Kapitel Fünf
D avid klopfte kurz an die halb geöffnete Tür zum Arbeitszimmer seines Vaters. Der Herzog von Strathmore mochte es nicht, sich vom Rest des Hauses abzuschotten, selbst wenn er bei der Arbeit war. Die einzige Tür, die er jemals verschlossen hatte, war die zur Herzogssuite, die er mit seiner Frau teilte.
«Guten Morgen», sagte David, als sein Vater den Kopf hob und ihm ein einladendes Lächeln schenkte.
«Und dir auch einen guten Morgen, mein Junge», antwortete Ewan. Er kam hinter seinem Schreibtisch hervor, und Vater und Sohn umarmten einander.
«Du siehst sehr munter aus, dafür, dass es noch so früh ist. Ich habe halb erwartet, dass du in deiner Abendkleidung herkommst.»
David ignorierte den halbherzigen Scherz seines Vaters. Erstens, weil er sehr gut gelaunt war, und zweitens, weil er häufigerer in seiner abendlichen Ausgehgarderobe zu seinem wöchentlichen Treffen mit Ewan gekommen war, als er zugeben wollte.
«Ich bin vergangene Nacht zu Hause geblieben. Ich habe einen ruhigen Abend verbracht und ein Buch gelesen. Ein paar Gläser Wein zum Dinner und abends einen Whisky, und dann zeitig ins Bett», antwortete er.
Die Augenbrauen seines Vaters hoben sich. Es sah David überhaupt nicht ähnlich, zu Hause zu bleiben, während die Saison noch in vollem Gange war.
«Du wirst doch nicht krank, oder?», antwortete Ewan.
David lachte. «Ich nehme an, es ist ein wenig untypisch für mich, mich bei dem üblichen Abendvernügen zurückzuhalten, aber nein, mir geht es gut, ich hatte einfach nicht das Bedürfnis, etwas zu trinken oder fröhlich zu sein. Ich habe andere Dinge im Kopf.»
Vater und Sohn gingen zu zwei zueinander passenden Ledersofas, die einander gegenüberstanden. David warf sich auf seine Lieblingscouch am Fenster, während Ewan sich auf die Couch gegenübersetzte.
«Es hat aber nichts mit Lady Clarice Langham zu tun, oder?»
David grinste seinen Vater an, sagte aber nichts.
«Oder mit den plötzlichen Kopfschmerzen deiner Schwester beim Ball neulich?»
«Ich habe Lucy gesagt, sie soll sich nicht die Mühe machen, die Verkupplerin zu spielen, aber sie neigt dazu, mich zu ignorieren, wenn es ihr in den Kram passt. Nicht, dass ihr ungeschickter Versuch, Clarice und mich beim Ball zusammenzubringen, viel Erfolg gehabt hätte.»
Ewan seufzte und verstummte dann. Er sah David an und hielt seinen Blick fest.
«Langham besuchte mich einige Tage vor dem Hochzeitsball. Gerüchte über einen Vorfall auf einer Gartenparty in Richmond hatten meine Ohren erreicht, und ich wollte ihm die Gelegenheit geben, sie zu entkräften. Ich sage es dir, David, wenn er nicht zu meiner Vorladung gekommen wäre, hätte ich durchaus geplant, Langham aufzuspüren und ihm eine Abreibung zu verpassen, die er sein Lebtag nicht vergisst. Alter Familienfreund oder nicht.»
David spürte, wie das Blut aus seinem Gesicht wich.
Oh Gott.
«Was ist passiert?», wollte er wissen.
«Ich war erstaunt, wie gefasst er über die Sache sprach. Er erzählte mir, dass er einige seiner Jungs wegen der Ereignisse mit Clarice zu Alex geschickt hätte. Das arme Mädchen war überzeugt, dass Alex sie heiraten wollte, und musste dann empört feststellen, dass es ein schreckliches Missverständnis war. Um ehrlich zu sein, als Langham sich verabschiedete, war ich soweit, dass ich stattdessen deinem Bruder eine Ohrfeige geben wollte. Es war eine ernüchternde Erfahrung, zu erkennen, dass ich genauso gehandelt hätte wie Langham, wenn es deine Schwester gewesen wäre, der man dermaßen übel mitgespielt hatte.»
