Der neue dominikanische Militärattaché in Guatemala, der frischgebackene Oberstleutnant Johnny Abbes García, kam fast heimlich ins Land. Den Botschafter hatte er über seine Ankunft nicht informiert. Er nahm am Flughafen La Aurora ein Taxi und wies den Fahrer an, ihn zur sechsten Avenida zu bringen, ins La Mansión de San Francisco, ein drittklassiges kleines Hotel, das bald zu seinem Operationszentrum werden sollte. Er fragte den Mann an der Rezeption, ob es in der Stadt einen Tempel der Rosenkreuzer gebe, und als der ihn nur verständnislos anschaute, sagte er: »Schon gut, vergessen Sie’s.«

Nachdem er seinen Koffer ausgepackt und die wenigen Kleidungsstücke in den alten Schrank in seinem Zimmer gehängt hatte, rief er Carlos Gacel Castro an, und er fürchtete schon, die einzige Person, die er im Land kannte, wäre nicht mehr da. Aber er hatte Glück, Carlos selbst war am Apparat. Der hörte überrascht, dass Abbes García sich in Guatemala aufhielt, und nahm sofort die Einladung an, zusammen zu Abend zu essen. Um acht Uhr würde er ihn im San Francisco abholen.

Carlos Gacel Castro war kein Guatemalteke, sondern Kubaner. Abbes García hatte ihn in Mexiko kennengelernt, als er mit einem Stipendium von Trujillo an diesem Polizeilehrgang teilnahm und für den Generalissimus die dominikanischen Exilanten im Land der Azteken ausspionierte. Gacel Castro, ebenfalls im Exil, kannte sie und verkehrte mit ihnen.

Da Carlos sich damit brüstete, der hässlichste Mensch der Welt zu sein, hatte Abbes García ihn vom ersten Tag an sympathisch gefunden; verglichen mit dieser Kreatur war jeder, selbst er, vorzeigbar. Gacel war groß, stämmig, sehr hellhäutig, das riesige, alle Proportionen sprengende Gesicht voller Pockennarben, Ohren, Nase und Mund ebenfalls ohne jedes Maß, dazu Hände und Füße eines Orang-Utans, was ihn, neben seiner grellen tropischen Kleidung, zu einer so auffälligen wie abstoßenden Erscheinung machte. Das Schlimmste aber waren seine eisigen gelblichen Augen, die die Mitmenschen, vor allem Frauen, mit herausfordernder Dreistigkeit unter die Lupe nahmen. Sein Gang war breitbeinig, bullig, als könnte er vor Kraft kaum laufen, und er trug enge Hosen, die seinen Hintern betonten. In Havanna war er ein Gangster gewesen, und da an seinen Händen Blut klebte, musste er aus dem Land fliehen, um nicht wieder im Gefängnis zu landen, wo er schon ein paar Monate gesessen hatte. Mehr hatte Abbes García gar nicht wissen wollen, als er ihn in Mexiko kennenlernte und für seine Zwecke einzuspannen begann. Da der Mann immer in Geldnöten war, sorgte er dafür, dass Trujillo ihm monatlich eine kleine Summe zukommen ließ, dazu ein besonderes Geschenk, wenn er nicht nur informierte, sondern mithalf, irgendeinen Exilanten aus dem Weg zu räumen, ohne Spuren zu hinterlassen. Später musste er auch aus Mexiko fliehen, weil die Regierung ihn auf Ersuchen der kubanischen Behörden schon ausliefern wollte. So kam es jedenfalls, dass Johnny Abbes seine Telefonnummer hatte. Gacel hatte in Guatemala einen kleinen Job gefunden, als Killer und Spitzel für die Geheimpolizei, die Oberstleutnant Enrique Trinidad Oliva leitete.

Gacel holte ihn pünktlich um acht Uhr ab, und sie aßen in einem kleinen Restaurant zu Abend, wo sie, bevor sie sich an die Tortillas und das Chilihähnchen machten, ein paar Bier tranken. Als der Kubaner erfuhr, dass sein Freund nun Oberstleutnant war und den Posten des Militärattachés seines Landes in Guatemala übernehmen sollte, bekam er leuchtende Augen und beglückwünschte ihn mit einer Umarmung.

»Wenn ich dir bei irgendwas helfen kann, stets zu Diensten, Junge«, sagte er.

