»Ich verstehe nicht, warum du so stur darauf beharrst«, sagte Enrique. »Die Doña aus der Sache rauszuhalten und nach San Salvador zu bringen. Wozu?«
Von der Straße war nicht das kleinste Geräusch zu hören; weil keine Autos vorbeifuhren oder weil die Boleros die Motoren und Hupen übertönten.
»Ich habe meine Gründe«, antwortete der Dominikaner unleidlich. »Respektier sie.«
»Ich respektiere sie, aber ich verstehe sie nicht. Dabei habe ich alles gemacht, worum du mich gebeten hast«, erinnerte ihn Enrique. »Zum Beispiel die Wachen vor dem Haus der Doña abzuziehen, heute Abend ab sieben Uhr. Ich habe versucht, es zu verstehen. Dabei wäre es gut, sie ebenfalls mit reinzuziehen. Noch ein bisschen mehr Verwirrung, das käme uns gut zupass. Außerdem, täusch dich mal nicht: In diesem kleinen Bürgerkrieg wegen der Geschichte mit dem Präsidenten und seiner Geliebten hält die ganze guatemaltekische Gesellschaft zur Señora Palomo, nicht zur Doña. Hier sind alle sehr katholisch. Nicht wie in deinem Land, wo Trujillo sich ins Bett holen kann, wen er will, und keiner regt sich auf.«
Beide rauchten eine Zigarette nach der anderen, der Aschenbecher vor ihnen quoll über von Kippen. Über ihren Köpfen stand der Rauch.
»Das weiß ich selbst«, sagte der Dominikaner. »Hier mögen die Leute es nicht, dass ein Präsident Geliebte hat. Vor allem die verehrten Gattinnen. Ob die guatemaltekischen Frauen deshalb die Zeichensprache so schlecht beherrschen?«
»Hör auf mit dem Quatsch und antworte mir. Warum willst du sie mitnehmen?«, insistierte Enrique. »Für uns wäre es gut, sie mit reinzuziehen. Sobald die Sache bekannt wird, schießen die Mutmaßungen ins Kraut, das könnten wir noch anheizen. Vergiss nicht, du gehst, aber ich bleibe hier. Ich muss meine Vorsichtsmaßnahmen treffen.«
Sie hatten beide schon zwei Gläser Rum getrunken, und das Bordell war immer noch trist und leer. Miriam, die Wirtin mit der platinblonden Haarpracht, ließ sich nicht blicken, und ein schweigsamer Indio, klein und mickrig, kehrte die auf dem Boden des Lokals verstreuten Sägespäne auf und füllte sie mit den Händen in einen Beutel. Nicht ein einziges Mal hatte er zu ihnen hingeschaut. Er war barfuß, und durch sein Baumwollhemd, zerrissen und geflickt, schimmerte hier und da seine dunkle Haut. Die Hausherrin hatte einen Stapel Platten aufgelegt, sämtlich Boleros, gesungen von Leo Marini.
»Alles ist bestens geplant, du musst die Sache nicht noch verwickelter machen«, sagte der Dominikaner. »Außerdem weißt du genau, was das für einen Skandal gibt, die Nachricht wird wie eine Bombe einschlagen. Warum willst du das arme Mädchen unbedingt mit reinziehen?«
»Das arme Mädchen?« Enrique lachte schallend. »Da irrst du dich. Sie ist eine Schlange und eine Hexe, vertu dich mal nicht. Der Doña ist das Schlimmste zuzutrauen, auch wenn sie nicht so aussieht mit ihrem unschuldigen Gesichtchen. Sonst wäre sie jetzt nicht da, wo sie ist.«
»Das überzeugt mich alles nicht«, sagte der Dominikaner. »Also spar dir die Mühe. Der Plan ist der Plan, und abgemacht ist abgemacht. Vergiss nicht, wie viele Leute mit im Spiel sind.«
»Mir würde es die Sache enorm erleichtern, Junge«, fuhr der andere fort, als hätte er ihn nicht gehört.« Die Sache ist ernst, deshalb ist es auch so wichtig, dass es zu einem Riesendurcheinander kommt, wenn die Suche nach den Schuldigen losgeht. Wir müssen alle möglichen Spuren legen. Spuren, die nirgendwo hinführen. Um die Leute zu verwirren. Denk noch mal drüber nach.«
»Ich habe sehr viel darüber nachgedacht, aber in dem Punkt kann ich dir nicht entgegenkommen«, sagte der Dominikaner. »Nein heißt nein, Kollege.«
»Und darf man wissen, warum?«
»Darf man«, sagte der Dominikaner gereizt. Und nach einem kurzen Schweigen nahm er Anlauf und ließ es heraus: »Weil ich auf diese Fotze schon lange Lust habe. Seit dem Tag, als ich das Mädchen zum ersten Mal gesehen habe. Ist das für dich Grund genug, oder brauchst du noch einen?«
Statt zu antworten, brach Enrique, der ihn überrascht angeschaut hatte, erneut in Gelächter aus. Und sagte, als er sich wieder beruhigt hatte:
»Das hätte ich nicht gedacht, ehrlich nicht.« Und mit einem Achselzucken, wie um das Thema abzuschließen, fügte er an: »Das eine sind die Vorlieben, das andere ist die Pflicht. Es ist nicht gut, die Arbeit mit dem Vergnügen zu verbinden.«