«Also hat er es nicht wegen seines Stolzes getan?», fragte David. Sowohl er als auch Alex hatten angenommen, Lord Langham habe sich persönlich beleidigt gefühlt.
Ewan schüttelte den Kopf. «Clarice wurde von deinem Bruder öffentlich gedemütigt. Wohlgemerkt, ich glaube nicht, dass Langham beabsichtigte, deinen Bruder so zuzurichten, wie es geschehen ist. Seine Jungs haben wohl ein wenig heftiger zugelangt als sie sollten.»
David schloss die Augen und senkte den Kopf. Er rieb einen Finger über seine gerunzelte Stirn. Und wenn er die ganze Nacht dauern würde, er war entschlossen, sämtliche gesellschaftlichen Ereignisse dieses Abends abzusuchen, um Clarice zu finden. Auch er hatte ihr Schmerzen verursacht, und es war ihm ein Bedürfnis, das geradezurücken. Er musste es wieder gut machen. Ihr Herz war jetzt die höchste Priorität in seinem Leben.
Er räusperte sich.
«Ich wusste nicht, dass du wusstest, wie Alex zu seinen Verletzungen kam», antwortete er. Er sah zu seinem Vater auf und begegnete Ewans missbilligendem Blick.
Der Herzog schüttelte den Kopf. «Zwar wollte ich gern glauben, dass Alex schwer von seinem Pferd gestürzt war, aber irgendwie wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Ich kann dir nicht sagen, wie enttäuscht ich war, als ich die Wahrheit über diese Sache erfuhr. Der Gedanke, dass meine beiden ältesten Söhne mich unverblümt belogen, war Grund genug für mich, meine Fähigkeiten als Vater infrage zu stellen.»
David nickte. «Alex wollte weder Millie noch Clarice weiteren Schmerz zufügen. Er fühlt sich persönlich für das ganze Chaos verantwortlich.»
«Weil er es ist, obwohl auch du einen großen Teil der Schuld trägst», schnaubte Ewan.
Wenn sein Vater von dem Vorfall wusste, dann, da war David sicher, wusste es auch seine Mutter. Er blies die Wangen auf und wagte es zu fragen.
«Was hat Mama gesagt, als du es ihr gesagt hast?»
Ewan blies ebenfalls die Wangen auf.
«Es genügt zu sagen, dass sie nicht besonders froh war. Langham verdankt die Tatsache, dass er immer noch Haut auf dem Rücken hat, der Tatsache, dass ich deine Mutter bis nach dem Ball im Dunkeln ließ.»
David zuckte zusammen. Er wollte lieber nicht wissen, was sein Vater durchgemacht hatte, um den Frieden zu bewahren.
Er stand auf und blickte zu Boden. «Es tut mir sehr leid, Vater, dass ich dich angelogen habe. Es ist nicht aus Bosheit oder Respektlosigkeit geschehen. Ich habe einfach falsch geurteilt.»
Er spürte das Gewicht der Hand seines Vaters auf seiner Schulter, als Ewan aufstand und sich neben ihn stellte.
«Ich weiß, warum du und dein Bruder es getan haben. Und obwohl es mit den besten Absichten war, darf ich dich daran erinnern, dass dies keine Schlägerei auf dem Schulhof ist, über die wir hier diskutieren? Dies ist ein schwerer Angriff auf ein Mitglied der Familie Radley. Die Familie, deren Oberhaupt ich bin. Ich werde in naher Zukunft mit Alex über diese Angelegenheit sprechen, aber vorerst werde ich sie ruhen lassen. Außerdem habe ich dich heute Morgen nicht hierher gerufen, um dir zu sagen, was für ein Paar verdammter Narren du und dein Bruder gewesen seid. Setz dich, mein Sohn.»
David fühlte sich ziemlich verlegen, als er tat, was sein Vater befohlen hatte, und sich wieder auf die Couch setzte.
Ein Lächeln erschien auf Ewans Gesicht, und er klatschte in die Hände. David blinzelte zweimal und war sich nicht sicher, was er mit der plötzlichen Veränderung der Stimmung seines Vaters anfangen sollte.
«Ich habe Neuigkeiten für dich. Wunderbare Neuigkeiten», sagte Ewan.
Er holte einen großen Stapel Papiere von seinem Schreibtisch und legte sie auf einen niedrigen Tisch. Diesen Tisch stellte er zwischen die beiden Sofas, bevor er sich schließlich auf dieselbe Couch wie David setzte.