»Das kannst du, klar«, antwortete Johnny Abbes. »Du bekommst von mir zweihundert Dollar im Monat, Spezialaufträge ausgenommen, dafür gibt es mehr. Und jetzt gehen wir an einen Ort, wo sich einem Land besser als sonst wo der Puls fühlen lässt.«

»Du bist immer noch der Alte, Junge«, bemerkte Gacel. »Aber mach dir keine Hoffnungen. Die Puffs hier sind ein Trauerspiel.«

Bordelle waren die große Schwäche des ehemaligen Pferdesportreporters. Er besuchte oft welche, und dort sammelte er dann Informationen und machte sich ein Bild davon, wie die Dinge in der Stadt liefen. Er fühlte sich wohl und wie zu Hause in diesen verqualmten Schuppen, wo es schwer nach Alkohol und Schweiß roch, umgeben von angetrunkenen und aggressiven Männern und von Frauen, denen er nichts vorheucheln musste, eine klare Ansage genügte: »Mach die Beine breit, gib mir dein Loch und lass mich kommen, du kleine Nutte.« Sich einen blasen zu lassen war nicht so einfach, jedes Mal musste er verhandeln, und oft wollten die Frauen nicht. Dagegen machte es keiner etwas aus, dass er ihr die Fotze leckte. Das war sein Laster. Ein gefährliches natürlich, man hatte ihn oft gewarnt: »Du kannst dir die Syphilis holen oder eine andere Infektion. Fast alle diese Nutten sind hinüber.« Aber ihm war das egal. Er mochte das Risiko, alle Risiken, vor allem, wenn er dabei auf seine Kosten kam.

Gacel kannte die Bordelle von Guatemala-Stadt wie seine Westentasche, die meisten lagen verstreut in dem buntgemischten Viertel Gerona. Sie waren nicht so belebt, aber auch nicht so gewalttätig wie in Mexiko und Lichtjahre entfernt von den Puffs in Ciudad Trujillo mit ihrem fröhlichen Merengue, ihrer dröhnenden Musik und dem lockeren, heiteren, dreisten Mundwerk der dominikanischen Huren. Die hier waren mürrischer, distanzierter, und immer waren ein paar Indias darunter, die ihren Dialekt sprachen und Spanisch kaum radebrechen konnten. Gacel führte Abbes in einen Kneipenpuff in einer Gasse in Gerona, geführt von einer Dame namens Miriam, die ihr langes Haar mal rot, mal platinblond gefärbt trug. Er nahm sich eine kleine Schwarze aus Belice ins Bett, die ihr Spanisch mit einem arg zerkauten Englisch mischte. Bereitwillig öffnete sie ihm die Beine und ließ ihn seine Zunge in diese feuchte rötliche Höhle stecken, die so lecker müffelte.

Als Gacel ihn am Morgen zurück zum San Francisco brachte, hatte Abbes García zwei Dinge über Guatemala gelernt: Zum einen, dass alle Welt über den Präsidenten Castillo Armas lästerte und bei allem Gerede über Politik niemand einen Quetzal auf ihn setzte. Und zum anderen – auch wenn die guatemaltekischen Nutten zu wünschen übrig ließen –, dass der Rum aus Zacapa so gut war wie der dominikanische.

Er wartete noch zwei Tage, ehe er sich in seiner Botschaft vorstellte. Aber in diesen achtundvierzig Stunden verlor er keine Zeit. Er ging gleich an die Arbeit, fühlte dieser unbekannten Stadt und ihren Einwohnern den Puls. Er las alle Zeitungen, von El Imparcial über Prensa Libre und La Hora bis zum Diaro de Centro América, hörte die Nachrichten auf Radio Nacional, Radio TGW und Radio Morse und spazierte von früh bis spät durch Straßen, Parks und über Plätze, tauchte immer wieder ein in die Cafés und Kneipen, die ihm auf seinem Weg begegneten. Er zog die Leute ins Gespräch, und so konnte er ihnen, auch wenn es nicht leicht war – viele blickten misstrauisch, kaum dass sie seinen ausländischen Akzent hörten –, das eine oder andere entlocken. Abends kehrte er zurück ins Hotel, vor Müdigkeit wie erschlagen und fest von etwas überzeugt, was er schon am ersten Abend bei seinen Gesprächen mit Carlos Gacel Castro festgestellt hatte: Castillo Armas war unbeliebt, viele hielten ihn für einen Jämmerling, ohne Charakter und ohne Autorität, das Mittelmaß in Person und respektiert nur von einer Handvoll enger Freunde, meist Nieten und Opportunisten. Nicht mal seine antikommunistischen Überzeugungen schienen die festesten zu sein, denn offenbar wollte er schon etwas von dem Land, das man den Indios weggenommen hatte, wieder zurückgeben. Er hatte es noch nicht getan, aber die Gerüchte wurden immer lauter, gestreut ohne Zweifel von seinen Feinden. Und allenthalben hieß es, er sei hingerissen von seiner Geliebten, und diese Marta spiele die erste Geige, selbst bei wichtigen Regierungsentscheidungen. Was für ein Unterschied zu Generalissimus Trujillo! Wer würde es in der Dominikanischen Republik wagen, ein böses Wort über ihn zu verlieren, so wie hier die Leute über Castillo Armas, selbst in den Kneipen! Daher dieses Durcheinander in Guatemala-Stadt, diese Ungewissheit, daher glaubte niemand mehr daran, dass es auf unbestimmte Zeit so weitergehen könnte.

