Noah so weit ist. Ich will endlich Onkel werden«, überlegte Nate laut. Die Hochzeit der beiden war noch nicht allzu lange her. Letztes Jahr hatten sie sich das Ja-Wort gegeben. Linnéa war eine wunderschöne Braut gewesen. Die Feier hatte auf dem Hof ihrer Eltern in Silvina stattgefunden.

Die Augen der Königin wurden groß.

»Weißt du etwas, das ich nicht weiß?« Als sie zuletzt mit ihrer Freundin gesprochen hatte, hatte Linnéa ihr nicht verraten, dass sie schwanger war. Dabei wusste Celeste genau, dass Linnéa sich eine große Familie wünschte.

Nate wackelte mit den Augenbrauen.

»Ich weiß nur, dass sie es versuchen. Oft und viel.«

Celeste verzog das Gesicht.

»Danke, so genau wollte ich es dann doch nicht wissen.« Noah war ihr Schwager und sie liebte ihn, aber Details über sein Liebeslieben durfte er gern für sich behalten.

Nate lachte leise und Celeste löste sich aus seinen Armen, um Stoffreste vom Boden aufzuheben.

»Ist für die Hochzeit morgen alles fertig?«, fragte Nate dann.

»Abgesehen von den beiden Bräutigamen, die mich in den Wahnsinn treiben?«, erwiderte Celeste und stemmte die Hände in die Hüften. »Ja, alles ist vorbereitet.« In Gedanken ging sie noch einmal alles durch, was am morgigen Tag passieren würde.

Plötzlich wurde ihr Blick aber trüb, sie drehte sich etwas von Nate weg, um das Schimmern in ihren Augen zu verbergen.

»Ich habe gestern ein langes Gespräch mit Yanis geführt. Es nimmt ihn sehr mit, dass Lilian nicht dabei sein wird.« Sie dachte an die ehemalige Priesterin von Silvina die Nathaniel mehr als nur eine Mentorin gewesen war. Sie war ihm eine Freundin, eine Verbündete gewesen. Sie würde bei der Hochzeit ihres Enkels fehlen. Lilian hatte einen hohen Preis für ihre Treue für Sirion bezahlt, was kein Gotteskind ihr jemals vergessen würde.

Starke Arme schlangen sich von hinten um Celeste und spendeten ihr den benötigten Trost. Sie wusste, dass auch Nate ganz besonders unter diesem Verlust litt. Er sprach es nur nicht aus. Also lehnte sie sich gegen ihn und versuchte, ihn ebenfalls mit ihrer Nähe zu trösten. Ihr Rücken war gegen Nates Brust gepresst. Seine Arme hielt er über ihren Brüsten verschränkt.

Genug Traurigkeit für einen Tag. Sie konnten nichts an der Vergangenheit ändern. Celeste holte tief Luft.

»Ich muss dir noch etwas sagen.« Ihre Stimme klang belegt und zittrig.

Nate legte seinen Kopf auf ihrer Schulter ab, sein Atem kitzelte ihre Wange. »Was ist denn?«

Sie griff nach seinen Armen und schob seine Hände auf ihren Bauch. Celeste drehte leicht den Kopf, sodass ihr Mund nun direkt an seinem Ohr lag.

»Ich erwarte ein Kind, Majestät, und es ist Eures.« Ihre Lippen fuhren zärtlich über seine Ohrmuschel.

Seine Hände, die vor ihrem Bauch gefaltet waren, öffnete sich und legten sich liebevoll auf die kleine Wölbung.

»Du bist schwanger?«, erklang seine leise Stimme. Celeste nickte zaghaft. Sein Bartansatz kitzelte dabei ihre Wange.

»Seit wann weißt du es?«, fragte er weiter.

»Erst seit ein paar Tagen«, antwortete Celeste wahrheitsgemäß. Sie lächelte. Sie musste daran denken, wie sie die Übelkeit auf den Hochzeitsstress geschoben hatte. Und als Malia Anfang der Woche in Solaris angereist war, hatten die heilenden Hände Celeste sofort darin bestätigt, dass sie kerngesund war. Das sie beide kerngesund waren.

»Warum hast du nichts gesagt?« Seine Stimme klang beinahe vorwurfsvoll. Und doch lag eine Sanftheit darin, die Celeste wohlig erschaudern ließ und so glücklich machte. Hätte sie ihm vorher verraten, dass sie schwanger war, hätte sie nicht einen Handschlag für die Hochzeit tun dürfen. Nate war ein großartiger König, und ein liebender Ehemann. Allerdings kam sein Beschützerinstinkt Celestes Dickkopf häufig in die Quere. Die nächsten Monate würden eine Herausforderung für beide werden.

Nate zog Celeste in seine Arme, während sein Mund sich auf ihren presste. Voller Zuneigung küsste er sie. Celeste erwiderte den Kuss und schmiegte sich an Nates Körper.

»Wir werden Eltern«, flüsterte er, als er sich von ihr löste. Er ging in die Knie und lehnte seinen Kopf an ihren Bauch.

Celeste griff in sein blondes Haar und streichelte ihn.

»Ja, das werden wir. Malia glaubt übrigens, dass es ein Mädchen wird.« Ein zartes Mädchen mit hoffentlich roten Locken und wunderschönen grünen Augen. Eine kleine Prinzessin, die ihnen viel Freude schenken würde.

Nates Augen weiteten sich bei ihren Worten und Celeste sah, wie sie vor Freude strahlten.

»Ein Mädchen«, wisperte er und fuhr noch einmal zärtlich über ihren Bauch.

Celeste schluckte schwer, als sie sich ihre nächsten Worte zurechtlegte.

»Falls Malia recht behält, hätte ich schon einen Namen ausgesucht.«

Der König blickte zu ihr auf. »Und der wäre?«

Mit zittrigen Fingern strich Celeste über ihren gewölbten Leib. Sie hatte lange darüber nachgegrübelt, wie sie ihr Kind nennen wollte. All der Schmerz, das Leid und die Erfahrungen, die sie erlebt hatten, hatten sowohl sie als auch Nathaniel geprägt. Und doch gab es einen Menschen, der ihnen beiden Hoffnung und Beständigkeit gegeben hatte. Einen Mann, der Großes vollbracht und ihre Wertschätzung verdient hatte.

»Mira«, sagte sie leise. Der Name bedeutete »Frieden« und Celeste empfand ihn mehr als passend.

Miro weilte nicht mehr unter ihnen, aber Celeste hoffte, dass durch die Geburt ihrer Tochter immer ein Teil von ihm bei ihnen sein würde.

Stille breitete sich im Raum aus und Celeste wartete gespannt auf Nates Reaktion. Er hatte die Augen geschlossen und als er sie wieder öffnete, glitzerten Tränen darin. Er wischte sie nicht weg, stattdessen stand er auf und lächelte.

»Mira, Prinzessin von Sirion.«

Seine grünen Augen blickten zu Celeste, die eine Hand austrecke und zärtlich über seine Wange strich. Nate lehnte sich in ihre Berührung, griff nach ihrer Hand und küsste die Handfläche.

»Ich liebe dich«, sagte er dann.

Celeste lächelte ihn an. »Ich liebe dich mehr.«

ENDE von Band 4