«Rutsch mal, Junge, mach etwas Platz für mich.»
David runzelte die Stirn. Er hatte Pläne gemacht, sich heute Morgen in seinem Club mit Freunden zu treffen. Jetzt schien es, als würde er seinen Tag damit verbringen, sich mit Fragen des herzoglichen Nachlasses zu befassen.
Er seufzte. «Ich hatte gehofft, jetzt, wo Alex verheiratet ist, könntest du Millie in einige der Aufgaben des Nachlasses einweisen. Es wird ihr irgendwann überlassen sein, den größten Teil des Papierkrams zu erledigen. Apropos, wo ist Alex?», sagte David.
«Deine Schwägerin weiß genau, welche Aufgaben ihr nach Ablauf dieser Saison übertragen werden. Ich habe bereits mehrere Treffen mit ihr gehabt. Zum Glück für uns hat Alex eine ziemlich kluge junge Dame als seine zukünftige Herzogin ausgewählt, sodass die Arbeitsbelastung sowohl von dir als auch deiner Mutter bald abnehmen wird. Alex ist heute nicht hier, weil heute ein Moment nur für dich und mich ist. Vater und Erstgeborener.»
David sah sich noch einmal die Papiere an. Sie sahen nicht wie die üblichen Briefe und Berichte aus, die er und sein Vater gemeinsam durcharbeiteten. Alex, der sein ganzes Leben lang darunter gelitten hatte, dass er nicht lesen konnte, saß normalerweise da und hörte den Vorgängen zu.
Ewan durchsuchte den Stapel und zog ein gefaltetes Dokument heraus. Er gab es David.
Auf der Außenseite stand das Wort Kaufvertrag.
«Öffne es und lies die erste Seite oder so», sagte er.
David löste die Schnur, die das Dokument band, und begann zu lesen. Nach dem vierten Satz stieß er einen lauten Schrei aus und sprang auf die Füße.
«Nein! Das hast du nicht getan!», schrie er und schwang das Papier zu seinem Vater.
Lächelnd stand Ewan auf. «Ja, das habe ich, und es gehört dir. Unterzeichnet, versiegelt und erledigt.»
«Aber warum? Ich weiß, wie viel sie dafür verlangt haben. Wie kannst du den Familienbesitz um eine solche Summe erleichtern? Alex wird wütend sein», stammelte David.
Er sah auf den Vertrag hinunter und schüttelte den Kopf. Was sein Vater ihm hier übereignete, war jenseits von allem, was er jemals für möglich gehalten hatte.
Ewan gab ihm ein weiteres Dokument. Es war eindeutig als Eigentumsurkunde gekennzeichnet.
«Alex und Millie waren unbeschreiblich begeistert, als ich ihnen erzählte, was ich mit dem Bargeld aus Millies Mitgift plante. Beide waren sich einig, dass es an der Zeit ist, dir zu helfen, deine eigene Zukunft zu gestalten. Alex hat sich sogar zwei Tage vor seiner Hochzeit davongeschlichen und mit mir einen geheimen Besuch auf dem Anwesen gemacht.»
Heiße Tränen stachen in Davids Augen. Er blinzelte sie weg, als er noch einmal auf die Papiere starrte, die er in seiner zitternden Hand hielt.
Er war jetzt der stolze Besitzer von Sharnbrook Grange. Sein eigenes Anwesen.
Sein Vater legte einen Arm um Davids Schulter. «Und einer der schönsten Aspekte dieses Anwesens ist die Nähe zu London. Du kannst ohne Weiteres hin und her reisen.»
David lächelte. «Ich hatte mich oft gefragt, ob Sie mir ein weit entferntes Stück Schottland hinterlassen würden - nicht, dass ich undankbar gewesen wäre. Aber die Aussicht, so weit von London entfernt zu sein, war mir ehrlich gesagt nicht besonders recht.»
«Nein, dein Bruder kann derjenige sein, der mehrmals im Jahr die lange Reise nach Strathmore Castle unternimmt. Wenn er eines Tages der Herzog sein wird, weiß er, dass Opfer gebracht werden müssen.»
Ewan nahm ihm die Eigentumsurkunde ab und öffnete sie. Darin befand sich eine Vermessungskarte von Sharnbrook.