Am dritten Tag stellte er sich in der dominikanischen Botschaft vor. Seine Anwesenheit überraschte alle, angefangen beim Botschafter Gilberto Morillo Soto, einem in der Heimat angesehenen Psychiater, der von der Ernennung des Militärattachés bereits in Kenntnis gesetzt war. Man erwartete ihn, hätte ihn am Flughafen abgeholt, wenn man nur gewusst hätte, wann.

»Seien Sie unbesorgt, Herr Botschafter«, antwortete ihm Abbes García. Ich wollte nur einen Blick auf die Stadt werfen, ein paar Kontakte knüpfen, bevor ich mit der Arbeit beginne.«

Morillo Soto zeigte ihm das Büro, das man in den Räumlichkeiten der Botschaft für ihn eingerichtet hatte. Der dankte ihm, machte zugleich aber darauf aufmerksam, dass er nicht oft herkomme, da die Mission, mit der man ihn betraut habe, von ihm verlange, viel Zeit auf der Straße zu verbringen oder auf Reisen durchs Landesinnere. Und sogleich bat Abbes García den Botschafter, ihm Gespräche mit zwei hohen Beamten der guatemaltekischen Regierung zu ermöglichen, er wolle sie persönlich begrüßen: Carlos Lemus, Chef der öffentlichen Sicherheit, und Oberstleutnant Enrique Trinidad Oliva, zuständig für alle mit der öffentlichen Ordnung betrauten Behörden sowie den Schutz des Regimes.

Beide Beamte gaben ihm fast sofort einen Termin. Die Unterredung mit Carlos Lemus verlief enttäuschend, denn offenbar war der ein Bürokrat, dem das selbständige Denken nicht gegeben war und der aus lauter Vorsicht zu nichts eine persönliche Meinung hatte, vielmehr antwortete er auf Fragen nur vage oder mit Gemeinplätzen. Dagegen war Abbes García hocherfreut über Oberstleutnant Enrique Trinidad Oliva. Er war groß und schlank, mit einem länglichen Gesicht, recht dunkler Haut und einem breiten Krokodilmaul, auf den ersten Blick erkennbar ein Mann der Tat, ehrgeizig und zupackend, und er antwortete unverblümt, denn er hatte einen eigenen Kopf und, so wie Abbes García selbst, keine Scheu, freiheraus zu sprechen und etwas zu riskieren.

Er hatte ihm eine Flasche dominikanischen Rum mitgebracht – »damit Sie sehen, dass er so gut ist wie der beste Rum aus Zacapa, Herr Oberstleutnant« –, und der ließ ihn die Flasche sofort öffnen. Es war noch nicht mal Mittag, aber sie stießen an, und im Laufe des Gesprächs tranken sie jeder ein paar Gläser. Danach lud Trinidad Oliva ihn zum Mittagessen ins El Lagar ein, ein Restaurant mit typischen guatemaltekischen Speisen.

