Kapitel 3

»Ich bin enttäuscht, eigentlich hatte ich das Gefühl, das Interview sei gut gelaufen«, sagte Angela aus Manila.

»Ist es auch ganz bestimmt«, antwortete ihr Phil von seinem Büro in Atlanta aus. »Aber nach allem, was du mir erzählst, würde es mich nicht wundern, wenn das KI-System deine Einstellung nicht empfohlen hat.«

Angela war fest davon ausgegangen, die Stelle zu bekommen. Als sie aber bloß eine unpersönliche Absage erhielt, rief sie sofort Phil an, um ihrem Frust Luft zu machen. Phil war mit ihrer Cousine verheiratet, die in den USA lebte, und hatte durch langjährige Arbeit in einer Personalabteilung viel Erfahrung mit Bewerbungsgesprächen.

Angela war gewiss nicht unqualifiziert. In ihrer vorigen Stelle hatte sie für eine große Social-Media-Plattform auf Filipino und Englisch verfasste Hetzbeiträge gekennzeichnet. Es war manchmal ziemlich belastend gewesen, all diesen Schmutz zu lesen. Die Bezahlung war nicht gut gewesen, aber dafür hatte sie von zu Hause aus arbeiten können. Doch dann führte das Unternehmen ein KI-System ein, um Hetze auf Filipino zu erkennen, und ihre Kenntnisse waren plötzlich nicht mehr gefragt. Sie hatte noch versucht, ihre Vorgesetzten auf Schwächen des Systems, das häufig an Sprachnuancen scheiterte, hinzuweisen.

»Ich verstehe das nicht. Ich hatte den Eindruck, dass ich beim Personalchef gut angekommen bin. Kann er den Algorithmus nicht irgendwie austricksen?«, fragte Angela.

»Darüber sollte ich eigentlich gar nicht mit dir reden, Angela. Es ist in unserer Firma nicht gern gesehen, wenn wir über solche Dinge plaudern. Aber wahrscheinlich verwendet das Unternehmen, bei dem du dich beworben hast, ein ähnliches System wie wir, HirePlus AI«.

»Willst du damit sagen, ich bin bei der KI durchgefallen?«

»Das funktioniert so«, antwortete Phil. »Das KI-System von HirePlus scannt deine Bewerbungsunterlagen und sieht sich auch das Video deines Vorstellungsgesprächs an. Dabei analysiert es deine Mimik, Wortwahl und so weiter. Das ist alles völlig neutral. Neutraler jedenfalls, als es eine Person mit ihren Vorurteilen hinbekommt, glaub’s mir!«[1]

»Aber ich habe die besten Qualifikationen und Referenzen … und ich habe mich bemüht, positiv rüberzukommen«, erwiderte Angela.

»Ja, klar. Dein Vorstellungsgespräch war bestimmt perfekt, Angie. Du kannst dich prima präsentieren. Ich denke, das Problem waren die Antworten in den Fragebögen.«

»Du meinst diese vielen Fragebögen, die ich vor dem Vorstellungsgespräch ausfüllen sollte? Die waren echt merkwürdig. Da war zum Beispiel ein Bild, das nur Augen zeigte, und ich sollte entscheiden, ob die Person verärgert oder konzentriert aussieht und solche Sachen.«

»Das waren Persönlichkeitstests«, antwortete Phil. »Damit wollen sie herausfinden, was für ein Typ von Arbeitnehmerin

»Aber das ist so ungerecht!«

»Ja, vielleicht. Aber es ist einfach viel effizienter. Kürzlich habe ich bei einer Besprechung erfahren, dass die KI angepasst wurde, um Bewerber zu identifizieren, die möglicherweise gewerkschaftlich organisiert sind oder Gehaltserhöhungen fordern könnten. Du weißt ja, wie Unternehmen in den USA zu Gewerkschaften stehen«, erklärte ihr Phil.

»Ich finde trotzdem, dass am Ende ein Mensch die Entscheidung treffen sollte«, sagte Angela, bemüht, sich ihren Ärger nicht anmerken zu lassen.

»Ich verstehe, was du meinst, aber so ist die Welt nun mal, und wir müssen lernen, damit zurechtzukommen, Angie. Außerdem können wir dank der KI viel mehr Leuten die Möglichkeit zu einem Vorstellungsgespräch geben. Das ist doch auch eine gute Sache, oder?«

»Ja, schon«, antwortete Angela niedergeschlagen.

»Hier mein Ratschlag«, sagte Phil. »Wenn du das nächste Mal so einen Fragebogen ausfüllst, dann versuche einfach, Antworten zu geben, von denen du glaubst, dass die KI ihnen zustimmt, und nicht, was du wirklich denkst. Okay, ich muss jetzt los, Angie, ich wünsche dir auf jeden Fall viel Glück. Halte mich auf dem Laufenden, ja? Irgendjemand wird schon so schlau sein, dich einzustellen!«