34 . Kapitel

Max

D ie ersten Strahlen der Morgensonne fanden ihren Weg durch die Laubkronen der Bäume, doch Max fühlte sich nicht bereit, zu den anderen in den dunklen Keller zurückzukehren. Er spürte noch überdeutlich Lenyos Berührungen auf der Haut und die fordernden Küsse auf den Lippen. Gedankenverloren lag er auf dem Diwan und rollte eine der Tränen seiner Großmutter zwischen den Fingern. Eine silberne.

Seltsam, sich vorzustellen, dass jede von ihnen eine Erinnerung enthielt. Was ihm die erste Träne gezeigt hatte, war furchtbar gewesen. Trotzdem konnte er nicht bedauern, Lenyo begegnet zu sein, diese Welt entdeckt zu haben, die so viel bunter und schillernder war als jeder andere Ort, an dem er zuvor Zeit verbracht hatte.

Und blutiger.

»Pass gut im Unterricht auf und lern, soviel du kannst«, hörte er die Stimme seiner Großmutter im Kopf. »Wissen ist Macht.«

Das hatte sie ihm eingetrichtert, bevor sie ihn aufs Internat geschickt hatte. Im Licht der jüngsten Ereignisse kam ihm das zynisch vor. Warum nur hatte sie ihm nicht vertraut? Vielleicht fand er die Antwort darauf in der Träne zwischen seinen Fingern. Entschlossen steckte er sie sich in den Mund.