Trinidad Oliva war ein großer Bewunderer des Generalissimus Trujillo und schätzte es, schließlich sei er selber dort gewesen, wie er aus der Dominikanischen Republik ein modernes und prosperierendes Land gemacht habe, mit den besten Streitkräften der ganzen Karibik. »Weil Ihr Chef ein Mann von Charakter ist«, sagte er. »Ein großer Patriot. Außerdem hat er die Eier eines Elefanten.« Er machte eine Pause, und mit leiserer Stimme fügte er hinzu: »Genau so etwas fehlt hier.« Abbes García lachte, und Trinidad Oliva lachte ebenfalls, und von dem Moment an war klar, dass sie Freunde geworden waren, fast Komplizen.

Sie trafen sich in der Woche darauf und dann wieder, und bald gingen sie nicht nur einen trinken und zusammen essen, sondern besuchten auch Bordelle, sehr viel bessere als die, in denen Carlos Gacel Castro verkehrte. Aus all diesen gemeinsamen Ausflügen zog Abbes García ein paar Schlussfolgerungen, und in ausführlichen Berichten teilte er sie dem Generalissimus mit: Oberstleutnant Trinidad Oliva sei ein Mann, der nach Höherem strebe. Er fühle sich von der Regierung zu Unrecht übergangen. Unter Jacobo Árbenz habe er als Verschwörer im Gefängnis gesessen, und für Castillo Armas hege er nicht die geringste Sympathie, er könne bei dem Vorhaben also eine Schlüsselrolle spielen. Schwer einzuschätzen sei allerdings sein Ansehen innerhalb der Streitkräfte, einer Institution, die in diesem Land offenbar sehr zerstritten sei, die einen konspirierten gegen die anderen. Was zur Folge habe, dass die Regierung Castillo Armas instabil sei, unzuverlässig, jeden Moment könne sie durch eine äußere Aktion oder durch innere Zersetzung in sich zusammenfallen. Ein weiteres wichtiges Faktum: Großen Einfluss auf Castillo Armas habe tatsächlich seine Geliebte, Marta Borrero Parra, genannt Miss Guatemala, ein junges und sehr hübsches Fräulein, das den Präsidenten allem Anschein nach verzaubert habe. Der habe ihr ein Haus eingerichtet, und zu allem, heiße es, frage er sie um Rat, selbst in Regierungsangelegenheiten. Er, Abbes García, würde sich also darum bemühen, sie bald kennenzulernen, um eine für seine diplomatischen Betreibungen in Guatemala vorteilhafte Beziehung aufzubauen. Tatsache sei, dass der größte Streit in der Regierung – nicht zu fassen! – zwischen den Anhängern der rechtmäßigen Ehefrau Doña Odilia Palomo und den Freunden seiner Geliebten tobe. Vielleicht schaffe diese Rivalität ja Bedingungen, die der Sache dienlich seien. Alle diese Berichte schickte Johnny Abbes in verschlüsselter Form an den Generalissimus.

Bei seinen Streifzügen durch die Stadt, immer Ausschau haltend nach Informationen, stellte der Oberstleutnant fest, dass ein weiteres aktuelles Thema die Debatte über die Eröffnung von Casinos war, die die Regierung zur Ankurbelung des Tourismus plante, während die katholische Kirche hierzu die Gegenposition vertrat. Erzbischof Mariano Rossell y Arellano persönlich hatte sich gegen dergleichen Geschäft ausgesprochen, das, so sagte er, der Korruption, dem Laster und dem Verbrechen Vorschub leiste, da es Gangster und Mafiosi nach Guatemala locke, ein Blick nach Havanna genüge, denn seit es dort Casinos gebe, habe sich Kuba, dieses Bruderland, in ein einziges Bordell verwandelt, in eine Spielwiese für US-amerikanische Kriminelle und Galgenvögel.

Mit diesen Dingen war Abbes García beschäftigt, als Gacel Castro ihm mitteilte, dass der Kubaner Ricardo Bonachea León nach Guatemala gekommen sei, auf der Flucht aus Mexiko, und dass er, da illegal im Land, seine Hilfe benötige. Bonachea León, ein Killer, der sich nach Mexiko abgesetzt hatte, hatte dort ab und zu mit Abbes García und Gacel Castro zusammengearbeitet und ebenfalls die dominikanischen Exilanten ausspioniert. Auf Geheiß von Trujillo hatte Abbes García ihm den Auftrag gegeben, einen von ihnen zu liquidieren, Tancredo Martínez, ehemals dominikanischer Konsul in Miami und nun im mexikanischen Exil. Aber Bonachea León hatte die Sache stümperhaft ausgeführt; er war zu Martínez’ Arbeitsstelle bei einer Versicherungsgesellschaft gegangen und hatte ihm eine Kugel in den Kopf geschossen, die zwar sein Gesicht zerstörte, ihn aber nicht tötete. Deshalb war er nach Guatemala geflohen und bat jetzt darum, ihm zu helfen. Abbes García sprach mit Oberstleutnant Trinidad Oliva, und der regelte nicht nur seine Papiere, sondern sagte auch, er könne dem Kubaner kleine Spezialaufträge geben, so wie seinem Landsmann Carlos Gacel Castro, davon könne er leben.