«Dies ist das Dorf. Hier siehst du, dass es nur einen Steinwurf entfernt ist. Und hier ist das Herrenhaus», sagte er und zeigte auf eine große rechteckige Form auf der Karte. Rechts vom Haus befand sich ein schattiger Bereich mit der Aufschrift Temple Wood.
David nickte. Er hatte Sharnbrook Grange schon einmal gesehen, als er und Alex zu einem Freund gereist waren, der auf der anderen Seite von Bedford lebte.
«Wann kann ich es besuchen?», antwortete er.
Sein Vater faltete die Übereignungsurkunde und reichte sie ihm.
«Es gehört dir; du kannst damit machen, was du willst.»
David sah auf das Papierbündel in seiner Hand hinunter und traf sofort eine Entscheidung. Er wusste, dass es langwierig und nicht ungefährlich war, Clarices Hand gewinnen zu wollen. Bis heute hatte er, abgesehen von seinem Charme und seinem guten Aussehen, wenig zu bieten. Der Besitz eines solchen Anwesens, das ein laufendes Einkommen erwirtschaftete, konnte nur dazu beitragen, seiner Werbung, um sie den Rücken zu stärken.
«Ich werde morgen früh hinreisen. Es gibt nur eine dringende Angelegenheit, um die ich mich heute Abend kümmern muss, daher hätte der Zeitpunkt für dieses großartige Geschenk nicht besser sein können. Außerdem werden wir alle besser zurechtkommen, je früher ich das Personal dort mit meiner Anwesenheit konfrontiere.»
Sein Vater steckte eine Hand in seine Jackentasche und zog ein gefaltetes Stück Papier heraus. Noch eine Überraschung?
«Möglicherweise möchtest du das auf später in der Woche verschieben. Deine Mutter und ich besuchen morgen Abend mit Alex und Millie die Oper. Wir hatten gehofft, du würdest dich uns anschließen», sagte er, faltete die Tickets auseinander und zeigte sie ihm.
David verzog das Gesicht. Er hasste die Oper.
«Wirklich? Muss ich einen ganzen Opernabend durchstehen? Könntest du mir nicht einfach mit einer neunschwänzigen Katze die Haut abziehen?»
Ewan lachte. «Habe ich erwähnt, dass ich Langham und seine Tochter eingeladen habe und dass er sich gestern spät entschuldigt hat? Glücklicherweise ist Lady Alice Langham gerade in der Stadt angekommen, sodass die Gräfin-Witwe Clarice an seiner Stelle eskortieren wird.»
Eine warme Welle der Erleichterung überkam David, und er nahm das Ticket entgegen.
«Ich dachte mir, dass das deine Aufmerksamkeit wecken würde. Also, wir sehen uns am Donnerstag um sieben hier zum Abendessen, bereit für die Oper um neun?», fragte Ewan.
David nickte. Die Gelegenheit, einen privaten Moment mit Clarice zu stehlen, ohne dass ihr Vater dabei war, war zu gut, um sie zu verpassen. Vielleicht begann sich sein Schicksal endlich zum Besseren zu wenden.
Nach einem kurzen Hallo an seine Mutter und seine jüngeren Geschwister verließ David Strathmore House. Er war schon auf halbem Weg zur Bird Street, um Alex die guten Nachrichten zu überbringen, als er seine Meinung änderte und beschloss, stattdessen nach Hause zu fahren.
Bei Alex und seiner jungen Braut früh am Morgen vorbeizuschauen wäre gelinde gesagt, sehr dumm gewesen
«Nur das Beste euch beiden», schmunzelte er und dachte daran, wie glücklich Millie seinen Bruder gemacht hatte.
Er nahm sich vor, Millies Vater dafür zu danken, dass er in Indien genug Vermögen angehäuft hatte, um seiner Tochter eine so beträchtliche Mitgift zu geben. Es gab nur wenige andere Mädchen in ganz England, deren Mitgift Sharnbrook Grange hätte kaufen können.
«Ich entnehme dem breiten Lächeln auf Davids Gesicht, dass dein Geschenk seine Zustimmung fand», sagte Lady Caroline Radley, als sie in das Arbeitszimmer ihres Mannes trat, kurz nachdem David gegangen war.