Bei einem ihrer wöchentlichen Mittagessen machte der Dominikaner dem Guatemalteken einen etwas abenteuerlichen Vorschlag: Er solle ein Casino eröffnen. Der dunkle, schmale Offizier schaute ihn verwirrt an.

»Wir beide fifty-fifty«, erklärte Abbes García. »Ich bin sicher, das ist eine runde Sache, dabei lässt sich ein hübsches Sümmchen verdienen.«

»Hast du nicht gesehen, was für einen Streit es in Guatemala um das Thema Casinos gibt?«, sagte Trinidad Oliva und wägte seine Worte. »Castillo Armas hat den Beach and Tennis Club schließen lassen und die Besitzer, ein paar Gringos, des Landes verwiesen. Und der Erzbischof wehrt sich mit Händen und Füßen dagegen, dass es weitere Casinos gibt.«

»Genau das hat mich auf die Idee gebracht«, sagte Abbes García. »Warum nicht Casinos nur für Ausländer, wenn das den Erzbischof beruhigt. Sollen die Touristen in die Hölle fahren, nicht die Einheimischen – so denken viele Pfarrer. Von wem hängt es ab, ob eine Genehmigung für ein Casino erteilt wird? Von dir, richtig?«

»Das ist zu heikel«, sagte Trinidad Oliva mit ernster Miene. »Ich müsste es mit dem Präsidenten besprechen.«

»Dann besprich es mit ihm, kein Problem. Außerdem müssten weder du noch ich in Erscheinung treten, selbst wenn wir die Besitzer sind. Kennst du nicht jemanden, der uns als Strohmann dienen könnte?«

Der Oberstleutnant überlegte.

»Ich wüsste jemanden, der wäre perfekt«, sagte er schließlich. »Ahmed Kurony, der Türke. Er macht in Schmuck, Edelsteinen und krummen Sachen. Es heißt, er ist Schmuggler und ein halber Gangster, klar.«

»Dann haben wir’s, das klingt nach dem Mann, den wir brauchen.«

Doch das Vorhaben gedieh nicht, es vertiefte nur die Feindschaft zwischen Castillo Armas und Enrique Trinidad Oliva. Als der Grobklotz dem Präsidenten sagte, er gedenke, dem Geschäftsmann Ahmed Kurony die Genehmigung für ein Casino zu erteilen, untersagte der ihm dies ausdrücklich. Er habe schon genug Probleme mit der katholischen Kirche, erklärte er, wegen der Casinos und anderer Dinge – aufgestachelt vom Erzbischof, hatten viele Pfarrer von der Kanzel herab gewettert gegen »diese Männer, die sich katholisch nennen und Konkubinen haben« –, außerdem habe er erfahren, dass man in der Kathedrale bald mit einer Gebetswoche beginne, damit die Stadt nicht über die Casinos dem Teufel in die Fänge gerate, nein, er lasse nicht zu, dass man ein weiteres Spielcasino eröffne, erst recht nicht, wenn es von einem bekannten Dieb und Schmuggler wie diesem Türken geführt werde. Oder hatte Ahmed Kurony nicht einen finsteren Ruf? Oberstleutnant Trinidad Oliva ließ gegenüber Abbes García keinen Zweifel:

»Vergessen wir das Projekt fürs Erste. Später sehen wir weiter.«

Für den Dominikaner war es nicht leicht, an Miss Guatemala heranzukommen. Die famose Marta ging fast nie auf die Straße, schon gar nicht zu gesellschaftlichen Anlässen oder auf Cocktailpartys; sie traf sich nur mit vertrauten Freundinnen, und zu diesen Treffen war Abbes García nicht eingeladen. Bis er eines Tages, bei einem Imbiss in der kolumbianischen Botschaft, das Glück hatte, ihr zu begegnen. Er brauchte sie nur zu sehen, und er war sich sicher, dass den Generalissimus seine Intuition nicht getrogen hatte: Diese Frau war der Schlüssel für seine Mission in Guatemala.

Außerdem spürte er bei ihrem Anblick sofort, dass sie die Frau war, die er gerne an seiner Seite gehabt hätte. Sie war noch schöner als in den Legenden, die man allenthalben über die Geliebte des Staatschefs erzählte. Und jung war sie, kaum dem Jugendalter entwachsen. Nicht sehr groß, aber wunderbar proportioniert und, so wie sie sich kleidete, auf natürliche Weise kokett – sie trug einen wallenden Rock, der ihre wohlgeformten Beine und ihre Fesseln zeigte, Sandalen und eine Bluse, die ihre runden Brüste erahnen ließ –, und wenn sie ging, bewegte sie sehr bewusst ihre Schultern, begleitete ihren Gang mit kleinen Hüpfern ihrer Pobacken und ihrer Brüste. Mehr noch aber war er angetan von der Art, wie sie seltsam ruhig schaute, was ihre Gesprächspartner zwang, den Blick zu senken, als würden sie, sollten sie der sanften Anmaßung dieser bohrenden graugrünen Augen widerstehen, alle Kraft verlieren und sich nur noch erbärmlich fühlen. Abbes García setzte alles daran, ihr zu gefallen und Freundschaft zu schließen. Er beglückwünschte sie, schmeichelte ihr, fragte sie, ob er sie besuchen dürfe; sie sagte Ja, nannte sogar einen Tag: nächsten Donnerstag, nachmittags gegen fünf, zum Tee. Am selben Abend hielt Abbes García, während er in einem Bordell mit einer Dutzendnutte in Erregung geriet und ejakulierte, die Augen geschlossen und träumte, er würde Miss Guatemala ausziehen und könne über sie verfügen.

Der erste Besuch des Oberstleutnants in dem Haus, das Castillo Armas für seine Geliebte eingerichtet hatte, nicht weit von der Präsidentenresidenz entfernt, besiegelte die Freundschaft zwischen Miss Guatemala und Johnny Abbes García. Es war ein seltsames Gefühl von gegenseitiger Sympathie, das sich zwischen den beiden gleich einstellte. Er brachte ihr Geschenke mit, hatte Blumen schicken lassen, bedankte sich überschwänglich dafür, dass sie ihn empfing. Seit er nach Guatemala gekommen sei, sagte er, höre er überall, dass sie großen Einfluss auf den Präsidenten habe und dass das Beste, was Oberst Castillo Armas für sein Land getan habe, ihren Ratschlägen zu verdanken sei. Während sie Tee tranken, erzählte er ihr von all den Wunderwerken, die Trujillo in der Dominikanischen Republik vollbracht habe, und lud sie ein, das Land persönlich kennenzulernen, wann immer sie wolle, sie sei jederzeit herzlich willkommen, als Gast des Generalissimus. Dann könne sie die Strände dort genießen, die Musik, die Ruhe, und sobald sie erst gelernt habe, Merengue zu tanzen, würde sie sehen, dass das die fröhlichste Musik der Welt sei.

Nach dem Besuch schrieb er einen ausführlichen Bericht über seine Beziehung zu Miss Guatemala, einschließlich einer schwärmerischen Beschreibung ihrer körperlichen Reize. Zugleich ließ er seinen Chef wissen: »Aber die Anziehungskraft geht nicht nur von ihrer Figur aus; denn so jung sie noch ist, hat sie eine klare Intelligenz und ein intuitives Gespür für die Politik, verbunden mit einer großen Neugier.« In seiner Antwort schrieb Generalissimus Trujillo, die Beziehung sei sehr dienlich und solle aufrechterhalten werden. Er müsse jetzt jedoch mit dem Mann der CIA in Guatemala in Kontakt treten, einem Gringo, der sich Mike nenne und mit der Yankee-Botschaft in Verbindung stehe. Dort solle er ihn aufsuchen oder ihm seinen Namen und seine Adresse hinterlassen.

Abbes García wohnte weiterhin im San Francisco, in diesem mittelmäßigen kleinen Hotel, wo er abgestiegen war. Zu Mittag und zu Abend aß er draußen, und wenn er keine anderen Verpflichtungen hatte, ging er später mit Gacel und Bonachea León in ein Bordell. Ein Leben in ausgetretenen Bahnen, wie es schien, doch all seine Energie und seine Aktivitäten hatten kein anderes Ziel als das, was Trujillo ihm aufgetragen hatte.