Der Herzog, der einen Brief in der Hand hielt, sah auf und lächelte. «Ein bisschen überwältigt, würde ich sagen. Ich dachte, er würde in Ohnmacht fallen, als ich ihm die Urkunde reichte.»
Caroline trat an die Seite ihres Mannes, und Ewan zog sie in seine Arme.
«Ich bin einfach so froh, dass wir das für ihn tun konnten. Nun, da Alex verheiratet ist, hatte ich die Befürchtung, dass David nicht mehr weiterwissen würde. Nun hat er zumindest etwas Sinnvolles zu tun», sagte er.
Die Herzogin sah zu ihrem Ehemann auf und bot ihm ihre Lippen dar. Er gab ihnen einen langen und zärtlichen Kuss.
«Was hast du?», fragte sie, als sie sich schließlich voneinander lösten.
Der Herzog sah auf den Brief hinunter und blickte finster drein.
«Der Brief, den deine Schwester geschrieben hat», antwortete er und reichte ihn ihr.
Caroline öffnete den Brief und las ihn schnell, bevor sie ihn wütend in ihrer Hand zerknüllte. Sie schüttelte den Kopf.
«Wie konnte sie jemals so hasserfüllte Worte über ein ungeborenes Kind schreiben? Es war nicht Davids Schuld, dass sie sich entschied, mit diesem Marineoffizier davonzulaufen, wenn sie hätte bleiben und dich heiraten sollen. Und es war sicherlich nicht seine Schuld, dass sie von diesem Schuft verlassen wurde. Wenn ich daran denke, dass sie eine Dosis Gift genommen hat, um sich von Ihrem Baby zu befreien, möchte ich schreien. Gott sei Dank hat sie nicht genug davon genommen.»
Ewan seufzte. Der Schmerz, zu entdecken, dass seine Verlobte ihre Schwangerschaft vor ihm verborgen und ihren Sohn zu einem Leben der Illegitimität verurteilt hatte, brannte immer noch heftig in seinem Herzen. Ganz gleich, wie weit es inzwischen zurücklag, seit Beatrice bei der Geburt gestorben war, er fand es immer noch unmöglich, ihr zu vergeben.
«Bitte sag mir, dass du nicht vorhast, dies meinem Sohn zu zeigen. Er braucht nicht zu wissen, dass sie versucht hat, ihn vor der Geburt zu töten», sagte Caroline.
Ewan konnte die wilde Entschlossenheit in ihrem Gesicht sehen. Sie hatte David vielleicht nicht zur Welt gebracht, aber nachdem sie ihn seit seinen Tagen als Baby aufgezogen hatte, betrachtete sie ihn als ihr Fleisch und Blut. Caroline war Davids Mutter, und der liebe Gott sollte lieber Erbarmen mit all jenen haben, die es infrage stellten.
«Nein, das würde ich ihm niemals antun. Ich habe die Existenz dieses Briefes fast sechsundzwanzig Jahre lang geheim gehalten, und ich beabsichtige, seinen Inhalt mit ins Grab zu nehmen.»
«Wie ich», antwortete Caroline.
«Heute ist der Tag, an dem sich sein Leben von Grund auf ändert. Ein großer Schritt vorwärts für ihn. Es schmerzt mich zu glauben, dass dieser Brief ihn erreichen und verletzen könnte.» Er warf einen Blick auf den Kamin und die goldenen Flammen, die an den Scheiten leckten. «Ich weiß nicht, warum ich das Schreiben behalte.»
Caroline sah zu ihrem Ehemann auf. «Ich auch nicht.» Mit einer geschickten Bewegung ihres Handgelenks flog der zerknitterte Brief aus ihrer Hand und landete im Feuer. Hell ging das Papier in Flammen auf.
Der Herzog und die Herzogin von Strathmore standen nebeneinander und sahen zu, wie das Feuer die bitteren Worte von Schuld und Sühne fraß, bevor es sie in Asche verwandelte.
Ewan legte seine Arme noch einmal um seine Frau und küsste Caroline zärtlich auf die Stirn.
«Vielen Dank. Das hätte ich schon vor Jahren tun sollen. Ich weiß, dass sie deine Schwester war, aber ich werde nicht zulassen, dass sie meinen Sohn von jenseits des Grabes zerstört», sagte er.
«Unseren Sohn», antwortete Caroline.