Während Abbes García noch überlegte, wie er wohl am besten mit diesem Gringo in Kontakt trat, der wahrscheinlich nicht Mike hieß, erhielt er (nicht durch die dominikanische Botschaft, sondern über sein Hotel, dessen Adresse nur Gacel kannte) eine Einladung zum Mittagessen im Hotel Panamerican für zwei Tage später, von einem Herrn, auf dessen Visitenkarte stand: »Mike Laporta. Sachverständiger für Klima, Biogeografie und Umwelt. Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika, Guatemala.« Wie zum Teufel hatte er seine Adresse herausgefunden? Ein klarer Beweis, dass die CIA funktionierte, wie sie sollte.

Mike Laporta war ein Gringo, wie er im Buche stand, auch wenn er, mit leichtem mexikanischem Akzent, sehr gut Spanisch sprach. Er musste zwischen vierzig und fünfundvierzig sein, war blond, der Kopf schon ein wenig kahl, beleibt, kräftig, Arme und Brust rötlich behaart. Die Kurzsichtigenbrille, die er trug, verlieh seinem Blick etwas Unbestimmtes. Er war natürlich, sympathisch, und über Guatemala und ganz allgemein über Mittelamerika schien er alles zu wissen. Aber er brüstete sich nicht damit und war eher um einen etwas schüchternen und zurückhaltenden Eindruck bemüht. Abbes García fragte ihn, wie viele Jahre er schon in dieser Gegend sei, aber er sagte lediglich, begleitet von einer ausholenden Armbewegung: »Ziemlich viele.«

Während sie zu Mittag aßen, tranken sie ein schön kühles Bier, und nach dem Dessert und dem Café stießen sie mit einem Gläschen goldenen Rums an.

Mike bestätigte Abbes García, was der in groben Zügen schon wusste, aber er konnte ihm auch mit zahlreichen Neuigkeiten zu den verschiedenen Fraktionen innerhalb der Armee dienen, in der tatsächlich mehrere Konspirationen im Gange seien. Überrascht war Abbes García dennoch, als er hörte, dass unter den mutmaßlichen Nachfolgern von Castillo Armas die meisten Chancen wohl General Miguel Ydígoras Fuentes habe. Der lebe mittlerweile im Ausland und sei, offenbar auf Anordnung von Castillo Armas, der sich vor ihm fürchte, an einer Rückkehr gehindert. Auch wenn er nicht mehr im Dienst sei, habe er noch viele Anhänger unter den Offizieren und einfachen Soldaten, und das guatemaltekische Volk sei beeindruckt von seinem Ungestüm, seiner Tatkraft und seiner Charakterstärke. Deshalb lasse Castillo Armas ihn nicht zurück ins Land.

»Mit anderen Worten, er hat alles, was diesem Präsidenten fehlt«, schloss Mike. »Generalissimus Trujillo kann zufrieden sein.«

»Ja, er hat eine hohe Meinung von General Ydígoras Fuentes, sie sind Freunde«, sagte Abbes García. »Im Vordergrund steht für Trujillo natürlich das, was für die Guatemalteken am besten ist.«

»Selbstverständlich«, sagte Mike mit einem spöttischen Kichern. »Und der General bewundert Trujillo ebenfalls, so viel steht fest. Für ihn ist er das große Vorbild.«

Sie unterhielten sich über dies und das, und als Abbes García gerade einräumte, dass es ihm, obwohl schon seit Monaten in Guatemala, noch nicht gelungen sei, mit Präsident Castillo Armas unter vier Augen zu sprechen, sagte der Gringo auf einmal, als hätte er sich an etwas erinnert, er würde ihn gerne um einen Gefallen bitten. Welchen? Er möchte ihn Martita vorstellen, dieser Miss Guatemala, der Geliebten des Präsidenten.

»Aber sicher doch, mit dem größten Vergnügen«, sagte der Dominikaner. »Nicht zu glauben, dass Sie die noch nicht kennengelernt haben.«

»Das ist nicht so einfach«, erklärte ihm Mike. »Der Präsident ist sehr eifersüchtig und lässt sie nicht allein vor die Tür. Immer zusammen mit ihm, ob bei Empfängen oder Abendessen, und dazu kommt es offenbar auch nur alle Jubeljahre. Oder, wie man hier sagt, wenn ein Bischof stirbt.«

»Das heißt, die wahre Macht liegt bei ihr«, sagte Abbes. »Nicht bei Doña Odilia Palomo.«

»So ist es«, bestätigte Mike. Und fügte gleich an: »Sagen zumindest die Leute.«

»Ich stelle Sie mit Vergnügen einander vor«, sagte Abbes. »Wir könnten sie in den nächsten Tagen besuchen. Sie ist sehr hübsch, Sie werden sehen.«

»Hoffentlich empfängt sie uns«, murmelte Mike. »Bisher sind alle meine Versuche gescheitert.«

Doch sie empfing die beiden tatsächlich, bei sich zu Hause, und bot ihnen eine Tasse Tee an, dazu Gebäck aus dem Kloster der Klarissinnen. Martita war ein wenig überrascht, als sie Mikes Visitenkarte las, und er erklärte ihr seinen Beruf und seine Funktion in der Botschaft: Er berate den Meteorologischen Landesdienst auf Grundlage der neuesten Forschungen zur Wettervorhersage und auch im Hinblick auf eine geeignetere Politik zum Schutz der Städte angesichts der in dieser vulkanischen Gegend häufigen seismischen Bewegungen.

Als sie sich verabschiedeten, fragte Mike Miss Guatemala, ob er sie ebenfalls wieder besuchen dürfe.

»Nur gelegentlich«, antwortete sie in aller Offenheit. »Carlos ist sehr eifersüchtig und etwas altmodisch. Er mag es nicht, dass ich Männer empfange, wenn er nicht da ist, nicht mal in Begleitung ihrer Frauen.«

Sie lachten, und dann sagte sie noch, mit einem koketten Lächeln:

»Besser, Sie besuchen mich zusammen.«

So machten sie es. Alle zwei oder drei Wochen kamen Johnny Abbes García und der Mann, der nicht Mike hieß und wahrscheinlich auch kein Meteorologe war, mit Blumensträußen und Schachteln Schokolade zum Haus der Geliebten des Präsidenten, tranken Tee und aßen das Gebäck der Klarissinnen. Ihre Unterhaltungen, die zunächst dahinplätscherten, wurden nach und nach politischer.

Abbes García fiel auf, wie Mike der schönen jungen Frau jedes Mal recht subtil und fast beiläufig Informationen entlockte. Ob sie es merkte? Und wie. Abbes García stellte es eines Nachmittags fest, als Mike sie für einen Moment allein ließ, um auf die Toilette zu gehen. Mit leiser Stimme und auf den Mann deutend, der sich da entfernte, sagte Marta:

»Der Gringo ist von der CIA, nicht wahr?«

»Das habe ich ihn nicht gefragt«, sagte Abbes. »Aber wenn, dann würde er es sowieso nicht zugeben.«

»Er versucht mich auszufragen, als wäre ich so blöd und würde das nicht merken«, sagte Martita.

Als sie das Haus schließlich verließen, dachte Abbes García, dass er Mike warnen sollte, und er erzählte ihm, was Marta ihm gesagt hatte. Der Gringo nickte.

»Klar hat sie gemerkt, für wen ich arbeite«, sagte er und kicherte wieder. »Und sie hat Geld verlangt für ihre Informationen. Wir haben einen Pakt geschlossen. Aber vielleicht sollten wir beide über solch heikle Dinge erst mal schweigen.«

»Verstanden«, sagte Abbes García, und er machte auf den Lippen ein kleines Kreuzzeichen.

Sie gingen ins Kino Variedades und sahen sich einen Cowboyfilm an, dem Gringo gefielen die Cowboys gut. Es war ein langsamer Film, mit der schönen Ava Gardner und vielen Schießereien. Danach aßen sie in einem kleinen italienischen Restaurant zu Abend. Sie tranken ein Glas Rum, und dabei war Abbes García so unvorsichtig, Mike vorzuschlagen, den Abend in einem Bordell zu beschließen.

Mikes Gesicht wurde purpurrot. Er sah ihn streng an.

»In solche Lokale gehe ich nie, tut mir leid«, sagte er ungehalten und verzog das Gesicht. »Ich bin meiner Frau und meiner Religion treu.«